Archiv für den Monat: Januar 2023

Zuständigkeit III: Erneute Entscheidung über Ersuchen, oder: Nicht wir, sondern die vom OLG Bamberg

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Und zum Tagesschluß dann noch eine Entscheidung aus dem Auslieferungsrecht, und zwar den OLG Celle, Beschl. v. 05.09.2022 -2 AR (Ausl) 85/22.

Die rumänischen Behörden haben die Auslieferung des Verfolgten beantragt. Das OLG Bamberg hat die Auslieferung für unzulässig erklärt. Begründung: Abwesenheitsurteil. Der Auslieferungshaftbefehl wird aufgehoben. Dann wird der Verfolgte, der inzwischen im Landkreis Holzminden erneut aufgrund der fortbestehenden Ausschreibung festgenommen. Inzwischen hat die GstA Celle beantragt – die Gründe tun nichts zur Sache – die Auslieferung für unzulässig zu erklären. Das OLG Celle zeigt mit dem Finger auf das OLG Bamberg und sagt: Nicht wir, sondern die:

„Der Senat ist zu einer Entscheidung nicht berufen.

Für eine gemäß § 29 Abs. 1 IRG zu treffende erneute Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten an die r. Justizbehörden ist das Oberlandesgericht Bamberg örtlich zuständig.

Gemäß § 14 Abs. 1 IRG liegt die örtliche Zuständigkeit in Auslieferungsverfahren bei dem Oberlandesgericht und der Generalstaatsanwaltschaft, in deren Bezirk der Verfolgte zum Zwecke der Auslieferung ergriffen oder, falls eine Ergreifung nicht erfolgt, zuerst ermittelt wird. Vorliegend erfolgte die erstmalige Ermittlung sowie die Ergreifung des Verfolgten im Zuge des Erlasses des Auslieferungshaftbefehls des Oberlandesgerichts Bamberg vom 17.02.2022. Die hierdurch begründete örtliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Bamberg ist nicht durch den späteren Aufenthalt des Verfolgten sowie seine erneute vorläufige Festnahme am 23.03.2022 im Bezirk des Oberlandesgerichts Celle entfallen. Denn eine einmal bestehende örtliche Zuständigkeit dauert bis zum Ende des Auslieferungsverfahrens an und wird durch Änderungen des Aufenthalts des Verfolgten grundsätzlich nicht berührt (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 02.06.2020 – Ausl 301 AR 66/20 –, juris, mwN). Insoweit stellt das Wort „zuerst“ in § 14 Abs. 1 IRG klar, dass sich ein einmal begründeter Gerichtsstand nicht durch erneute Ermittlung des Verfolgten in einem anderen Bezirk ändert (vgl. Schierholt in Schomburg/Lagodny, IRG, 6. Aufl. 2020, § 14 Rd. 4 mwN). Eine zeitlich zuerst begründete örtliche gerichtliche Zuständigkeit bleibt daher auch erhalten, wenn später Umstände eintreten, welche eine andere gerichtliche Zuständigkeit zu begründen geeignet sind. So ist eine Änderung der örtlichen Zuständigkeit von der obergerichtlichen Rechtsprechung für Fälle verneint worden, in denen ein zum Zwecke der Auslieferung zur Strafverfolgung erlassener Europäische Haftbefehl durch den ersuchenden Staat zurückgenommen und zeitgleich oder später ein neuer Europäischer Haftbefehl erlassen wird, sofern beide Europäische Haftbefehle den gleichen Sachverhalt zum Gegenstand haben (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 27.02.2020 – 2 Ausl 18/20 –, juris; OLG Karlsruhe, aaO). Im vorliegenden Fall besteht der Europäische Haftbefehl des Gerichts in Tirgu Bujor vom 09.11.2021 (Az. 1114/316/2017), der bereits Gegenstand der o.g. Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 17.02.2022 über die Unzulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten an die rumänischen Justizbehörden war, unverändert fort. Das in dem Europäischen Haftbefehl formulierte Auslieferungsersuchen der rumänischen Justizbehörden hat sich nach Auffassung des Senats durch die vorgenannte Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg nicht erledigt. In der Folge ist das Oberlandesgericht Bamberg für die im Hinblick auf das fortbestehende Auslieferungsersuchen zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen weiterhin zuständig. In Ansehung der o.g. Grundsätze ändert hieran nichts, dass der Verfolgte zwischenzeitlich im Bezirk des Oberlandesgerichts Celle ermittelt und erneut vorläufig festgenommen wurde. Gerade auch in Fallkonstellationen der vorliegenden Art würde ein Wechsel der gerichtlichen Zuständigkeit dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 14 Abs. 1 IRG zuwiderlaufen, durch eine Festlegung auf das zunächst mit der Sache befasste Oberlandesgericht auch aus außenpolitischen Gründen negative Zuständigkeitskonflikte zu vermeiden und auf diese Weise die Vereinfachung, Beschleunigung und Kontinuität des Auslieferungsverfahrens zu gewährleisten (vgl. OLG Karlsruhe, aaO, unter Hinweis auf BT-Drs. 9/1338, S. 48). Anderenfalls würden, wenn der Verfolgte erneut seinen Aufenthaltsort wechseln würde, zahlreiche verschiedene Oberlandesgerichte mit demselben Auslieferungsersuchen befasst werden.“

