Und dann 3 x der BGH zum StGB.
Zunächst kommt noch einmal der BGH, Beschl. v. 09.01.2025 – 3 StR 340/24 – zum Gewaltschutzgesetz, und zwar zu den Anforderungen an die Urteilsfeststellungen.
Wegen des etwas verwickelten Sachverhalts und den landgerichtlichen Feststellungen verweise ich auf den Volltext. Der BGH führt dann weiter aus:
„3. Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II. 7., 11., 12., 15., 16. und 17. der Urteilsgründe erweist sich demgegenüber als durchgreifend rechtlich defizitär. Denn die Strafkammer hat den Angeklagten in diesen Fällen wegen eines Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz nach § 4 Satz 1 Nr. 2 GewSchG verurteilt, also wegen einer Zuwiderhandlung gegen einen im Rahmen eines Gewaltschutzverfahrens geschlossenen Vergleich, dabei in den Fällen II. 7., 12. und 17. der Urteilsgründe in Tateinheit mit anderen Straftaten nach dem Strafgesetzbuch. Die (alleinige beziehungsweise tateinheitliche) Verurteilung nach § 4 Satz 1 Nr. 2 GewSchG ist jedoch rechtsfehlerhaft.
a) Nach § 4 Satz 1 Nr. 2 GewSchG macht sich strafbar, wer einer bestimmten vollstreckbaren Verpflichtung aus einem Vergleich zuwiderhandelt, soweit der Vergleich nach § 214a Satz 1 FamFG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 und 3 GewSchG, jeweils auch in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1 GewSchG, familiengerichtlich bestätigt worden ist. Diese Strafbarkeit eines Verstoßes gegen einen gerichtlich bestätigten Vergleich ist mit Wirkung zum 10. März 2017 geschaffen worden (vgl. BGBl. 2017 I, S. 386 und BT-Drucks. 18/9946; überholt daher OLG München, Beschluss vom 11. März 2008 – 4 St RR 18/08, juris), mithin vor den hiesigen Taten.
b) Zwar hat die Strafkammer festgestellt, dass N. , R. und A. , die Geschädigten in den hier relevanten Fällen, in Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz jeweils mit dem Angeklagten einen Vergleich im Sinne des § 4 Satz 1 Nr. 2 GewSchG schlossen, der Regelungen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 GewSchG enthielt, gegen die der Angeklagte in den hier zu beurteilenden Taten verstieß. Auch teilen die Urteilsgründe pauschal mit, dass die Vergleiche gerichtlich bestätigt wurden.
Gleichwohl sind die Urteilsgründe in Bezug auf eine Verurteilung des Angeklagten nach § 4 Satz 1 Nr. 2 GewSchG durchgreifend lückenhaft, und zwar aus mehreren Gründen:
aa) Den Urteilsfeststellungen lässt sich nicht entnehmen, wann das Familiengericht die Vergleiche gemäß § 214a Satz 1 FamFG bestätigte. Weil § 4 Satz 1 Nr. 2 GewSchG erfordert, dass es sich bei dem betreffenden Vergleich um einen gerichtlich bestätigten handelt, ist Voraussetzung für eine Strafbarkeit, dass der Vergleich vor der Tat bestätigt wurde. Auch wenn typischerweise die gerichtliche Bestätigung einer im Rahmen eines Gewaltschutzverfahrens geschlossenen Vereinbarung dem Vergleichsschluss ohne größeren zeitlichen Abstand nachfolgt, kann anhand der Urteilsgründe nicht beurteilt werden, ob beziehungsweise inwieweit die Bestätigung vor den relevanten Tathandlungen des Angeklagten vorgenommen wurde.
bb) Zudem hätte die Strafkammer eine eigenständige Prüfung dahin vornehmen und in den Urteilsgründen darlegen müssen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine familiengerichtliche Bestätigung der Vergleiche gemäß § 214a Satz 1 FamFG vorlagen. Insofern gilt:
(1) Für die Strafbarkeit wegen Verstoßes gegen eine gerichtliche Gewaltschutzanordnung nach § 4 Satz 1 Nr. 1 GewSchG ist anerkannt, dass das Tatgericht selbst zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 1 GewSchG gegeben waren, die Anordnung also rechtmäßig war. Die Annahme einer rechtswidrigen Tat nach § 4 Satz 1 Nr. 1 GewSchG wegen einer Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GewSchG setzt voraus, dass das Strafgericht selbst die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüft und dabei deren tatbestandliche Voraussetzungen eigenständig feststellt, ohne an die Entscheidung des Familiengerichts gebunden zu sein (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Mai 2024 – 6 StR 158/24, NStZ-RR 2024, 357 f.; vom 21. März 2023 – 6 StR 19/23, StV 2024, 124 Rn. 5; vom 15. März 2017 – 2 StR 270/16, juris Rn. 26; vom 28. November 2013 – 3 StR 40/13, BGHSt 59, 64 Rn. 10 ff.; KG, Beschluss vom 18. November 2021 – (2) 121 Ss 134/21 (27/21), StV 2023, 545, 546; OLG Brandenburg, Beschluss vom 22. März 2023 – 1 ORs 6/23, juris Rn. 3 ff.).
(2) Diese Anforderungen gelten in Bezug auf eine Strafbarkeit nach § 4 Satz 1 Nr. 2 GewSchG wegen Verstoßes gegen einen familiengerichtlich bestätigten Vergleich, der in einem Verfahren in einer Gewaltschutzsache geschlossen wurde, entsprechend (so auch MüKoBGB/Duden, 9. Aufl., § 4 GewSchG Rn. 4; Erbs/Kohlhaas/Häberle, 254. EL., § 4 GewSchG Rn. 7).
