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Corona II: Ist das InfektionsschutzG verfassungsmäßig?, oder: Das AG Wuppertal fragt das BVerfG

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Und als zweite Entscheidung zu Corona dann der AG Wuppertal, Beschl. v. 05.07.2021 – 82 OWi-623 Js 547/21-12/21. Das AG hatte/hat über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

„Am 12.12.2020 gegen 23:05 Uhr stieg die Betroffene gemeinsam mit dem Zeugen H an der Bushaltestelle „T-Straße“ in Y aus den Bus und lief mit dem genannten Zeugen die T-Straße in nördliche Richtung. Auf der T-Straße trafen die Betroffene und der Zeuge sodann gegen 23:10 Uhr vor dem Haus mit der Nr. 58 auf insgesamt fünf ehemalige Mitschüler der Betroffenen. Über das zufällige Zusammentreffen erfreut stellten sich die insgesamt sieben Personen zusammen und unterhielten sich für mindestens anderthalb Minuten, wahrscheinlich deutlich länger. Hierbei tauschte man insbesondere Erinnerungen über „alte Zeiten“ aus. Die an dem Treffen beteiligten Personen hatten alle das 18. Lebensjahr vollendet und entstammten zum Zeitpunkt des Treffens jeweils unterschiedlichen, also insgesamt sieben verschiedenen Hausständen. Keiner von den Beteiligten trug eine Maske, auch hielten die Beteiligten keinen Abstandstand von 1,5 Meter untereinander ein, sondern standen vielmehr bei ihren Unterhaltungen jeweils in Armlänge voneinander entfernt. Der Betroffenen war bewusst, dass derartige Zusammentreffen im öffentlichen Raum durch die in Nordrhein-Westfalen zum Tatzeitpunkt geltenden Coronaschutzverordnung vom 30.11.2020 in der ab dem 09.12.2020 gültigen Fassung (im Folgenden: CoronaSchVO) verboten waren und Verstöße mit Bußgeld sanktioniert wurden. Aufgrund der Freude über das unverhoffte Zusammentreffen mit ihren ehemaligen Mitschülern entschloss sie sich jedoch zu dem Verstoß gegen die CoronaSchVO.

Aufgrund des dargestellten Sachverhalts erließ das Ordnungsamt der Stadt Y unter dem 26.01.2021 einen Bußgeldbescheid gegen die Betroffene, in dem eine Geldbuße von 250 €

Das AG geht davon aus, dass „sich die Betroffene objektiv eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1a CoronaSchVO schuldig gemacht. Ihr war das gegenständliche Verbot auch bekannt, sie entschied sich vorliegend bewusst für den Verstoß. Dementsprechend ist gemäß § 18 Abs. 1, 2 Nr. 1 CoronaSchVO ein Bußgeld gegen sie verhängt worden.

Aber: Das AG hält die Verordnungsermächtigung für verfassungswidrig und hat deshalb das BVerfG angerufen und ihm folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:

Ist § 32 S. 1 Infektionsschutzgesetz (in der vor dem 23.04.2021 geltenden Fassung) i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 Infektionsschutzgesetz, § 28a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 3, 5 und 6 Infektionsschutzgesetz (in der vor dem 31.03.2021 geltenden Fassung) mit Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar?

Corona I: Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, oder: Verfassungsmäßig

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Und zum Wochenstart zwei „Corona-Entscheidungen“.

Zunächst stelle ich den KG, Beschl. v. 13.08.2021 – 3 Ws (B) 198/21 – vor. Es geht um die Verfassungsmäßigkeit der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in öffentlichen Verkehrsmitteln.

Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin hat gegen die Betroffene wegen einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung gegen § 4 Abs. 1 SARS-CoV-2 IfSV Bln eine Geldbuße von 150 EUR festgesetzt. Auf ihren Einspruch hat das Amtsgericht Tiergarten die Betroffene wegen des im Bußgeldbescheid bezeichneten vorsätzlichen Verstoßes zu einer Geldbuße von 100 EUR verurteilt. Im Einzelnen hat es festgestellt, dass die Betroffene am 02.07.2020 um 20.49 Uhr am S- Bahnhof Westkreuz eine in Richtung Potsdam fahrende S-Bahn betreten hat, ohne eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Auch nachdem die Betroffene durch eine Polizeibeamtin aufgefordert worden war, weigerte sie sich, eine Maske anzulegen. Selbst nach der anschließenden Personalienfeststellung, zu der die Betroffene die S-Bahn verlassen musste, hatte die Betroffene kein Einsehen und bestieg die nächste Bahn wiederum ohne Maske.

