StPO II: Die Wiedereinsetzung von Amts wegen, oder: Wenn die Postlaufzeit zu lang ist

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Die zweite Entscheidung, der OLG Celle, Beschl. v. 09.07.2021 – 2 Ws 194/21 – ist in einer Maßregelvollzugsache ergangen. Das ist aber für die vom OLG u.a. entschiedene „Wiedereinsetzungsfrage“ ohne Bedeutung.

Die Strafvollstreckungskammer hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beschlossen. Gegen diesen Beschluss, der dem Verteidiger am 09.06.2021 zugestellt wurde, wendet sich der Untergebrachte mit seiner sofortigen Beschwerde. Das Beschwerdeschreiben weist einen Poststempel vom 15.06.2021 auf und ist am 17.06.2021 beim Landgericht eingegangen.

Das OLG hat von Amts wegen Wiedereinsetzung gewährt:

„1. Dem Verurteilten war gemäß §§ 44, 45 Abs. 2 S. 3 StPO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist zu gewähren, weil sich aus den Akten ergibt, dass ihn an der Versäumung der Begründungsfrist kein Verschulden trifft.

Der Senat schließt sich der verbreiteten obergerichtlichen Rechtsprechung an, wonach ein Rechtsmittelführer darauf vertrauen darf, dass bei einer Aufgabe der Rechtsmittelschrift zur Post die seitens der Deutschen Post AG für den Normalfall festgelegten Postlaufzeiten eingehalten werden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2020, IX ZA 4/20, juris; BGH, Beschluss vom 20. Mai 2009, NJW 2009, 2379; OLG Oldenburg, Beschluss vom 16. September 2013, NStZ-RR 2014, 113; OLG Hamm, Beschluss vom 17. Februar 2009, NJW 2009, 2230). Beim Versand eines einfachen Briefes darf er davon ausgehen, dass dieser bereits einen Werktag nach der Einlieferung beim Empfänger eingeht. Denn dies entspricht nicht nur den üblichen Laufzeiten nach § 2 Nr. 3 Post-Universaldienstleistungsverordnung, wonach im Jahresdurchschnitt mindestens 80 Prozent der Briefsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden müssen, sondern auch den Angaben der Deutschen Post AG auf ihrer Internetseite, wonach die Betriebsprozesse darauf ausgelegt sind, rund 90 % aller nationalen Briefsendungen bereits einen Werktag nach der Einlieferung beim Empfänger auszuliefern.

Der Untergebrachte durfte deshalb darauf vertrauen, dass sein (spätestens) am 15. Juni 2021 zur Post gegebener Brief am 16. Juni 2021 und damit innerhalb der Beschwerdefrist beim Landgericht eingehen würde.“

Auf die anderen vom OLG angesprochenen materiellen Fragen komme ich zurück.

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