Archiv für den Monat: September 2021

Termin III: Verwerfung des Einspruchs falsch, oder: Ätsch, Verfahrensrüge nicht ausreichend begründet

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Und dann zum Schluss noch der OLG Rostock, Beschl. v. 20.08.2021 – 21 Ss OWi 102/21 (B), der auch – zumindest im weiteren Sinn – etwas mit dem Hauptverhandlungstermin zu tun hat. Ergangen ist der Beschluss in einem Bußgeldverfahren. Der Betroffene war von der Anwesenheitspflicht im Termin nicht entbunden. Er erscheint aber nicht. Sein Nichterscheinen entschuldigt er mit einem ärztlichen Attest. Das AG verwirft trotzdem. Begründung: Das vorgelegte ärztliche Attest lasse keine gerichtliche Prüfung einer etwaigen Verhandlungsunfähigkeit zu.

Dagegen die Rechtsbeschwerde, die keinen Erfolg hat:

„1. Die gegen die Einspruchsverwerfung gerichtete Rüge der Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG ist nicht zulässig erhoben.

a) Zwar durfte das Amtsgericht den Einspruch nicht mit der oben genannten Begründung verwerfen.

Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob der Betroffene ohne genügende Entschuldigung ausbleibt (§ 74 Abs. 2 OWiG) ist nicht, ob er sich durch eigenes Vorbringen genügend entschuldigt hat, sondern vielmehr, ob er entschuldigt ist, das heißt, ob sich aus den Um-ständen, die dem Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung bekannt und im Wege des Freibeweises feststellbar waren, eine ausreichende Entschuldigung ergibt. Hierbei ist der Betroffene nicht zur Glaubhaftmachung oder zum Nachweis der vorgebrachten Entschuldigungsgründe verpflichtet. Im Falle des Nichterscheinens wegen einer Erkrankung oder ähnlicher Umstände liegt ein Entschuldigungsgrund vor, wenn die damit verbundenen Einschränkungen oder Beschwerden nach deren Art und Auswirkung eine Beteiligung an der Hauptverhandlung unzumutbar machen, wobei Verhandlungsunfähigkeit nicht gegeben sein muss (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.08.2016 – (2 B) 53 Ss-OWi 491/16; OLG Hamm NStZ-RR 1998, 281). Der Tatrichter muss dabei eine ärztliche Bescheinigung nicht ungeprüft anerkennen. Bloße Zweifel an der Aussagekraft eines Attests dürfen jedoch nicht ohne weiteres zu Lasten des Betroffenen gehen. Vielmehr hat der Tatrichter in solchen Fällen von Amts wegen den Umständen nachzugehen, die Zweifel an der Entschuldigung begründen können, und den Sachverhalt aufzuklären (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 07.04.2005 – 1 Ss 40/05 m.w.N.).

Daran fehlt es hier. Ausweislich der Urteilsgründe hatte dem Gericht ein ärztliches Attest vom 27.05.2021 vorgelegen, das das Gericht mangels „konkreter Angaben“ zu Art und Schwere der angeblichen krankheitswertigen Beeinträchtigungen nicht als genügende Entschuldigung akzeptiert hat. Eine irgendwie geartete Nachfrage des Gerichts bei der behandelnden Ärztin oder sonstige Nachforschungen haben offenbar nicht stattgefunden.

b) Ob das Urteil auf diesem Verfahrensfehler beruht, kann das Rechtsbeschwerdegericht vor-liegend jedoch nicht nachprüfen. Die formgerechte Begründung der Verfahrensrüge der Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG erfordert nämlich, dass der Betroffene die die Entschuldigung begründenden bestimmten Tatsachen so genau und schlüssig vorträgt, dass sich die Verhinderung zum Terminszeitpunkt aufgrund der konkreten Umstände im Einzelnen für das Rechtsbeschwerdegericht erschließt. Hierzu gehört im Krankheitsfall die jedenfalls nach allgemeinem Sprachgebrauch zu benennende Art der Erkrankung, die aktuell bestehende Symptomatik und die Darlegung der daraus zur Terminszeit resultierenden konkreten körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen. Aus dem Vortrag der konkreten Umstände der Erkrankung muss sich ergeben, dass diese als Entschuldigungsgrund auch geeignet waren und damit die Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit des Erscheinens in der Hauptverhandlung rechtfertigen. Ist der vorgebrachte Entschuldigungsgrund offensichtlich ungeeignet, das Fernbleiben des Betroffenen zu entschuldigen, kann das Urteil auf diesem Mangel nicht beruhen (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.03.2020 – (1 B) 53 Ss-OWi 49/20 (35/20) – m.w.N. – juris -).