Gegen diese Verurteilung wendet sich die Betroffene mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Sie beanstandet die Anwendung des § 4 Abs. 1 SARS-CoV-2 IfSV u.a. deshalb, weil die Vorschrift nicht verfassungsgemäß zustande gekommen und auch materiell unverhältnismäßig, mithin verfassungswidrig sei. Daneben sei die Tat auch nicht, wie es die Vorschrift formuliere, „in geschlossenen Räumen“ begangen worden. Schließlich macht die Betroffene geltend, geglaubt zu haben, nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 SARS-CoV-2 IfSV aus gesundheitlichen Gründen von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit gewesen zu sein.

Das KG hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, sie dann aber als unbegründet verworfen. Hier die Leitsätze der Entscheidung:

  1. Aus dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG folgt, dass der Begriff der „Schutzmaßnahmen“ umfassend ist und der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum an geeigneten Schutzmaßnahmen eröffnet, welches durch die Notwendigkeit der Maßnahme im Einzelfall begrenzt wird.

  2. Staatliche Regelungen, die auch den vermutlich gesünderen und weniger gefährdeten Menschen in gewissem Umfang Freiheitsbeschränkungen abverlangen, sind zulässig, wenn gerade hierdurch auch den stärker gefährdeten Menschen, die sich ansonsten über längere Zeit vollständig aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückziehen müssten, ein gewisses Maß an gesellschaftlicher Teilhabe und Freiheit gesichert werden kann (Anschluss an VfGH Bln, Beschluss vom 20. Mai 2020 – VerfGH 81 A/20 -).

  3. Bei der gegebenen Gefährdungslage mit erheblichen prognostischen Unsicherheiten, die auch eine katastrophale Überlastung des Gesundheitswesens einbezog, war der Rückgriff auf die infektionsschutzrechtliche Generalklausel, zumindest für eine Übergangszeit, hinzunehmen.

Corona II: Substanzlose Anregung im Internet für ein Kindesschutzverfahren, oder: Kosten für den Urheber?

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Die zweite Entscheidung kommt aus Bayern, und zwar vom OLG München. Das hat im OLG München, Beschl. v. 01.06.2021 – 2 WF 528/21 – zur Kostenentscheidung in einem Kindesschutzverfahren wegen behördlicher Coronamaßnahmen Stellung genommen.

Der nicht sorgeberechtigte Vater eines Kindes hatte mit Antrag vom 16.03.2021 die Einleitung eines Kinderschutzverfahrens durch das AG angeregt, da das körperliche, seelische und geistige Wohl seines Sohnes und aller weiterer Schulkinder der Grundschule aufgrund des Tragens eines Mund- und Nasenschutzes während und außerhalb des Unterrichts, infolge der Wahrung räumlicher Distanz und durch die Testverfahren gefährdet sei. Sollte ein Hauptsacheverfahren kurzfristig nicht möglich sein, möge im Wege der einstweiligen Anordnung entschieden werden. Er verwendete hierfür ein von dem Beschwerdeführer im Internet veröffentlichtes Muster.

Das AG leitete ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und ein Hauptsacheverfahren ein, bestellte für das Kind jeweils einen Verfahrensbeistand und bestimmte im Verfahren wegen einstweiliger Anordnung Termin zur mündlichen Verhandlung, zu dem es das Kind, den Verfahrensbeistand, das Jugendamt und die Eltern lud. Die daraufhin erstmals mit dem Antrag konfrontierte allein sorgeberechtigte Mutter des Kindes wandte sich gegen die Durchführung des Verfahrens und die Anhörung des Kindes. Der Vater habe ein vorgefertigtes Schreiben aus dem Internet an das Gericht gesandt. Der Vater nahm die Anregung zurück. Die Verfahrensbeiständin erstattete einen ausführlichen Bericht, in dem sie das Ergebnis ihrer Kontaktaufnahme mit den Eltern schilderte. Insbesondere gaben beide Eltern an, bei dem betroffenen Kind keine gesundheitlichen oder psychischen Auswirkungen durch das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zu bemerken.

