Archiv für den Monat: Dezember 2022

Verkehrsrecht III: Entziehung der Fahrerlaubnis, oder: Was wusste der Beschuldigte von der Schadenshöhe?

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Und zum Tagesschluss dann noch ein schon etwas älterer Beschluss des AG Gießen, zu einer „Dauerbrennerproblematik“ in Zusammenhang mit der Entziehung der Fahrerlaubnis in den Fällen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB i.V.m. § 142 StGB). Nämlich die Frage: Was hat der Beschuldigte gewusst bzw., was konnte er wissen?-

Dazu der AG Gießen, Beschl. v. 02.06.2022 – 507 Gs – 804 Js 5325/22:

„Vorliegend kann es aktuell dahinstehen, ob die Beschuldigte den Unfall bemerkt hat und demzufolge vorsätzlich bezüglich des § 142 StGB handelte. Objektive Anhaltspunkte (Verweildauer nach der Kollision, Umsetzen in eine andere Parklücke) dürften gegeben sein. Allerdings ist nicht jede Straftat nach § 142 StGB automatisch mit der Maßregel des § 69 StGB verknüpft.

Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO erfordert (über den Tatverdacht bzgl. des § 142 StGB hinausgehend) dringende Gründe für die Annahme, dass die Fahrerlaubnis auch nach Durchführung der Hauptverhandlung entzogen werden wird, §§ 69 StGB, 111a Abs. 1 S. 1 StPO. Es ist ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit erforderlich, dass das Gericht d. Beschuldigten als ungeeignet zum Fahren von Kraftfahrzeugen ansehen wird.

Die Voraussetzungen für die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 S. 3 StGB sind vorliegend (zumindest nach derzeitigem Sachstand) nicht gegeben.

Ein „bedeutender Schaden“ im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB wird nach unterschiedlicher Rechtsprechung immer dann angenommen, wenn die Schadenssumme 1.200,- € bzw. 1.300,¬€ (teilweise auch erst ab 1.500,- €) beträgt. Die Anknüpfung auf Blatt 4 der Akte lässt jedoch eine objektivierte Grundlage vermissen. Überdies ist aus dem sich aus den Lichtbildern ergebendem Gesamtzustand des geschädigten Fahrzeugs (BI. 11, Bild 006) eine derartige Schadenshöhe nach den Grundsätzen des Zivilrechts nicht ableitbar: Ein Gutachten oder ein Kostenvoranschlag liegt gleichwohl nicht vor.

Insofern kann es vorliegend dahinstehen, dass die rein objektive Schadenshöhe aus einem späteren Gutachten für sich genommen ohnehin für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nicht ausreicht. Vielmehr ist im Rahmen der Entscheidung nach § 111a StPO zu prüfen, ob die- Beschuldigte subjektiv wissen konnte, bei dem Unfall einen solchen Sachschaden verursacht zu haben.

Die Indizwirkung des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB setzt gerade voraus, dass der Täter weiß oder wissen kann, dass erhebliche Folgen eingetreten sind. Hierbei reicht es aus, dass er die objektiven Umstände erkennen konnte, die die rechtliche Bewertung des Schadens als „bedeutend“ begründen. Zwar ist vorliegend auf den Lichtbildern des Fahrzeuges des Geschädigten zu erkennen, dass dieses im Seitenbereich der Stoßstange Verschrammungen und Lackspuren des Täterfahrzeuges aufweist. Dass die Beschuldigte als Laie mit einem Sachschaden in der genannten Größenordnung rechnen musste, ist daher nicht erkennbar. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt, an dem sie die Unfallstelle verließ. Ob sich nachträglich ein höherer Schaden herausstellt, ist insoweit nicht entscheidend.

Dafür lassen sich aus den Ermittlungsakten auch unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen keine belastbaren Angaben herleiten.“

Sollte man als Verteidiger in den Fällen immer im Blick haben.

Verkehrsrecht II: Polizeiflucht als Alleinrennen, oder: Polizeiflucht aber nicht auch als verbotenes Rennen

Die zweite Entscheidung ist auch eine, die etwas mit (verbotenen) Rennen zu tun hat, und zwar noch einmal mit der sog. Polizeiflucht.

