Archiv für den Monat: September 2019

Verfahrensrüge III: Ablehnung eines Beweisantrags, oder: Dauerbrenner/Verfahrensrüge

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Urheber Harald Bischoff

Und die letzte Entscheidung, der BGH, Beschl. v. 09.04.2019 –  4 StR 38/19 – enthält einen „Dauerbrenner“ bzw. Anfängerfehler. Gerügt worden ist die rechtsfehlerhafte Behandlung eines Beweisantrags. Aber mal wieder nicht ausreichend:

„Ergänzend bemerkt der Senat:

1. Die Verfahrensrüge, mit der die rechtsfehlerhafte Behandlung eines Beweisantrags auf Vernehmung der berufsrichterlichen Mitglieder des erkennenden Gerichts gerügt wird, ist bereits unzulässig, weil sie den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genügt.

a) Danach ist der Beschwerdeführer zu einer so genauen Angabe der rügebegründenden Tatsachen verpflichtet, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Revisionsbegründungsschrift prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (BGH, Urteile vom 14. Oktober 1952 – 2 StR 306/52, BGHSt 3, 213, 214; und vom 17. Juli 2014 – 4 StR 78/14, NStZ 2014, 604, 605; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 344 Rn. 38 mwN). Wird beanstandet, das Tatgericht habe einen in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt, ist der Beschwerdeführer gehalten, den vollständigen Inhalt des Beweisantrags einschließlich der Antragsbegründung sowie den gerichtlichen Ablehnungsbeschluss vorzutragen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 29. August 2018 – 1 StR 489/17; und vom 12. Juli 2018 – 3 StR 144/18, StraFo 2018, 522, 523; Urteil vom 23. September 2015 – 2 StR 485/14, juris Rn. 15; LR-StPO/Becker, 26. Aufl., § 244 Rn. 372; Herb, NStZ-RR 2019, 132). Darüber hinaus müssen die im Beweisantrag oder in dem ablehnenden Beschluss in Bezug genommenen Unterlagen oder Aktenbestandteile mit der Begründungsschrift vorgelegt oder jedenfalls inhaltlich vorgetragen werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 – 4 StR 78/14, NStZ 2014, 604, 606; Beschlüsse vom 25. Mai 2011 – 4 StR 87/11, NStZ-RR 2011, 272; und vom 7. Januar 2008 – 5 StR 390/07, juris Rn. 3 f.; Urteile vom 18. August 2004 – 2 StR 456/03, StraFo 2004, 424; vom 25. November 2003 – 1 StR 182/03, NStZ-RR 2004, 118; und vom 25. November 2004 – 5 StR 401/04, juris Rn. 8). Schließlich sind auch alle Umstände, die für die Prüfung erforderlich sind, ob das Tatgericht den Beweisantrag rechtlich richtig gewertet und verbeschieden hat, mitzuteilen (BGH, Beschluss vom 29. April 2015 – 1 StR 235/14, NStZ-RR 2015, 278, 279 mwN).

b) Hieran fehlt es. Die Revision gibt den Inhalt des gegen den Mittäter ergangenen Urteils, auf das in der Begründung des Beweisantrags und in dem den Beweisantrag ablehnenden Gerichtsbeschluss Bezug genommen wird, nicht wieder. Ohne Kenntnis dieses Urteils kann nicht geprüft und entschieden werden, ob die Ablehnung des Beweisantrags durch das Tatgericht rechtlichen Bedenken begegnet.“

Und:

„2. Auf der Grundlage des Revisionsvorbringens ist die Verfahrensrüge jedenfalls unbegründet. Das Landgericht hat den Beweisantrag dahin ausgelegt, dass mit ihm keine Sachaufklärung erstrebt, sondern Gegenbeweis gegen die Urteilsfeststellungen geführt werden soll. Die Annahme der Strafkammer, dass mit einem Beweisantrag dieses Inhalts letztlich keine Sachaufklärung erstrebt, sondern prozessfremde Ziele verfolgt würden und einer solchen Beweiserhebung auch das Beratungsgeheimnis entgegenstünde, begegnet von Rechts wegen keinen Bedenken. Im Übrigen könnte aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift genannten Gründen auch ein Beruhen des Urteils auf einem möglichen Rechtsfehler ausgeschlossen werden.“

Verfahrensrüge II: BVW wegen nicht aureichender Beschuldigtenbelehrung, oder: Übergang Zeuge – Beschuldigter

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Die zweite Entscheidung zu den Anforderungen an die Verfahrensrüge kommt auch vom 5. Strafsenat des BGH. Der nimmt im BGH, Beschl. v. 17.07.2019 – 5 StR 195/19 – Stellung zu den Anforderungen an die Begründung einer Verfahrensrüge, mit der ein Beweisverwertungsverbotwegen nicht ausreichender Beschuldigtenbelehrung geltend gemacht worden ist.

