Corona I: Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, oder: Verfassungsmäßig

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Und zum Wochenstart zwei „Corona-Entscheidungen“.

Zunächst stelle ich den KG, Beschl. v. 13.08.2021 – 3 Ws (B) 198/21 – vor. Es geht um die Verfassungsmäßigkeit der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in öffentlichen Verkehrsmitteln.

Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin hat gegen die Betroffene wegen einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung gegen § 4 Abs. 1 SARS-CoV-2 IfSV Bln eine Geldbuße von 150 EUR festgesetzt. Auf ihren Einspruch hat das Amtsgericht Tiergarten die Betroffene wegen des im Bußgeldbescheid bezeichneten vorsätzlichen Verstoßes zu einer Geldbuße von 100 EUR verurteilt. Im Einzelnen hat es festgestellt, dass die Betroffene am 02.07.2020 um 20.49 Uhr am S- Bahnhof Westkreuz eine in Richtung Potsdam fahrende S-Bahn betreten hat, ohne eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Auch nachdem die Betroffene durch eine Polizeibeamtin aufgefordert worden war, weigerte sie sich, eine Maske anzulegen. Selbst nach der anschließenden Personalienfeststellung, zu der die Betroffene die S-Bahn verlassen musste, hatte die Betroffene kein Einsehen und bestieg die nächste Bahn wiederum ohne Maske.

Gegen diese Verurteilung wendet sich die Betroffene mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Sie beanstandet die Anwendung des § 4 Abs. 1 SARS-CoV-2 IfSV u.a. deshalb, weil die Vorschrift nicht verfassungsgemäß zustande gekommen und auch materiell unverhältnismäßig, mithin verfassungswidrig sei. Daneben sei die Tat auch nicht, wie es die Vorschrift formuliere, „in geschlossenen Räumen“ begangen worden. Schließlich macht die Betroffene geltend, geglaubt zu haben, nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 SARS-CoV-2 IfSV aus gesundheitlichen Gründen von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit gewesen zu sein.

Das KG hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, sie dann aber als unbegründet verworfen. Hier die Leitsätze der Entscheidung:

  1. Aus dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG folgt, dass der Begriff der „Schutzmaßnahmen“ umfassend ist und der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum an geeigneten Schutzmaßnahmen eröffnet, welches durch die Notwendigkeit der Maßnahme im Einzelfall begrenzt wird.

  2. Staatliche Regelungen, die auch den vermutlich gesünderen und weniger gefährdeten Menschen in gewissem Umfang Freiheitsbeschränkungen abverlangen, sind zulässig, wenn gerade hierdurch auch den stärker gefährdeten Menschen, die sich ansonsten über längere Zeit vollständig aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückziehen müssten, ein gewisses Maß an gesellschaftlicher Teilhabe und Freiheit gesichert werden kann (Anschluss an VfGH Bln, Beschluss vom 20. Mai 2020 – VerfGH 81 A/20 -).

  3. Bei der gegebenen Gefährdungslage mit erheblichen prognostischen Unsicherheiten, die auch eine katastrophale Überlastung des Gesundheitswesens einbezog, war der Rückgriff auf die infektionsschutzrechtliche Generalklausel, zumindest für eine Übergangszeit, hinzunehmen.

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