In dem dem OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2022 – 1 Ss 199/22 – zugrunde liegenden Verfahrenist dem Angeklagten vorgeworfen worden, sich 2021 an einem Tag gegen 23:15 Uhr in Nordhorn im Straßenverkehr als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt zu haben, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erzielen (§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB). Das AG hat hat sich aber vom Vorliegen einer Straftat nicht zu überzeugen vermocht und den lediglich wegen einer Ordnungswidrigkeit, nämlich vorsätzlicher Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage (Rotlichtdauer über 1 Sekunde) in Tateinheit mit einer vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 50 km/h, zu einer Geldbuße von 300 € verurteilt und ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt, wobei es wegen eines bereits in der Vergangenheit verhängten Fahrverbots von einer Anordnung nach § 25 Abs. 2a StVG abgesehen hat.

Die hiergegen eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das LG Osnabrück als unbegründet verworfen. Dagegen dann noch die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und von der Generalstaatsanwaltschaft vertretene Revision der Staatsanwaltschaft. Die hatte keinen Erfolg.

Das OLG führt aus:

2. Die Beweiswürdigung, mit der das Landgericht zu einer Ablehnung einer Strafbarkeit nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB („verbotenes Einzelrennen“) gelangt ist, ist nicht zu beanstanden.

Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und vom Revisionsgericht daher in der Regel hinzunehmen. Eine revisionsrechtliche Beurteilung ist auf die Prüfung beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denk- oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt, wenn das Tatgericht zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil v. 25.11.2010, 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338) oder wenn sich die vom Tatrichter gezogenen Schlussfolgerungen so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind, die nicht mehr als einen schwerwiegenden Verdacht begründen (vgl. BGH, Beschluss v. 25.03.1986, 2 StR 115/86, NStZ 1986, 373). Hieran gemessen sind die Erwägungen, mit denen die Strafkammer zu der Annahme gelangt ist, der Angeklagte habe angenommen, er hätte auf der ihm bekannten und in Teilen geraden Strecke schneller fahren können, nicht zu beanstanden. Insbesondere verstoßen die Ausführungen des Landgerichts, wonach es sich bei dem vom Angeklagten geführten Fahrzeug um ein vom Modell und Typ her anderes als das der Polizeibeamten handelte, so dass allein aus dem Umstand, dass die Beamten – wegen des Aufsetzens ihres Fahrzeugs – auf dem Streckenabschnitt nicht schneller fahren konnten, nicht der Schluss gezogen werden könne, dies sei auch dem Angeklagten nicht möglich gewesen, nicht gegen die Denkgesetze. Zu beachten ist zudem, dass aus einer Fluchtmotivation, wie sie bei dem Angeklagten bestand, nicht ohne weiteres auf die Absicht geschlossen werden kann, die gefahrene Geschwindigkeit bis zur Grenze der situativ möglichen Höchstgeschwindigkeit zu steigern (BGH, Beschluss v. 17.02.2021, 4 StR 225/20, NJW 2021, 1173 Rz. 17)

3.a.) Unter Zugrundelegung der fehlerfrei getroffenen Feststellungen hat das Landgericht zutreffend das Vorliegen einer Straftat nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB verneint.

Zwar kommt grundsätzlich auch eine Subsumtion der sog. „Polizeiflucht-Fälle“ unter diese Norm in Betracht (vgl. BGH, a.a.O.). Dies gilt indes nur, wenn auch festgestellt werden kann, dass es dem Täter darauf ankam, als notwendiges Zwischenziel für eine erfolgreiche Flucht über eine nicht ganz unerhebliche Wegstrecke die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Erforderlich dafür ist zwar nicht das Vorliegen der Absicht, das Fahrzeug mit objektiv höchstmöglicher Geschwindigkeit zu führen oder es bis an die technischen bzw. physikalischen Grenzen auszufahren. Gefordert ist aber ein Abzielen auf eine angesichts der relevanten Komponenten, wie fahrzeugspezifische Höchstgeschwindigkeit und Beschleunigung, subjektives Geschwindigkeitsempfinden, Verkehrslage und Witterungsbedingungen relative Höchstgeschwindigkeit. Die Absicht des Erzielens einer höchstmöglichen Geschwindigkeit entfällt, worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 5. Oktober 2022 zutreffend hingewiesen hat, dann, wenn der Kraftfahrzeugführer unwiderlegbar behaupten kann, er sei der Auffassung gewesen, noch schneller fahren zu können, worauf er jedoch verzichtet habe. So liegt es hier.

b) Darüber hinaus hat die Strafkammer zu Recht auch eine Strafbarkeit nach § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB abgelehnt.