Mit Beschluss vom 03.05.2021 hat das AG entschieden, dass der Beschwerdeführer die Kosten einschließlich gerichtlicher Auslagen des Hauptsacheverfahrens und des Eilverfahrens als nicht beteiligter Dritter gemäß § 81 Abs. 4 FamFG zu tragen habe. Der Beschwerdeführer habe das Tätigwerden des Gerichts im Sinne dieser Vorschrift veranlasst, da er ein bis ins Detail ausgearbeitetes Muster einer entsprechenden Anregung an das Familiengericht im Internet als Download angeboten habe, ohne das es nicht zu den Verfahren gekommen wäre. Die Einleitung entsprechender Verfahren sei durch den Beschwerdeführer zudem im Internet aktiv beworben worden. Dieses Vorgehen sei auch grob schuldhaft, da der Eindruck vermittelt worden sei, die Familiengerichte seien befugt, derartige Anordnungen zu erlassen. Die Überprüfung der fraglichen Anordnungen sei jedoch den Verwaltungsgerichten vorbehalten. Eine Entscheidung des Familiengerichts wäre offensichtlich rechtswidrig.

Dagegen die Beschwerde, die beim OLG Erfolg hatte:

„1. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Beschluss des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen war daher aufzuheben. Das Schreiben des Vaters des betroffenen Kindes an das Amtsgericht war als Anregung zur Einleitung eines Kinderschutzverfahrens formuliert. Gemäß § 24 Abs. 1 FamFG entscheidet das Gericht selbst, ob es auf die Anregung hin ein Verfahren einleitet, oder dies unterlässt. Letzteres ist dem Anregenden gemäß § 24 Abs. 2 FamFG mitzuteilen. Eine Pflicht zur Einleitung eines Verfahrens folgt nicht aus der Anregung, sondern alleine aus sachlichem Recht (Keidel/Sternal, FamFG, 19. Aufl., § 24 Rn. 3). Die Anregung vom 16.03.2021 formuliert das Rechtsschutzziel dahingehend, dass die Maßnahmen des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes etc. durch das Familiengericht beendet werden und die Rechtmäßigkeit der diesen Anordnungen zugrundeliegenden Vorschriften der Verordnung des Landes Bayern überprüft werden sollen. Wie das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen richtig feststellt, ist der Rechtsweg zu den Familiengerichten vorliegend nicht eröffnet. Inhalt der Anregung ist nämlich nicht eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls durch die Sorgeberechtigten oder dritte Personen, sondern die allgemeine Überprüfung der infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen. Dies obliegt alleine den Verwaltungsgerichten (OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.05.2021, 4 UF 90/21; OLG Nürnberg, Beschluss vom 27.04.2021, 9 WF 342/21; OLG Jena, Beschluss vom 19.05.2021, 1 UF 136/21).

Es bestand daher für das Amtsgericht auch nach seiner Rechtsauffassung kein Anlass zur Einleitung eines, schon gar nicht zweier Verfahren. Die entstandenen Kosten beruhen daher nicht auf dem Verhalten des Beschwerdeführers.

Die Kosten des Verfahrens waren auch nicht den Eltern aufzuerlegen. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG sind Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht zu erheben. Der Rechtsgedanke dieser Vorschrift kann im Rahmen der Kostengrundentscheidung entsprechend herangezogen werden.“

Corona I: Sperrung von Sitzungssälen wegen Corona, oder: Hemmung der Unterbrechungsfrist

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In die 33. KW. starte ich dann erneut mit zwei Entscheidungen zu Corona.

Den Opener mache ich mit dem OLG Oldenburg, Beschl. v. 23.06.2021 – 1 Ss 235/20. Der Angeklagte ist nach Freispruch durch das AG vom LG wegen Urkundenfälschung verurteilt worden. Mit der Verfahrensrüge hat er einen Verstoß gegen § 229 StPO geltend gemacht. Ohne Erfolg:

„b) Ergänzender Ausführungen bedarf es nur bezüglich der – im Ergebnis nicht durchgreifenden – Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte einen Verstoß gegen die Unterbrechungsvorschrift des § 229 StPO geltend macht, wonach die Hauptverhandlung mehr als drei Wochen lang unterbrochen gewesen sei, ohne dass ein Beschluss nach § 229 Abs. 5 StPO oder ein solcher nach § 10 EGStPO getroffen worden sei.

aa)  Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Die Hauptverhandlung über die Berufung des Angeklagten, die am 21. August 2020 begonnen hatte, wurde noch am selben Tag unterbrochen und erst am 17. September 2020 wieder fortgesetzt. Ein Beschluss nach § 229 Abs. 5 StPO bzw. § 10 Abs. 1 Satz 2 EGStPO (in der ab dem 28. März 2020 gültigen Fassung) erfolgte nicht.

