Archiv für den Monat: November 2020

News: Heute im Bundestag das KostRÄG 2021, oder: 12 Uhr mittags

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Heute vorab zum „normalen“ Programm eine Kurznachricht zum KostRÄG 2021.

Bisher war das Gesetz ja nur im Bundesrat und in einer sog. vereinfachten (ersten) Lesung im Bundestag. Heute ist dann im Bundestag „High Noon“, denn es stehen dort um 12.00 Uhr die zweite und dritte Lesung an.

Am 18.11.2020 hat im Bundestag – im Fachausschuss – das sog. erweiterte Berichterstattergepräch stattgefunden. Die Ergebnisse sind dann in die entspechende Beschlussempfehlung in der BT-Drucksache 19/24740 eingemündet. Danach wird das KostRÄG 2021 – bezogen auf die Änderungen im RVG – weitgehend so verabschiedet werden, wie es aus dem Bundesrat gekommen ist. Es muss dann noch am 18.12.2020 in den Bundesrat und kann danach verkündet werden. Es dürfte also 01.01.2021 in Kraft treten.

Wer Interesse daran hat, was im einzelnen abgelaufen ist, der kann sich hier auf der HP des Bundestages informieren.

Und wer die Beratungen live erleben will, der kann sich den Livestream des Bundestages anschauen.

Was ganz interessant ist. Die AfD – ja, die AfD – hatte noch versucht, das KostRÄG für die Strafverteidiger auszubessern, indem man natürlich keine eigenen Vorschläge gemacht hat, aber versucht hat, einen Teil der Vorschläge aus der Gemeinsamen Empfehlung von DAV/BRAK aus dem Jahr 2018 durchzudrücken. Das ist nicht gelungen. Wer hätte gedacht, dass die AfD mal einen vernünftigen Vorschlag macht 🙂 ?

OWi III: Verjährungseintritt, oder: Welche Vorschriften gelten für die Fristberechnung?

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Und als dritte Entscheidung des Tages stelle ich dann noch den AG Hermeskeil, Beschl. v. 14.08.2020 – OWi 8112 Js 854/20 – vor. Es geht um den (Ab)Lauf der Verjährungsfrist und die Frage der Anwendbarkeit der §§ 42, 43 StPO.

Tatzeit war am 20.06.2019. Schriftlich Anhörung des Betroffenen am 23.07.2019 unter seiner Büroadresse, später dann noch einmal an der Privatanschrift angehört. Erlass des Bußgeldbescheides am 23.10.2019. Das AG sagt:  Verjährung ist eingetreten. Es stellt ein:

„Das Verfahren wurde eingestellt, da einer weiteren Strafverfolgung des Betroffenen die Verjährung entgegensteht. Abweichend von § 31 Abs. 2 Nr. 4 OWiG verjähren Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten vor dem Erlass des Bußgeldbescheides gemäß § 26 Abs. 3 StVG i.V.m. § 24 Abs. 1 StVG innerhalb von drei Monaten. Die dem Betroffenen zur Last gelegte Tat ereignete sich gemäß dem Bußgeldbescheid am 20.06.2019. Dem Betroffenen wurde mit Schreiben vom 23.07.2019 unter seiner Kanzleiadresse ein an ihn gerichteter Anhörungsbogen übersandt, welcher gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 O“iG zu einer Unterbrechung der Verjährung führte, sodass ab diesem Zeitpunkt eine weitere Frist von drei Monaten bis zum Eintritt der Verjährung lief. Diese Frist endete am 22.10.2019. Auf die Verfolgungsverjährung sind die Regelungen zur Fristberechnung aus §§ 42, 43 StPO nicht anwendbar. Stattdessen ist bei der Berechnung der Frist der Tag, auf den das Ereignis fällt, welches zur Verjährungsunterbrechung führt, mit einzurechnen. Die Verjährungsfrist endet daher mit Ablauf des Tages, der seiner kalendermäßigen Bezeichnung nach dem Tag vorausgeht, auf den das für den Verjährungsbeginn maßgebliche Ereignis fällt (Mitsch in Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2020, § 78 StGB, Rn. 20). Diese für die Verfolgungsverjährung gemäß §§ 78 ff. StGB anzuwendenden Regelungen, finden auch im Bußgeldverfahren entsprechend Anwendung (OLG Karlsruhe Beschluss vom 28.6.2019, 2 Rb 8 Ss 486/19). Zwar wurde dem Betroffenen unter seiner Privatadresse mit Schreiben vom 26.08.2019 ein weiterer Anhörungsbogen zugesandt, doch führt die Wiederholung einer Maßnahme gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG nicht zu einer erneuten Unterbrechung der Verjährung (OLG Braunschweig , Beschluss vom 10.10.2007 – Ss OWi 95/07). Der Bußgeldbescheid wurde am 23.10.2019 erlassen. Da die Verjährung jedoch bereits am 22.10.2019 eingetreten war, konnte er nicht mehr rechtzeitig eine weitere Unterbrechung der Verjährung herbeiführen. Der Betroffene