Der von der Revision herangezogenen Entscheidung der 13. Strafkammer (Jugendkammer) des Landgerichts Osnabrück vom 22. Februar 2021 (13 Ns 16/20, NZV 2021, 368; zustimmend Müller, NZV 2021, 369), wonach auch die Fälle der sogenannten Polizeiflucht – worunter das vorliegend festgestellte Verhalten des Angeklagten fällt – die Tatbestandsvariante der Teilnahme an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen im Sinne des § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllten, vermag der Senat nicht zu folgen.

Die 13. Jugendkammer des Landgerichts Osnabrück begründet ihre Ansicht damit, dass auch in diesen Fällen von einem spezifischen Renncharakter auszugehen sei, auch wenn das Ziel des Wettbewerbs hier nicht im bloßen Sieg, sondern in der gelungenen Flucht liege. Eine vorherige Absprache oder Organisation sei nicht erforderlich. Schließlich erfasse der Wortlaut der Strafvorschrift auch die Fälle, in denen nicht alle Teilnehmer unerlaubt handelten.

Dem ist insoweit zuzustimmen, als dass das „Rennen“ als solches mangels behördlicher Erlaubnis (§ 29 Abs. 2 StVO) unerlaubt ist, auch wenn die Polizeibeamten im Rahmen der Gefahrenabwehr und damit gerechtfertigt handeln (vgl. König, DAR 2022, 363).

Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 315d Abs, 1 Nr. 2 StGB wäre aber weiter, dass der Angeklagte als Kraftfahrzeugführer an Kraftfahrzeugrennen teilgenommen hätte. Kraftfahrzeugrennen ist ein Wettbewerb oder Wettbewerbsteil zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten mit Kraftfahrzeugen, bei denen zwischen mindestens zwei Teilnehmern ein Sieger ermittelt wird, wobei es einer vorherigen Absprache der Beteiligten nicht bedarf. Letzteres trifft allerdings nur insoweit zu, als vorbereitende ausdrückliche Verabredungen über Zeit, Ort oder Regeln nicht getroffen werden müssen, mithin eine „Organisation“ nicht erforderlich ist. Ein „Rennen“ selbst setzt aber stets die Kenntnis aller Teilnehmer voraus, denn ein Wettbewerb existiert begrifflich nur dort, wo er als solcher wahrgenommen wird. Vereinbarungen können sich auch spontan und konkludent ergeben (vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl. § 315d Rz. 5 f.).

Insoweit weist aber bereits Krenberger in seiner Anmerkung zu der bezeichneten Entscheidung des Landgerichts Osnabrück (ZfS 2021, 412) zutreffend darauf hin, dass schon der Teilnehmerbegriff auf den Fahrzeugführer des Polizeifahrzeugs nur schwerlich anzuwenden ist. Als Teilnehmer an einem Rennen ist zu qualifizieren, wer sich äußerlich den formellen oder informellen Regeln der Veranstaltung im Wesentlichen unterwirft und dabei subjektiv einen Platz im Wettbewerb einnehmen oder das Ziel der Veranstaltung fördern möchte. Der Polizeibeamte hat hier aber mitnichten ein Förderungswillen, sondern will das Rennen so schnell wie möglich beenden. Damit fehlt es aber, wie auch König in seiner Anmerkung zu dem Urteil des Landgerichts Osnabrück (DAR 2022, 363) ausführt, an einer jedenfalls konkludenten Rennabrede. Zudem fehlt der Verfolgungsfahrt selbst der Wettbewerbscharakter, weil sie auf eine Beendigung der „Teilnahme“ des verfolgten Kraftfahrzeugführers abzielt (vgl. Krenberger, a.a.O.).

Nach alledem kommt deshalb eine rechtliche Einordnung der sog. „Polizeiflucht-Fälle“ als verbotenes Kraftfahrzeugrennen gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht in Betracht….“

Verkehrsrecht I: Schluss beim Berliner Ku-Damm-Raser, oder: BVerfG nimmt Verfassungsbeschwerde nicht an

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Heute dann noch einmal drei Entscheidungen mit verkehrsrechtlichem Einschlag.

