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StGB II: Versuchter Raub, oder: Wann geht es los, wenn man noch eine Maske aufsetzen will?

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Auch die zweite Entscheidung des Tages, der BGH, Beschl. v. 27.05.2020 – 5 StR 173/20, ist auch nicht mehr „taufrisch“. Er behandelt die Revision gegen ein LG Hamburg-Urteil. Das hat den Angeklagten u.a. wegen versuchten besonders schweren Raubes verurteilt. Das hat beim BGH keinen Bestand:

„Die Verurteilung wegen versuchten besonders schweren Raubes im Fall 2 hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Das Landgericht hat insoweit folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Nachdem der Angeklagte Ende Juni 2019 bei einem Raubüberfall auf eine Spielhalle 1.900 Euro erbeutet hatte (Fall 1), entschloss er sich wenige Tage später, diese erneut und nach dem gleichen Muster zu überfallen. Im Fall 1 hatte er das Gebäude um 23.50 Uhr durch den Hintereingang betreten und sich zunächst – noch unmaskiert – zur Herrentoilette begeben. Anschließend war er über die Treppe in die im Obergeschoss gelegene Spielhalle gelangt, wo er – mit einem hochgezogenen Halstuch maskiert – um 23.54 Uhr eine Spielhallenmitarbeiterin zur Öffnung des Tresors nötigte und das darin aufbewahrte Geld entwendete. Im Fall 2 scheiterte sein Tatplan, weil die Tür zum Hintereingang verschlossen war und der Angeklagte sich daher keinen Zugang zum Gebäude verschaffen konnte.

Das Landgericht hat die Tat als fehlgeschlagenen Versuch eines besonders schweren Raubes gewertet. Der Angeklagte habe mit dem Versuch, die Tür zum Hintereingang des Gebäudes zu öffnen, unmittelbar zur Tat angesetzt. Denn die Tatbestandsausführung hätte bei ungestörtem Fortgang in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Öffnen der Tür gestanden.

2. Diese Annahme begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Der Täter setzt dann im Sinne des § 22 StGB unmittelbar zur Verwirklichung des Tatbestandes an, wenn er aus seiner Sicht die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschreitet. Das ist der Fall, wenn er eine Handlung vornimmt, die nach dem Tatplan in ungestörtem Fortgang ohne Zwischenschritte unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden oder in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen soll (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 16. September 1975 – 1 StR 264/75; BGHSt 26, 201, 203 f.; Beschluss vom 28. April 2020 – 5 StR 15/20 mwN).

Gemessen daran hat der Angeklagte mit dem (vergeblichen) Versuch, die Hintertür zu öffnen, die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ noch nicht überschritten. Denn ausweislich seiner vom Landgericht als glaubhaft bewerteten Einlassung hätte er sich nach dem Betreten des Gebäudes – „genauso wie bei der ersten Tat“ – noch in den Toilettenbereich begeben und maskieren müssen. Unter Berücksichtigung der im Fall 1 festgestellten Zeitspanne bis zum Beginn der tatbestandlichen Handlungen von mehreren Minuten stellt der Aufenthalt im Toilettenbereich einen beachtlichen Zwischenakt dar. Dass das Öffnen der Tür zum Hintereingang – nach der Vorstellung des Angeklagten – unmittelbar in die Verwirklichung des Tatbestandes einmünden sollte, wird mithin nicht von den Urteilsfeststellungen getragen.

3. Der Senat schließt aus, dass weitere, das unmittelbare Ansetzen tragende Feststellungen getroffen werden können. Es hat den Angeklagten daher aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf des versuchten besonders schweren Raubes insoweit freigesprochen (§ 354 Abs. 1 StPO). Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs und der Anordnung der Einziehung des als Tatmittel im Fall 2 eingezogenen Baseballschlägers nach sich. Der Angeklagte ist somit wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt…..“