Ausweislich der vom Senat deswegen freibeweislich (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 18.02.2016 – 1 StR 590/15, NStZ-RR 2016, 178) eingeholten dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden waren nach Ausbruch der Covid-19-Pandemie bereits im März 2020 drei kleinere Sitzungssäle des Landgerichts Oldenburg, die zuvor insbesondere für die Sitzungen der kleinen Strafkammern zur Verfügung gestanden haben, gesperrt worden, da in diesen Sälen die Abstands- und Hygieneregeln nicht eingehalten werden konnten. Insofern hatten ab März 2020 nur noch drei Sitzungssäle für Strafsachen zur Verfügung gestanden, welche jedoch regelmäßig aufgrund vorrangig zu verhandelnder Haft- und sonstiger Eilsachen „überbucht“ waren. Dieser Zustand dauerte zum Zeitpunkt der Sitzungsunterbrechung am 21. August 2020 noch an. Zwar stand zu diesem Zeitpunkt bereits fest, dass im September angemietete Container als Sitzungssäle zur Verfügung stehen würden; tatsächlich konnten diese jedoch erst ab dem 7. September 2020 als Ausweichmöglichkeit genutzt werden.

Aus einer vom Vorsitzenden zugleich übermittelten Übersicht ergibt sich wiederum, dass im gesamten September 2021 die regulären, den Abstands- und Hygieneregeln entsprechenden Sitzungssäle bereits durch die vorrangigen Strafsachen mehr als ausgelastet waren.

bb) Vor diesem Hintergrund liegt ein Verstoß gegen die dreiwöchige Unterbrechungsfrist des § 229 Abs. 1 StPO nicht vor, da diese gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EGStPO wegen Infektionsschutzmaßnahmen gehemmt war.

Nach dieser Vorschrift ist der Lauf der in § 229 Abs. 1 und 2 StPO genannten Unterbrechungsfristen unabhängig von der Dauer der Hauptverhandlung gehemmt, solange die Hauptverhandlung aufgrund von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) nicht durchgeführt werden kann, längstens jedoch für zwei Monate; diese Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung.

(1) Der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Satz 1 EGStPO ist bewusst weit gefasst worden und umfasst sämtliche Gründe, die der ordnungsgemäßen Durchführung einer Hauptverhandlung aufgrund von Infektionsschutzmaßnahmen der Gerichte und Gesundheitsbehörden entgegenstehen können (vgl. BT-Drs. 19/18110, S. 32). Die Unmöglichkeit der Durchführung der Hauptverhandlung kann auf Anordnungen und Empfehlungen der Gerichtsverwaltung oder der Gesundheitsbehörden beruhen, sie kann sich aber auch daraus ergeben, dass ein Gericht auf Notbetrieb geschaltet hat oder dass die Abstände zwischen den Verfahrensbeteiligten nicht eingehalten werden können (vgl. BT-Drs. 19/18110, S. 33).

In Ansehung dessen handelt es sich bei der Sperrung der kleineren Sitzungssäle durch die Gerichtsverwaltung ersichtlich um Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus. Denn diese Maßnahme erfolgte aufgrund des Umstandes, dass in diesen Räumlichkeiten die pandemiebedingten Abstands- und Hygieneregeln nicht eingehalten werden konnten. Die in diesem Zusammenhang vorgenommene Priorisierung der Haftsachen mit der Folge der fehlenden bzw. schlechten Verfügbarkeit der Säle für Nichthaftsachen, insbesondere auch für Berufungsverfahren, stellt sich als mittelbare Auswirkung dieser Schutzmaßnahmen dar, die nach dem Willen des Gesetzgebers ebenfalls vom Tatbestand des § 10 Abs. 1 Satz 1 EGStPO gedeckt ist (vgl. BT-Drs. 19/18110, S. 33).

(2) Dabei steht der Annahme der Hemmung von vornherein nicht entgegen, dass die Strafkammer keinen Beschluss über den Beginn und das Ende der Hemmung gefasst hat. Denn die Hemmung des § 10 Abs. 1 Satz 1 EGStPO tritt kraft Gesetzes ein (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2020 – 4 StR 431/20, NJW 2021, 1025; Beschluss vom 11.03.2021 – 1 StR 458/20, BeckRS 2021, 7948). Der – hier fehlende – Feststellungsbeschluss hat nur insoweit konstitutive Wirkung, als er den Beginn und das Ende der Hemmung unanfechtbar feststellt (vgl. BGH, a.a.O.; Beschluss vom 18.02.2016 – 1 StR 590/15, NStZ-RR 2016, 178).

