Und dann geht es heute hier nach Urlaubsrückkehr „normal“ weiter, und zwar mit Entscheidungen zu Bewährungsfragen.
Den Opener mache ich mit dem OLG Saarbrücken, Beschl. v. 08.05.2025 – 1 Ws 77/25 – zum Zusammenspiel von Wiederaufnahmeverfahren und Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung. Dazu das OLG:
„Entgegen dem Beschwerdevorbringen hindert auch die Absicht des Verurteilten, eine Wiederaufnahme des dem Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 25. Oktober 2023 zugrundeliegenden Verfahrens zu betreiben, den Widerruf der Strafaussetzung nicht. Zwar kommt nach rechtskräftiger Anordnung der Wiederaufnahme des Anlassverfahrens nach § 370 Abs. 2 StPO, durch die die Urteilsrechtskraft beseitigt wird (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 14. August 1979 – 5 Ss OWi 782/79 – juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 67. Aufl., § 370 Rn. 10), ein Widerruf nicht mehr in Betracht (vgl. KG, Beschluss vom 12. Dezember 2013 – 2 Ws 477 – 478/13 –, juris Rn. 12; Krumm NJW 2005, 1832, 1835). Liegt eine solche – wie hier – hingegen nicht vor, ist das Widerrufsgericht nur dann verpflichtet, eigene Beweise zu erheben, wenn aufgrund nachträglich hervorgetretener Umstände, insbesondere etwaiger Wiederaufnahmegründe, begründete Zweifel an der Tatbegehung bestehen. Ist dies nach Ansicht des Widerrufsgerichts nicht der Fall, so zwingt der bloße Antrag auf Wiederaufnahme des neuen Verfahrens nicht zur Zurückstellung der Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung (KG, Beschluss vom 13. April 2018 – 5 Ws 37/18 –; Hubrach in: LK-StGB, 13. Aufl., § 56f Rn. 12). Nichts anderes kann für die bloße Absichtsbekundung gelten, ein Wiederaufnahmeverfahren anzustreben.
Vorliegend sind nachträglich hervorgetretene Umstände, die Zweifel an der Täterschaft des Verurteilten begründen könnten, nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Soweit die Staatsanwaltschaft dort vorgetragenes Vorbringen des Verurteilten zum Anlass genommen hat, eingestellte Ermittlungen gegen einen weiteren möglichen Tatbeteiligten (D. S.) der im Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 23. Oktober 2023 festgestellten Taten wiederaufzunehmen, war das Vorbringen des Verurteilten ausweislich eines Vermerks der Staatsanwaltschaft Saarbrücken vom 20. Juni 2024 (Bl. 129 d. BewH) nicht geeignet, die Tatbeteiligung des Verurteilten in Zweifel zu ziehen, sondern gab der Staatsanwaltschaft lediglich Anlass, eine ggf. gemeinschaftliche Tatbeteiligung des D. S. erneut zu prüfen. Konkrete Einwände gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 25. Oktober 2023 oder Umstände und Tatsachen, die seine Täterschaft in Zweifel ziehen oder eine Wiederaufnahme des Anlassverfahrens rechtfertigen könnten, hat der Verurteilte im Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen. Gründe, die dem entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum es dem Verurteilten ohne Einsicht in die Akten des Anlassverfahrens nicht möglich sein sollte, vorzutragen, welche von ihm der Staatsanwaltschaft mitgeteilten und dort zum Anlass der Wiederaufnahme zu Ermittlungen gegen D. S. genommenen oder sonstigen Umstände und Tatsachen entgegen der bisherigen Einschätzung der Staatsanwaltschaft geeignet sein sollen, nicht nur den Verdacht der Tatbeteiligung des D. S. zu begründen, sondern auch die Täterschaft des Verurteilten in Zweifel zu ziehen. Der pauschale Hinweis, dass der Verurteilte die Tatbegehung weiterhin in Abrede stelle und deshalb eine Wiederaufnahme des Anlassverfahrens anstrebe, ist nicht geeignet, durchgreifende Zweifel daran zu begründen, dass der Verurteilte die durch Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 25. Oktober 2023 in der Bewährungszeit festgestellten Taten begangen hat. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass sich die Überzeugung des Tatgerichts von der Täterschaft des Verurteilten ausweislich der Gründe des Urteils vom 25. Oktober 2023 – entgegen dem Vorbringen des Verteidigers im Beschwerdeverfahren – weder allein noch maßgeblich auf die zeugenschaftlichen Angaben des vom Verurteilten als Täter benannten D. S. stützt, sondern auf eine Vielzahl objektiver Beweise, insbesondere die Inhaberschaft und alleinige Verfügungsberechtigung des Verurteilten hinsichtlich der bei den Tatbegehungen verwendeten Mobilfunknummern und Konten, die derzeit nicht in Frage gestellt sind. Zudem stützt sich die Überzeugung des Tatgerichts insbesondere darauf, dass sämtliche vernommenen Tatgeschädigten, die im Zuge der betrügerischen Verkaufsgeschäfte mit dem Täter fernmündlich in Kontakt standen, bekundeten, dass ihre Kontaktperson akzentfrei deutsch gesprochen habe und über präsentes Fachwissen zu den angebotenen Spielautomaten verfügt habe, was eine Identifizierung der Kontaktperson als den vom Verurteilten beschuldigten D. S., der – anders als der Verurteilte – der deutschen Sprache nicht akzentfrei mächtig sei und aufgrund seines sozialen und beruflichen Hintergrundes nicht über besagtes Fachwissen verfüge, ausschließe (UA S. 20 f.). Hinzu tritt, dass sämtliche bei den betrügerischen Geschäften als Empfangskonten angegebenen Konten ausschließlich der Verfügungsberechtigung des Verurteilten unterlagen und dessen Einlassung, er habe diese Konten erst im Zuge einer durch D. S. vermittelten Darlehensgewährung und auf Geheiß der Darlehensvermittlerin eingerichtet, durch die vom Tatgericht festgestellten Daten der Konteneröffnung widerlegt wurde (UA S. 24 f.).
Steht damit zur Überzeugung des Senats fest, dass der Verurteilte in der Bewährungszeit neue Straftaten begangen hat, war weder die Beiziehung der Akten des Anlassverfahrens veranlasst, noch war es geboten, mit der Entscheidung über den Widerruf der durch Beschluss vom 10. Januar 2023 gewährten Strafaussetzung bis zur tatsächlichen Anstrengung eines Wiederaufnahmeverfahrens durch den Verurteilten und den Ausgang dieses Verfahrens zuzuwarten, weil die Entscheidung über den Widerruf zu treffen ist, sobald Widerrufsgründe nach § 56f Abs. 1 StGB feststehen; ein Zuwarten ist unzulässig (vgl. OLG Hamburg NStZ-RR 2005, 221, 222; OLG Oldenburg StV 2010, 312; Beschluss des 4. Strafsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 6. Oktober 2022 – 4 Ws 247/22 – m.w.N.).“