Zuständigkeit II: Umfangreicheres BtM-Verfahren, oder: Strafmaßprognose bestimmt die Gerichtszuständigkeit

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In der zweiten Entscheidung, dem OLG Dresden, Beschl. v. 05.12.2022 – 2 Ws 230/22 – geht es auch um ide Problemati: AG oder LG?, und zwar in einem BtM-Verfahren. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, sich wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen strafbar gemacht zu haben. Er soll am 15.05.2020 insgesamt sechs Kilogramm Marihuana mit einem durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von zumindest 10 % Tetrahydrocannabinol (THC) für 33.000,00 EUR angekauft und gewinnbringend für mindestens 36.000,00 EUR weiterveräußert haben. Außerdem soll er im Zeitraum vom 25.05.2020 bis 28.05.2020 weitere fünf Kilogramm Marihuana mit einem durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von zumindest 10 % THC erworben und für 26.000,00 EUR weiterverkauft haben. Schließlich wird dem Angeklagten angelastet, am 11.06.2020 abermals zwei Kilogramm Marihuana mit einem durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % THC zu einem Preis von 10.000,00 EUR gekauft und anschließend für 11.000,00 EUR weiterverkauft zu haben. Der Angeklagte hat sich zum Tatvorwurf bislang nicht geäußert. Er ist nach den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.

Das LG hat die Anklage ohne Änderungen zur Hauptverhandlung zugelassen, das Hauptverfahren aber abweichend vom Antrag der Staatsanwaltschaft vor dem AG – Schöffengericht — eröffnet. Dagegen die sofortige Beschwerde der StA, die keinen Erfolg hatte:

„Die Zuständigkeit des Landgerichts ist im vorliegenden Fall weder aufgrund der Straferwartung im Einzelfall noch deshalb eröffnet, weil die Staatsanwaltschaft wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Bedeutung des Falles Anklage beim Landgericht erhoben hätte.

a) Die Zuständigkeit des Landgerichts Leipzig ergibt sich nicht aus § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GVG.

Nach § 24 Abs. 1 GVG liegt die sachliche Zuständigkeit der ersten Instanz grundsätzlich bei den Amtsgerichten (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 1959 -1 BOR 295/58 = BVerfGE 23, 223 (227); Eschelbach in Beck-OK GVG, 16. Ed., 15. August 2022, § 24, Rn. 6). Eine Ausnahme von diesem Leitbild für den gesetzlichen Richter kann sich aus den Nr. 1 bis 3 der Vorschrift ergeben. Für die Verschiebung der Zuständigkeit nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 GVG aufgrund der Begrenzung des Strafbanns für Amtsgerichte auf vier Jahre (§ 24 Abs. 2 GVG) ist maßgeblich, Ob im Einzelfall eine höhere Strafe als vier Jahre (Gesamt-)Freiheitsstrafe zu erwarten ist. Das bedeutet, dass bei einer überschlägigen Prognoseentscheidung unter Abwägung der für die Strafzumessung maßgeblichen Umstände eine jedenfalls höhere Wahrscheinlichkeit dafür bestehen muss, dass eine Strafe von mehr ais vier Jahren ausgesprochen wird, Es kommt insofern nicht darauf an – wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerdebegründung ausführt —es sei (lediglich) „nicht auszuschließen, dass eine Gesamtfreiheitsstrafe von über vier Jahren zu verhängen sein könnte“.