Ich beginne den Reigen mit einer Entscheidung des BVerfG. Die gibt es im Verkehrsrecht ja nun nicht häufig, hier ist aber mal eine. Allerdings handelt es sich bei der vom BVerfG im BVerfG, beschl. v. 07.12.2022 – 2 BvR 1404/20 – geprüften und entschiedenen Frage nicht direkt um ein verkehrsrechtliches Problem, sondern um die Frage. Ist der Angeklagte im sog. Berliner Ku-Damm-Raser-Fall zur echt vom BGH wegen Mordes verurteilt worden (vgl. BGH, Urt. v. 18.6.2020 – 4 StR 482/19 -, BGHSt 65, 42)? Das BVerfG meint ja und hat die Verfassungsbeschwerde gegen das BGH-Urteil nicht zur Entscheidung angenommen. Damit ziejt es – zumindest innerstaatlich – einen Schlussstrich unter das Verfahren. Die Instanzgerichte werden in Zukunft mit der Auffassung des BVerfG und des BGH umgehen (müssen).

Das BVerfG hat seine Auffasssung in einem – wie ich meine – für einen Nichtannahmebeschluss sehr umfangrreich begründeten Beschluss dargelegt. Das kann und möchte ich hier nicht alles einstellen, sondern verweise wegen der Einzelheiten auf den verlinkten Volltext.

In seinem Beschluss setzt sich das BVerfG im Wesentlichen mit zwei Punkten auseinander, nämlich mit einem Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG und/oder einem Verstoß gegen das Schuldsprinzip. Beides wird verneint.

Zum Bestimmtheitsgebot führt das das BVerfG aus: Gemessen an den vom BVerfG in seiner Rechtsprechung aufgestellten Maßstäben hätten die Fachgerichte mit der Annahme, der Verurteilte habe mit Tötungsvorsatz gehandelt, die Vorgaben des Bestimmtheitsgebots nicht missachtet. Die Rüge, es sei eine dem Bestimmtheitsgebot widersprechende Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit vorgenommen worden, dringe nicht durch. Unschädlich sei, dass das Strafgesetzbuch diese Begriffe ohne die Rechtsanwendung anleitende Definitionen verwende. Art. 103 Abs. 2 GG schließe die Verwendung wertausfüllungsbedürftiger Begriffe bis hin zu Generalklauseln im Strafrecht nicht aus, wenn sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs oder aufgrund einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung derartiger Begriffe gewinnen lässt.

Jedenfalls bei Tötungsdelikten bestehe für die Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit eine solche gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung. Es sei vom Verurteilten weder dargetan noch aus sich heraus ersichtlich, dass diese den Vorsatzbegriff konkretisierende Rechtsprechung des BGH mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar sei. Zwar sei diese Rechtsprechung Kritik unterworfen, die im Ergebnis jedoch nur aufzeige, dass – auch vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgebots zulässige – Randunschärfen bei der Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit bestehen. Damit umzugehen, obliege der fachgerichtlichen Rechtsprechung und der Strafrechtswissenschaft und berühre die Gewährleistungen des Bestimmtheitsgebots nicht. Es sei auch bei der Rüge eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG nicht Aufgabe des BVerfG, seine Auffassung von der zutreffenden oder überzeugenderen Auslegung des einfachen Rechts an die Stelle derjenigen der Fachgerichte zu setzen. Die angegriffenen Entscheidungen hätten sich in diese – dem aus Art. 103 Abs. 2 GG abgeleiteten Präzisierungsgebot entsprechende – ständige Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit eingefügt und würden damit den behaupteten Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot nicht erkennen lassen. Beide Entscheidungen nähmen diese ständige Rechtsprechung zum Ausgangspunkt ihrer weiteren Prüfung. Dementsprechend hätten sowohl das LG als auch der BGH nicht nur auf die objektive Gefährlichkeit der Handlung abgestellt, sondern auf die wesentlichen festgestellten Umstände des Einzelfalls, die Rückschlüsse auf das Wissens- und das Willenselement der inneren Tatseite zulassen.