Den Beschluss hat mit der Kollege Gratz geschickt. Er hat leider auch nur das „Fragment“.

OWi II: „…. Verteidigerbüros … überfluten mit ausufernden Schriftsätzen, oder: Angefressen?

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Und als zweite Entscheidung dann das AG St. Ingbert, Urt. v. 10.11.2020 – 23 OWi 62 Js 1144/20 (2176/20). Gegenstand des Urteils: Verwertbarkeit einer Messung, Rohmessdaten usw.

Hier die Leitsätze – nicht von mir – sondern so stehen sie auf der Seite „Bürgerservice Saarland“.

1. In Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten ist eine stark zunehmende Tendenz von spezialisierten ortsansässigen wie auch überörtlichen (online-) Verteidigerbüros zu verzeichnen, Behörden und Gerichte zu „überfluten“ mit ausufernden Schriftsätzen und Anträgen (auf Beiziehung diverser Daten und Unterlagen, Akteneinsicht in solche Unterlagen, weitere Beweiserhebungen, Aussetzung der Hauptverhandlung etc.), Widersprüchen zur Verwertung von Beweismitteln (z.B. den Messfotos) sowie Vorlage von sog. Sachverständigengutachten, womit die Ordnungsgemäßheit von Messverfahren und Messungen in Frage gestellt werden soll, dies selbst bei geringfügigen Geldbußen.

2. Durch die Vorlage solcher Schriftsätze und Anträge – in zahlreichen Verfahren immer wieder uniform gleichlautend abgefasst, teils auch mit unzutreffenden oder irreführenden Zitaten aus der Rechtsprechung – sowohl gegenüber der Verwaltungsbehörde (oft verbunden mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG) wie auch gegenüber dem Gericht (vor und in der Hauptverhandlung) wird faktisch ein regulärer Geschäftsbetrieb erschwert, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Verfahren mit angemessenem Aufwand in angemessener Zeit angesichts kurzer Verjährungsfrist von absolut 2 Jahren – ab Tattag – erledigt werden müssen.

3. Diese „Strategie“ steht in diametralem Kontrast zu Sinn und Zweck des sog. standardisierten Messverfahrens nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – gerade für den Bereich der massenhaft vorkommenden Verkehrsordnungswidrigkeiten mit vergleichsweise geringfügigen Sanktionen – und würde dazu führen, müsste all diesen Anträgen ernsthaft nachgegangen werden, dass Verkehrsverstöße nicht mehr effektiv ermittelt und sanktioniert werden könnten, was eine erhebliche Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit zur Folge hätte.

4. Die derart erwarteten Anforderungen an die Rechtsstaatlichkeit von Verfahren und den vermeintlich erforderlichen Grundrechteschutz von Betroffenen erscheinen angesichts weltweit wohl höchsten Standards der Messgeräte und Messverfahren überspannt entgegen der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zum Strafverfahren): Müsste das Gericht allen Anträgen des Angeklagten auf weitere Sachaufklärung nachgehen, gewänne der Angeklagte einen Einfluss auf Dauer und Umfang des Verfahrens, der über das zu seiner Verteidigung Gebotene hinausginge und dazu führen könnte, dass die rechtsstaatlich geforderte Beschleunigung des Strafverfahrens ernstlich gefährdet wäre (BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. August 2003 – 2 BvR 1071/03).