Die Strafmaßprognose zur Bestimmung der Gerichtszuständigkeit ist zunächst von der Staatsanwaltschaft bei Anklageerhebung und sodann vom Gericht bei der Eröffnungsentscheidung einzelfallbezogen vorzunehmen. Dabei obliegt dem Gericht nicht nur eine Nachprüfung der Zuständigkeitsauswahl der Staatsanwaltschaft, sondern mit der Prüfung auch eine gerichtliche Entscheidung über den vorbestimmten gesetzlichen Richter (vgl. Beck-OK GVG, a.a.O., Rn. 10). Für die zu treffende Prognoseentscheidung besteht ein weiter Beurteilungsspielraum (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2015 – 2 StR 405/14, juris), der im Rahmen seiner Entscheidung dem Landgericht zusteht.

Die vorliegend getroffene Entscheidung bewegt sich im Rahmen dieses Beurteilungsspielraumes, Die Strafkammer hat – auch unter Beachtung der ergänzenden Ausführungen im Ver-merk vom 25. Juli 2022 – anhand sachlicher Erwägungen und unter Benennung der für die Strafzumessung bestimmenden Umstände eine nicht zu beanstandende Prognoseentscheidung getroffen. Die Kammer hat unter konkretem Verweis auf die beim Landgericht Leipzig für vergleichbare Fälle bestehende Spruchpraxis nachvollziehbar dargelegt, welche Einzelstrafen zu erwarten sein werden. Zwar binden in anderen Verfahren verhängte Einzelstrafen die Strafkammer für ihre Urteilsfindung nicht. Gleichwohl ist die Orientierung am im Gerichtsbezirk für vergleichbare Taten üblicherweise verhängten Strafmaß ein geeignetes Beurteilungskriterium für die zu treffende Prognose, Es bewegt sich deshalb im Rahmen des der Kammer zustehenden Beurteilungsspielraums, wenn diese unter Beachtung der im Vergleich zu anderen Verfahren deutlich geringeren Betäubungsmittelmengen der ,,weichen Droge“ Marihuana, vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte zwar nicht geständig, aber bislang auch nicht vorbestraft ist, Einzelstrafen von deutlich unter drei Jahren erwartet. Dass das Landgericht schließlich bei den innerhalb nur eines Monats liegenden Tatzeitpunkten für eine im verurteilungsfall zu bildende Gesamtstrafe auf einen engen zeitlichen, sachlichen und situativen Zusammenhang abstellt und unter Beachtung der seit Tatbegehung vergangenen Zeit eine Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als vier Jahren nicht prognostiziert, überschreitet die Grenze des Beurteilungsspielraums ebenfalls nicht.

b) Die Zuständigkeit des Landgerichts ergibt sich auch nicht aus § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG, weil die Staatsanwaltschaft wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Bedeutung des Falles Anklage beim Landgericht erhoben hätte.

Voraussetzung des § 24 Abs, 1 Satz 1 Nr. 3 GVG ist grundsätzlich, dass die Staatsanwaltschaft gerade wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Bedeutung der Sache zum Landgericht anklagt. Die Vornahme dieser Einschätzung hat sie regelmäßig in der Anklageschrift darzulegen. Mitzuteilen sind die Umstände, aus denen die Staatsanwaltschaft den besonderen Umfang oder die besondere Bedeutung der Sache ableitet. Etwas anderes gilt nur, wenn die Anknüpfungspunkte dafür bereits offensichtlich sind (vgl. Beck-OK GVG, a.a.O., Rn. 18; BGH, Beschluss vom 10. Februar. 1998 – 1 StR 760/97; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Auflage 2022, § 24 GVG, Rn. 5; RiStBV Nr. 113 Abs. 2). Vorliegend wäre die Staats-anwaltschaft zu solchen Ausführungen verpflichtet gewesen, da sich unter Beachtung des Ausnahmecharakters des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG ein besonderer Umfang oder eine besondere Bedeutung der Sache nicht aufdrängen.