Diesen Anforderungen wird das Rügevorbringen nicht gerecht, denn es werden weder die Art der Erkrankung, die am Terminstag bestehende Symptomatik und daraus zur Termins-zeit resultierenden konkreten körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen mitgeteilt, so dass das Rechtsbeschwerdegericht nicht prüfen kann, weshalb dem Betroffenen die Teilnahme an der Hauptverhandlung krankheitsbedingt unmöglich oder unzumutbar gewesen sein soll.“

Na ja, das hätte man auch anders machen können. Man lässt die Frage der Zulässigkeit der Verwerfung des Einspruchs offen und stützt die Verwerfung der Rechtsbeschwerde nur auf die nicht ausreichende Begründung. So fragt man sich, warum das OLG dem Betroffenen und dem Verteidiger erst erklärt, dass das AG Mist gebaut hat, um dann dem Verteidiger zu erklären, dass er nicht ausreichend begründet hat. Das ist dann wohl der berühmte „Ätsch-Effekt“.

Termin II: Freie Termine bei Terminsnachfrage, ja, oder: Ladung mehr als drei Wochen später noch zu erwarten?

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Die zweite Entscheidung des Tages, der LG Magdeburg, Beschl. v. 09.09.2021 – 25 Qs 74/21 -, den mir der Kollege Siebers geschickt hat, hat folgenden Sachverhalt:

Das AG hat in einem Verfahren mit dem Vorwurf der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung Termin zur Hauptverhandlung auf den 29.09.2021 bestimmt, ohne dies mit den Verteidigern abgesprochen zu haben. Am 03.06.2021 beantragte der Verteidiger Terminsaufhebung wegen einer Verhinderung. Er führte aus, er habe am 29.09.2021 in einer Staatsschutzsache einen Termin vor dem OLG Stuttgart. Zudem wies er darauf hin. dass er bis weit in das Jahr 2022 hinein fast jede Woche von Dienstag bis Donnerstag vor dem OLG Stuttgart Mandantschaft vertrete, sodass er darum bitte. den neu anzuberaumenden Hauptverhandlungstermin mit seinem Sekretariat abzustimmen. Am 08.06.2021 teilte der Verteidiger des Angeklagten „noch“ in Betracht kommende Termine am 10.09.2021 und 22.10.2021 mit.

Mit Verfügung vom 16.06.2021 hat das AG dann den Hauptverhandlungstermin vom 29.09.2021 auf den 22.10.2021 verlegt. Zuvor hatte das AG nicht telefonisch Rücksprache mit dem Sekretariat des Verteidigers genommen oder mitgeteilt, dass dieser Tag für die Hauptverhandlung geplant worden sei. Vielmehr erfolgte der Versand der Umladung per Post. wobei die Verfügung erst am 209.6.2021 ausgeführt wurde. Dementsprechend ging die Umladung erst am 01.07.2021 bei dem Verteidiger ein. Noch am 01.07.2021 beantragte der Verteidiger die Aufhebung des Termins vom 22.10.2021, da er sich an diesem Tage in einer langfristig abgesprochenen Sache vor dem LG Braunschweig befinde. Zudem regte der Verteidiger an, einen neuen Termin zur Hauptverhandlung telefonisch mit seinem Sekretariat abzustimmen.