(3) Da es sich bei der Frist in § 229 Abs. 1 StPO um eine Zwischenfrist handelt, in deren Berechnung weder der Tag, an dem die Unterbrechung angeordnet wird, noch derjenige, an dem die Verhandlung fortgesetzt wird, einzurechnen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.07.2020 – 6 StR 114/20, NStZ 2020, 622 m.w.N.), umfasst hier der Unterbrechungszeitraum im Ausgangspunkt 26 Tage. Nimmt man nunmehr den Eingangs dargestellten Verfahrensablauf in den Blick, war jedenfalls im Zeitraum vom 1. September 2020 – eine Übersicht über die Belegung der regulären Sitzungssäle für die Zeit vom 22. bis zum 31. August 2020 liegt nicht vor – bis zum 7. September 2020, mithin dem Zeitpunkt, ab dem die Container zur Nutzung zur Verfügung standen, der Lauf der Frist des § 229 Abs. 1 StPO gehemmt. Zieht man diesen Zeitraum von sieben Tagen vom Unterbrechungszeitraum ab, so umfasst Letzterer nur 19 Tage, so dass die Unterbrechungsfrist noch nicht ausgeschöpft worden ist. Überdies lief die Frist gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz EGStPO ohnehin frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung, demnach erst am 17. September 2020 ab, so dass die Verfahrensrüge – auch unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen im Schriftsatz des Verteidigers vom 28. Mai 2021 – keinen Erfolg hat.“

Corona II: Testpflicht für alle vor der Zutritt zur HV, oder: Geht das OLG Celle damit nicht zu weit?

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Und als zweite Entscheidung dann der OLG Celle, Beschl. v. 02.08.2021 – 2 Ws 230/21 u. 2 Ws 234/21. Es geht um die Rechtsmäßigkeit einer Sicherungsverfügung. Die Vorsitzende einer Jugendkammer des LG Hannover hatte für die am 12. August 2021 beginnende Hauptverhandlung eine Sicherheitsverfügung erlassen, wonach Verfahrensbeteiligte, Zeugen und Zuschauer nur mit negativem Coronatest in den Saal einzulassen sind und für den Nachweis ein tagesaktueller Schnelltest in einem Testzentrum oder der Teststation des LG erforderlich ist. Dagegen wenden sich die Verteidiger der Beschuldigten. Sie hatten beim OLG keinen Erfolg:

„2. In der Sache sind die Beschwerden unbegründet. Die Verweigerung des Zutritts zum Sitzungssaal für nicht oder negativ getestete Personen ist von der Ermächtigung des Vorsitzenden zur Ausübung der Sitzungspolizei gemäß § 176 Abs. 1 GVG gedeckt und beruht auf einer fehlerfreien Ausübung des — weitreichenden — Ermessens der Vorsitzenden.

a) Die Regelung des § 176 Abs. 1 GVG ermächtigt — als „sitzungspolizeiliche Generalklausel“ (BVerfG, Beschluss vom 27. Juni 2006, 2 BVR 677/05, juris) — zu allen Maßnahmen, die erforderlich sind, um den ungestörten und gesetzesmäßigen Ablauf der Sitzung zu gewährleisten (Kissel/Mayer, GVG § 176 Rn. 13; KK-StPO/Diemer, GVG § 176 Rn. 1; Löwe-Rosenberg/Wickern, GVG § 176 Rn. 1). Dazu gehören auch Maßnahmen zum Schutz der Verfahrensbeteiligten (Kissel/Mayer, GVG § 176 Rn. 13; KK-StPO/Diemer, GVG § 176 Rn. 1.; MüKoStPO/Kulhanek, GVG § 176 Rn. 1). Die Ermächtigung erstreckt sich deshalb auch auf Maßnahmen zur Verhinderung einer Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (OLG Celle, Beschluss vom 15. April 2021, NdsRpfl 2021, 251; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 28. September 2020, 1 BvR 1948/20, juris).