5. Hier könnte ein Einschreiten des Gesetzgebers für Klarheit sorgen, durch unmissverständliche Richtlinien festzuschreiben, welcher Daten und Dokumente es zur Ermittlung und Sanktionierung von Verkehrsverstößen bedarf, um einer uneinheitlichen Handhabung, wie sie in der Praxis vorkommt, entgegenzuwirken.

Da ist aber einer „angefressen“. Ich frage mich im Übrigen: Wie soll der Gesetzgeber das „festschreiben“. Das sind doch letztlich alles Einzelfälle. Im Übrigen: Wenn die Messungen so sicher sind/wären, erklärt sich mir nicht, warum Sachverständige immer wieder zu fehlerhaften Messungen kommen.

Nun ja, wir werden sehen, wie es weiter geht. Der Weg zum OLG dürfte auf der Hand liegen. das kann dan mal so richtig – Bamberg und das BayoBlG lassen grüßen -, was es vom VerfGH Saarland hält und der kann sich dann ggf. auch noch einmal äußern.

OWi I: Der Scanner des Paketauslieferungsfahrers, oder: Elektronisches Gerät

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Der heutige Tag ist dann drei OWi-Entscheidungen gewidmet.

Und ich stelle zunächst den OLG Hamm, Beschl. v. 03.11.2020 – 4 RBs 345/20 – vor. Er behandelt mal wieder die Frage des „elektronischen Geräts“ i.S. von § 23 Abs. 1a StVO. Hier ging es um den Scanner eines Paketauslieferungsfahrers. Das OLG hat die Eigenschaft als elektronisches Gerät im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO bejaht:

„Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen „vorsätzlicher verbotswidriger Nutzung eines elektronischen Gerätes, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient als Kraftfahrzeugführer“ zu einer Geldbuße von 120 Euro verurteilt.

Zur Sache hat das Amtsgericht folgende Feststellung getroffen:

„Der Betroffene befuhr am 5.11.2019 um 15.08 Uhr mit einem PKW der Marke G mit dem amtlichen Kennzeichen pp. in pp. auf Höhe der Hausnummer 17.

Dabei nutze der Betroffene einen sogenannten Scanner der Marke N, indem er diesen mit seiner rechten Hand halbhoch hielt und Tippbewegungen durchführte. Dies geschah wissentlich und willentlich.

Der Scanner dient dazu, dem Betroffenen die ihm auszuführenden Aufträge vor Augen zu führen. Dabei zeigt das Gerät dem Betroffenen die Lieferadresse an. Sobald der Betroffene einen Auftrag erledigt hat, bestätigt er dies auf dem Scanner und die Spedition erhält Mitteilung davon, dass der Auftrag ausgeführt worden ist. Er ähnelt seinem Aussehen nach einem Mobiltelefon, da er über ein Display und eine Tastatur verfügt. Er ist jedoch etwas breiter als ein handelsübliches Mobiltelefon.“

Aus den Urteilsgründen ergibt sich ferner, dass der Scanner mit einem Akku oder einer Batterie betrieben wird.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und erhebt die Sachrüge.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt die Verwerfung des Zulassungsantrags als unbegründet.

II.

Die Rechtsbeschwerde war zur Fortbildung des (materiellen) Rechts (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) zuzulassen und die Sache auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen (§ 80a Abs. 3 S. 1 OWiG). Die Frage, ob ein Scanner ein elektronisches Gerät im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO in der Neufassung (mit Wirkung ab dem 19. Oktober 2017) darstellt, ist – soweit ersichtlich – noch nicht höchstrichterlich entschieden und erscheint klärungsbedürftig.

III.

Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das angefochtene Urteil hält einer sachlich-rechtlichen Prüfung stand. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen belegen eine vorsätzliche verbotswidrige Nutzung eines elektronischen Gerätes im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO. Die Feststellungen tragen die Annahme, dass der Betroffene ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient, benutzt und hierzu aufgenommen hat. Der Scanner wird den Feststellungen zufolge mit einem Akku oder einer Batterie betrieben, stellt also ein elektronisches Gerät dar. Dieses Gerät zeigte dem Betroffenen die auszuführenden Aufträge und die Lieferadressen an und diente damit seiner Information und Organisation. Von der Erledigung eines Auftrags erhielt der Auftraggeber jeweils über den Scanner eine Nachricht, sodass das Gerät auch der Kommunikation diente. Dadurch, dass der Betroffene den Scanner in der Hand hielt und auf die Tastatur tippte, hat er das Gerät aufgenommen und bedient. Nach dem Wortlaut der Norm ist der Tatbestand mithin erfüllt und zwar vorsätzlich. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Sinn und dem Zweck der Norm (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 28.05.2019, III-4 RBs 92/19; Merz SVR 2019, 441, 444 jeweils m.w.N.). Der Gesetzgeber wollte der unfallgefährlichen Ablenkung der Kraftfahrzeugführer durch Mobiltelefone und andere elektronische Geräte entgegenwirken und hat den Tatbestand zudem offen formuliert. Der Scanner der Marke N wird wie ein Mobiltelefon über eine Tastatur bedient und verfügt auch über ein Display. Die Bedienung des Gerätes erfolgt weitgehend in gleicher Weise wie bei einem Mobiltelefon und führt ebenso wie dieses zur Ablenkung des Fahrers.“

Über die Entscheidung werden sich DHL, DPD und Hermes sicherlich sehr freuen.

Im Übrigen: Ob das eigentlich im Bundesverkehrsministeirum eigentlich alles bedacht worden ist? Vom „Bundesandi“ bestimmt nicht 🙂 .

Strafzumessung III: Täter-Opfer-Ausgleich, oder: Geht das beim Computerbetrug?

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Und zum Tagesschluss komme ich dann noch einmal auf das OLG Hamm, Urt. v. 22.09.2020 – 5 RVs 63/20 – zurück. Über das hatte ich ja schon einmal berichtet habe (vgl. hier: Kessel Buntes III: Diebstahl einer Geldbörse mit Personalpapieren, oder: Auch Urkundenunterdrückung?).

Heute geht es um die Strafzumessung bzw. die damit zusammenhängende Frage eines Täter-Opfer-Ausgleichs (§ 46a StGB). Das LG hatte seine Voraussetzungen bejaht. Die Revision der StA hatte insoweit Erfolg:

“ 2. Die Staatsanwaltschaft rügt aber mit Recht, dass die Begründung für die von der Kammer nach §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB vorgenommenen Strafrahmenverschiebung rechtsfehlerhaft ist. Das Landgericht ist bei seiner Strafzumessung vom Strafrahmen des § 243 Abs. 1 S. 1 StGB ausgegangen, soweit es die Angeklagte wegen Diebstahls verurteilt hat. In jenen Fällen, in denen es einen Computerbetrug festgestellt hat, hat es seiner Strafzumessung den Strafrahmen der §§ 263a Abs. 2, 263 Abs. 3 S. 1 StGB zu Grunde gelegt. Diese Strafrahmen hat es in den unter II. 2. der Urteilsgründe festgestellten Fällen 1., 2., 6. und 7. nach §§ 46a Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB und in den Fällen 3. und 4. nach §§ 46a Nr. 2, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Die Anwendung des § 46a StGB stellt sich dabei in mehrfacher Hinsicht als rechtsirrig dar.

a) In den Fällen des Computerbetrugs, in denen der wirtschaftliche Schaden im Ergebnis durch die beteiligten Banken getragen wurde (Taten 2. und 7.), steht der Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs schon entgegen, dass im Verhältnis zu den Kreditinstituten ein Ausgleich gar nicht stattgefunden hat. Es reicht für die Anwendung des § 46a StGB nicht aus, dass ein Ausgleich nur in Bezug auf einen von mehreren Geschädigten gegeben ist. Sind durch eine Straftat Rechtsgüter mehrerer Personen verletzt, muss nach ständiger Rechtsprechung hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Variante des § 46a StGB erfüllt sein (BGH, Urteil vom 07. Februar 2018 ? 5 StR 535/17 = NStZ 2018, 276, beck-online m.w.N.; Maier in: MüKoStGB, 3. Aufl. 2016, StGB, § 46a Rn. 12). Vorliegend ist den beteiligten Banken ein Vermögensschaden zumindest in Höhe der von der Angeklagten zu Unrecht erlangten Barabbuchungen unter Verwendung der EC-Karten der Geschädigten T und H entstanden. Zu einem Ausgleich dieser Schäden hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen.

b) Jedoch auch soweit die Angeklagte Zahlungen an die wirtschaftlich geschädigten natürlichen Personen erbracht (T und L) oder angekündigt hat (H) tragen die Feststellungen des Landgerichts die Annahme eines vertypten Milderungsgrundes nicht.

