Archiv für den Monat: September 2020

Zusätzliche Verfahrensgebühr, oder: Rat zum Schweigen nicht nur intern

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Am RVG-Freitag heute zwei AG Entscheidungen zum Gebührenrecht.

Den Opener macht das AG Köln, Urt. v. 02.09.2020 – 117 C 233/20, das mir die beteiligte RSV geschickt hat. Das tun die RSV immer mal, meist sind es Entscheidungen, in denen die Klagen keinen Erfolg hatten. Woran das liegt, kann ich nicht sagen 🙂 .

Im Streit war mal wieder die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG und dort die Frage, ob der Verteidiger „mitgewirkt“ hat. Er hatte dem Mandanten den Rat gegeben zu schweigen, aber leider nur intern. Das hat dem AG nicht gereicht. Es hat die Klage auf Zahlung der Nr. 4141 VV RVG abgewiesen.

„Der Prozessbevollmächtigte des Klägers vertrat den Kläger in einem Strafverfahren, wofür zuvor Deckungsschutz seitens der Beklagten erteilt worden war. Mit Anhörungsschreiben vom 19.06.2019 wurde dem Kläger vorgeworfen, sich unerlaubt vom Unfall entfernt zu haben. Hierauf bestellte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 24.06.2019, bat um Akteneinsicht und beantragte die Einstellung des Verfahrens. Das Strafverfahren zum Az. 912 Js 6746/19 (StA Köln) wurde mit Schreiben vom 04.11.2019 eingestellt.

Mit Kostennote vom 12.11.2019 wurde neben der Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG und einer Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV RVG auch eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 VV RVG in Höhe von 196,35 EUR brutto Rechnung gestellt. Über die Berechtigung der Inrechnungstellung der Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG streiten die Parteien.

Nach Nr. 4141 VV RVG entsteht die Gebühr insbesondere dann, wenn ein Strafverfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird. Die Gebühr entsteht nach Abs. 2 hingegen nicht, wenn eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit nicht ersichtlich ist. Welche Tätigkeit der Rechtsanwalt erbringt, ist unerheblich. Es genügt jede zur Förderung der Einstellung geeignete Tätigkeit. Insbesondere reicht es aus, wenn eine Tätigkeit des Rechtsanwalts aus einem anderen Verfahrensabschnitt fortwirkt und dann später zur Einstellung führt. Die anwaltliche Mitwirkung wird nach Abs. 2 S. 1 der Nr. 4141 VV RVG gesetzlich vermutet. Hingegen stellt es keine Mitwirkung des Rechtsanwalts dar, wenn sich die Tätigkeit des Anwalts auf die (bloße) Verteidigerbestellung und Akteneinsicht beschränkt oder ein unbegründeter Einstellungsantrag gestellt wird bzw. lediglich die Mandatierung angezeigt wird, Akteneinsicht gefordert wird und eine mögliche Einlassung zu einem späteren Zeitpunkt in Aussicht gestellt wird (zum Vorstehenden Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Aufl., RVG VV 4141, Rn. 10, ferner etwa AG Wiesbaden, Urt. v. 27.12.2013, Az. 93 C 3942/13 – Rn. 4 – zitiert nach juris). Dies reicht nicht aus, um von einer Mitwirkung zu sprechen (wie vor). Denn erforderlich ist, dass der Verteidiger die Einstellung des Verfahrens zumindest gefördert hat und die entsprechende Entscheidung nicht auch ohne sein Zutun erfolgt wäre (vgl. BGH, Urt. v. 20.01.2011, Az_ IX ZR 123/10).

Vorliegend liegt eine Mitwirkung i.S.d. Nr. 4141 VV RVG nicht vor Die Beklagte hat in der Klageerwiderung unbestritten dargelegt, dass sich die anwaltliche Tätigkeit nach außen in der Bestellung mit Schreiben vom 24.06.2019 als Verteidiger nebst Akteneinsichtsgesuch und Beantragen der Einstellung erschöpfte. Unbestritten ist ferner das Vorbringen des Klägers geblieben, nach erfolgter Akteneinsicht sei dem Kläger geraten worden, zu schweigen. Diesbezüglich ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dies nach außen kommuniziert wurde.

