Ich starte in die neue Woche mit zwei Entscheidungen zu zwei Problembereichen, mit denen wir es in der letzten Zeit häufiger zu tun hatten, und zwar zu den sog. „Äußerungsdelikten“ und zu den Klimaklebern.
Ich beginne mit BGH, Beschl. v. 18.12.2024 – 3 StR 507/24 – der sich mit § 86 StGB – des Verbreiten von Propagandamitteln terroristischer Organisationen – befasst. Das LG hat die Angeklagte u.a. deshalb verurteilt. Nach den vom LG getroffenen Feststellungen postete die Angeklagte am Mittag des 07.10.2023 über ihren öffentlich einsehbaren Instagram-Account, der 468 Follower hatte, einen Beitrag mit einem Bild, das einen augenscheinlich getöteten oder schwer verletzten, am Boden liegenden männlichen israelischen Soldaten zeigt, dem eine andere Person einen beschuhten Fuß auf den Kopf stellt. Das Bild war zuvor auf einem Telegram-Kanal veröffentlicht worden und in einer Ecke sowie mittels eines „Wasserzeichens“ in arabischer Schrift mit dem Namen „pp.“ versehen. Wie die Angeklagte zumindest für möglich hielt und in Kauf nahm, handelte es sich hierbei um die offizielle Medienstelle der durch die Durchführungsverordnung (EU) 2021/138 des Rates vom 05.02.2021 verbotenen Hamas. Durch die Zurschaustellung des israelischen Soldaten im Kontext des auf dem Kopf abgestellten Fußes wollte die Angeklagte für jedermann erkennbar ihre Sympathie mit dem am Morgen desselben Tages begonnenen Angriff der Hamas auf den Staat Israel sowie dem durch diesen begangenen Völkermord zum Ausdruck bringen und beides gutheißen. Der Angeklagten war bewusst, dass die Darstellung als Infragestellung des Existenzrechts des Staates Israel und zugleich als Aufruf zu Gewalt gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland und dort lebende israelische Staatsangehörige aufgefasst würde.
Der BGH hat die Verurteilung u.a. wegen Verbreitens von Propagandamitteln terroristischer Organisationen nicht beanstandet. Der Straftatbestand des § 86 Abs. 2 StGB sei erfüllt und begegne keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken:
„a) Mit dem durch das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten, Strafbarkeit der Verbreitung und des Besitzes von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Verbesserung der Bekämpfung verhetzender Inhalte sowie Bekämpfung von Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen vom 14. September 2021 (BGBl. I S. 4250) neu gefassten § 86 Abs. 2 StGB wird im weiteren Sinne die Verbreitung von Propagandamitteln einer Organisation unter Strafe gestellt, die im Anhang der Durchführungsverordnung (EU) 2021/138 des Rates vom 5. Februar 2021 zur Durchführung des Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1128 (ABl. L 43 vom 8. Februar 2021, S. 1) als juristische Person, Vereinigung oder Körperschaft aufgeführt ist.
An der Bestimmtheit dieser Strafvorschrift im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB bestehen unabhängig davon keine Zweifel, dass die in Bezug genommene Durchführungsverordnung (EU) 2021/138 des Rates vom 5. Februar 2021 bereits durch Art. 2 Durchführungsverordnung (EU) 2021/1188 des Rates vom 19. Juli 2021 aufgehoben worden ist (ABl. L 258 S. 14), auf die weitere Durchführungsverordnungen folgten (Durchführungsverordnungen [EU] 2022/147, 2022/1230, 2023/420, 2023/1505, 2024/329, 2024/2055). So muss der Gesetzgeber einen Straftatbestand nicht stets vollständig im förmlichen Gesetz umschreiben, sondern darf auf andere Vorschriften verweisen. Solche Verweisungen sind als vielfach übliche und notwendige gesetzestechnische Methode anerkannt, sofern die Verweisungsnorm hinreichend klar erkennen lässt, welche Vorschriften im Einzelnen gelten sollen, und wenn diese Vorschriften dem Normadressaten durch eine frühere ordnungsgemäße Veröffentlichung zugänglich sind. Dabei kann der Gesetzgeber auf Vorschriften eines anderen Normgebers verweisen, denn eine solche Verweisung bedeutet rechtlich nur den Verzicht, den Text der in Bezug genommenen Vorschriften in vollem Wortlaut in die Verweisungsnorm aufzunehmen. Das gilt auch für Verweisungen auf Normen und Begriffe des Rechts der Europäischen Union. Die mit einer Verweisung in aller Regel verbundene gesetzestechnische Vereinfachung ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der verweisende Gesetzgeber sich den Inhalt von Rechtsvorschriften des anderen Normgebers in der Fassung zu eigen macht, wie sie bei Erlass seines Gesetzesbeschlusses galt (statische Verweisung). Verweist ein Gesetzgeber hingegen auf andere Vorschriften in ihrer jeweils geltenden Fassung (dynamische Verweisung), kann dies dazu führen, dass er den Inhalt seiner Vorschriften nicht mehr in eigener Verantwortung bestimmt und damit der Entscheidung Dritter überlässt (s. insgesamt BVerfG, Beschluss vom 11. März 2020 – 2 BvL 5/17, BVerfGE 153, 310 Rn. 78 f. mwN).