Als förmliches Gesetz ermächtigt § 176 Abs. 1 GVG auch zu Eingriffen in die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführer (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Dasselbe gilt —vorbehaltlich der Verhältnismäßigkeitsprüfung – grundsätzlich auch für etwaige Eingriffe in deren Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, denn auch dieses steht gemäß Art. 2 Absatz 2 Satz 3 GG unter einem Gesetzesvorbehalt. Dem steht hinsichtlich der hier zur Prüfung stehenden Zugangsbeschränkung für ungetestete Personen auch nicht der verfassungsrechtliche Wesentlichkeitsgrundsatz entgegen, wonach der Gesetzgeber in allen grundlegenden normativen Bereichen die Ermächtigungsgrundlagen so konkret auszugestalten hat, dass er in Form konkreter gesetzliche Regelungen die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 19. September 2018, BVerfGE 150, 1). Denn unabhängig davon. dass eine Testung nicht mit wesentlichen Grundrechtseingriffen verbunden ist (vgl. dazu unten), ist es insbesondere für vielgestaltige, komplexe und schwer vorhersehbare Regelungsmaterien zulässig. dass der Gesetzgeber dem Rechtsanwendungsorgan durch unbestimmte Rechtsbegriffe und Einräumung von Ermessen einen größeren Handlungsspielraum überlässt (BVerfG a. a. 0). Der Sinn von Generalklauseln kann dann gerade darin bestehen, auf schwer vorhersehbare und nicht typisierbare Situationen reagieren zu können (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 24. November 2020, 1 B 362/20, juris). Dies gilt ebenfalls für die Ausübung der Sitzungspolizei, die notwendigerweise vielgestaltige und nicht abschließend katalogisierbare Situationen zum Gegenstand hat (vgl. Kissel/Mayer, GVG § 176 Rn. 13; KK-StPO/Diemer, GVG § 176 Rn. 1). Im Rahmen der dynamischen Entwicklung der Covid-19-Pandemie und der staatlichen Strategien zur Pandemiebekämpfung ist die Testung von Verfahrensbeteiligten bislang auch nicht zu einem gängigen Instrument der Sitzungspolizei geworden, das im Sinne einer vorhersehbaren Standardmaßnahme eine Konkretisierung durch den Gesetzgeber nahe legen oder erforderlich machen würde.

b) Die auf der Grundlage von § 176 Abs. 1 GVG getroffene Sicherungsverfügung ist nicht zu beanstanden.

aa) § 176 GVG ermächtigt den Vorsitzenden zu den nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Maßnahmen. Dem Vorsitzenden kommt danach ein weiter Ermessensspielraum zu; das Ermessen des Vorsitzenden bezieht sich sowohl auf die Frage, ob überhaupt eingeschritten wird, als auch darauf. in welcher Weise auf eine drohende Störung unter Abwägung der von der Anordnung betroffenen Rechtsgüter unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu reagieren ist (OLG Celle, Beschluss vom 15. April 2021, NdsRpfl 2021, 251; BeckOK-GVG/Allgayer, § 176 Rn. 4). Im Beschwerdeverfahren unterliegt diese Entscheidung nur der Prüfung, ob der Vorsitzende sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt und den Zweck sowie die Grenzen seines Ermessens beachtet hat; die Beurteilung der Zweckmäßigkeit sitzungspolizeilicher Maßnahmen ist dem Beschwerdegericht hingegen verwehrt (OLG Celle, Beschluss vom 15. April 2021, NdsRpfl 2015, 378; OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. Juni 2011, NJW 2011, 2899).

Hieran gemessen hält die Sicherungsverfügung vom 9. Juli 2021 der Nachprüfung stand.

bb) Es begegnet keinen Bedenken, dass die Vorsitzende eine Testung der Verfahrensbeteiligten zumindest mit einem Antigentest für geeignet hält, um das Risiko einer Ansteckung mit dem Cornavirus SARS-Cov-2 während der Sitzung zu reduzieren. Dies entspricht der Einschätzung des Robert Koch-Instituts, wonach Antigentests als ergänzendes Instrument der Pandemiebekämpfung dazu beitragen können, Infizierte auch ohne Krankheitssymptome zu erkennen und zu isolieren (Epidemologisches Bulletin 17/2021, S. 14 ff.).

Entgegen dem – nicht auf Belege gestützten – Beschwerdevorbringen ist auch nicht ersichtlich. dass ein Schnelltest schon medizinisch keinen Sinn machen würde‘, weil er bei vollständig geimpften Personen infolge einer geringeren Viruslast „in der Regel immer negativ-ausfalle. Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, dass diese Annahme zumindest in der Vergangenheit vereinzelt öffentlich verbreitet worden ist (vgl. www.twitter.com/Karl_Lauterbach unter dem 4. Mai 2021). Das Robert Koch-Institut geht jedoch auch gegenwärtig davon aus, dass ein Antigentest bei einer geimpften Person positiv ausfallen kann, weil trotz Impfung eine Infektion mit dem Virus und eine Weiterübertragung möglich sind (www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.html [unter:, Hat die Impfung gegen COVID-19 einen Einfluss auf das Ergebnis von Antigen- und PCR-Testungen?‘ und ,Können Personen, die vollständig geimpft sind, das Virus weiterhin übertragen?‘]). Das Robert Koch-Institut empfiehlt deshalb beispielsweise als Vorbereitung für den Herbst und Winter eine systematische Testung von Pflegepersonal auch weiterhin unter Einsatz von Antigentests(www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Downloads/Vorbereitung-Herbst-VVinter.pdf? blob=publicationFile , Seite 4). Im Einklang damit steht, dass von verschiedenen Sachverständigen vollständig geimpften Personen geraten wird, sich vor Treffen mit ungeimpften Personen mittels Schnelltest zu testen (dpa vom 22. Juli 2021 unter www.zeit.de/news/2021-07/22/ich-bin-geimpft-was-gibt-es-fuer-mich-dennoch-zu-beachten; Redaktionsnetzwerk Deutschland vom 23. Juli 2021 unter www.rnd.de/gesundheit/corona-schnelltest-bei-delta-variante-noch-sinnvoll-was-gilt-bei-geimpften-6GZUQKMZY5FBBF7K42FGAKFZHM.html).