Das AG hat den Antrag auf Terminsaufhebung abgelehnt. Zur Begründung hat das AG darauf verwiesen, dass u.a. der 22.10.2021 ausdrücklich als freier Termine benannt worden sei. Zwischen der Mitteilung des Verteidigers und der Zustellung der Ladung hätten lediglich drei Wochen und zwei Tage gelegen. Zur Vermeidung einer Terminskollision sei es dem Verteidiger zudem zumutbar gewesen. sich beim AG ggfs. vor einer Terminszusage beim LG zu erkundigen, ob einer der mitgeteilten Termine bereits berücksichtigt worden sei. Der Verteidiger hat gegen die Nichtverlegung des Termins Beschwerde eingelegt. Die hatte beim LG Erfolg.

„Die zulässige Beschwerde des Verteidigers ist in der Sache auch begründet. Zu Recht hat der Verteidiger die Ablehnung der Terminsverlegung hinsichtlich des Hauptverhandlungstermins vom 22. Oktober 2021 durch das Amtsgericht Oschersleben gerügt. Zwar besagt § 305 StPO, dass Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfindung vorausgehen, nicht der Beschwerde unterliegen. Ausnahmefälle im Sinne von § 305 Satz 2 StPO liegen ersichtlich nicht vor. Mithin ist grundsätzlich die Ablehnung eines Terminsaufhebungsantrages nicht anfechtbar. Anderes gilt jedoch. wenn die Ablehnung der Aufhebung von Hauptverhandlungsterminen ermessensfehlerhaft erfolgte (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt. StPO, 64. Auflage. § 305. Rdn. 4). So liegen die Dinge hier. Das Amtsgericht Oschersleben hätte im Rahmen seiner Entscheidung über den Terminsaufhebungsantrag des Verteidigers vom 1. Juli 2021 berücksichtigen müssen. dass das Amtsgericht zwar „nur“ acht Tage gebraucht hat, um einen der beiden von dem Verteidiger vorgeschlagenen Termine auszuwählen und einen entsprechenden Hauptverhandlungstermin anzuberaumen. jedoch hätte es auch erkennen müssen. dass seit der Terminsladung und der Ausführung dieser Verfügung wiederum 13 Tage vergangen sind und demzufolge die Ladung erst am 1. Juli 2021 bei dem Verteidiger eingegangen ist. Wenn ein Verteidiger am 8. Juni 2021 freie Termine anbietet und es mehr als drei Wochen dauert, bis eine Ladung bei dem Verteidiger eingeht, muss dieser nicht mehr damit rechnen. dass einer der angebotenen Termine auch tatsächlich seitens des Gerichts berücksichtigt wird. Es hätte vielmehr dem Amtsgericht Oschersleben oblegen. bevor eine Zustellung der Ladung verfügt wurde, telefonisch dem Büro des Verteidigers mitzuteilen, dass der 22. Oktober 2021 als künftiger Hauptverhandlungstermin berücksichtigt wurde oder aber eine entsprechende Ladung per Fax zu übersenden. Es kann dem Verteidiger angesichts dieser Ungewissheit nicht zugemutet werden, über einen Zeitraum von über drei Wochen hinweg Termine — ohne Rückmeldung des Gerichts — vorzuhalten. Vor der Annahme des Termins beim Amtsgericht Oschersleben rückzufragen. ob einer der angebotenen Termine ausgewählt worden sei, übersteigt das einem Verteidiger Zumutbare, zumal es dem Gericht ein Leichtes gewesen wäre. zeitnah für eine „Blockierung“ des Termins zu sorgen. Insofern ist von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen. den Termin vom 22. Oktober 2021 zu verlegen. Deshalb war die Entscheidung des Amtsgerichts Oschersleben, den Antrag auf Terminsaufhebung am 15. Juli 2021 abzulehnen, ermessensfehlerhaft. Demnach war der Beschluss des Amtsgerichts Oschersleben vom 15. Juli 2021 aufzuheben.“

M.E. eine zutreffende Entscheidung, die die „Risiken“ richtig verteilt. Denn es liegt in der Tat nicht mehr in der Sphäre des Verteidigers, wenn dieser nach Mitteilung von freien Terminen – ohne gebeten worden zu sein, sie frei zu halten – diese Termine anderweitig „vergibt“. Wollte man das verlangen, würde über kurz oder lang jedes Verteidigerbüro blockiert sein. Vielmehr wird man von einem Gericht – wie hier das LG vom AG – wenn es schon acht Tage benötigt, um einen freien Termin auszuwählen, verlangen können, dass es dann den Verteidiger informiert oder für eine schnelle Zustellung der Ladung sorgt.