StGB III: Versuchsbeginn beim Einbruchsdiebstahl, oder: „jetzt geht’s los“

Und dann zum Tagesschluss noch der BGH, Beschl. v. 28.04.2020 – 5 StR 15/20. Das LG hat den Angeklagten wegen schweren Wohnungseinbruchdiebstahls, Diebstahls und versuchten Diebstahls verurteilt. Dagegen die Revision mit der Sachrüge. Der BGH verwirft nach § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, u.a. zwar auch, soweit der Angeklagte wegen versuchten Diebstahls verurteilt worden ist:

„1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wollte der Angeklagte einen Zigarettenautomaten aufbrechen, um Zigaretten und Bargeld zu entwenden. Er legte am Automaten verschiedenes Einbruchswerkzeug ab (Kuhfuß, Trennschleifer mit Trennscheiben, Hammer, Schraubenzieher, Kabeltrommel). Mit einem Handtuch und einer Plane verhüllte er den Automaten, um die Geräusche seines Tuns zu dämpfen. Er ging davon aus, in unmittelbarer Nähe einen Stromanschluss zu finden, und legte deshalb mit der Kabeltrommel über die Straße zu einem Schuppen hin eine Stromleitung. Weder dort noch anderswo fand er allerdings in erreichbarer Nähe eine Steckdose. Er erkannte, dass er den Zigarettenautomaten mit dem Trennschleifer nicht würde öffnen können. Zwar hatte er von vornherein auch alternative Möglichkeiten des Aufbruchs des Automaten in Betracht gezogen und deshalb auch anderes Werkzeug davor deponiert. Dazu kam er aber nicht mehr. Da er sich – zutreffend – entdeckt wähnte und die Alarmierung der Polizei fürchtete, verließ er unter Zurücklassen der Aufbruchswerkzeuge fluchtartig den Tatort.

2. Diese auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen die Annahme, der Angeklagte habe bei Tat 3 einen strafbaren Diebstahlsversuch begangen.

a) Versucht ist eine Tat, wenn der Täter nach seiner Vorstellung unmittelbar zur Tat ansetzt (§ 22 StGB). Nach der Formel der höchstrichterlichen Rechtsprechung muss der Täter dafür aus seiner Sicht die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschreiten. Das ist der Fall, wenn er eine Handlung vornimmt, die nach dem Tatplan in ungestörtem Fortgang ohne Zwischenschritte unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden oder in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen soll; dies kann schon gegeben sein, bevor der Täter eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 26. Oktober 1978 – 4 StR 429/78, BGHSt 28, 162, 163; vom 9. März 2006 – 3 StR 28/06, BGHR StGB § 22 Ansetzen 34; Beschlüsse vom 14. März 2001 – 3 StR 48/01, BGHR StGB § 22 Ansetzen 29; vom 7. August 2014 – 3 StR 105/14, NStZ 2015, 207; vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, NStZ 2017, 86). Der Annahme unmittelbaren Ansetzens stehen Zwischenakte nicht entgegen, die keinen tatbestandsfremden Zwecken dienen, sondern wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan des Täters als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden (vgl. BGH, Urteile vom 30. April 1980 – 3 StR 108/80, NJW 1980, 1759; vom 12. Dezember 2001 – 3 StR 303/01, NJW 2002, 1057, 1058; vom 9. März 2006 – 3 StR 28/06, NStZ 2006, 331; vom 20. März 2014 – 3 StR 424/13, BGHR StGB § 22 Ansetzen 38; Beschlüsse vom 24. Mai 1991 – 5 StR 4/91, BGHR StGB § 22 Ansetzen 14; vom 16. Juli 2015 – 4 StR 219/15).

