StGB III: Erneute Gewaltanwendung beim Raub, oder: Nur Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung?

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Und dann habe ich hier noch den BGH, Beschl. v. 23.04.2025 – 5 StR 63/25 – zum Raub, und zwar

Das LG hat die Angeklagten N. und A. u.a. jeweils wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten jeweils mit ihren Revisionen, die Erfolg hatten:

„I.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Die Angeklagten verbrachten den Abend des 31. März 2024 mit dem Geschädigten in dessen Wohnung. Etwa eine Stunde nach Mitternacht schlug der Angeklagte A. aufgrund eines mit dem Angeklagten N. gemeinsam gefassten Tatentschlusses dem überraschten Geschädigten zunächst mit der Faust zweimal schmerzhaft ins Gesicht und hielt ihm ein Messer vor (Klingenlänge etwa 13 cm). A. holte ein weiteres Messer aus der Küche und gab es dem N., der dieses vor sich hielt. Beide wollten auf diese Weise den Geschädigten zur Herausgabe von Bargeld und anderen werthaltigen Gegenständen veranlassen. Der Angeklagte N. drohte außerdem dem Geschädigten, ihn aus dem Fenster zu werfen, sofern er kein Geld herausgebe. Der Geschädigte wies die Angeklagten darauf hin, dass er die von ihnen geforderten 2.000 Euro nicht zu Hause habe; er könne den Betrag aber an einem Geldautomaten am Hauptbahnhof abheben. Tatsächlich hatte der Geschädigte nicht die Absicht, den Angeklagten Geld auszuhändigen; er wollte vielmehr vor Ort die Bahnpolizei verständigen.

Beim Verlassen der Wohnung zog der Angeklagte N. eine Jacke des Geschädigten an, um diese für sich zu behalten. Dabei war ihm bewusst, dass sich der Geschädigte hiergegen aufgrund der vorangegangen Gewaltanwendung und Drohungen nicht zur Wehr setzen würde.

Die Gruppe erreichte gegen 2.20 Uhr den Hauptbahnhof; die Messer hatten die Angeklagten nach dem Verlassen der Wohnung weggeworfen. Der Geschädigte täuschte am Geldautomaten eine Abhebung vor, schrie um Hilfe und rannte weg. Die Angeklagten erkannten, dass sie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln ihr Ziel nicht mehr erreichen konnten. Sie gaben ihr Vorhaben auf, rannten weg und wurden kurze Zeit später vorläufig festgenommen. Im Rucksack des Angeklagten N. befand sich die entwendete Jacke des Geschädigten.

2. Das Landgericht hat das Geschehen rechtlich als – jeweils in Mittäterschaft begangene (§ 25 Abs. 2 StGB) – versuchte räuberische Erpressung (§§ 253, 255, §§ 22, 23 StGB) in Tateinheit mit besonders schwerem Raub (§§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) und mit gefährlicher Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) gewertet. Insbesondere hat es dem Angeklagten A. die als besonders schweren Raub eingeordnete Wegnahme der Jacke des Geschädigten durch den Angeklagten N. als Mittäter zugerechnet. Beim Geschehen im Bahnhof seien beide Angeklagten nicht strafbefreiend vom Versuch der räuberischen Erpressung zurückgetreten, weil auch nach ihrer Vorstellung der Versuch fehlgeschlagen sei.

II. Revisionen der Angeklagten

Die Revisionen der Angeklagten sind überwiegend begründet. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ergeben.

1. Die Feststellungen tragen die Schuldsprüche wegen tateinheitlich begangenen besonders schweren Raubes durch die Wegnahme der Jacke nicht.

a) Eine Strafbarkeit wegen Raubes erfordert einen finalen Zusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der von dem Opfer vorzunehmenden vermögensschädigenden Handlung. Eine hierfür ausreichende konkludente Drohung kann sich grundsätzlich auch daraus ergeben, dass der Täter dem Opfer durch sein Verhalten zu verstehen gibt, er werde zuvor zu anderen Zwecken angewendete Gewalt nunmehr zur Erzwingung der jetzt erstrebten vermögensschädigenden Handlung des Opfers oder dessen Duldung der beabsichtigten Wegnahme fortsetzen oder wiederholen. Allein das Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung enthält dagegen für sich genommen noch keine Drohung. Erforderlich hierfür ist vielmehr, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es reicht nicht aus, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen. Erforderlich ist vielmehr die Aktualisierung der Nötigungslage durch ein im Urteil gesondert festzustellendes Verhalten des Täters (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 2024 – 5 StR 19/24).

b) Das Landgericht hat weder festgestellt, dass der Angeklagte N. bei der Wegnahme der Jacke Gewalt einsetzte, noch dass er durch ein bestimmtes Verhalten konkludent damit gedroht hätte, die zuvor angewendete Gewalt nunmehr zur Duldung der beabsichtigten Wegnahme fortzusetzen oder zu wiederholen. Es hat zwar angenommen, dass dem Angeklagten N. bewusst gewesen sei, der Geschädigte werde sich angesichts des vorangegangenen Geschehens (Drohungen mit den Messern, Gewaltanwendung) nicht zur Wehr setzen. Eine aktualisierte (konkludente) Drohung setzt aber voraus, dass das Opfer das entsprechende Verhalten des Täters wahrnimmt. Hierzu schweigt das Urteil; die Strafkammer hat zudem schon keine Feststellungen dazu getroffen, wo sich der Geschädigte zum Zeitpunkt der Wegnahme aufgehalten hat. Es bleibt daher unklar, ob der Geschädigte ein entsprechendes Verhalten des Angeklagten N. überhaupt hätte wahrnehmen können.“

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