Ein Verstoß gegen das Schuldprinzip habe der Verurteilte ebenfalls nicht dargetan. Der Verurteilte zeige eine sich an den Maßstäben der Rechtsprechung orientierende Verletzung des Schuldgrundsatzes durch die Annahme eines Tötungsvorsatzes nicht auf. Das LG habe bei der Beweiswürdigung nicht nur auf die konkrete Gefährlichkeit der Fahrt abgestellt, sondern die Persönlichkeit des Verurteilten, seine Motivation für das maximale Beschleunigen nach der Kurvenausfahrt, seine grundsätzliche Einstellung zum Autofahren und seine Einschätzung des eigenen fahrerischen Könnens im Blick gehabt hat. Das LG sei damit dem verfassungsrechtlichen Gebot gerecht geworden, den Schuldspruch auf Feststellungen zur individuellen Vorwerfbarkeit der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tat zu stützen.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Ist durch die Beratung die Verfahrensgebühr Nr. 4143 VV entstanden?

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Und dann noch die Lösung zur Frage vom vergangenen Freitag. Die lautete: Ich habe da mal eine Frage: Ist durch die Beratung die Verfahrensgebühr Nr. 4143 VV entstanden?

Und der Kollege hat folgende Antwort von mir erhalten:

„…..

Die Lösung ist m.E. einfach und ergibt sich – so meine ich – auch aus dem RVG-Kommentar.

1. Ein förmliches Adhäsionsverfahren ist nicht erforderlich, ist hier aber wohl mit dem Antrag der Nebenklägerin eingeleitet (dazu im RVG-Kommentar Nr. 4143 VV Rn 3 m.w.N.).

2. Bei der Gebühr Nr. 4143 VV RVG handelt es sich um eine Verfahrensgebühr, für die also die Grundsätze zur Verfahrensgebühr nach Vorbem. 4 Abs. 2 VV RVG gelten (dazu RVG-Kommentar Vorbem. 4 VV Rn 35 ff.). Das bedeutet, dass die Tätigkeit, die sie erbringen, nicht nach außen sichtbar geworden sein muss, etwa gegenüber dem Gericht oder dem Nebenklägervertreter (RVG-Kommentar, Nr. 4143 VV Rn 12):.Auch der Umfang und die Art der Tätigkeit ist ohne Belang (RVG-Kommentar, Nr. 4143 Rn 10).

Von daher: M.E. keine Problem, wenn Sie eine Kostengrundentscheidung haben zu Gunsten des Mandanten haben. Oder waren Sie Pflichtverteidiger und es geht um die gesetzlichen Gebühren?“

Der Kollege war zufrieden, denn eine Kostengrundetnscheidungen zu Gunsten des Mandanten hatte er. Ich war zufrieden, weil ich diese Anfrage dann zum Anlass nehme, in der demnächst 7. Auflage des RVG-Kommentars ein entsprechendes Beispiel einzustellen.

Und: Mal wieder <<Werbemodus an>>: Wer das alles im Original nachlesen will, der braucht dazu natürlich den RVG-Kommentar. Und Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Auf. 2021, kann man bestellen, und zwar hier auf der Bestellseite. Kommt dann aber wohl nicht mehr vor Weihnachten. Aber dann beginnt das neue Jahr gleich mit einem Highlight. 🙂 <<Werbemodus aus>>.

BVerfG II: Überwachung von Familientelefonaten, oder: Zur Begründung bitte mehr als Worthülsen

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den BVerfG, Beschl. v. 15.11.2022 – 2 BvR 1139/22 -, der sich zur Überwachung von Telefongesprächen (mit Familienangehörigen) während der U-Haft verhält.

Das AG hatte im Juni 2019 gegen den Angeklagten einen Haftbefehl wegen des Verdachts einer schweren Sexualstraftat erlassen und diesen auf Fluchtgefahr gestützt. Das AG hatte angeordnet, dass Telefonate mitgehört werden müssten. Da der Angeklagte wegen einer anderen Sache rechtskräftig gem. § 63 StGB in einer psychiatrischen Klinik untergebracht worden war, wurde der Haftbefehl in Überhaft vollstreckt. Um den Jahreswechsel 2019/2020 gestattete die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten, Telefonate mit seinen Eltern zu führen. Verfahrensrelevantes durfte nicht besprochen werden. Bei Gesprächen mit seiner aus Frankreich stammenden Mutter musste ein Dolmetscher mithören.