Das vom Täter zur Verwirklichung seines Vorhabens Unternommene muss stets zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden. Ob er zu der in diesem Sinne „entscheidenden“ Rechtsverletzung angesetzt hat oder sich noch im Stadium der Vorbereitung befindet, hängt von seiner Vorstellung über das „unmittelbare Einmünden“ seiner Handlungen in die Erfolgsverwirklichung ab. Gegen ein Überschreiten der Schwelle zum Versuch spricht es deshalb im Allgemeinen, wenn es zur Herbeiführung des vom Gesetz vorausgesetzten Erfolges noch eines weiteren – neuen – Willensimpulses bedarf (BGH, Urteil vom 21. Dezember 1982 – 1 StR 662/82, BGHSt 31, 178, 182; Beschlüsse vom 11. August 2011 – 2 StR 91/11, NStZ-RR 2011, 367; vom 7. August 2014 – 3 StR 105/14, aaO). Wesentliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium ist das aus der Sicht des Täters erreichte Maß konkreter Gefährdung des geschützten Rechtsguts (BGH, Urteile vom 9. März 2006 – 3 StR 28/06, BGHR StGB § 22 Ansetzen 34; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 338/10, NStZ 2011, 517, 518; vom 20. März 2014 – 3 StR 424/13, aaO mwN). In der Regel kommt es bei Qualifikationen und Regelbeispielen auf den Versuchsbeginn hinsichtlich des Grunddelikts an (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, NStZ 2017, 86 mit Anm. Engländer, und vom 7. August 2014 – 3 StR 105/14, NStZ 2015, 207 mit Anm. Kudlich JA 2015, 152; HansOLG NStZ-RR 2017, 72; Schönke/Schröder/Eser/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 22 Rn. 58 mwN).

b) Bei Diebstahlsdelikten ist demgemäß darauf abzustellen, ob aus Tätersicht bereits die konkrete Gefahr eines ungehinderten Zugriffs auf das in Aussicht genommene Stehlgut besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 2001 – 3 StR 48/01, BGHR StGB § 22 Ansetzen 29; siehe auch schon RGSt 54, 254, 255). Hierfür ist entscheidend, ob der Gewahrsam durch Schutzmechanismen gesichert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, aaO; OLG Hamm MDR 1976, 155). Ist dies der Fall, reicht für den Versuchsbeginn der erste Angriff auf einen solchen Schutzmechanismus regelmäßig aus, wenn sich der Täter bei dessen Überwindung nach dem Tatplan ohne tatbestandsfremde Zwischenschritte, zeitliche Zäsur oder weitere eigenständige Willensbildung einen ungehinderten Zugriff auf die erwartete Beute vorstellt (vgl. bereits RGSt 53, 217, 218; 54, 35). Sollen mehrere gewahrsamssichernde Schutzmechanismen hintereinander überwunden werden, ist schon beim Angriff auf den ersten davon in der Regel von einem unmittelbaren Ansetzen zur Wegnahme auszugehen, wenn die Überwindung aller Schutzmechanismen in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit paraten Mitteln erfolgen soll (vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Februar 2018 – 1 StR 228/17, NStZ-RR 2018, 203: Einbruch in ein Bürogebäude, um anschließend in einzelne Büros einzubrechen). Wird der Schutz des Gewahrsams durch eine hierzu bereite Person gewährleistet, liegt Versuch vor, wenn auf diese (durch Täuschung oder Drohung) mit dem Ziel einer Gewahrsamslockerung eingewirkt wird und die Wegnahme in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit erfolgen soll (vgl. BGH, Urteile vom 16. September 2015 – 2 StR 71/15, BGHR StGB § 22 Ansetzen 39, und vom 10. August 2016 – 2 StR 493/15, StV 2017, 441, jeweils mwN: Begehren um Einlass beim Trickdiebstahl aus der Wohnung).

Nicht erforderlich für das unmittelbare Ansetzen zur geplanten Wegnahme ist, dass der angegriffene Schutzmechanismus auch erfolgreich überwunden wird (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 1952 – 5 StR 12/52, BGHSt 2, 380; Beschlüsse vom 18. November 1985 – 3 StR 291/85, BGHSt 33, 370, und vom 27. November 2018 – 2 StR 481/17, BGHSt 63, 253, 254; OLG Hamm, MDR 1976, 155). Deshalb reicht der Beginn des Einbrechens, Einsteigens oder Eindringens im Sinne von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB regelmäßig aus, um einen Versuchsbeginn anzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1984 – 3 StR 414/83, NStZ 1984, 262 mwN). Soweit die bisherige Rechtsprechung des Senats entgegensteht (vgl. insbesondere Beschlüsse vom 4. Juli 2019 – 5 StR 274/19, und vom 1. August 2019 – 5 StR 185/19, NStZ 2019, 716; hierzu näher Kudlich, NStZ 2020, 34), hält er hieran nicht fest.