Allein die Anzeige der Mandatierung und das Akteneinsichtsgesuch sind nach den vorstehend ausgeführten Maßstäben nicht als ausreichende Mitwirkungshandlungen anzusehen. Ebenso wenig gilt dies für den unbegründeten Einstellungsantrag. Aber auch der interne Rat zu Schweigen genügt nicht für die Annahme, dass eine Mitwirkung i.S.v. Nr. 4141 VV RVG vorliegt. Denn für die Staatsanwaltschaft war nicht ersichtlich, wie sich der Kläger im Ermittlungsverfahren verhalten wird; insbesondere, ob etwa eine Einlassung erfolgen wird. Im Falle eines sog. gezielten Schweigens weiß die Behörde hingegen infolge der Mitteilung, dass der Beschuldigte von seinem Schweigerecht Gebrauch macht und muss sich nun darüber klar werden, ob eine Verurteilung auf die übrigen Beweismittel gestützt werden kann oder aber es Sinn ergeben kann, das Verfahren einzustellen. Ist letzteres der Fall, ist evident, dass die Mitteilung über die Ingebrauchnahme des Schweigerechts die Einstellung „gefördert“ hat. Hier erfolgte indes gerade keine Mitteilung von der Ingebrauchnahme des Schweigerechts, sodass seitens der Staatsanwaltschaft jederzeit mit einer Einlassung gerechnet werden konnte. Damit erfolgte die Entscheidung der Einstellung unabhängig von der Tätigkeit des Verteidigers, sodass eine Mitwirkung i.S.d. Nr. 4141 VV RVG nicht angenommen werden kann (vgl. zum internen Rat zu Schweigen auch Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Aufl., RVG VV 4141. Rn. 9).“

Es ist richtig, dass die AG-Rechtsprechung unter Hinweis auf den BGH das so sieht. Ob das alles richtig ist und der BGH an der Stelle richtig liegt, kann man bezweifeln. Denn letztlich geht es um die Frage der Ursächlichkeit. Aber: Als Verteidiger muss man diese „Falle“ kennen und sie vermeiden. Ist m.E. ganz einfach. Man teilt der Ermittlungsbehörde eben kurz mit, dass der Mandant schweigen wird. Dann liegt der Ball im anderen Spielfeld und es sollte keine Probleme mit der Nr. 4141 VV RVG geben. Allerdings: Das weiß man bei einer RSV nie.

OWi III: Letztes Wort nicht gewährt, oder: Rügeanforderungen

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Und die dritte und letzte Entscheidung greift dann noch einmal eine Problematik auf, die immer wieder eine Rolle spielt. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs im Rechtsbeschwerdezulassungsverfahren und der ausreichende Vortrag. Hier war es die Rüge, dass der Betroffene nicht das letzte Wort erhalten habe. Die hat das OLG Frankfurt im OLG Frankfurt, Beschl. v. 08.09.2020 – 2 Ss-OWi 817/20 – als unzulässig, weil nicht ausreichend begründet, angesehen:

„Soweit der Betroffene die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs mit der Begründung erhebt, er habe „das letzte Wort“ nicht erhalten, ist die insoweit erforderliche Verfahrensrüge nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i. V. m. § 80 Abs. 3 OWiG genügenden Weise erhoben worden und somit unzulässig. So ist es nicht nur erforderlich, den tatsächlichen Ablauf der Hauptverhandlung wiederzugeben sowie den für die Beurteilung der Beachtung des § 258 StPO maßgeblichen Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (OLG Jena, Beschluss vom 27. Oktober 2004 — 1 Ss 229/04). Darüber hinaus ist in einem auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch unterbliebene Gewährung des letzten Wortes gestützten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde auch mitzuteilen, was der Betroffene im Falle der Gewährung des letzten Wortes vorgebracht hätte (Senat, Beschluss vom 14. August 2018 — 2 S -OWi 651/18; OLG Jena, Beschluss vom 09. Dezember 2003 — 1 Ss 314/03; BayObLG, Beschluss vom 15. April 1996 — 3 ObOWi 42/96; BeckOK OWiG/Bär, 27. Edition 01. Juli 2020, OWiG § 80 Rdn. 20). Zweck der Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen Versagung des rechtlichen Gehörs gem. § 80 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 OWi ist nämlich, dass in begründeten Fällen ein Verfassungsverstoß gegen Art. 103 GG innerhalb der Fachgerichtsbarkeit bereinigt wird (BVerfG NJW 1992, 2811, 2812; Göhler OWiG, 17. Auflage 2017, § 80 Rdn. 16a). Demnach muss für den Vortrag nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG das gleiche verlangt werden wie für eine entsprechende Verfassungsbeschwerde. Es genügt somit nicht, wie sonst bei Versagung des letzten Wortes, den Verfahrensverstoß darzutun, weil das Revisions- bzw. das Rechtsbeschwerdegericht abstrakt von der Möglichkeit des Beruhens des Urteils auf diesen Verfahrensverstoß ausgeht (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage 2020, § 258 Rdn. 33f.), sondern es müssen konkrete Tatsachen dargelegt werden, aufgrund deren die Beruhensfrage geprüft werden kann (BayObLG MDR 1992, 802). Vorliegend fehlt jedoch der Vortrag, was der Betroffene im Fall der Gewährung des letzten Wortes vorgetragen hätte, so dass eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bereits aus diesem Grund ausscheidet.“

Das gilt übrigens nicht nur im OWi-Verfahren, sondern auch hinsichtlich der Begründung der Verfahrensrüge (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) bei der Revision im Strafverfahren.

OWi II: Messung mittels Riegl LR 90-235/P, oder: Selbsttest und Displaytest durchgeführt?

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Von der zweiten Entscheidung des Tages, dem AG Dortmund, Urt. v. 21.8.2020 – 729 OWi-251 Js 1170/20-105/20 – stelle ich dann nur den Leitsatz vor. Das reicht aus. Das AG hat vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung frei gesprochen. Denn:

Kann bei einer Messung mittels Riegl LR 90-235/P die Durchführung des Selbsttests und des Displaytests nicht festgestellt werden und besteht zudem die Möglichkeit, dass im Dunkeln in 240 Meter Entfernung in eine Fahrzeugkolonne hineingemessen wurde, so steht die Richtigkeit der Messung ebenso wie die Zuordnungssicherheit so sehr infrage, dass ein Freispruch zu erfolgen hat.

OWi I: Wenn standardisiert nicht standardisiert ist/sein soll, oder: Sachverständigengutachten

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Heute dann mal wieder ein OWi-Tag

In den starte ich mit dem OLG Dresden, Beschl. v. 26.06.2020 – OLG 24 Ss 418120 (B) – , den mir der Kollege Steinmetz aus Leipzig übersandt hat.

Das AG hat den Betroffenen wegen eines Rotlichtverstoßes verurteilt. Das OLG hebt auf wegen eines Fehlers in der Beweiswürdigung:

„Zwar ist die Beweiswürdigung grundsätzlich Sache des Tatrichters; ihm kann nicht vorgeschrieben werden, unter welchen Voraussetzungen er zu einer bestimmten Schlussfolgerung und Überzeugung kommen darf. Insoweit darf das Rechtsbeschwerdegericht die Beweiswürdigung des Tatrichters nicht durch seine eigene ersetzen, sondern kann sie nur auf rechtliche Fehler überprüfen (vgl. BGH. Urteil vom 09. Februar 1957, Az.: 2 StR 508/56. BGHSt 10. 208). Fehlerhaft ist die Beweiswürdigung allerdings dann, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist. gegen Denkgesetze und Erfah¬rungssätze verstößt oder falsche Maßstäbe für die zur Verurteilung erforderliche bzw. ausreichende Gewissheit angelegt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 1986. Az.: 2 StR 115/86. NStZ 1986, 373 Meyer-Goßner. StPO, 61. Aufl.. § 337 Rn. 26 ff.. m.w.Nachw., § 261 Rn. 38).
Hier ist die Beweiswürdigung des Amtsgerichts aufgrund der Urteilsgründe allerdings nicht nachvollziehbar.

Offenbar ging das Amtsgericht davon aus, dass es sich bei dem Messverfahren Traffi¬Phot III nicht um ein standardisiertes Messverfahren handelt, wenn der Abstand nebeneinander liegender Induktionsschleifen unter 1.20 m beträgt. Bereits zu dieser Problematik finden sich allerdings in der Urteilsbegründung keine nachvollziehbaren Ausführun¬gen. Jedenfalls bedarf es in diesem Fall aber des Gutachtens eines Sachverständigen dazu, ob und gegebenenfalls wie sich die Unterschreitung des Mindestabstands auf die Messung auswirkt (OLG Dresden, Beschluss vom 11. April 2019, Az.: OLG 23 Ss 166/19 (B), nicht veröffentlicht). Ein solches Gutachten liegt hier ausweislich der Urteilsgründe nicht vor.

Auch die weiteren Ausführungen des Amtsgerichts tragen zur Nachvollziehbarkeit der Beweiswürdigung nicht bei. Es ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher eigener Wahrnehmungen der als Zeuge vernommene Messbedienstete S. sollte festgestellt haben können, dass eine gegenseitige Beeinflussung der Induktionsschleifen nicht möglich sei. Diese Feststellung obliegt einem Sachverständigen. Dass die Angaben des Zeugen S. eventuell als sachverständige Stellungnahme zu werten sein könnten, ist jedenfalls nicht ersichtlich, da das Urteil keine Angaben zu dessen Fachkunde macht.“

Diesen zutreffenden Ausführungen ist mit der Einschränkung zu folgen, dass es der Einholung eines Sachverständigengutachtens dann nicht bedarf, wenn die Beweisfrage vom Gericht aus eigener Sachkunde beantwortet werden kann. Dabei kann es sich beispielsweise um Kenntnisse aufgrund von Gutachten handeln, die in (anderen) gerichtlichen Verfahren erstattet worden sind. Die Urteilsgründe müssen aber dann Ausführungen enthalten, aus denen sich die Sachkenntnis des Gerichts ergibt (vgl. BGHSt 12, 18 ff.). Hieran fehlt es. Zwar schließt sich das Amtsgericht der Aussage des Zeugen S. an, wonach die den Mindestabstand unterschreitenden Induktionsschleifen an einen Detektorkanal angeschlossen seien und eine ge¬genseitige Beeinflussung nicht möglich sei. Ob dieser Schluss jedoch auf eigener Sachkunde des Gerichts, welche es etwa aus in anderen Verfahren erstellten Sachverständigengutachten erworben hat, beruht, wird nicht dargelegt. Erörtert wird auch nicht, woraus sich die Kenntnis des Zeugen S. ergeben soll, dass eine gegenseitige Beeinflussung bei Anschluss an einen Detektorkanal ausgeschlossen sei. Dass der Zeuge S. auch als sachverständiger Zeuge gehört worden ist, erschließt sich jedenfalls nicht.“