Eine Verurteilung nach § 4 Satz 1 Nr. 2 GewSchG wegen Verstoßes gegen einen nach § 214a Satz 1 FamFG gerichtlich bestätigten Vergleich setzt voraus, dass das erkennende Gericht im Strafverfahren eigenständig und unabhängig von der vorangegangenen Beurteilung durch das Familiengericht die materielle Rechtmäßigkeit des Bestätigungsbeschlusses geprüft und bejaht hat. Diese Prüfung und ihr Ergebnis muss es in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen.
Das erkennende Strafgericht hat mithin – nicht anders als das Familiengericht im Bestätigungsverfahren nach § 214a Satz 1 FamFG – zu prüfen, ob die (im Strafverfahren relevanten) Regelungen des Vergleichs im konkreten Fall als gerichtliche Maßnahmen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 und 3 GewSchG, gegebenenfalls in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1 GewSchG, hätten angeordnet werden können, also die rechtlichen Voraussetzungen für eine familiengerichtliche Anordnung der vergleichsweise übernommenen Verhaltenspflichten zum Zeitpunkt der gerichtlichen Bestätigung nach § 214a Satz 1 FamFG vorlagen.
Denn die Strafbarkeit nach § 4 Satz 1 Nr. 2 GewSchG soll nach dem Willen des Gesetzgebers im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG in ihrer Reichweite nicht allein abhängig sein von einer Parteivereinbarung, sondern nur begründet werden können durch Zuwiderhandlungen gegen solche vergleichsweise vereinbarten Verhaltenspflichten, die im konkreten Fall alternativ dem Täter auch durch eine familiengerichtliche Gewaltschutzanordnung hätten auferlegt werden können (vgl. BT-Drucks. 18/9946, S. 15).
Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers soll die Begrenzung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit zudem nicht nur dadurch gewährleistet werden, dass es für eine Strafbarkeit nach § 4 Satz 1 Nr. 2 GewSchG in formeller Hinsicht einer familiengerichtlichen Vergleichsbestätigung nach § 214a Satz 1 FamFG bedarf, sondern auch dadurch, dass die Strafbarkeit unmittelbar abhängig ist vom Vorliegen der materiellrechtlichen Voraussetzungen für eine Vergleichsbestätigung. Beides ist daher vom erkennenden Gericht im Strafverfahren zu prüfen. In der Gesetzesbegründung zu § 4 Satz 1 Nr. 2 GewSchG heißt es insofern: „Dabei ist ein weitgehender Gleichlauf zum Fall der Verletzung einer gerichtlichen Gewaltschutzanordnung vorgesehen. So hat das Strafgericht auch bei Verletzung einer vom Täter in einem Vergleich übernommenen Verpflichtung zugleich zu überprüfen, ob die gerichtliche Bestätigung (…) zu Recht erteilt worden ist. Stellt sich im Strafverfahren heraus, dass die Bestätigung nicht hätte erteilt werden dürfen, weil die Verpflichtung nicht nach § 1 GewSchG hätte angeordnet werden können (beispielsweise, weil der Täter die zugrunde gelegte Tat nicht begangen hat), ist auch hier wie beim bisherigen § 4 Satz 1 GewSchG der Straftatbestand nicht erfüllt“ (BT-Drucks. 18/9946, S. 16).
(3) Die nach dem Vorstehenden gebotene Prüfung hat das Landgericht rechtsfehlerhaft unterlassen. Da sich die Urteilsgründe dementsprechend nicht dazu verhalten, ob zum Zeitpunkt der familiengerichtlichen Vergleichsbestätigungen die Voraussetzungen für eine gerichtliche Anordnung der vereinbarten Verhaltensgebote nach § 1 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 Satz 1 GewSchG gegeben waren, kann diese Rechtsprüfung auch nicht durch das Revisionsgericht auf der Basis der Urteilsgründe nachgeholt werden.
cc) Schließlich lässt das Urteil nicht erkennen, ob die in Frage stehenden Verpflichtungen aus den Vergleichen vollstreckbar waren, wie es § 4 Satz 1 GewSchG für eine Strafbarkeit verlangt, und die nach § 214a Satz 1 FamFG ergangenen Beschlüsse wirksam waren. Vollstreckbarkeitsvoraussetzung für einen Vergleich ist dessen Zustellung an den Verpflichteten; insofern gilt § 87 Abs. 2 FamFG entsprechend (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 29. Mai 2024 – 13 WF 72/24, NJ 2024, 316, 317; OLG Hamburg, Beschluss vom 8. Februar 2019 – 2 WF 19/19, NZFam 2019, 730, 731 f.; BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg, 63. Ed., § 4 GewSchG Rn. 53, 69; anderer Ansicht MüKoBGB/Duden, 9. Aufl., § 4 GewSchG Rn. 5; BeckOGK/Schulte-Bunert, Stand 1. Oktober 2024, § 4 GewSchG Rn. 7). Wirksamkeitsvoraussetzung für einen familiengerichtlichen Bestätigungsbeschluss nach § 214a Satz 1 FamFG ist gemäß § 40 Abs. 1 FamFG dessen Bekanntgabe an die betreffende Person. Auch diese weiteren Strafbarkeitsvoraussetzungen sind vom erkennenden Gericht im Strafverfahren zu prüfen und in den Urteilsgründen darzulegen.
c) Das Urteil ist daher (auch) in den Fällen II. 7., 11., 12., 15., 16. und 17. der Urteilsgründe aufzuheben; insofern bedarf die Sache der neuen Verhandlung und Entscheidung. Jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten, weil sie von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht berührt werden (§ 353 Abs. 2 StPO). Die bislang getroffenen Feststellungen sind lediglich nicht ausreichend; sie können und müssen daher um weitere neue Feststellungen ergänzt werden, soweit diese den bisherigen nicht widerstreiten.“