Demnach liegt ein versuchter Diebstahl noch nicht vor, wenn der Täter lediglich einen gewahrsamssichernden Schutzmechanismus anleuchtet, um ihn zu untersuchen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, aaO; Rollo; HansOLG, StV 2013, 216: Türgriff eines PKW), wenn er in der Nähe des Tatorts eintrifft, aber noch nicht sogleich mit der Benutzung des bereitgelegten Einbruchswerkzeugs beginnen will (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 1989 – 2 StR 342/89, NStZ 1989, 473), er sich lediglich mit Mittätern zur Rückseite des Gebäudes begibt, in das eingebrochen werden soll (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2019 – 5 StR 121/19), wenn mit zeitlicher Verzögerung erst noch umfangreiches Werkzeug herbeigeschafft werden muss, um einen Bankautomaten aufbrechen zu können (vgl. BGH, Beschluss vom 7. August 2014 – 3 StR 105/14, aaO), oder wenn lediglich das Treppenhaus betreten und noch nicht auf den Wohnungsinhaber mit dem Ziel eingewirkt wird, den von ihm geschützten Gewahrsam anzugreifen (BGH, Urteil vom 10. August 2016 – 2 StR 493/15, StV 2017, 441). Beim Übersteigen eines Gartenzauns oder -tors mit der Absicht, in ein dahinter liegendes Haus einzubrechen, kommt es darauf an, ob Zaun oder Tor schon eine gewahrsamssichernde Funktion zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, aaO, einerseits und BGH, Beschluss vom 14. Juni 2017 – 2 StR 14/17, NStZ-RR 2017, 340 andererseits; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 17. November 1988 – 1 Ws 202/88). Ein unmittelbares Ansetzen zum Diebstahl ist hingegen zu bejahen, wenn der Täter das Einbruchswerkzeug bereits angesetzt hat, um damit einen Schutzmechanismus zu überwinden und anschließend in ein Gebäude zum Stehlen einzudringen (BGH, Urteil vom 7. Februar 1952 – 5 StR 12/52, BGHSt 2, 380).

c) Nach diesen Maßstäben ist die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe zur Verwirklichung des Diebstahls bereits unmittelbar angesetzt, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

Die Verhüllung bedeutete den ersten Schritt hin zum Aufbruch des Automaten. Dieser war damit dem Blick anderer entzogen und dem Zugriff des Angeklagten in besonderem Maße ausgesetzt. Nach dessen Vorstellung sollte der Einsatz des Trennschleifers oder anderer Aufbruchsmittel unmittelbar folgen. Für den Fall, dass der Trennschleifer nicht zum Einsatz kommen konnte, hatte sich der Angeklagte weitere Werkzeuge bereit gelegt. Die fremden Sachen, die durch den Zigarettenautomaten vor Wegnahme besonders geschützt waren, waren damit bereits konkret gefährdet.“

Bei solchen doch recht umfangreich begründeten Beschlüssen habe ich immer Probleme mit dem Begriff „offensichtlich unbegründet“ in § 349 Abs. 2 StPO. Ich frage mich dann immer, ist/war die Revision wirklich „offensichtlich unbegründet“, wenn man so viel zu ihrer Verwerfung schreiben muss? Und: der Beschluss ist für BGHSt bestimmt.

Versuch II: Ankauf von geklauten Zigaretten, oder: Versuchsbeginn bei der Hehlerei

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In der zweiten Entscheidung zum Versuch, dem KG, Beschl. v. 05.03.2020 – (2) 161 Ss 190/19 (41/19) – setzt sich das KG mit dem  Versuchsbeginn bei  der Hehlerei (§ 259 StGB) auseinander.

