Rechtsmittel ohne Rücksprache mit dem Mandanten, oder: Wer trägt die Kosten bei Rücknahme?

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Und dann habe ich hier noch eine zweite kostenrechtliche Entscheidung, nämlich den OLG Hamm, Beschl. v. 08.04.2025 – 3 Ws 51/25.

In der Sache geht es um die Frage, wer die Kosten eines vom Verteidiger ohne vorherige Rücksprache mit dem Mandanten eingelegten Rechtsmittels, das dann später zurückgenommen wird, zu tragen hat. Die treffen – so das OLG – auch in dem Fall den Mandanten:

„Indes war auszusprechen, dass gemäß § 473 Abs. 1 S. 1 StPO der Verurteilte die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat.

Gemäß § 473 Abs. 1 S. 1 StPO treffen die Kosten eines zurückgenommenen Rechtsmittels denjenigen, der es eingelegt hat. Dabei sind Rechtsmittel, die der Verteidiger gemäß § 297 StPO eingelegt hat, kostenrechtlich dem von ihm verteidigten Angeklagten zuzurechnen (MüKoStPO/Maier, 2. Aufl. 2024, StPO, § 473, Rn. 36; Meyer-Goßner/Schmitt, § 473, Rn. 8; Löwe/Rosenberg/ Hilger, § 473, Rn. 11.). Denn gemäß § 297 StPO ist der Verteidiger – gleich ob Wahl- oder Pflichtverteidiger – grundsätzlich befugt, kraft seiner Stellung als selbständiges Organ der (Straf-)Rechtspflege aus eigenem Recht und in eigenem Namen für seinen Mandanten Rechtsmittel einzulegen (vgl. KK-StPO/Paul, 9. Aufl. 2023, StPO § 297 Rn. 3; Meyer, JurBüro 1992, 74). Da es sich vor diesem Hintergrund in den Fällen des § 297 StPO nicht um ein eigenes Rechtsmittel des Verteidigers, sondern um ein dem jeweiligen Angeklagten zuzurechnendes Rechtsmittel handelt, hat Letzterer grundsätzlich im Fall der Rücknahme oder der Erfolglosigkeit des Rechtsmittels gemäß § 473 Abs. 1 S. 1 StPO – und dem darin zum Ausdruck kommenden Veranlassungsprinzip – auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

Es ist zwar anerkannt, dass ein Strafverteidiger die Kosten des Rechtsmittels ausnahmsweise dann selbst zu tragen hat, wenn er gänzlich ohne Bevollmächtigung bzw. Beiordnung oder gar gegen den ausdrücklichen Willen des Angeklagten oder Verurteilten Rechtsmittel einlegt (OLG Celle, Beschluss vom 02.04.1997 – 1 Ss 350/96; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 1.12.1975 – 3 Ss 155/75, NJW 1976, 249 [250]; OLG München, Beschluss vom 29.04.1983 – 2 Ws 440/83, NJW 1983, 1688 [1689]). Denn in jenen Fällen, in denen der Verteidiger nicht im Sinne des § 297 StPO rechtsmittelbefugt ist, ist das Rechtsmittel dem Angeklagten im Sinne des Veranlassungsprinzips ausnahmsweise nicht zuzurechnen.

Erfolgt die Rechtsmitteleinlegung durch den Verteidiger – wie hier – jedoch lediglich ohne das Wissen und ohne die Zustimmung – aber nicht gegen den ausdrücklichen Willen – des Angeklagten, sind die Kosten im Falle der Erfolglosigkeit oder im Falle der Rücknahme des Rechtsmittels dem Angeklagten aufzuerlegen, weil das Rechtsmittel ihm gemäß § 297 StPO zuzurechnen ist (vgl. hierzu bereits: Senat, Beschluss vom 14.08.2008 – 3 Ws 309/08; NJW 2008, 3799). Aus dem Gesetzeswortlaut des § 297 StPO ergibt sich insoweit, dass die Grenze der Zurechnung des Rechtsmittels erst dann erreicht ist, wenn die Rechtsmitteleinlegung dem „ausdrücklichen“ Willen des Angeklagten bzw. Verurteilten widerspricht. Anders als für die Frage der Rechtsmittelbefugnis im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels – dort ist anerkannt, dass der Angeklagte durch die nachträgliche Äußerung seines entgegenstehenden Willens dem Verteidiger die Befugnis für die weitere Durchführung des Rechtsmittels noch nachträglich entziehen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 12.01.1971 – 3 StR 282/71; BGH, Beschluss vom 18.08.1988 – 4 StR 316/88; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.12.1982 – 1 Ws 999/82) –, kann es bei der Frage der kostenrechtlichen Beurteilung wegen des in § 473 Abs. 1 StPO zum Ausdruck kommenden Veranlassungsprinzips im Grundsatz zunächst nur auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels und nicht auf einen gegebenenfalls an späterer Stelle geäußerten entgegenstehenden Willen des Angeklagten ankommen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Verteidiger das Rechtsmittel gegen den erst nach der Einlegung des Rechtsmittels geäußerten Gegenwillen des Angeklagten weiterverfolgt (vgl. Senat, Beschluss vom 16.05.2012 – 3 Ws 52/12, BeckRS 2012, 10839; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.07.2015 – 2 Ws 300/15). Zudem kann es aufgrund des Wortlauts der Norm („ausdrücklich“) und aufgrund der Erwägung, dass das über die Kosten des Rechtsmittels entscheidende Gericht nicht die mandatsinterne Kommunikation zwischen dem Verteidiger und seinem Mandanten aufklären kann, nur auf den auch im Außenverhältnis gegenüber dem Gericht zum Ausdruck kommenden Widerwillen des Angeklagten ankommen.

Diese Grundsätze gelten – da § 297 StPO nicht zwischen den Fällen der Wahl- und Pflichtverteidigung differenziert (MüKoStPO/Allgayer, 2. Aufl. 2024, StPO, § 297, Rn. 8) – unabhängig davon, ob das Rechtsmittel durch einen allgemein zur Einlegung von Rechtsmitteln bevollmächtigten Wahlverteidiger (Senat, Beschluss v. 14.08.2008 – 3 Ws 309/08) oder – wie hier – durch einen beigeordneten Pflichtverteidiger eingelegt wird. Anderes gilt, wenn das Rechtsmittel durch einen Anwalt eingelegt wurde, der weder Pflichtverteidiger ist, noch über eine Bevollmächtigung (zur Rechtsmitteleinlegung) verfügt (vgl. MüKo/Maier, a.a.O. § 473 Rn. 43; OLG Jena Beschl. v. 25.01.2006 – 1 Ws 16/06 – juris).

Darüber, ob angesichts der hier vom Verteidiger angedeuteten Verantwortungsübernahme für die fehlende Absprache im Vorgriff der Rechtsmitteleinlegung ein Ausgleich im Innenverhältnis stattfinden wird bzw. stattzufinden hat, braucht der Senat nicht zu entscheiden.“

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