Und dann im zweiten Posting eine Entscheidung aus dem Auslieferungsverfahren. Dort ist die Beistandsbestellung in § 40 IRG geregelt.
In dem dem OLG Jena, Beschl. v. 14.02.2025 – 1 OAus 33/24 – zugrunde liegenden Verfahren war mit Ausschreibung im Schengener Informationssystem um Festnahme des Verfolgten zum Zwecke der Auslieferung zur Strafverfolgung von der Bundesrepublik Deutschland an die Republik L. ersucht worden. Dem Festnahmeersuchen lag der Europäische Haftbefehl der Generalstaatsanwaltschaft der Republik L. vom 09.07.2024 zu Grunde. Darin wird dem Verfolgten insbesondere zur Last gelegt, in zehn Fällen in Wohngebäude eingedrungen zu sein, um dort stehlenswerte Güter im Gesamtwert von ca. 71.000 EUR zu entwenden.
Das OLG hat einen Auslieferungshaftbefehl gegen den Verfolgten erlassen, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits seit dem 18.04.2024 zum Vollzug von Untersuchunghaft bzw. Freiheitsstrafe in anderen Sachen in der JVA G befunden hat. Derzeit ist er zur Vollstreckung einer gegen ihn verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten inhaftiert.
Mit Beschluss vom 08.01.2025 hat das AG Suhl dem Verfolgten eine Rechtsanwältin als Beistand bestellt. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaf, die Erfolg hatte:
„2. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Denn es liegt kein Fall der notwendigen Rechtsbeistandschaft vor.
a) Die verfolgte Person kann sich nach § 40 Abs. 1 IRG in jeder Lage des Verfahrens eines Rechtsbeistands bedienen.
Die Auslieferung ist nach Abs. 2 der Vorschrift jedoch grds. nur dann ein Fall der notwendigen Rechtsbeistandschaft, wenn eine Festnahme der verfolgten Person erfolgt. Dies ist vorliegend jedoch gerade nicht der Fall, weil bei Erlass des Auslieferungshaftbefehls der Verfolgte schon in anderer Sache inhaftiert war und dies auch nach wie vor ist, weshalb für die Auslieferungshaft von Anfang an nur Überhaft notiert war und auch weiterhin ist. § 40 Abs. 2 IRG stellt aber gerade auf die Festnahme in der Auslieferungssache ab. Denn die Vorschrift dient der Umsetzung von Artikel 5 Absatz 1 der PKH-Richtlinie (BT-Drs. 19/13829, S. 54). Danach hat der Vollstreckungsmitgliedstaat sicherzustellen, dass gesuchte Personen ab dem Zeitpunkt ihrer Festnahme „aufgrund eines Europäischen Haftbefehls“ Anspruch auf Prozesskostenhilfe im Sinne der Richtlinie haben. Nach dem expliziten Wortlaut auch der Richtlinie besteht ein Anspruch auf anwaltlichen Beistand daher nur, wenn es eine unmittelbare kausale Verknüpfung zwischen der Festnahme und dem Europäischen Haftbefehl gibt, an der es hier fehlt.
b) Erfolgt – wie hier – keine Festnahme der verfolgten Person in der Auslieferungssache, liegt ein Fall der notwendigen Rechtsbeistandschaft nach § 40 Abs. 3 IRG in der Folge nur vor, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsbeistands geboten erscheint (Nr. 1), ersichtlich ist, dass die verfolgte Person ihre Rechte nicht selbst hinreichend wahrnehmen kann (Nr. 2) oder die verfolgte Person noch nicht 18 Jahre alt ist (Nr. 3). Diese Voraussetzungen liegen hier ebenfalls nicht vor.
aa) Weder ist ersichtlich, dass der Verfolgte seine Rechte nicht selbst hinreichend wahrnehmen kann, noch erscheint die Mitwirkung eines Beistandes wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage erforderlich. Die Sach- und Rechtslage ist jedenfalls im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht so schwierig, dass dem durch Beiordnung eines anwaltlichen Beistandes Rechnung getragen werden müsste.