Ungeachtet dessen ist der Senat nicht gehindert, die Eröffnungsentscheidung des Landgerichts auch unter diesem Gesichtspunkt zu überprüfen. Denn der „besondere Umfang“ und die „besondere Bedeutung des Falles“ sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die der gerichtlichen Nachprüfung unterliegen. Insofern hat die Staatsanwaltschaft auch keinen Beurteilungs- oder -Ermessensspielraum für eine Anklageerhebung zum Landgericht (vgl. BVerfGE 9, 223 (227), Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Rn. 7). Auf ihre sofortige Beschwerde, mit der sie auch auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG abstellt, ist deshalb die umfassende Überprüfung der Zuständigkeitsentscheidung möglich (vgl. KG Berlin, Beschluss -vom 27. September 2004 – 5 Ws 255/04; OLG Hamburg, Beschluss vom 4. März 2005 – 2 Ws 22/05; Schuster in Münchener Kommentar, StPO, 1. Aufl. 2018, § 24 GVG, Rn. 5).

Im Ergebnis. dieser Überprüfung sind weder ein besonderer Umfang noch eine besondere Bedeutung der vorliegenden Sache im Sinne von § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG gegeben.

Ein besonderer Umfang der Sache kann sich in einer Gesamtschau aus der Zahl der Angeklagten, der Zahl der vorgeworfenen Taten, aus dem Umfang des Aktenmaterials und der zu erwartenden Beweisaufnahme und Verfahrensdauer ergeben (vgl. Beck-OK GVG, Rn. 14, OLG Karlsruhe, StV 2011, 614; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Rn. 7). Die besondere Bedeutung der Sache kann auf rechtlichen oder tatsächlichen Gründen beruhen, wobei das Ausmaß der Rechtsverletzung, die Auswirkungen der Straftat, eine Erhöhung des Unrechtsgehalts durch eine herausragende Stellung des Angeklagten oder des Verletzten in den Blick zu nehmen ist. Im Ergebnis dieser Betrachtung muss schließlich beurteilt werden, ob es sich um ein Verfahren handelt, welches sich aus der Masse der durchschnittlichen Strafsachen (auch im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität) heraushebt oder es um die Entscheidung einer für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle bedeutsame Rechtsfrage geht (vgl. Beck-OK GVG, a.a.O., Rn. 16, Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Rn. 8).

Solche Umstände liegen für das hiesige Verfahren, das einer Einzelfallbetrachtung zu unter-ziehen ist, nicht vor. Dies gilt auch unter Beachtung dessen, dass es sich um ein Verfahren aus den „Encrochat-Fällen handelt. Die Sachakten bestehen derzeit aus lediglich zwei Leitzordnem Sachakten mit insgesamt 573 Seiten sowie neun Sonderbänden (sechs Leitzordner und drei Aktenbände). Bedeutsame Rechtsfragen sind geklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2022 — 5 StR 457/21; OLG Dresden, Beschluss vom 16. Juni 2021 -3 Ws 37/21 und Beschluss vom 25. August 2021 – 3 Ws 63/21; OLG Delle Beschluss vom 12. August 2021 — 2 Ws 250121).“

Zuständigkeit I: Steuerhinterziehung beim AG?, oder: Klassiker

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Heute dann drei OLG-Entscheidungen, die sich mit Zuständigkeitsfragen befassen, und zwar zwei StPO-Entscheidungen und eine aus dem Auslieferungsrecht.

Zunächst hier der OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.02.2022 – 2 Ws 202/21. Es ist der Klassiker. Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeschuldigten zur Last, im Zeitraum vom 31.05.2014 bis zum 31.05.2019 in sieben Fällen die Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch Steuern verkürzt zu haben (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO), wobei in einem Fall lediglich eine versuchte Tat vorliegen soll.

Das LG hat die Anklage teilweise zur Hauptverhandlung zugelassen, das Hauptverfahren jedoch abweichend von der Entschließung der Staatsanwaltschaft vor dem AG – Strafrichter – eröffnet, weil die Sache weder einen besonderen Umfang noch eine besondere Bedeutung aufweise (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG). Wegen eines anderen teils hat das LG die Eröffnung abgelehnt.

Dagegen die sofortige Beschwerder der Staatsanwaltschaft, die vor dem LG verhandeln will. Das OLG führt zur Zuständigkeit aus:

„1. Die Strafkammer hat mit zutreffender Begründung das Hauptverfahren vor dem sachlich zuständigen Amtsgericht – Strafrichter – eröffnet (§ 209 Abs. 1 StPO, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 74 Abs. 1 Satz 2 GVG) und dabei mit Recht angenommen, dass eine Zuständigkeit des Landgerichts sich nicht aus einem – hier ersichtlich nicht vorliegenden – besonderen Umfang des Verfahrens und auch nicht aus einer besonderen Bedeutung des Falles ergibt (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG). Im Falle eines etwaigen, bislang hier auch konkret noch nicht abzusehenden Medien- und Öffentlichkeitsinteresses ist im Hinblick auf das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) eine die Zuständigkeit des Landgerichts begründende besondere Bedeutung nur ausnahmsweise bei Konstellation eines überragenden oder bundesweiten Interesses anzunehmen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 10. Dezember 2019 – III-4 Ws 268/19, zit. nach Juris). Einen solchen Fall hat die Strafkammer mit Recht verneint.“

Ich sage doch: Klassisch :-).

