StPO II: Nebenklageanschluss des Minderjährigen, oder: Bestellung eines Ergänzungspflegers

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Und dann der OLG Bamberg, Beschl. v. 20.11.2024 – 2 WF 121/24 e. Am Aktenzeichen erkennt man, dass die Entscheidung nicht unmittelbar mit der StPO zu tun hat, aber sie hat strafverfahrensrechtliche Bezüge. Es geht nämlich um den Nebenklageanschluss eines  minderjährigen Kindes im Strafverfahren und dabei um die Frage, ob und wann ggf. ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist.

Gegenstand des Verfahrens ist die Vertretungsbefugnis der Kindsmutter für die Entscheidung des 14-jährigen Kindes K, ob es sich dem gegen seinen Vater geführten Strafverfahren als Nebenklägerin anschließt. Der Kind ist das gemeinsame Kind der Beteiligten M und V, denen die elterliche Sorge für das Kind ursprünglich vollumfänglich gemeinsam zustand.

Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen den Kindsvater wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil des Kindes erhoben. Dem Verfahren liegt ein Tatvorwurf aus dem Zeitraum 2021 bis 2022 zugrunde. Mit Urteil des AG ist der Kindsvater erstinstanzlich freigesprochen worden. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, nachdem die Staatsanwaltschaft Berufung gegen das Urteil eingelegt hat.

Der Kind hatte vertreten durch die Kindsmutter im Rahmen des erstinstanzlichen Strafverfahrens gegen den Vater erklärt, sich dem Verfahren als Nebenklägerin anzuschließen und beantragt, die Nebenklage zuzulassen. Am Tag der Urteilsverkündung hat das AG den Antrag zurückgewiesen, da es bei fortbestehender gemeinsamer elterlicher Sorge an der erforderlichen Zustimmung des Kindsvaters zur Nebenklage fehlte.

Daraufhin hat die Kindsmutter im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt, dem Kindsvater die elterliche Sorge für ein Nebenklageverfahren des Kindes K gegen ihn zu entziehen und insoweit auf die Kindsmutter zu übertragen. Hilfsweise hat sie beantragt, beiden Eltern die elterliche Sorge für das mögliche Nebenklageverfahren teilweise zu entziehen und insoweit einen Verfahrenspfleger zu bestellen. Das Amtsgericht hat für das Kind K Ergänzungspflegschaft für den Aufgabenkreis der Prüfung des Anschlusses als Nebenklägerin im Strafverfahren gegen den Vater und gegebenenfalls zur Vertretung der Nebenklage im Strafverfahren angeordnet. Als Ergänzungspfleger hat es das Jugendamt bestimmt. Dagegen wendet sich die Kindesmutter mit ihrer Beschwerde, die keinen Erfolg hatte:

„1. Maßgeblich für die partielle Errichtung der Pflegschaft ist die Frage, ob ein erheblicher Interessengegensatz tatsächlich besteht oder zumindest ernsthaft droht, §§ 1809 Abs. 1, 1789 Abs. 2 Satz 4 BGB (vgl. grundlegend Senat, Beschluss v. 16.03.2020, Az. 2 UF 27/20). Dabei ist die Interessenkollision für jeden Elternteil einzeln zu prüfen (vgl. Müko/BGB-Schnelder, 9. Aufl., § 1809 Rn. 33 m.w.N.). Vorliegend ist bezogen auf den konkreten Einzelfall ein derartiger Gegensatz auch hinsichtlich der Interessen der Kindsmutter und des Kindes gegeben.

a) Es ist unter anderem aufgrund der Feststellungen der Verfahrensbeiständin davon auszugehen, dass K einerseits weiterhin Umgangskontakte mit ihrem Vater haben möchte, andererseits aber wünscht, Angaben in einer eventuellen Berufungsverhandlung zu machen. Ein eigener Wille von K bezüglich des Anschlusses als Nebenklägerin ist bisher nicht festgestellt worden. Bei dem formalen Anschluss an die Anklage mit den hiermit verbundenen strafprozessualen Rechten (u.a. Anwesenheit in der Hauptverhandlung, Fragerecht, Plädoyer) handelt sich um eine Frage von durchaus erheblicher Bedeutung für die Vater-Kind-Beziehung.