Termin I: Ermessen bei der Terminsverlegung, oder: Wenn der Verteidiger auf sein Kind aufpassen muss

Ich stelle heute dann mal drei Entscheidungen vor, die alle mit dem (Hauptverhandlungs)Termin, der Terminierung und/oder der Terminsverlegung zu tun haben.

Den Opener macht der LG Berlin, Beschl. v. 29.07.2021 – 531 Qs 73/21. Ergangen ist die Entscsheidung in einem Verfahren mit dem Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort auf die Beschwerde des Verteidigers. In dem Verfahren hatte das AG zunächst einen Hauptverhandlungstermin für den 27.08.2021 anberaumt. Dieser Termin wurde aufgrund eines Terminsverlegungsantrags des Verteidigers, der angegeben hat sich vom 16.08.2021 bis 03.09.2021 im Urlaub zu befinden, auf den 08.09.2021 verlegt. Dann beantragt der Verteidiger erneut Terminsverlegung unter Hinweis auf die Betreuung seines knapp einjährigen Kindes. Er hat vorgetragen, dass die Kindsmutter ab dem 06.09.2021 wieder arbeiten geht und ein Kitaplatz erst ab dem 20.09.2021 zur Verfügung steht. Er hat nach dem 06.09.2021 Hauptverhandlungstermine Dienstags, Donnerstags oder Freitags vorgeschlagen.

Der Amtsrichter lehnt ab, da nicht ersichtlich sei, dass die Kindesbetreuung am Terminstag nicht anderweitig oder ausnahmsweise durch die Kindsmutter erfolgen könne, eine Terminsverlegung bereits durch den Verteidiger veranlasst worden sei und das Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung die Organisationsschwierigkeiten des Verteidigers überwiegen würde. Dagegen die Beschwerde, die beim LG Erfolg hat:

„1. Die Beschwerde ist zulässig. Zwar können nach der in § 305 Abs. 1 Satz 1 StPO getroffenen Regelung Verfügungen des Vorsitzenden des erkennenden Gerichts, durch die ein Termin zur Hauptverhandlung anberaumt, verlegt oder eine solche Verlegung abgelehnt wird, grundsätzlich nicht mit der Beschwerde angefochten werden (vgl. KG, Beschl. v. 27.11.2006 – 4 Ws 207/06). Jedoch ist eine Anfechtung ausnahmsweise zulässig, wenn eine in rechtsfehlerhafter Ermessensausübung getroffene Entscheidung für einen Angeklagten eine besondere selbstständige Beschwer beinhaltet, weil sein Recht, sich eines Verteidigers seines Vertrauens zu bedienen, beeinträchtigt worden ist, dies leicht zu vermeiden gewesen wäre und die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung offensichtlich ist (vgl. KG, Beschl. v. 06.10.2008 – 3 Ws 341/08, m.w.N.).

So liegt der Fall hier. Die Entscheidung des Richters des Amtsgerichts ist offensichtlich fehlerhaft, weil sie nicht alle für die Abwägung der Interessen des Angeklagten an einer Verteidigung durch den von ihm gewählten Verteidiger mit den Interessen der Strafrechtspflege bedeutsamen Gesichtspunkte erkennbar in Betracht zieht. Dies ist auch nicht im Rahmen der Nichtabhilfeentscheidung nachgeholt worden. Zum einen waren den Terminierungen keine Bemühungen um eine Abstimmung der Termine vorausgegangen, was hier unproblematisch bei einer Tagessache mit lediglich einem Verteidiger möglich gewesen wäre. Zum anderen wurde nicht berücksichtigt, dass der Verteidiger zum Zeitraum der Terminierung neue mögliche Termine vorschlägt. Des Weiteren findet sich keine Darlegung der Terminslage der Abteilung oder eine Begründung, warum dem Verfahren nunmehr ein besonderes Beschleunigungsinteresse zu teil wird (weder Haftsache noch Führerschein vorläufig beschlagnahmt).