Die Annahmen der Beschwerdeführer zu einer geringen Viruslast infizierter geimpfter Personen begegnet zudem auch deshalb Zweifeln, weil die Viruslast bei Infektionen mit der mittlerweile vorherrschenden Delta-Variante des Virus aktuellen Erkenntnissen zufolge um ein Vielfaches höher ist als bei früheren Varianten (Tagesschau vom 31. Juli 2021 unter vvww.tagesschau.de/ausland/amerika/cdc-corona-geimpfite-101.html; Spiegel Online vom 29. Juli 2021 unter www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/corona-was-sich-durch-delta-auch-fuer-geimpfte-aendert-a-50305753-9c97-4c44-ba91-11cae40eebd4).

cc) Keiner Beanstandung unterliegt auch die Annahme der Vorsitzenden, dass ihr keine milderen Maßnahmen zur Verfügung stehen, die das Ansteckungsrisiko ebenso wirksam wie eine Testung reduzieren könnten. Aus dem Nichtabhilfebeschluss ergibt sich, dass die Testung der Sitzungsteilnehmer ergänzend zu anderen Infektionsschutzmaßnahmen wie dem Tragen von Mund-Nasen-Schutz. regelmäßigem Lüften, Abstandhalten und dem Aufstellen von Plexiglasscheiben angewendet werden soll. Die in Betracht kommenden Maßnahmen sind demnach bereits ausgeschöpft, so dass zur weiteren Reduzierung des Ansteckungsrisikos nur noch die Testung der Sitzungsteilnehmer verbleibt.

dd) Im Rahmen ihrer Ermessenausübung ist die Vorsitzende auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen. dass die Zutrittsbeschränkung verhältnismäßig im engeren Sinne, also angemessen ist.

Der Abwägung liegt — wie sich aus der Nichtabhilfeentscheidung ergibt — die Erwägung zu Grunde, dass die Durchführung von Antigentests einen allenfalls geringen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Sitzungsteilnehmer bewirken würde. da sie weder gesundheitsgefährdend sind noch körperliche Schmerzen oder diesen gleichkommende nichtkörperliche Beeinträchtigungen hervorrufen. Diese zutreffende Annahme stützt sich zu Recht auf die im Nichtabhilfebeschluss angeführte obergerichtliche Rechtsprechung zu Selbsttests in Schulen (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 19. April 2021, 13 MN 192/21, juris; vgl. auch OVG Hamburg, Beschluss vom 21. Juni 2021, 1 Bs 114/21, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. April 2021, 13 B 559/21, juris). Sie ist ebenso gültig für die Durchführung der Antigentests in der Teststation des Landgerichts Hannover, zumal bei den Sitzungsteilnehmern eine noch sachgerechtere Handhabung der Tests als beim Einsatz durch Schüler gewährleistet ist. Dem Senat ist bekannt, dass die Testung im Landgericht Hannover ebenfalls in Form von beaufsichtigten Selbsttests erfolgt und nicht etwa in der (eingriffsintensiveren) Form, dass die Testabstriche durch eine andere Person abgenommen werden.

Dieser eher geringen Beeinträchtigung der Sitzungsteilnehmer hat die Vorsitzende ermessensfehlerfrei die Gefahr einer Covid-19-Infektion gegenübergestellt und das Infektionsschutzinteresse für überwiegend erachtet. Ausweislich der Nichtabhilfeentscheidung hat sie dabei nicht verkannt, dass das Risiko einer Virusübertragung bei geimpften Personen stark vermindert ist, die weiteren Hygienemaßnahmen während der Sitzungen ebenfalls einen Schutz bieten und die Aussagekraft von Antigen-Schnelltests eingeschränkt ist. Rechtlich begegnet es keinen Bedenken, dass die Vorsitzende diesen Umständen bei ihrer Abwägung letztlich weniger Gewicht beigemessen hat als den risikoerhöhenden und für eine Testung sprechenden Umständen, insbesondere der Vielzahl an Sitzungsteilnehmern, der langen Dauer der Sitzungen, dem steigenden lnzidenzwert in Hannover, der Verbreitung der Delta-Variante des Virus und der noch vergleichsweise geringen Impfquote.