b) Ausweislich der Akte des Umgangsverfahrens pp. F pp. /22 (AG pp. ) gründet das Strafverfahren gegen den Vater maßgeblich auf Angaben der Mutter, die über einen längeren Zeitraum Aussagen der Kinder zu möglichen Handlungen des sexuellen Missbrauchs durch den Vater erfragt und teilweise heimlich mitgeschnitten hat. Nach den Angaben des Zeugen KHK Z im Strafverfahren (Bl. pp. , pp. /22 jug) hat sich die Kindsmutter mit umfangreichen Erklärungen im Ermittlungsverfahren gegen den Kindsvater eingebracht, die sie anhand von über einen jahrelangen Zeitraum gefertigten Notizen in abendlichen Gesprächen mit den Kindern aufgenommenen Audiodateien belegte. Nach eigenen Angaben ist die Mutter der Überzeugung, dass ein sexueller Missbrauch durch den Vater stattgefunden hat. Mit Schreiben vom 13.06.2024 (Bl. pp. , pp. /22 jug) hat die Kindsmutter im Strafverfahren umfangreich Gründe dargelegt, aus denen das Freispruchurteil fehlerhaft und Berufung einzulegen sei. Ferner hat sie mit Schreiben vom 06.08.2024 (Bl. pp. , pp. /22 jug) ihr Einverständnis mit einer Begutachtung des Kindes K im Berufungsverfahren erklärt trotz eines vorangegangenen Hinweises der Staatsanwaltschaft pp. auf die hiermit verbundene erhebliche Belastung des Kindes.

c) Es besteht aufgrund dessen die begründete Besorgnis, dass die Kindsmutter bei der Entscheidung über den Anschluss des Kindes als Nebenklägerin und bei der möglichen Vertretung des Kindes im Strafverfahren auch und vor allem das eigene Aufklärungs- und Verurteilungsinteresse berücksichtigen würde und nicht die allein maßgebliche Frage, ob die Stellung als Nebenklägerin neben einer bestehenden Zeugenstellung dem Wohl des Kindes entspricht.

d) Ergänzend ist ferner zu berücksichtigen, dass strafprozessual in Fällen des § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO hinsichtlich des Zeugnisverweigerungsrechts eines Kindes ein zwingender Fall der Ergänzungspflegschaft auch für den nicht beschuldigten Elternteil besteht. Insoweit besteht eine gesetzliche Vermutung für die Gefahr, dass der nicht beschuldigte Elternteil nicht neutral allein im Interesse des Kindes entscheiden würde, sondern bewusst entweder zugunsten oder zuungunsten des angeklagten Elternteils. Die Interessenlage ist insoweit vorliegend bei der Wahrnehmung der Rechte der Nebenklage des Kindes durchaus vergleichbar.

f) Der Senat erachtet zudem auch die Bedenken der Verfahrensbeiständin im Hinblick auf einen möglichen Loyalitätskonflikt des Kindes für beachtlich, wenn dieses versucht, einerseits den Erwartungen der Mutter hinsichtlich der Beteiligung im Strafverfahren gerecht zu werden, andererseits durch das eigene Verhalten maßgeblich am Ergebnis des gegen den Vater geführten Verfahrens beteiligt ist. Hier kann die Einschaltung eines neutralen Ergänzungspflegers eine Entlastung schaffen. Die Verfahrensbeiständin hat aus diesem Grund nachvollziehbar ebenfalls eine Ergänzungspflegschaft als sachgerecht erachtet.

Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht auch der Kindsmutter die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Durchführung der Nebenklage entzogen und insoweit Ergänzungspflegschaft angeordnet hat.

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