Es geht um das Tatbestandsmerkmal des Ankaufens. Der Angeklagte hatte sich bei den Tätern eines Einbruchdiebstahls bereit erklärt, Zigaretten aus deren Einbruchsdiebstahlstaten anzukaufen, um sie weiterzuverkaufen. Und weiter:

Am Morgen des 16. Juni 2016 bot der gesondert Verurteilte B. dem Angeklagten zuvor aus dem Geschäft des Geschädigten J. in der F… chaussee  in Berlin entwendete Tabakwaren im Wert von bis zu etwa 18.000 Euro zum Kauf an. Der Angeklagte erklärte sich in Kenntnis der Herkunft der Ware aus einer Straftat grundsätzlich zum Ankauf bereit und bestellte den gesondert Verfolgten B. zum Abschluss des Geschäfts mit den Worten „Kommst du hier in B… Straße, ich bin da.“ telefonisch zu sich. Der gesondert Verurteilte B. fragte nach „Wo letzte Mal war?“, was der Angeklagte mit „Gestern warst du da.“ bestätigte. Ob es in der Folge zum Ankauf der entwendeten Tabakwaren oder jedenfalls eines Teiles von diesen kam, konnte die Kammer nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen. Dementsprechend konnte die Kammer auch nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen, ob es zu dem vom Angeklagten beabsichtigten, gewinnbringenden Weiterverkauf der gestohlenen Tabakwaren in einem seiner Geschäfte kam.

3. Am Nachmittag des 2. August 2016 bot der gesondert Verfolgte B. dem Angeklagten zuvor aus dem „… Shop“ in der S…Allee in Berlin entwendete Tabakwaren im Umfang von etwa achtzig bis einhundert Stangen Zigaretten zu einem nicht bekannten Preis zum Kauf an. Der Angeklagte bestellte den gesondert Verurteilten B., der angab, dass er die Ware noch nicht gezählt habe, dies aber beim Angeklagten noch tun wolle (wörtlich sagte B. zu den angebotenen Tabakwaren „aber habe nicht gezählt, da muss noch zählen da, ja? Nichts, nicht viel achtzig oder so bis hundert.“) in die „B…“. Ob es in der Folge zum Ankauf der entwendeten Tabakwaren im Umfang von etwa achtzig bis einhundert Stangen Zigaretten kam, konnte die Kammer nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen. Dementsprechend konnte die Kammer auch nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen, ob es zu dem vom Angeklagten beabsichtigten, gewinnbringenden Weiterverkauf der gestohlenen Tabakwaren in einem seiner Geschäfte kam.“

Dem KG reicht das für eine Versuchsstrafbarkeit nicht aus:

„…. Weder durch das Gespräch mit dem gesondert Verurteilten B. am 16. Juni 2016, noch durch das Telefonat am 2. August 2016 hat der Angeklagte zu einer Hehlerei in der Tatbestandsvariante des Ankaufens unmittelbar angesetzt.

Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung strafloser Vorbereitungshandlungen vom strafbaren Versuch liegt ein unmittelbares Ansetzen bei solchen Gefährdungshandlungen vor, die nach der Tätervorstellung in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbar räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los” überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht. Dabei ist im Einzelfall bei der Abgrenzung in wertender Betrachtung auf die strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen (vgl. BGHR AO § 373 Versuch 1 mwN; BGH NStZ 2008, 409).

Da die Vollendung der Hehlereivarianten des Sich-Verschaffens und Ankaufens voraussetzt, dass der Erwerber eine vom Vortäter unabhängige (Mit-)Verfügungsgewalt erlangt hat, die ihn in die Lage versetzt, selbstständig über die Sache zu verfügen (vgl. Fischer, StGB 67. Aufl., § 259 Rn. 11 mwN), erfordert in diesem Sinne auch der Versuchsbeginn ein unmittelbares Ansetzen zur Übernahme einer solchen Verfügungsmacht.