Noch zutreffend berücksichtigt die Kammer, dass die verschiedenen Alternativen des § 46a StGB sich in ihren Voraussetzungen unterscheiden. § 46a Nr. 1 StGB bezieht sich vor allem auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat, die auch bei Vermögensdelikten denkbar sind, während § 46a Nr. 2 StGB den materiellen Schadensersatz betrifft (BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 290/11 = NStZ 2012, 439, beck-online; Heger in: Lackner/Kühl, 29. Aufl. 2018, StGB § 46a Rn. 4a).

Bezüglich der Geschädigten T und H hat die Kammer die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB angenommen, wobei sie gegenüber der Geschädigten T von einer Wiedergutmachung und bezüglich der Geschädigten H von einem ernsthaften Bemühen um Wiedergutmachung ausgegangen ist. Dabei hat sie jedoch zu geringe Anforderungen an beide Alternativen der Norm gestellt. Die Bestimmung des § 46a Nr. 1 StGB verlangt, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil” wiedergutgemacht hat; es ist aber auch ausreichend, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Das Bemühen des Täters setzt grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muss (BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 290/11= NStZ 2012, 439, beck-online m.w.N.). Dafür ist eine von beiden Seiten akzeptierte, ernsthaft mitgetragene Regelung Voraussetzung. Das ernsthafte Bemühen des Täters muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein, und das Opfer muss die Leistung des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren (BGH, 4. Strafsenat, a.a.O.). Die Kammer hat jedoch, wie die Revision zutreffend rügt, keinerlei Feststellungen dazu getroffen, inwieweit die Geschädigten die von der Angeklagten erbrachten bzw. beabsichtigten Zahlungen als Ausgleich ihrer materiellen und immateriellen Schäden akzeptiert haben. Bezüglich der Geschädigten H geht aus den Urteilsgründen nicht einmal hervor, ob diese von dem Streben nach Wiedergutmachung seitens der Angeklagten überhaupt Kenntnis erlangt hatte.

Auch soweit das Landgericht in Bezug auf die Geschädigte L die Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB angenommen hat, tragen die getroffenen Feststellungen die Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs nicht. Weil die Entschädigungsleistung auch nach dieser Alternative der Norm eine friedensstiftende Wirkung entfalten soll und Ausdruck der Übernahme von Verantwortung gerade gegenüber dem Opfer sein muss, hat der Täter einen über die rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag zu erbringen. Die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen allein genügt nicht (BGH, Beschluss vom 25. Juli 1995 – 1 StR 205/95 = NStZ 1995, 492, beck-online; OLG München, Urteil vom 02. August 2007 – 5 St RR 113/07 = BeckRS 2007, 12872; Maier in: MüKoStGB, 3. Aufl. 2016 Rn. 41, StGB § 46a Rn. 41 m.w.N.) Zudem ist grundsätzlich auch für die Annahme einer Entschädigung des Opfers nach § 46a Nr. 2 StGB die Mitwirkung des Opfers notwendig, denn die Schadenswiedergutmachung muss eine friedensstiftende Wirkung entfalten können (Maier in: MüKoStGB, 3. Aufl. 2016, StGB § 46a Rn. 42 m.w.N.). Vorliegend hat die Kammer lediglich festgestellt, dass die Angeklagte der Geschädigten den Wert des entwendeten Bargeldes und der von der Geschädigten getragenen Abbuchung von deren Konto ersetzt hat. Ein Ersatz von Aufwendungen, etwa für die Beschaffung einer neuen EC-Karte, eines Ausweises oder Ersatzführerscheins, hat nach den Feststellungen des Berufungsurteils nicht stattgefunden. Auch teilt das angefochtene Urteil nicht mit, ob die Geschädigte die Zahlung als Ausgleich des erlittenen Schadens akzeptierte….“