2. Die Beschwerde ist auf Grund dieses Fehlers bei der Ermessensausübung auch begründet. Die Kammer hebt die angefochtene Entscheidung auf. Der Richter am Amtsgericht wird erneut über den Terminsaufhebungsantrag vom 29.06.2021 zu entscheiden haben. Insoweit kann die Kammer keine abschließende Entscheidung treffen, da es auch möglich erscheint, dass eine fehlerfreie Ermessensausübung zu demselben Ergebnis führt.“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Ist die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG angefallen?

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Am Freitag hatte ich die Frage: Ich habe da mal eine Frage: Ist die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG angefallen, zur Diskussion gestellt. Es haben da einige Kollegen geantwortet und den Anfall bejaht.

Meine Antwort ging in dieselbe Richtung und lautete:

„Ich verweise dann mal auf Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4141 Rn. 31 und 45 Nr. 3. Ist eine nicht nur vorläufige Einstellung. Dazu gibt es aber bisher keine Rechtsprechung. Sie können sich also unsterblichen Ruhm erwerben.“

Und nein: Ich verweise jetzt nicht auf die Bestellseite :-). Selbst ist der Mann/die Frau 🙂 .

Befangen II: Kurz vor HV gestellter Ablehnungsantrag, oder: „Taschenspielertrick“ beim AG Wismar?

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den AG Wismar, Beschl. v. 21.12.2020 – 6 Ls 523/19. Der Beschluss ist also schon etwas älter, der Kollege Penneke hat ihn mir aber erst vor kurzem geschickt. Ich stelle ihn hier dann (noch) vor, vor allem wegen des bei mir verbleibenden Kopfschüttelns

Zur Sache: Wenn ich den Sachverhalt richtig verstehe, ist der Kollege vom Mandanten nach dreitägiger Hauptverhandlung einen Tat vor dem vierten – abschließenden (?) – Termin mandatiert worden. Der Kollege hat das Mandat angenommen und, da er am nächsten Tag wohl verhindert war, Terminsverlegung beantragt. Die wird abgelehnt. Auf diese Ablehnung wird dann wohl vornehmlich ein Ablehnungsantrag gestützt, der keinen Erfolg hatte:

„Es bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Befangenheitsgesuchs.

Rechtsanwälte sind auch in ihrer Eigenschaft als Verteidiger Organe der Rechtspflege. Wenn dann ein Rechtsanwalt Entscheidungen eines Gerichts (hier: Ablehnung einer Terminsverlegung), die mit Rechtsmitteln nicht angreifbar sind, versucht, über Taschenspielertricks wie einen kurz vor der Verhandlung eingereichten Befangenheitsantrag einen Termin zum Platzen zu bringen, ist dies rechtsmissbräuchlich und führt zu einer Unzulässigkeit des Befangenheitsantrages. Hier ist es allerdings so, dass dem Verteidiger offenbar – und insoweit besteht kein Zweifel an seiner Darstellung – die Tatsachen, auf die er sein Befangenheitsgesuch stützt, erst einen Werktag vor Einlegung des Befangenheitsgesuchs bekannt geworden sind. Vor diesem Hintergrund ist das Befangenheitsgesuch zwar spät, aber nicht erkennbar lediglich vor dem Hintergrund des Versuchs, eine Terminsverlegung zu erzwingen, eingereicht worden.