Diese Gesichtspunkte rechtfertigen es, die Maßnahme als angemessen anzusehen. Denn unter den gegebenen Umständen ist die Hauptverhandlung als Zusammenkunft einer Vielzahl von Personen in einem geschlossenen Raum zwangsläufig mit einem vergleichsweise hohen Infektionsrisiko verbunden. Für die Schaffung eines hohen Schutzniveaus spricht dabei auch, dass alle Verfahrensbeteiligten zur Teilnahme an der Hauptverhandlung verpflichtet sind und wenig Möglichkeiten haben, selbst auf die Hygienemaßnahmen in der Sitzung Einfluss zu nehmen. Die Vorsitzende war deshalb bei der Ausübung ihres Ermessens zwar nicht verpflichtet, aber berechtigt, die angefochtene Anordnung zu treffen.

Da die eher geringe Quote an vollständig geimpften Personen noch auf der bis vor kurzem andauernden Impfstoffknappheit beruht, kommt es für die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme derzeit nicht auf die Frage an, inwieweit möglicherweise dem Schutz ungeimpfter Verfahrensbeteiligter unter dem Gesichtspunkt einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung weniger Gewicht beizumessen wäre oder auch ein relevantes Risiko von „Impfdurchbrüchen“ die Anordnung rechtfertigen könnte.

ee) Es begegnet ferner keinen rechtlichen Bedenken, dass die Sicherungsverfügung von § 5a Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung und § 3 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung abweicht, die in ihrem Anwendungsbereich jeweils eine Gleichstellung von geimpften Personen mit getesteten Personen vorsehen. Denn die Sicherungsverfügung stützt sich nicht auf die Niedersächsische Corona-Verordnung oder das Infektionsschutzgesetz und unterfällt deshalb bereits nicht den entsprechenden Regelungen. Ein allgemeines Verbot, den Zutritt zu Gebäuden oder Veranstaltungen auch für geimpfte Personen vom Vorliegen eines negativen Testes abhängig zu machen, lässt sich diesen Vorschriften weder unmittelbar noch in erweiternder Auslegung entnehmend. Dagegen spricht insbesondere, dass den Vorschriften allgemeine Interessenabwägungen der Verordnungsgeber zu Grunde liegen, die von der Risikoabwägung in konkreten Einzelfällen vielfach abweichen können. So haben etwa auch private Diskothekenbetreiber in Hannover im Rahmen ihrer Hygienekonzepte zuletzt von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, über die Vorgaben der Niedersächsischen Corona-Verordnung hinaus auch von geimpften Personen vor einem Einlass den Nachweis eines negativen Tests zu verlangen (Hannoversche Allgemeine am 25. Juli 2021 unter www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Letzte-Partynacht-in-Hannover-wegen-steigender-Inzidenz-Feiernde-stroemen-in-Discos-und-Clubs). Für sitzungspolizeiliche Anordnungen bilden die allgemeinen Erwägungen der Verordnungsgeber ferner deshalb keinen Maßstab. weil das Infektionsschutzgesetz und die Corona-Verordnung für ihren Regelungsbereich auch die schützenswerten wirtschaftlichen Interessen von Einrichtungen und Veranstaltern an einem möglichst ungehinderten Besucher- und Kundenverkehr berücksichtigen und gegen den Infektionsschutz abwägen müssen. Im Rahmen der Sitzungspolizei sind solche ökonomischen Interessen hingegen nicht berührt. Die Sicherungsverfügung stützt sich deshalb zu Recht maßgeblich auf Gesichtspunkte des Infektionsschutzes und die Umstände der betroffenen Hauptverhandlung.“

Mich überrascht die Entscheidung des OLG Celle nach dem OLG Celle, Beschl. v. 15.04.2021 – 3 Ws 91/21 (dazu: Corona II: Wenn der Verteidiger in der HV keine Maske tragen will, oder: Trennung, Aussetzung, Kostentragung). Ich habe allerdings Zweifel, ob das so richtig ist, wie das OLG hier entschieden hat. Testpflicht für alle – also Verfahrensbeteiligte, Zeugen und Zuschauer – unabhängig von irgendwelchen Inzidenzen? Da habe ich so meinen Zweifel. Denn warum wird denn die Testpflicht in anderen Bereichen von der Inzidenz abhängig gemacht?