StGB III: Versuchsbeginn beim Einbruchsdiebstahl, oder: „jetzt geht’s los“

Und dann zum Tagesschluss noch der BGH, Beschl. v. 28.04.2020 – 5 StR 15/20. Das LG hat den Angeklagten wegen schweren Wohnungseinbruchdiebstahls, Diebstahls und versuchten Diebstahls verurteilt. Dagegen die Revision mit der Sachrüge. Der BGH verwirft nach § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, u.a. zwar auch, soweit der Angeklagte wegen versuchten Diebstahls verurteilt worden ist:

„1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wollte der Angeklagte einen Zigarettenautomaten aufbrechen, um Zigaretten und Bargeld zu entwenden. Er legte am Automaten verschiedenes Einbruchswerkzeug ab (Kuhfuß, Trennschleifer mit Trennscheiben, Hammer, Schraubenzieher, Kabeltrommel). Mit einem Handtuch und einer Plane verhüllte er den Automaten, um die Geräusche seines Tuns zu dämpfen. Er ging davon aus, in unmittelbarer Nähe einen Stromanschluss zu finden, und legte deshalb mit der Kabeltrommel über die Straße zu einem Schuppen hin eine Stromleitung. Weder dort noch anderswo fand er allerdings in erreichbarer Nähe eine Steckdose. Er erkannte, dass er den Zigarettenautomaten mit dem Trennschleifer nicht würde öffnen können. Zwar hatte er von vornherein auch alternative Möglichkeiten des Aufbruchs des Automaten in Betracht gezogen und deshalb auch anderes Werkzeug davor deponiert. Dazu kam er aber nicht mehr. Da er sich – zutreffend – entdeckt wähnte und die Alarmierung der Polizei fürchtete, verließ er unter Zurücklassen der Aufbruchswerkzeuge fluchtartig den Tatort.

2. Diese auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen die Annahme, der Angeklagte habe bei Tat 3 einen strafbaren Diebstahlsversuch begangen.

a) Versucht ist eine Tat, wenn der Täter nach seiner Vorstellung unmittelbar zur Tat ansetzt (§ 22 StGB). Nach der Formel der höchstrichterlichen Rechtsprechung muss der Täter dafür aus seiner Sicht die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschreiten. Das ist der Fall, wenn er eine Handlung vornimmt, die nach dem Tatplan in ungestörtem Fortgang ohne Zwischenschritte unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden oder in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen soll; dies kann schon gegeben sein, bevor der Täter eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 26. Oktober 1978 – 4 StR 429/78, BGHSt 28, 162, 163; vom 9. März 2006 – 3 StR 28/06, BGHR StGB § 22 Ansetzen 34; Beschlüsse vom 14. März 2001 – 3 StR 48/01, BGHR StGB § 22 Ansetzen 29; vom 7. August 2014 – 3 StR 105/14, NStZ 2015, 207; vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, NStZ 2017, 86). Der Annahme unmittelbaren Ansetzens stehen Zwischenakte nicht entgegen, die keinen tatbestandsfremden Zwecken dienen, sondern wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan des Täters als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden (vgl. BGH, Urteile vom 30. April 1980 – 3 StR 108/80, NJW 1980, 1759; vom 12. Dezember 2001 – 3 StR 303/01, NJW 2002, 1057, 1058; vom 9. März 2006 – 3 StR 28/06, NStZ 2006, 331; vom 20. März 2014 – 3 StR 424/13, BGHR StGB § 22 Ansetzen 38; Beschlüsse vom 24. Mai 1991 – 5 StR 4/91, BGHR StGB § 22 Ansetzen 14; vom 16. Juli 2015 – 4 StR 219/15).