Im Sommer 2021 verurteilte dann das LG München I den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und ordnete Sicherungsverwahrung an. Die Verurteilung beruhte auf dem Geständnis des Angeklagten. Auf die Revision hat der BGH die LG-Entscheidung hinsichtlich der Rechtsfolge aufgehoben.

Der Angeklagte hat im Hinblick auf den somit rechtskräftigen Schuldspruch des LG die Aufhebung der Telefonüberwachung beantragt. Das LG München I und das OLG München haben das abgelehnt. Begründung: Da der Angeklagte eine Unterbringung nach § 63 StGB anstrebe, bestehe auch jetzt noch die Gefahr, dass er seine Eltern manipulieren könne, dieses Ziel durch Aussagen zu seiner psychischen Verfassung zur Tatzeit zu unterstützen. Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg:

„2. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

a) Die Maßstäbe zur Beurteilung haftgrundbezogener Beschränkungen in der Untersuchungshaft sind in zahleichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt worden (vgl. zur Besuchsüberwachung BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Oktober 2014 – 2 BvR 1513/14 -; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Juni 1996 – 2 BvR 634/96 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1993 – 2 BvR 1479/93 -, juris; zur Verweigerung von Telefonaten mit dem Verteidiger vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. März 2012 – 2 BvR 988/10 -; zur Beschränkung des Besuchsverkehrs BVerfGE 34, 384 <395 ff.>; zur Postkontrolle BVerfGK 19, 140 <146 f.> m.w.N.). So hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die akustische Besuchsüberwachung einen erheblichen Eingriff in den persönlichen, durch Art. 2 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Lebensbereich sowohl des Gefangenen als auch des Besuchers darstellt (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1993 – 2 BvR 1479/93 -, juris, Rn. 12; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Juni 1996 – 2 BvR 634/96 -, juris, Rn. 8). Nichts Anderes gilt für die akustische Überwachung der Telekommunikation, die gleichfalls die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes zwischen dem Untersuchungsgefangenen und seinen Gesprächspartnern berührt (vgl. Schultheis, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 119 Rn. 27; Gärtner, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2019, § 119 Rn. 38).

Die in der Literatur und Rechtsprechung geäußerte Auffassung, an die Verhältnismäßigkeit der Überwachung der Telekommunikation seien weniger strenge Anforderungen zu stellen als an die akustische Überwachung von Besuchen (vgl. dazu Schultheis, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 119 Rn. 27; Krauß, in: BeckOK StPO, § 119 Rn. 30 [Oktober 2022]; und OLG Hamm, Beschluss vom 9. Februar 2010 – 3 Ws 45/10 -, juris, Rn. 23), weil im ersteren Fall nicht einmal kontrolliert werden könne, mit wem diese Telefonate geführt würden, verfängt jedenfalls vorliegend nicht, da dem Beschwerdeführer – soweit ersichtlich – ohnehin lediglich die Erlaubnis zu Telefonaten mit seinen Eltern erteilt worden ist.

b) In Grundrechte darf nur auf gesetzlicher Grundlage eingegriffen werden. Dieser allgemeine rechtsstaatliche Grundsatz gilt auch für den Vollzug der Untersuchungshaft. Die Vorschrift des § 119 1 StPO bietet grundsätzlich eine zureichende gesetzliche Grundlage für Einschränkungen grundrechtlicher Freiheiten des Untersuchungsgefangenen und – gemäß § 119 Abs. 6 Satz 1 StPO – auch des Strafgefangenen, für den die nach § 116b Satz 2 StPO nachrangig zu vollstreckende Untersuchungshaft angeordnet ist (vgl. BVerfGE 34, 369 <379>; 34, 384 <395>; 35, 307 <309>; 35, 311 <316>; 57, 170 <177>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Oktober 2014 – 2 BvR 1513/14 -, Rn. 18). Die Auslegung der Vorschriften zur Untersuchungshaft hat allerdings dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein Untersuchungsgefangener noch nicht rechtskräftig verurteilt ist und deshalb allein den unvermeidlichen Beschränkungen unterworfen werden darf (vgl. BVerfGE 15, 288 <295>; 34, 369 <379>; 42, 95 <100>; BVerfGK 13, 163 <165>). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit prägt daher den Vollzug der Untersuchungshaft in besonderem Maße (vgl. BVerfGE 34, 369 <380>; 35, 5 <9>; 35, 307 <309>).