Hieran gemessen handelt es sich bei der Bezugnahme auf den Anhang der Durchführungsverordnung (EU) 2021/138 des Rates um eine zulässige statische Verweisung (vgl. im Ausgangspunkt ebenso Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl., § 86 Rn. 5a; NK-StGB/Paeffgen/Klesczewski, 6. Aufl., § 86 Rn. 23a; Fischer/Anstötz, StGB, 72. Aufl., § 86 Rn. 11a; Theune, StV 2024, 416, 417). Bereits nach dem Gesetzeswortlaut wird die konkret, zumal mit genauer Fundstelle im Amtsblatt der Europäischen Union bezeichnete Durchführungsverordnung herangezogen. Hierauf stellt auch die Gesetzesbegründung ab, wonach durch diese Bezeichnung „eine gleichwertige Rechtssicherheit und Transparenz zu den erfassten Organisationen wie im Falle eines nationalen Verbots nach dem Vereinsgesetz“ bestehe (BT-Drucks. 19/31115 S. 10). Im Rahmen der vorzunehmenden Auslegung (vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 2024 – 3 StR 507/22, wistra 2024, 425 Rn. 23 mwN) ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, die Verweisung nicht als statische, sondern als dynamische zu verstehen.
Die Aufhebung der in Bezug genommenen Durchführungsverordnung ändert unter den hier gegebenen Umständen an der Wirksamkeit der Verweisung nichts (vgl. Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl., § 86 Rn. 5a; Fischer/Anstötz, StGB, 72. Aufl., § 86 Rn. 11a; anders NK-StGB/Paeffgen/Klesczewski, 6. Aufl., § 86 Rn. 23a; Theune, StV 2024, 416). Bei einer statischen Verweisung hat weder die Änderung des in Bezug genommenen Gesetzes Auswirkungen auf den Inhalt der Verweisungsnorm, noch kommt es darauf an, ob die Bezugsnorm bereits oder noch gilt (s. BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 2018 – 2 BvR 463/17, NJW 2018, 3091 Rn. 24; BGH, Beschluss vom 21. April 2021 – 3 StR 225/20, NStZ-RR 2021, 283, 284; jeweils mwN). Mithin führt die Aufhebung oder sonst fehlende Geltung der in Bezug genommenen Norm grundsätzlich nicht dazu, dass die Verweisung „ins Leere geht“ (vgl. BGH, Beschluss vom 8. August 2018 – 2 StR 210/16, BGHR StGB § 2 Abs. 3 Gesetzesänderung 20 Rn. 12; anders aber NK-StGB/Paeffgen/Klesczewski, 6. Aufl., § 86 Rn. 23a). Inwieweit hiervon bei dem Wegfall der Listung durch den Rat der Europäischen Union möglicherweise Abweichungen – etwa im Sinne einer teleologischen Reduktion – vor dem Hintergrund in Betracht kommen, dass mit der Strafvorschrift Listungen durch den Rat der Europäischen Union nachvollzogen werden sollen (vgl. BT-Drucks. 19/31115 S. 9; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl., § 86 Rn. 5a), bedarf hier keiner näheren Betrachtung. Denn die in Rede stehende Hamas ist in den Anhängen der folgenden Durchführungsverordnungen jeweils weiter aufgeführt worden.
b) Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 86 Abs. 2 StGB sind nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erfüllt. Danach handelte es sich bei dem von der Angeklagten in einen Internet-Beitrag eingestellten Bild um ein Propagandamittel (§ 86 Abs. 3 Satz 2 StGB) der Hamas. Der Inhalt (§ 11 Abs. 3 StGB) stellte das Existenzrecht des Staates Israel in Frage und war letztlich mit einer entsprechenden aktiv kämpferischen, aggressiven Tendenz gegen dessen Bestand und Sicherheit gerichtet (vgl. zum Propagandamittel BGH, Beschluss vom 14. April 2015 – 3 StR 602/14, BGHR StGB § 86 Propagandamittel 1 Rn. 7 mwN). Ferner ergibt sich, dass die Propaganda von der Hamas selbst ausging und somit der erforderliche Organisationsbezug besteht (s.allgemein BGH, Urteil vom 17. Dezember 1975 – 3 StR 4/71 I, BGHSt 26, 258, 262).“