StGB III: Sind die Audioaufnahmen „unbefugt“ erstellt?, oder: Restriktive Auslegung bei Beweisnot

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Und als dritte Entscheidung stelle ich dann heute den LG Karlsruhe, Beschl. v. 04.01.2023 – 16 Qs 98/22 – vor. Das LG hat über die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Ablehnung des von ihr beantragten Erlasses eines Strafbefehls entschieden. Das LG nimmt zu einigen verfahrenrechtlichen Fragen Stellung, insoweit komme ich auf die Entscheidung noch zurück. Hier will ich jetzt die materielle Frage vorstellen, zu der das LG Stellung genommen hat.

Beantragt worden war der Strafbefehl wegen der eines Verstoßes gegen § 201 StGB – Strafbarkeit wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes. Das LG führt aus, dass die vom Angeschuldigten gefertigten Audioaufnahmen nicht „unbefugt“ gefertigt worden sind:

„3. Der aufgrund der Ermittlungen wahrscheinliche Tatvorgang ist im Übrigen auch aus Rechtsgründen nicht strafbar. Dem Amtsgericht Maulbronn ist zuzustimmen, dass der Angeschuldigte die Audioaufnahmen nicht „unbefugt“ im Sinne von § 201 Abs. 1 StGB gefertigt

Maßstab hierfür ist nach zutreffender Auffassung indes nicht einmal, ob im engen Sinne ein Rechtfertigungsgrund nach §§ 32, 34 StGB vorliegt. Der Gesetzgeber hat der Rechtsprechung zu § 201 StGB vielmehr ausdrücklich aufgegeben „nach den besonderen Umständen des Falles zu entscheiden, ob das Handeln als nicht tatbestandsmäßig (…) anzusehen ist“ (Reg.Begr. BTDrs. 7/550, 236). In diesem Zusammenhang ist häufiger als sonst Raum für richterliche Abwägung und Wertung (BGH NJW 1979, 1513 (1514)).

Nach diesem Maßstab ist die dem Angeschuldigten zur Last gelegte Handlung nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht als tatbestandsmäßig anzusehen.

Der Angeschuldigte sah sich hier regelmäßig strafrechtlichen Vorwürfen und grenzüberschreitendem Verhalten in typischen Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen durch seine Ehefrau ausgesetzt. Ihm kam hierfür jedenfalls keine Alleinverantwortung zu. Der fortdauernde Konflikt mit seiner Ehefrau fand zusätzlich vor dem Hintergrund eines anhängigen Scheidungs- und Sorgerechtsstreits statt. Ausschließlich in diesem Gesamtkontext fertigte der Angeschuldigte die verfahrensgegenständlichen Audioaufnahmen.

Zusätzlich ist das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ i.S.v. § 201 Abs. 1 StGB im Rahmen von fortdauernden Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Personen immer dann besonders restriktiv auszulegen, wenn eine erkennbar in Beweisnot befindliche Person von ihr gefertigte Audioaufnahmen ausschließlich mit den für die Auseinandersetzung jeweils zuständigen Behörden teilt. So liegt der Fall hier.“

StGB II: „Hilfe“ bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln, oder: Täterschaft oder Teilnahme?

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Die zweite Entscheidung kommt mit dem BGH, Beschl. v. 07.09.2022 – 3 StR 165/22 – vom BGH. Der nimmt (noch einmal) zur Frage von Täterschaft und Teilnahme bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln Stellung.