Voraussetzung für die Zulässigkeit von Grundrechtseingriffen auf der Grundlage von § 119 StPO ist eine reale Gefährdung der in der Bestimmung bezeichneten Haftzwecke (vgl. BVerfGE 15, 288 <295>; 34, 369 <380>), der durch die Inhaftierung allein nicht ausreichend entgegengewirkt werden kann. Das Gericht muss deshalb stets prüfen, ob für das Vorliegen einer solchen Gefahr im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte bestehen (vgl. BVerfGE 35, 5 <10>; 42, 234 <236>; 57, 170 <177>). Die bloße Möglichkeit, dass ein Untersuchungsgefangener seine Freiheiten missbraucht, reicht bei einer den Grundrechten Rechnung tragenden Auslegung des § 119 Abs. 1 StPO nicht aus, um Beschränkungen anzuordnen (vgl. BVerfGE 35, 5 <10>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Juli 1994 – 2 BvR 806/94 -, juris, Rn. 23; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Juni 1996 – 2 BvR 634/96 -, juris, Rn. 8; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Januar 2008 – 2 BvR 1229/07 -, Rn. 17).

Stellt die einschränkende Maßnahme auch einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG dar, bedarf es einer besonders ernstlichen und eingehenden, auch die Dauer der Untersuchungshaft einbeziehenden und am Kriterium der Zumutbarkeit orientierten Prüfung, ob eine Besuchsbeschränkung unverzichtbar vom Zweck der Untersuchungshaft oder der Ordnung im Vollzug gefordert wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1993 – 2 BvR 1479/93 -, juris, Rn. 15). Nichts anderes kann für eine Beschränkung der Telekommunikation mit engen Familienangehörigen gelten, wenn diese für den Betroffenen – wie hier – eine der wenigen Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung des Kontakts mit seiner Familie darstellt. Bei der Anordnung von Beschränkungen in der Untersuchungshaft ist stets zu beachten, dass Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen und der in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltenen wertentscheidenden Norm im Haftvollzug besondere Bedeutung zukommt (vgl. BVerfGE 42, 95 <101 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Juli 1994 – 2 BvR 806/94 -, juris, Rn. 16).

c) Diesen Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Die Begründungstiefe des landgerichtlichen Beschlusses, der vom Oberlandesgericht nicht beanstandet wurde, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen angesichts der insbesondere auf Grund der Anordnungsdauer der Beschränkungsmaßnahme schwerwiegend betroffenen Grundrechte des Beschwerdeführers nicht. Dies gilt unabhängig davon, ob die in Streit stehenden Beschränkungen der Untersuchungshaft auch in verfassungsgemäßer Weise hätten angeordnet werden können.