Das vom Täter zur Verwirklichung seines Vorhabens Unternommene muss stets zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden. Ob er zu der in diesem Sinne „entscheidenden“ Rechtsverletzung angesetzt hat oder sich noch im Stadium der Vorbereitung befindet, hängt von seiner Vorstellung über das „unmittelbare Einmünden“ seiner Handlungen in die Erfolgsverwirklichung ab. Gegen ein Überschreiten der Schwelle zum Versuch spricht es deshalb im Allgemeinen, wenn es zur Herbeiführung des vom Gesetz vorausgesetzten Erfolges noch eines weiteren – neuen – Willensimpulses bedarf (BGH, Urteil vom 21. Dezember 1982 – 1 StR 662/82, BGHSt 31, 178, 182; Beschlüsse vom 11. August 2011 – 2 StR 91/11, NStZ-RR 2011, 367; vom 7. August 2014 – 3 StR 105/14, aaO). Wesentliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium ist das aus der Sicht des Täters erreichte Maß konkreter Gefährdung des geschützten Rechtsguts (BGH, Urteile vom 9. März 2006 – 3 StR 28/06, BGHR StGB § 22 Ansetzen 34; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 338/10, NStZ 2011, 517, 518; vom 20. März 2014 – 3 StR 424/13, aaO mwN). In der Regel kommt es bei Qualifikationen und Regelbeispielen auf den Versuchsbeginn hinsichtlich des Grunddelikts an (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, NStZ 2017, 86 mit Anm. Engländer, und vom 7. August 2014 – 3 StR 105/14, NStZ 2015, 207 mit Anm. Kudlich JA 2015, 152; HansOLG NStZ-RR 2017, 72; Schönke/Schröder/Eser/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 22 Rn. 58 mwN).

b) Bei Diebstahlsdelikten ist demgemäß darauf abzustellen, ob aus Tätersicht bereits die konkrete Gefahr eines ungehinderten Zugriffs auf das in Aussicht genommene Stehlgut besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 2001 – 3 StR 48/01, BGHR StGB § 22 Ansetzen 29; siehe auch schon RGSt 54, 254, 255). Hierfür ist entscheidend, ob der Gewahrsam durch Schutzmechanismen gesichert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, aaO; OLG Hamm MDR 1976, 155). Ist dies der Fall, reicht für den Versuchsbeginn der erste Angriff auf einen solchen Schutzmechanismus regelmäßig aus, wenn sich der Täter bei dessen Überwindung nach dem Tatplan ohne tatbestandsfremde Zwischenschritte, zeitliche Zäsur oder weitere eigenständige Willensbildung einen ungehinderten Zugriff auf die erwartete Beute vorstellt (vgl. bereits RGSt 53, 217, 218; 54, 35). Sollen mehrere gewahrsamssichernde Schutzmechanismen hintereinander überwunden werden, ist schon beim Angriff auf den ersten davon in der Regel von einem unmittelbaren Ansetzen zur Wegnahme auszugehen, wenn die Überwindung aller Schutzmechanismen in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit paraten Mitteln erfolgen soll (vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Februar 2018 – 1 StR 228/17, NStZ-RR 2018, 203: Einbruch in ein Bürogebäude, um anschließend in einzelne Büros einzubrechen). Wird der Schutz des Gewahrsams durch eine hierzu bereite Person gewährleistet, liegt Versuch vor, wenn auf diese (durch Täuschung oder Drohung) mit dem Ziel einer Gewahrsamslockerung eingewirkt wird und die Wegnahme in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit erfolgen soll (vgl. BGH, Urteile vom 16. September 2015 – 2 StR 71/15, BGHR StGB § 22 Ansetzen 39, und vom 10. August 2016 – 2 StR 493/15, StV 2017, 441, jeweils mwN: Begehren um Einlass beim Trickdiebstahl aus der Wohnung).