Auch der Eintritt in Kaufverhandlungen kann diese Voraussetzungen grundsätzlich erfüllen. Da es jedoch auf das unmittelbare Ansetzen zur Übernahme eigener Verfügungsgewalt ankommt, können reine Absprachen erst dann als Versuch eingestuft werden, wenn die Übergabe der Sache, also die Übertragung der Verfügungsgewalt, unmittelbar nach Abschluss der Verhandlungen erfolgen kann und soll. Dies bedeutet, dass das Aushandeln der Bedingungen zu verbindlichen Vereinbarungen über Ankauf und Abnahme geführt haben und dem Übertragungsakt unmittelbar vorgelagert sein muss. Die bloße Vereinbarung mit dem Vortäter, die Sache abnehmen zu wollen, reicht für einen Versuch des Ankaufens ebenso wenig aus, wie gescheiterte Vertragsverhandlungen. Um eine unmittelbare Einleitung des Übertragungsakts annehmen zu können, müssen die Verhandlungen zumindest eine Einigung über Zeit und Ort der Lieferung erbracht haben (vgl. BGH NStZ 2008, 409; Maier in MüKo-StGB 3. Aufl.,  § 259 Rn. 165, 166 mwN).

Daran fehlt es hier.

Hinsichtlich der Tat zu II. B. 2. lässt es sich den Feststellungen nicht entnehmen, dass der Angeklagte überhaupt in konkrete Verhandlungen eingetreten ist, weil weder über den Preis, noch die Menge der Zigaretten, noch über die Übergabemodalitäten gesprochen wurde. Infolgedessen tragen die Feststellungen erst recht nicht die Annahme, dass sich der Angeklagte und der gesondert Verfolgte B. hinsichtlich des Ankaufes handelseinig geworden sind und eine unmittelbare Übergabe des Diebesgutes erfolgen sollte.

Dasselbe gilt für die Tat zu II. B. 3.: Hier hat das Landgericht bereits selbst festgestellt, dass der Ankauf am Tattag lediglich „telefonisch vorbereitet“ wurde. Rückschlüsse auf konkrete Verhandlungen zu Zahlungs- oder Übergabemodalitäten lassen sich den Feststellungen zur Kommunikation des Angeklagten mit dem gesondert Verurteilten B. nicht entnehmen. Vielmehr folgt aus den festgestellten Äußerungen des gesondert Verfolgten, dass er sich noch nicht einmal einen Überblick über die Menge der gestohlenen Zigaretten verschafft hatte.“

Skimming – wann beginnt der Versuch?

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Ich liebe ja für das Blog die vielen kleinen Schmankerl = die vielen schönen Entscheidungen, die ich von Kollegen geschickt bekomme. Die sind zwar nicht unbedingt immer „Jura am Hochreck“, aber meist für die Praxis interessant: Nachahmenswert oder auch nicht. Darüber darf man dann aber das „Hochreck“ nicht vergessen. Und deshalb heute mal richtig Jura mit drei BGH-Entscheidungen.

Starten will ich mit dem BGH, Beschl. v. 29.01.2014 – 1 StR 654/13 – zur Frage des Versuchsbeginns beim sog. Skimming. Dazu heißt es:

Die vorstehenden abstrakt-generellen Maßstäbe des Versuchsbeginns bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen stets einer wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls (BGH, Urteile vom 12. Dezember 2001 – 3 StR 303/01, NJW 2002, 1057; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 338/10, NStZ 2011, 517 Rn. 6). Auf die strukturellen Besonderheiten des in Frage kommenden Tatbestands ist dabei Bedacht zu nehmen (BGH, Urteil vom 7. November 2007 – 5 StR 371/07, NStZ 2008, 409, 410; Beschluss vom 15. März 2011 – 3 StR 15/11, wistra 2011, 299, 300 Rn. 5).