aa) Das Landgericht, das die vom Amtsgericht angeordnete Beschränkung mit einer den veränderten Umständen entsprechenden, modifizierten Begründung aufrechterhalten hat, führt nur unzureichend zur Gefährdung der Haftzwecke im Falle einer Aufhebung der Beschränkungsmaßnahme aus. Eine Gefährdung des Haftzwecks der Fluchtgefahr wird lediglich behauptet, die Annahme einer Verdunkelungsgefahr nicht hinreichend begründet. Konkrete Anhaltspunkte für letztere erblickt das Landgericht in einer möglichen Einwirkung des Beschwerdeführers auf seine Eltern, deren „Angaben zur psychischen Verfassung des Angeklagten vor und während der Tatzeit Bedeutung für das weitere Verfahren erlangen könnten“, und dem Umstand, dass er bereits angeordnete Überwachungsmaßnahmen erfolgreich umgangen habe. Angesichts des Umstands, dass die einmalige Umgehung der Überwachungsmaßnahme im Ermittlungsverfahren, als dem Beschwerdeführer der telefonische Kontakt zu seinen Eltern vollständig untersagt war, und vor Rechtskraft des Schuldspruchs erfolgte, hätte die Einschätzung, daraus unverändert eine grundsätzliche Bereitschaft des Beschwerdeführers zur gezielten Manipulation seiner Eltern abzuleiten, jedenfalls näherer Erläuterung bedurft. Zudem hat das Landgericht nicht plausibel dargelegt, inwiefern eine vom Beschwerdeführer beeinflusste Aussage der Eltern im jetzigen Verfahrensstadium eine substantielle Veränderung des Rechtsfolgenausspruchs hin zur Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB bewirken könnte. Der Schuldspruch ist nach einem Geständnis des Beschwerdeführers bereits rechtskräftig, und die Möglichkeit seiner Unterbringung nach § 63 StGB war bereits zu Verfahrensbeginn nicht zuletzt deswegen Gegenstand gutachterlicher Beurteilung, weil er derzeit nach § 63 StGB untergebracht ist. Ferner lässt die Befassung des Landgerichts mit den betroffenen Grundrechtspositionen des Beschwerdeführers keine dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der in Art. 6 1 GG enthaltenen Wertentscheidung genügende Abwägung erkennen. Die betroffenen Grundrechte werden lediglich abstrakt benannt, ohne dass die familiäre Situation des Beschwerdeführers, die Haftbedingungen und insbesondere die Dauer der seit Dezember 2019 währenden Überwachung der Telefonate erkennbar näher gewürdigt worden wären. Die Feststellung, die angeordneten Beschränkungen erschienen „weiterhin als erforderlich und verhältnismäßig“, lässt nicht erkennen, ob das Landgericht sich der Dauer der angeordneten Beschränkungsmaßnahme bewusst war, und bezieht das insoweit zunehmende Gewicht des Eingriffs nur unzureichend ein.

bb) Durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist dieser Begründungsmangel nicht behoben worden. Die knappe Feststellung, „das durch Art. 2 1 und Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete Interesse des Angeklagten an vertraulicher innerfamiliärer Kommunikation [habe] unter den gegebenen Umständen hinter dem staatlichen Interesse an einer Meidung missbräuchlicher Einwirkungen auf die neue Verhandlung über den Rechtsfolgenausspruch zurückzustehen“, bleibt hinsichtlich der abzuwägenden Grundrechtspositionen ebenfalls abstrakt und lässt eine substantielle Auseinandersetzung mit der Angemessenheit beziehungsweise Zumutbarkeit der Überwachung der Telefonate, insbesondere mit Blick auf die fortgeschrittene Dauer der Maßnahme, vermissen.“

Die Entscheidung zeigt mal wieder, was nach dem Erlass einer einstweiligen Anordnung in diesem Verfahren schon zu ahnen war: Der Weg nach Karlsruhe kann sich lohnen, vor allem, wenn wie hier, es die vom BVerfG in Haftsachen immer wieder eingeforderte „Begründungstiefe“ der Entscheidungen der Fachgerichte fehlt. Damit hatte es schon beim LG gehapert und erst recht dann wohl beim OLG, das sich in seiner Begründung auf nur einen Satz beschränkt hatte. Selbst wenn der Angeklagte die „Früchte“ dieser BVerfG-Entscheidung möglicherweise nicht mehr lange wird genießen können, weil der BGH im zweiten Rechtsgang entschieden haben wird, sind solche Entscheidungen nicht nutzlos, sondern haben einen erzieherischen Effekt im Hinblick darauf, dass die Fachgerichte sich dann vielleicht doch mehr Mühe geben.

Aber: Mehr als hoffen kann man nicht. Denn, wenn man die Begründungen des LG und des OLG liest, dann ist man schon erstaunt, was man dort offenbar unter „Begründungstiefe“ versteht. Und das der OLG-Satz: „das durch Art. 2 1 und Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete Interesse des Angeklagten an vertraulicher innerfamiliärer Kommunikation [habe] unter den gegebenen Umständen hinter dem staatlichen Interesse an einer Meidung missbräuchlicher Einwirkungen auf die neue Verhandlung über den Rechtsfolgenausspruch zurückzustehen“, nichts mit Begründungstiefe und Einzelfallabwägung zu tun hat, liegt m.E. klar auf der Hand. Der Satz enthält nichts anderes als Worthülsen und fordert eine solche Entscheidung des BVerfG geradezu heraus. Die Quittung hat man dann bekommen. Hoffen wir, dass es hilft…….