Das Befangenheitsgesuch ist jedenfalls unbegründet. Gemäß § 24 Abs. 2 StPO findet die Be-sorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dies ist gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass die abgelehnte Richterin ihm gegenüber eine innere Haltung einnimmt, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könne. Dabei kommt es zwar auf den Standpunkt des Ablehnenden an. Es ist dabei allerdings nicht auf seinen subjektiven Eindruck und seine unzutreffenden Vorstellungen vom Sachverhalt abzustellen. Maßgebend ist vielmehr der Standpunkt eines vernünftigen Angeklagten und die Vorstellungen, die sich ein geistig gesunder, bei voller Vernunft befindlicher Prozessbeteiligter bei der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage machen kann. Im vorliegenden Fall ist es nun so, dass drei Hauptverhandlungstermine stattgefunden haben und zum neuen Termin keine Zeugen geladen sind. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Beweisaufnahme im neuen Termin abgeschlossen werden kann. Nun steht es dem Angeklagten naturgemäß frei, sich zu jedem beliebigen Verfahrenszeitpunkt neuer Verteidiger – naturgemäß als Wahlverteidiger – zu bedienen. Wenn dies aber automatisch zur Folge hätte, dass ein Verfahren nicht gefördert beziehungsweise abgeschlossen werden könnte, so stünde der Ausgang beziehungsweise der Abschluss eines jeden Strafverfahrens im offensichtlichen Belieben des Angeklagten. Dies ergibt sich unter anderem auch aus dem Regelungszusammenhang der §§ 143 a, 144 StPO. Insbesondere § 228 Abs. 2 StPO regelt den hier vorliegenden Fall. Auch wenn der eine oder andere Anwalt im Hinblick auf seine Persönlichkeit der Auffassung ist, ein Verfahren könne ohne ihn nicht durchgeführt werden, sieht die StPO genau das anders. Wenn der Wahlverteidiger sich im vorliegenden Fall am 10.12.2020 für einen Termin am 11.12.2020 mandatiert, so muss er damit rechnen, dass das Verfahren ohne ihn weiter betrieben wird. Wenn in der Folgezeit es bei der Terminsabsprache möglicherweise Unzuträglichkeiten gegeben hat, mag dies sein, es rechtfertigt jedoch nicht eine Besorgnis der Befangenheit. Die erneute Ablehnung der Terminsverlegung für den Hauptverhandlungstermin am 21.12.2020 stellt gleichfalls vor dem Hintergrund des § 228 Abs. 2 StPO keinen Anlass für eine Besorgnis der Befangenheit dar. Sie ist vielmehr Ausdruck einer angemessenen Verfahrensförderung.“

Wie gesagt: Kopfschütteln und Irritation. Warum? Nun:

Wir lassen mal die Frage, ob die Terminsverlegung nicht im Ergebnis zu Recht abgelehnt worden ist, außen vor. Zur Frage der Terminsverlegung bei (zu) kurzfristiger Mandatierung des Verteidigers gibt es Rechtsprechung, die eine Terminsverlegung in den Fällen ablehnt. Jedenfalls wird man darauf auch nicht unbedingt die Besorgnis der Befangenheit stützen können, was man aber letztlich nicht ohne Kenntnis der Umstände usw. entscheiden kann.

Unabhängig davon frage ich mich irritiert: Was sollen eigentlich die Ausführungen zur Zulässigkeit? Es wird dem Kollegen doch ausdrücklich attestiert, dass sein Antrag nicht „rechtsmissbräuchlich“ war. Dann muss ich dazu doch auch nichts sagen. Und schon gar nicht etwas Falsches, denn das die Ablehnung von Terminsverlegungsanträgen mit Rechtsmitteln nicht angreifbar ist, stimmt so nicht. Und erst recht muss ich nicht von „Taschenspielertricks“ sprechen. Was soll das, wenn der Antrag doch gerade nicht rechtsmissbräuchlich ist.  So entsteht der Eindruck, dass man den Vortrag des Kollegen nun doch nicht wirklich glaubt. Also: Überflüssig wie ein Kropf.

Genauso überflüssig ist im zweiten Absatz dann die Ausführung: „Auch wenn der eine oder andere Anwalt im Hinblick auf seine Persönlichkeit der Auffassung ist, ein Verfahren könne ohne ihn nicht durchgeführt werden, sieht die StPO genau das anders.“ Auch das fragt man sich, was das soll? Wer ist gemeint? Der Verteidiger oder eben allgemein „der eine oder andere Anwalt im Hinblick auf seine Persönlichkeit ….„?  Auch das muss nicht sein und ist letztlich nichts anderes als Polemik.

Um auf den letzten Satz zurück zu kommen: Ich habe den Eindruck, dass ganz andere Leute hier Probleme mit ihrer „Persönlichkeit“ haben. Und: Der entscheidende Richter scheint den Verteidiger nicht zu mögen. Muss er ja auch nicht. Aber er sollte dann vielleicht doch ein wenig sachlicher argumentieren.