b) Bei der Bestimmung des Versuchsbeginns zu der Straftat des Nachmachens (§ 152a Abs. 1 Nr. 1 StGB) einer Zahlungskarte mit Garantiefunktion i.S.v. § 152b Abs. 4 StGB muss – den vorgenannten Grundsätzen entsprechend – das unmittelbare Ansetzen auf die Fälschungshandlung, also das Über-tragen der zuvor ausgespähten Kartendaten auf die Kartendublette, bezogen werden (vgl. BGH aaO, wistra 2011, 299, 300 Rn. 6; Saliger StV 2012, 528 mwN). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist deshalb anerkannt, dass das bloße Anbringen von Skimming-Gerätschaften an einem Geldautoma-ten noch kein unmittelbares Ansetzen zu der Tat des Nachmachens von Zahlungskarten begründet (BGH aaO, wistra 2011, 299, 300 Rn. 6; BGH, Be-schluss vom 11. August 2011 – 2 StR 91/11, NStZ-RR 2011, 367, 368; siehe auch BGH, Beschluss vom 14. September 2010 – 5 StR 336/10, NStZ 2011, 89). Gelingt es dem Täter nicht, die mit Hilfe der Skimming-Geräte aufgezeichneten Datensätze in seinen Besitz zu bringen, fehlt es ebenfalls am Versuchs-beginn des Nachmachens von Zahlungskarten (BGH aaO, NStZ 2011, 89).

c) Ob bei der gebotenen wertenden tatbestands- und einzelfallbezoge-nen Konkretisierung des Versuchsbeginns ein unmittelbares Ansetzen zu der Tat gemäß § 152b i.V.m. § 152a Abs. 1 Nr. 1 StGB bei dem zeitlich gestreckten Vorgang von der Erlangung der Kartendaten durch die Skimming-Gerät-schaften bis zu der Übertragung dieser Daten auf die Kartendubletten vor dem Beginn der Fälschungshandlung selbst gegeben sein kann, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch nicht vollständig geklärt.

Der 4. Strafsenat hat bei der geplanten Zahlungskartenfälschung unter Verwendung mittels „Skimming“ erlangter Kartendaten die Übermittlung der gewonnenen, aber noch nicht ausgewerteten Daten an die für die Herstellung der Dubletten zuständigen Mittäter im Ausland als unmittelbares Ansetzen aus-reichen lassen (BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 338/10, NStZ 2011, 517 f. Rn. 8). Dabei hat er maßgeblich auf das – für den konkreten Fall festge-stellte – eingespielte System von Tatbeiträgen abgestellt, innerhalb dessen den für die Erstellung der Dubletten zuständigen Mittätern im Ausland die einzelnen Datenübersendungen jeweils avisiert wurden. Der die Übersendung veranlassende Angeklagte habe damit „gleichsam einen automatisierten Ablauf“ in Gang gesetzt, bei dem die Auswertung der Speichermedien durch Abgleich der Videoaufzeichnungen und der ausgelesenen Kartendaten als der Fälschung vorgelagerte Verhaltensweisen bei wertender Betrachtung keine dem Versuchsbeginn entgegen stehenden Zwischenschritte bedeuteten (BGH aaO, NStZ 2011, 517 f. Rn. 8).

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat dahinstehen lassen, ob dieser Rechtsprechung zu folgen wäre (BGH, Beschluss vom 15. März 2011 – 3 StR 15/11, wistra 2011, 299, 300 Rn. 6). Der 2. Strafsenat nimmt ein unmittelbares Ansetzen zum Nachmachen von Zahlungskarten mit Garantiefunktion „erst dann“ an, wenn der „Täter vorsätzlich und in der tatbestandsmäßigen Absicht mit der Fälschungshandlung selbst beginnt“ (BGH, Beschluss vom 11. August 2011 – 2 StR 91/11, NStZ-RR 2011, 367, 368).

Der 1. Strafsenat konnte es dann aufgrund der getroffenen Feststellungen offen lassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein unmittelbares Ansetzen zum Nachmachen von Zahlungskarten mit Garantiefunktion vor dem Beginn der eigentlichen Fälschungshandlung den Versuchsbeginn begründen kann. Denn die ließen selbst unter Berücksichtigung der vom 4. Strafsenat vertretenen Rechtsauffassung die Annahme unmittelbaren Ansetzens jedenfalls nicht zu.