Eine schwierige Sachlage kann sich aus dem Umfang oder der Komplexität der tatsächlich erforderlichen Feststellungen ergeben. Insoweit ist zwar zu konstatieren, dass der Verfolgte der vereinfachten Auslieferung vorliegend nicht zugestimmt hat, sodass die Zulässigkeit der Auslieferung zu prüfen sein wird. Dieser Umstand allein führt jedoch noch nicht per se zur Annahme einer schwierigen Sach- oder Rechtslage (vgl. Schomburg/ Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 6. Aufl., § 40 IRG, Rn. 24). Insoweit bedarf es vielmehr einer Gesamtabwägung der individuellen Umstände des Auslieferungsverfahrens. Die besonderen Schwierigkeiten des Auslieferungsrechts und der Umstand, dass der Gesetzgeber diese Materie den Oberlandesgerichten und Generalstaatsanwaltschaften überantwortet hat, führen dabei noch nicht ohne Weiteres dazu, dass nur aufgrund der erforderlichen Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung ein anwaltlicher Beistand beizuordnen wäre. Vielmehr ist insoweit stets eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung etwaiger Einwendungen des Verfolgten anzustellen (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 02.06.2016 – OLG Ausl. 22/2016 (39/16) = BeckRS 2016, 12013). Eine schwierige Rechtslage ist in der Folge erst gegeben, wenn bei Anwendung des Auslieferungsrechts im konkreten Verfahren Rechtsfragen beantwortet werden müssen, die bislang nicht entschieden wurden. Darüber hinaus ist eine schwierige Rechtslage anzunehmen, wenn die auslieferungsrechtliche Beurteilung nicht eindeutig ist und genaue Kenntnisse der Anordnungsvoraussetzungen erfordert, über die ein Verfolgter regelmäßig nicht verfügt. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Denn insbesondere in allenfalls durchschnittlich gelagerten Fällen – wie hier -, in denen über die Auslieferung auf der Basis eines Europäischen Haftbefehls zu entscheiden ist und in denen deshalb ein reduzierter gerichtlicher Prüfungsmaßstab zur Anwendung kommt, bestehen regelmäßig weder Schwierigkeiten rechtlicher noch tatsächlicher Art, die es erfordern würden, dem Verfolgten ohne Weiteres rechtskundigen Beistand zukommen zu lassen, auch wenn es einer Entscheidung über die Zulässigkeit nach § 32 IRG bedarf (OLG München, Beschluss vom 07.03.2013 – OLGAusl.14 Ausl. A 1033/12 = NStZ-RR 2013, 179).
Die Höhe der gegen den Verfolgten in L potentiell zu erwartenden Strafe stellt für die Frage der Beistellung eines Beistands ebenfalls kein geeignetes Beurteilungskriterium dar, denn im Gegensatz zu § 140 Abs. 2 StPO stellt § 40 IRG gerade nicht auf die Schwere der Taten ab. Dies gilt umso mehr, als der Verfolgte Einwendungen gegen den Tatvorwurf nicht erhoben hat, eine Tatverdachtsprüfung gem. § 10 Abs. 2 IRG ohnehin nur in engen Grenzen stattfindet und insoweit Erörterungen und ausführlichere Darlegungen zum Sachverhalt selbst nicht geboten sind (OLG Hamm, Beschluss vom 28.01.2010 – 4 Ausl A 208/09 = BeckRS 2010, 8867).
bb) Soweit der Verfolgte der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, kann diesem Erschwernis durch Hinzuziehung eines Dolmetschers zu den gesetzlich vorgesehenen Anhörungen hinreichend Rechnung getragen werden.
cc) Der im Jahr 1980 geborene Verfolgte ist schließlich auch nicht minderjährig im Sinne des § 40 Abs. 3 Nr. 3 IRG.“