Befangen II: Kurz vor HV gestellter Ablehnungsantrag, oder: „Taschenspielertrick“ beim AG Wismar?

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den AG Wismar, Beschl. v. 21.12.2020 – 6 Ls 523/19. Der Beschluss ist also schon etwas älter, der Kollege Penneke hat ihn mir aber erst vor kurzem geschickt. Ich stelle ihn hier dann (noch) vor, vor allem wegen des bei mir verbleibenden Kopfschüttelns

Zur Sache: Wenn ich den Sachverhalt richtig verstehe, ist der Kollege vom Mandanten nach dreitägiger Hauptverhandlung einen Tat vor dem vierten – abschließenden (?) – Termin mandatiert worden. Der Kollege hat das Mandat angenommen und, da er am nächsten Tag wohl verhindert war, Terminsverlegung beantragt. Die wird abgelehnt. Auf diese Ablehnung wird dann wohl vornehmlich ein Ablehnungsantrag gestützt, der keinen Erfolg hatte:

„Es bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Befangenheitsgesuchs.

Rechtsanwälte sind auch in ihrer Eigenschaft als Verteidiger Organe der Rechtspflege. Wenn dann ein Rechtsanwalt Entscheidungen eines Gerichts (hier: Ablehnung einer Terminsverlegung), die mit Rechtsmitteln nicht angreifbar sind, versucht, über Taschenspielertricks wie einen kurz vor der Verhandlung eingereichten Befangenheitsantrag einen Termin zum Platzen zu bringen, ist dies rechtsmissbräuchlich und führt zu einer Unzulässigkeit des Befangenheitsantrages. Hier ist es allerdings so, dass dem Verteidiger offenbar – und insoweit besteht kein Zweifel an seiner Darstellung – die Tatsachen, auf die er sein Befangenheitsgesuch stützt, erst einen Werktag vor Einlegung des Befangenheitsgesuchs bekannt geworden sind. Vor diesem Hintergrund ist das Befangenheitsgesuch zwar spät, aber nicht erkennbar lediglich vor dem Hintergrund des Versuchs, eine Terminsverlegung zu erzwingen, eingereicht worden.

Das Befangenheitsgesuch ist jedenfalls unbegründet. Gemäß § 24 Abs. 2 StPO findet die Be-sorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dies ist gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass die abgelehnte Richterin ihm gegenüber eine innere Haltung einnimmt, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könne. Dabei kommt es zwar auf den Standpunkt des Ablehnenden an. Es ist dabei allerdings nicht auf seinen subjektiven Eindruck und seine unzutreffenden Vorstellungen vom Sachverhalt abzustellen. Maßgebend ist vielmehr der Standpunkt eines vernünftigen Angeklagten und die Vorstellungen, die sich ein geistig gesunder, bei voller Vernunft befindlicher Prozessbeteiligter bei der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage machen kann. Im vorliegenden Fall ist es nun so, dass drei Hauptverhandlungstermine stattgefunden haben und zum neuen Termin keine Zeugen geladen sind. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Beweisaufnahme im neuen Termin abgeschlossen werden kann. Nun steht es dem Angeklagten naturgemäß frei, sich zu jedem beliebigen Verfahrenszeitpunkt neuer Verteidiger – naturgemäß als Wahlverteidiger – zu bedienen. Wenn dies aber automatisch zur Folge hätte, dass ein Verfahren nicht gefördert beziehungsweise abgeschlossen werden könnte, so stünde der Ausgang beziehungsweise der Abschluss eines jeden Strafverfahrens im offensichtlichen Belieben des Angeklagten. Dies ergibt sich unter anderem auch aus dem Regelungszusammenhang der §§ 143 a, 144 StPO. Insbesondere § 228 Abs. 2 StPO regelt den hier vorliegenden Fall. Auch wenn der eine oder andere Anwalt im Hinblick auf seine Persönlichkeit der Auffassung ist, ein Verfahren könne ohne ihn nicht durchgeführt werden, sieht die StPO genau das anders. Wenn der Wahlverteidiger sich im vorliegenden Fall am 10.12.2020 für einen Termin am 11.12.2020 mandatiert, so muss er damit rechnen, dass das Verfahren ohne ihn weiter betrieben wird. Wenn in der Folgezeit es bei der Terminsabsprache möglicherweise Unzuträglichkeiten gegeben hat, mag dies sein, es rechtfertigt jedoch nicht eine Besorgnis der Befangenheit. Die erneute Ablehnung der Terminsverlegung für den Hauptverhandlungstermin am 21.12.2020 stellt gleichfalls vor dem Hintergrund des § 228 Abs. 2 StPO keinen Anlass für eine Besorgnis der Befangenheit dar. Sie ist vielmehr Ausdruck einer angemessenen Verfahrensförderung.“

Wie gesagt: Kopfschütteln und Irritation. Warum? Nun:

Wir lassen mal die Frage, ob die Terminsverlegung nicht im Ergebnis zu Recht abgelehnt worden ist, außen vor. Zur Frage der Terminsverlegung bei (zu) kurzfristiger Mandatierung des Verteidigers gibt es Rechtsprechung, die eine Terminsverlegung in den Fällen ablehnt. Jedenfalls wird man darauf auch nicht unbedingt die Besorgnis der Befangenheit stützen können, was man aber letztlich nicht ohne Kenntnis der Umstände usw. entscheiden kann.

Unabhängig davon frage ich mich irritiert: Was sollen eigentlich die Ausführungen zur Zulässigkeit? Es wird dem Kollegen doch ausdrücklich attestiert, dass sein Antrag nicht „rechtsmissbräuchlich“ war. Dann muss ich dazu doch auch nichts sagen. Und schon gar nicht etwas Falsches, denn das die Ablehnung von Terminsverlegungsanträgen mit Rechtsmitteln nicht angreifbar ist, stimmt so nicht. Und erst recht muss ich nicht von „Taschenspielertricks“ sprechen. Was soll das, wenn der Antrag doch gerade nicht rechtsmissbräuchlich ist.  So entsteht der Eindruck, dass man den Vortrag des Kollegen nun doch nicht wirklich glaubt. Also: Überflüssig wie ein Kropf.

Genauso überflüssig ist im zweiten Absatz dann die Ausführung: „Auch wenn der eine oder andere Anwalt im Hinblick auf seine Persönlichkeit der Auffassung ist, ein Verfahren könne ohne ihn nicht durchgeführt werden, sieht die StPO genau das anders.“ Auch das fragt man sich, was das soll? Wer ist gemeint? Der Verteidiger oder eben allgemein „der eine oder andere Anwalt im Hinblick auf seine Persönlichkeit ….„?  Auch das muss nicht sein und ist letztlich nichts anderes als Polemik.

Um auf den letzten Satz zurück zu kommen: Ich habe den Eindruck, dass ganz andere Leute hier Probleme mit ihrer „Persönlichkeit“ haben. Und: Der entscheidende Richter scheint den Verteidiger nicht zu mögen. Muss er ja auch nicht. Aber er sollte dann vielleicht doch ein wenig sachlicher argumentieren.

2 Gedanken zu „Befangen II: Kurz vor HV gestellter Ablehnungsantrag, oder: „Taschenspielertrick“ beim AG Wismar?

  1. Maximilian Rakow

    Zu den Rechtsmitteln hinsichtlich Terminverlegung wurde dem Amtsgericht Wismar doch erst vor kurzem durch das LG Schwerin auf die Sprünge geholfen. Entscheidung auch hier im Blog.

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