Und dann zum Schluss der heutigen Berichtserstattung noch einen Beschluss zur DNA-Identitätsfeststellung bei Jugendlichen. Dazu hat sich das LG Trier im LG Trier, Beschl. v. 28.08.2025 – 2a Qs 12/25 jug – geäußert. Das LG hat die vom AG gemäß §§ 81a, 81g StPO angeordnete Entnahme von Körperzellen mittels einer Speichelprobe aufgehoben und das wie folgt begründet:
„Die Voraussetzungen für eine DNA-Identitätsfeststellung gemäß § 81g Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 4 StPO liegen nämlich nicht vor.
Nach § 81g Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 4 StPO dürfen einem wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung rechtskräftig Verurteilten zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren Körperzellen entnommen und diese zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters molekulargenetisch untersucht werden, wenn wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Verurteilten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind. Gemäß § 81g Abs. 5 StPO dürfen die erhobenen Daten beim Bundeskriminalamt gespeichert und nach Maßgabe des Bundeskriminalamtgesetzes verwendet werden.
Da im Hinblick auf die im Urteil vom 10. Dezember 2024 verhängte Strafe noch keine Tilgung eingetreten ist, ist eine DNA-Identitätsfeststellung bei dem Beschwerdeführer gemäß § 81g Abs. 4 StPO möglich. Es liegt zudem eine Anlasstat im Sinne des § 81g Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StPO vor. Die dem Urteil des Amtsgerichts Wittlich zugrundeliegende Tat stellt als Verbrechen sowohl eine Straftat von erheblicher Bedeutung als auch eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung dar.
Darüber hinaus ist jedoch erforderlich, dass dem Betroffenen eine Negativprognose attestiert werden kann. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.
Wegen des Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ist für die Anordnung der Maßnahme erforderlich, dass wegen der Art und Ausführung der bereits abgeurteilten Taten, der Persönlichkeit des Betroffenen oder wegen sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu führen sind. Die Maßnahme setzt voraus, dass sie im Hinblick auf die Prognose der Gefahr der Wiederholung auf schlüssigen, verwertbaren und in der Entscheidung nachvollziehbar dokumentierten Tatsachen beruht (vgl. BVerfG, Beschl. 2 BvR 1741/99 v. 14.12.2000; Schmitt/Köhler, StPO, 68. Auflage 2025, § 81g Rn 8). Hinzutreten muss, dass das DNA-Identifizierungsmuster einen Aufklärungsansatz für einen Spurenabgleich bezüglich der Straftat von erheblicher Bedeutung bietet (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschl. 1 Ws 87/23.v. 31.07.2023).
Es bedarf daher positiver, auf den Einzelfall bezogener Gründe, die die richterliche Annahme der Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung belegen (vgl. Karlsruher Kommentar, StPO, 9. Auflage 2023, § 81g Rn 9). Eine bloß abstrakte Wahrscheinlichkeit eines künftigen Strafverfahrens genügt für die Anordnung der Maßnahme nach § 81g StPO nicht (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht a.a.O.).
Dabei sind in den Abwägungsvorgang auch Umstände mit einzubeziehen, die gleichermaßen bei einer Sozialprognose für die Strafaussetzung zur Bewährung oder einer Gefahrenprognose bei der Verhängung einer Maßregel bestimmend sein können, etwa ein straffreies Vorleben, die Rückfallgeschwindigkeit, der Zeitablauf seit der früheren Tatbegehung, die Lebensumstände und die Persönlichkeit des Betroffenen (vgl. BVerfG, Beschl. 2 BvR 1336/20 v. 14.05.2021). Vorliegend ist zudem zu berücksichtigen, dass Eingriffe nach § 81g StPO bei Jugendlichen besonders restriktiv gehandhabt werden müssen (vgl. BVerfG, Beschl. 2 BvR 2577/06 v. 18.09.2007). Der Umstand, dass es sich um eine jugendtypische Verfehlung handelt, kann die Prognoseentscheidung maßgeblich beeinflussen (vgl. LG Essen, Beschl. 64 Qs 26/23 v. 08.01.2024).
Ausgehend von diesem Maßstab sind bei der Gesamtbetrachtung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls keine konkreten Anhaltspunkte für die erforderliche Wiederholungsgefahr erkennbar.
Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer bislang nicht vorbestraft ist. Darüber hinaus liegt die ihm vorgeworfene Tat bereits mehr als zwei Jahre zurück und er wurde ausweislich des ihn betreffenden Bundeszentralregisterauszugs vom 25. August 2025 seitdem nicht erneut verurteilt. Er lebt überdies in sozial geordneten Verhältnissen und ist im Betrieb pp. beschäftigt.
Von besonderer Bedeutung ist zudem, dass die Anlasstat wegen ihrer Art und Ausführung sowie ihrer Umstände als jugendtypische Verfehlung zu werten ist.
Dabei wird nicht verkannt, dass die Tat vom äußeren Erscheinungsbild her zunächst nicht erkennbar von jugendlicher Unreife geprägt ist. Der Umstand, dass auch Erwachsene vergleichbare Sexualstraftaten begehen, schließt die Annahme einer Jugendverfehlung indes nicht aus (vgl. BGH, NStZ 2001, 102). Entscheidend für die Würdigung als Jugendverfehlung sind die äußeren Tatumstände und die Beweggründe des Täters. Es kommt darauf an, ob die Motive oder das äußere Erscheinungsbild oder auch nur die Begleitumstände der Tat eine Verhaltensweise zeigen, wie sie bei Jugendlichen üblich ist (Brunner/Dölling, JGG, 14. Aufl., § 105 Rn. 24).
Dies berücksichtigend ist vorliegend von einer jugendtypischen Verfehlung auszugehen. Die Tat offenbart insbesondere einen Mangel an sozialer Unreife und Hemmungsvermögen. So war dem Beschwerdeführer ausweislich der Ausführungen unter Ziffer IV. der Urteilsgründe bei der Tatausführung nicht bewusst, dass die Durchführung von Geschlechtsverkehr auch von den Wünschen seiner Partnerin abhängt. Der Beschwerdeführer hat seine eigenen Bedürfnisse vielmehr bedenkenlos über die seiner Partnerin gestellt, was in erheblichem Maß soziale Unreife und (sexuelle) Unerfahrenheit innerhalb partnerschaftlicher Beziehungen belegt, aber auch mangelndes Hemmungsvermögen. Der Umstand, dass er sich unmittelbar nach der Tat schlafen gelegt hat, zeigt zudem, dass er sich über die Folgen und etwaigen (strafrechtlichen) Konsequenzen seiner Tat offensichtlich keinerlei Gedanken gemacht hat. Die Missachtung möglicher Folgen ist ebenfalls charakteristisch für jugendliches Verhalten. Dass sich das Verhalten als jugendtypische Verfehlung darstellt, kommt letztlich auch durch die im untersten Bereich des jugendstrafrechtlichen Sanktionenspektrums liegende Rechtsfolge zum Ausdruck (vgl. BVerfG, Beschl. 2 BvR 2392/12 v. 02.07.2013).
Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat bei der Tat der Einfluss allgemeiner Unreife des Jugendlichen mithin bestimmend mitgewirkt. Hinzukommt, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt erheblich alkoholisiert war. Dies berücksichtigend konsumiert der Beschwerdeführer seither keinen Alkohol mehr. Auch deshalb ist von einem vorübergehend auftretenden delinquenten Verhalten auszugehen.
Die Anordnung wäre zudem. auch unverhältnismäßig. Denn bei Jugendlichen ist zu berücksichtigen, dass der Erziehungsgedanke des Jugendstrafrechts auf eine möglichst weitgehende soziale Integration abzielt. Deshalb ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit abzuwägen, ob durch die Speicherung des • Identifizierungsmusters dem Jugendlichen eine Brandmarkung droht, die seiner sozialen Integration entgegenstehen kann (vgl. BVerfG a.a.O.). Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind bei Jugendlichen besonders restriktiv zu handhaben. So unterliegen jugendliche Straftäter im pubertären Alter – wie hier der zur Tatzeit 17-järhige Verurteilte – anlässlich des natürlichen Selbstfindungsprozesses erheblichen lntegrations- und Anpassungskonflikten. Dies führt dazu, dass jugendliche Delinquenz typischerweise vorübergehend ist (vgl. LG Essen a.a.O.), wovon aufgrund der vorstehenden Erwägungen auch hier auszugehen ist.
Im Übrigen wird die Inanspruchnahme einer Person, die voraussichtlich keine Straftaten begehen wird – entgegen der Ausführungen im angefochtenen Beschluss auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass die Feststellung und Speicherung des DNA-Identifizierungsmusters gegebenenfalls als Entlastungsbeweis dienen könnte (vgl. BVerfG, Beschl. 2 BvR 2577/06 v. 18.09.2007).“