Nicht erforderlich für das unmittelbare Ansetzen zur geplanten Wegnahme ist, dass der angegriffene Schutzmechanismus auch erfolgreich überwunden wird (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 1952 – 5 StR 12/52, BGHSt 2, 380; Beschlüsse vom 18. November 1985 – 3 StR 291/85, BGHSt 33, 370, und vom 27. November 2018 – 2 StR 481/17, BGHSt 63, 253, 254; OLG Hamm, MDR 1976, 155). Deshalb reicht der Beginn des Einbrechens, Einsteigens oder Eindringens im Sinne von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB regelmäßig aus, um einen Versuchsbeginn anzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1984 – 3 StR 414/83, NStZ 1984, 262 mwN). Soweit die bisherige Rechtsprechung des Senats entgegensteht (vgl. insbesondere Beschlüsse vom 4. Juli 2019 – 5 StR 274/19, und vom 1. August 2019 – 5 StR 185/19, NStZ 2019, 716; hierzu näher Kudlich, NStZ 2020, 34), hält er hieran nicht fest.

Demnach liegt ein versuchter Diebstahl noch nicht vor, wenn der Täter lediglich einen gewahrsamssichernden Schutzmechanismus anleuchtet, um ihn zu untersuchen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, aaO; Rollo; HansOLG, StV 2013, 216: Türgriff eines PKW), wenn er in der Nähe des Tatorts eintrifft, aber noch nicht sogleich mit der Benutzung des bereitgelegten Einbruchswerkzeugs beginnen will (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 1989 – 2 StR 342/89, NStZ 1989, 473), er sich lediglich mit Mittätern zur Rückseite des Gebäudes begibt, in das eingebrochen werden soll (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2019 – 5 StR 121/19), wenn mit zeitlicher Verzögerung erst noch umfangreiches Werkzeug herbeigeschafft werden muss, um einen Bankautomaten aufbrechen zu können (vgl. BGH, Beschluss vom 7. August 2014 – 3 StR 105/14, aaO), oder wenn lediglich das Treppenhaus betreten und noch nicht auf den Wohnungsinhaber mit dem Ziel eingewirkt wird, den von ihm geschützten Gewahrsam anzugreifen (BGH, Urteil vom 10. August 2016 – 2 StR 493/15, StV 2017, 441). Beim Übersteigen eines Gartenzauns oder -tors mit der Absicht, in ein dahinter liegendes Haus einzubrechen, kommt es darauf an, ob Zaun oder Tor schon eine gewahrsamssichernde Funktion zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, aaO, einerseits und BGH, Beschluss vom 14. Juni 2017 – 2 StR 14/17, NStZ-RR 2017, 340 andererseits; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 17. November 1988 – 1 Ws 202/88). Ein unmittelbares Ansetzen zum Diebstahl ist hingegen zu bejahen, wenn der Täter das Einbruchswerkzeug bereits angesetzt hat, um damit einen Schutzmechanismus zu überwinden und anschließend in ein Gebäude zum Stehlen einzudringen (BGH, Urteil vom 7. Februar 1952 – 5 StR 12/52, BGHSt 2, 380).

c) Nach diesen Maßstäben ist die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe zur Verwirklichung des Diebstahls bereits unmittelbar angesetzt, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

Die Verhüllung bedeutete den ersten Schritt hin zum Aufbruch des Automaten. Dieser war damit dem Blick anderer entzogen und dem Zugriff des Angeklagten in besonderem Maße ausgesetzt. Nach dessen Vorstellung sollte der Einsatz des Trennschleifers oder anderer Aufbruchsmittel unmittelbar folgen. Für den Fall, dass der Trennschleifer nicht zum Einsatz kommen konnte, hatte sich der Angeklagte weitere Werkzeuge bereit gelegt. Die fremden Sachen, die durch den Zigarettenautomaten vor Wegnahme besonders geschützt waren, waren damit bereits konkret gefährdet.“

Bei solchen doch recht umfangreich begründeten Beschlüssen habe ich immer Probleme mit dem Begriff „offensichtlich unbegründet“ in § 349 Abs. 2 StPO. Ich frage mich dann immer, ist/war die Revision wirklich „offensichtlich unbegründet“, wenn man so viel zu ihrer Verwerfung schreiben muss? Und: der Beschluss ist für BGHSt bestimmt.