Als zweite Entscheidung dann der OLG Saarbrücken, Beschl. v. 11.02.2025 – 1 Ss 3/25 – zur Frage der „Öffentlichkeit“ einer Beleidigung und einer damit erhöhten Strafe (§ 185 Abs. 2 StGB). Dazu das OLG:
„(3) Schließlich tragen die Feststellungen des Amtsgerichts auch eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, Beleidigung in drei tateinheitlichen Fällen sowie Beleidigung in fünf tateinheitlichen Fällen. Insbesondere handelt es sich jedenfalls bei den Bezeichnungen der eingesetzten Polizeibeamten als „Arschloch“ und „Wichser“ (Tat vom 18. März 2023) bzw. „Wichser“ und „Hurensöhne“ (Tat vom 2. April 2023) um dem Tatbestand des § 185 StGB unterfallende Formalbeleidigungen, bei denen die Meinungsfreiheit des Angeklagten hinter den Ehrenschutz der Beamten zurückzutreten hat, ohne dass es insoweit einer Einzelfallabwägung bedurft hätte (vgl. BVerfGE 82, 43, 51; 85, 1, 16; 90, 241, 248; 93, 266, 293 f; 99, 185, 196; Senatsbeschlüsse vom 23. März 2022 – 1 Ss 5/22 – und vom 22. Mai 2023 – 1 Ss 5/23 –).
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d) Das Urteil kann jedoch deshalb keinen Bestand haben, weil der allein getroffene Strafausspruch an durchgreifenden Rechtsfehlern leidet.
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(3) Hinsichtlich der Strafaussprüche für die Taten vom 18. März 2023 und vom 2. April 2023 unterliegt das angefochtene Urteil deshalb der Aufhebung, weil das Landgericht seiner Entscheidung über den Strafausspruch den erhöhten Strafrahmen des § 185 Alt. 2 StGB zu Grunde gelegt hat, ohne dass die Feststellungen belegen, dass die dem Angeklagten zur Last gelegten Beleidigungen öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts begangen wurden.
(a) Für das Vorliegen einer vom Landgericht angenommenen öffentlichen Beleidigung genügt es nicht, dass die ehrenrührige Kundgabe an einem öffentlichen Ort begangen wurde (vgl. zum gleichlautenden Begriff der Öffentlichkeit in § 186 StGB Hilgendorf in LK-StGB, 13. Aufl., § 186 Rn. 13; Eisele/Schittenhelm in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 186 Rn. 19). Von dem Qualifikationstatbestand des § 185 Alt. 2 StGB werden vielmehr nur Äußerungen erfasst, die von einem größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten oder durch nähere Beziehungen nicht verbundenen Personenkreis wahrgenommen werden können (BT-Drs. 19/17741, S. 35; Eisele/Schittenhelm, a.a.O.). Entsprechendes ist für die Tat vom 18. März 2023 bereits deshalb nicht belegt, weil nicht festgestellt ist, dass bei den beleidigenden Äußerungen des Angeklagten über die betroffenen Polizeibeamten hinaus weitere Personen anwesend waren, die die Äußerungen wahrnehmen konnten. Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Tat vom 2. April 2023. Auch hier ist die „etwa zehnköpfigen Gruppe von Saarbrücken-Anhängern“ zahlenmäßig umgrenzt. Dass die Gruppenmitglieder durch nähere Beziehungen miteinander verbunden sind, lässt sich anhand der Urteilsfeststellungen jedenfalls nicht ausschließen (vgl. zu insoweit erforderlichen Feststellungen auch KG Berlin, Beschluss vom 12. März 2024 – (5) 161 Ss 153/22 (33/22) –, juris).
(b) Die landgerichtlichen Feststellungen belegen auch nicht, dass die Tat vom 2. April 2023 „in einer Versammlung“ begangen wurden. Eine Versammlung im Sinne des § 185 StGB ist nur eine räumlich zu einem bestimmten Zweck vereinigte größere Anzahl von Menschen (BT-Drs. 19/17741, S. 35; vgl. auch KG Berlin, Beschluss vom 12. März 2024 – (5) 161 Ss 153/22 –, juris zu § 86a StGB). Ein zufälliges zeitweiliges Beisammensein genügt nicht (Eisele/Schnittenhelm in: Schönke/Schröder, StGB, a.a.O., § 187 Rn. 7 unter Bezugnahme auf Sternberg-Lieben, a.a.O., § 90 Rn. 5). Dass die „Gruppe von Saarbrücken-Anhängern“, in der der Angeklagte sich nach dem Fußballspiel auf dem Bahnhofsvorplatz befand, sich mit ihm gezielt zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks zusammengeschlossen hat, ist nicht festgestellt. Hinsichtlich der Tat vom 18. März 2023 scheidet eine Tatbegehung „in einer Versammlung“ mangels Anwesenheit unbeteiligter Dritter von vornherein aus.
(c) Die Wahl des unzutreffenden Strafrahmens zwingt zur Urteilsaufhebung, da der Senat nicht auszuschließen vermag, dass das Gericht bei zutreffender Anwendung des Grundtatbestandes des § 185 StGB mit einer nur halb so hohen Strafobergrenze ein milderes Strafmaß verhängt hätte als unter Zugrundelegung des Strafrahmens Qualifikationstatbestandes.“