Nach den vom LG insoweit getroffenen Feststellungen „holte ein weiterer Fahrer der Gruppe nach gemeinschaftlicher Tatplanung im LKW 40 kg Amphetamin, 1 kg MDMA, 49.000 Ecstasy-Tabletten sowie 49.500 LSD-Trips mit jeweils näher bezeichneten Wirkstoffgehalten in den Niederlanden ab. Auch diese Betäubungsmittel waren für skandinavische Abnehmer des Hintermanns bestimmt. Der ehemals Mitangeklagte steuerte das Begleitfahrzeug, während der Angeklagte K. abredegemäß auf der deutschen Seite der Grenze wartete, dort mit den anderen zusammentraf und den Drogentransport sodann bei der Weiterfahrt zur genannten Halle des ehemals Mitangeklagten in An.  begleitete. Dort luden alle drei die Betäubungsmittel um und verbrachten sie mit denjenigen aus Fall II.3. der Urteilsgründe schließlich in ein weiteres Lager nach M.     .

2. Der ehemals Mitangeklagte hatte nämlich die Idee entwickelt, dem Hintermann den aktuellen Drogenbestand, mithin die Betäubungsmittel aus den Fällen II.3. und II.4. der Urteilsgründe, zu entziehen, sie selbst zu verkaufen und den Handel fortan auf eigene Rechnung zu betreiben. Er offenbarte sich dem Angeklagten K. und einem weiteren Fahrer, die sich dem Vorhaben in Kenntnis aller Umstände anschlossen.“

Die Revision des Angeklagten (K.) hatte Erfolg:

„2. Die von diesem Angeklagten erhobene Sachrüge deckt einen ihn benachteiligenden Rechtsfehler in Fall II.4. der Urteilsgründe auf.

a) Die Feststellungen tragen nicht seine Verurteilung wegen täterschaftlicher Einfuhr. Der Tatbestand erfordert zwar keinen eigenhändigen Transport des Betäubungsmittels über die Grenze. Mittäter einer Einfuhr im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB kann ein Beteiligter auch dann sein, wenn das Rauschgift von einer anderen Person in das Inland verbracht wird. Voraussetzung dafür ist nach den hier gleichermaßen geltenden Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts aber ein die Tatbegehung objektiv fördernder Beitrag, der sich als ein Teil der Tätigkeit aller darstellt und der die Handlungen der anderen als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheinen lässt. Ob dies gegeben ist, bemisst sich insbesondere am Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, am Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, am Umfang der Tatbeteiligung und der Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls dem Willen dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt bei allen diesen Merkmalen ist der Einfuhrvorgang selbst (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 2014 – 3 StR 137/14, StV 2015, 633 Rn. 3; vom 21. August 2018 – 3 StR 655/17, juris Rn. 5; jeweils mwN).

An diesen Maßstäben gemessen war beim konkreten Überqueren der Grenze mit den Betäubungsmitteln keine Tatherrschaft des Angeklagten gegeben. Sein Tatbeitrag erschöpfte sich insoweit in der gemeinsamen Tatplanung und der Zusage, nach dem Grenzübertritt bereitzustehen. Er verwirklichte hierdurch (nur) eine Beihilfe.

b) Im Übrigen hat das Landgericht den Sachverhalt zutreffend dahin gewürdigt, dass die Angeklagten K.     und T.   sich mit dem ehemals Mitangeklagten und weiteren Personen zur gemeinsamen Begehung von Betäubungsmitteldelikten verbunden hatten, mithin eine Bande bildeten. Ihr Zusammenschluss war zu Beginn nicht auf ein Handeltreiben, sondern auf Ein- und Ausfuhrtaten gerichtet. Weder wollte die Gruppe in den Fällen II.1. bis II.4. der Urteilsgründe eigennützig Umsatzgeschäfte führen, noch waren ihre Mitglieder in die An- und Verkäufe des selbständig agierenden Hintermanns eingebunden. Das Geschäft in Fall II.4. stellte deshalb eine Bandeneinfuhr von Betäubungsmitteln nach § 30a Abs. 1 BtMG dar (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2007 – 4 StR 474/07, juris Rn. 4 f.; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 30 Rn. 80), zu der der Angeklagte K.     gemäß § 27 StGB Beihilfe leistete. Der Zusatz „in nicht geringer Menge“ ist insoweit entbehrlich, weil das Gesetz eine Bandeneinfuhr nur für nicht geringe Mengen an Betäubungsmitteln vorsieht (§ 30a Abs. 1 BtMG versus § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG).

Weil der Angeklagte mit seinem Verhalten zugleich die Umsatzgeschäfte des Hintermanns förderte, beging er tateinheitlich eine Beihilfe zu dessen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB, ohne insoweit Bandenmitglied zu sein (§ 28 Abs. 2 StGB).“