1. Die Verfahrensrügen haben aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen keinen Erfolg. Der Erörterung bedarf nur die Rüge der Verletzung von § 163a Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO. Diese ist unzulässig.

a) Nach dem Rügevortrag wurde der Angeklagte nach der Tat von der Polizei zunächst als Zeuge vernommen. Nachdem sich der Angeklagte hierbei in erhebliche Widersprüche verwickelt hatte und weitere für seine Täterschaft sprechende Tatsachen bekannt geworden waren, wurde die Vernehmung zum Zwecke eines Telefonats mit der Staatsanwaltschaft unterbrochen. Während der Pause gab der Angeklagte wahrheitswidrig gegenüber dem bei ihm verbliebenen Vernehmungsbeamten an, der Brand sei womöglich durch das versehentliche Umwerfen eines Kerzenständers durch ihn entstanden. Nach kurzer Fortsetzung der Zeugenvernehmung wurde der Angeklagte nunmehr als Beschuldigter belehrt und festgenommen. Am Rande der Beschuldigtenvernehmung am selben Tag hielt der Polizeibeamte dem Angeklagten in einer weiteren Vernehmungspause diese Angaben vor und konfrontierte ihn mit der anderweitig erlangten Erkenntnis, dass in dem Kerzenständer keine Kerzen angebracht gewesen seien. Daraufhin legte der Angeklagte ein Geständnis ab. Eine qualifizierte Belehrung erfolgte zu keinem Zeitpunkt.

b) Der Revisionsvortrag ist unvollständig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen müssen so vollständig und genau dargelegt werden, dass das Revisionsgericht allein aufgrund dieser Darlegung das Vorhandensein eines Verfahrensmangels feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen sind oder bewiesen werden (BGH, Urteil vom 4. September 2014 – 1 StR 75/14, StraFo 2015, 70 mwN).

Die Prüfung, ob ein Verwertungsverbot vorliegt, kann jedoch nicht erfolgen, weil der Beschwerdeführer nicht vorträgt, wie es zu der vom Angeklagten in der Vernehmungspause abgegebenen Einlassung gekommen ist. Sofern der beim Angeklagten verbliebene Polizeibeamte keine gezielte Befragung durchgeführt, sondern lediglich passiv eine Spontanäußerung entgegengenommen hätte, wären die Verwertbarkeit dieser Äußerung und deren Vorhalt bei der späteren Beschuldigtenvernehmung auch dann rechtlich unbedenklich, wenn der Angeklagte schon zuvor als Beschuldigter hätte belehrt werden müssen (vgl. BGH, Urteile vom 27. Juni 2013 – 3 StR 435/12, BGHSt 58, 301, 305; vom 27. September 1989 – 3 StR 188/89, NStZ 1990, 43; Beschluss vom 9. Juni 2009 – 4 StR 170/09, NStZ 2009, 702).

Verfahrensrüge I: Unzureichende Dolmetscherleistung, oder: Dazu muss umfassend vorgetragen werden

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Ich habe seit längerem nicht mehr über die Anforderungen bei Verfahrensrügen berichtet. Der heutige Tag ist daher solchen Entscheidungen gewidmet.

Und ich eröffne mit dem BGH, Beschl. v. 14.08.2019 – 5 StR 337/19. Der Angeklagte hatte gerügt, dass der Dolmetscher unzureichend übersetzt hatte. Dazu hatte er aber nicht ausreichend vorgetragen, denn:

„1. In Einklang mit der Auffassung des Generalbundesanwalts hätte es dem Beschwerdeführer oblegen, die Verfahrensteile, die nach seinem Vortrag durch den Dolmetscher unzureichend bzw. gar nicht übersetzt worden sind, im Einzelnen zu bezeichnen (vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Januar 1985 – 1 StR 722/84, NStZ 1985, 376; Beschluss vom 8. August 2017 – 1 StR 671/16, NJW 2017, 3797, 3798). Der Vortrag, ihm seien von der Verhandlung, namentlich von den Bekundungen der an diesem Tag vernommenen Zeugen, „allenfalls Rudimente“ übersetzt worden, genügt hierfür genauso wenig wie das Vorbringen, – durch den Beschwerdeführer nicht mitgeteilte – Äußerungen des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft seien gar nicht übersetzt worden. Hinzu kommt, dass der Angeklagte widersprüchlich einerseits vorträgt, er habe den Übersetzungen des weiteren Dolmetschers für die kurdische Sprache nicht folgen können, andererseits aber geltend macht, die Übersetzungen „seines“ Dolmetschers seien mit denjenigen dieses Dolmetschers „nicht gleich“ gewesen.“

Einspruch III: Rücknahme des Einspruchs, oder: Umdeutung in Rücknahme der Rechtsbeschwerde

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Und die dritte Entscheidung betreffend „Einspruch“ kommt dann auch noch einmal vom KG. Es handelt sich um den KG, Beschl. v. 26.06.2019 – 3 Ws (B) 219/19.

Nach dem Sachverhalt hatte der Betroffene gegen den gegen ihn erlassenen Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt. Den hatte das AG durch Urteil vom 17.07. 2017 nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, weil der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung der Hauptverhandlung unentschuldigt ferngeblieben war. Das Urteil wurde dem Betroffenen am 05.08.2017 zugestellt. Durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 11.08.2017 legte der Betroffene gegen dieses Urteil Rechtseschwerde ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 05.09.2019, der am selben Tag bei Gericht einging. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 20.11.2018, bei Gericht am 22. 11.2018 eingegangen, erklärte der Betroffene, der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid werde zurückgenommen. Mit Schreiben vom 02.05.2019 fragte das AG bei dem Verteidiger an, ob mit der Zurücknahme des Einspruchs auch die Zurücknahme der Rechtsbeschwerde verbunden sei. Daraufhin erklärte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 13.05.2019, dass mit der Rücknahme des Einspruchs auch die Rechtsbeschwerde zurückgenommen werden sollte. Auf abermalige Anfrage des Amtsgerichts durch Schreiben vom 27.05.2019, wie hinsichtlich der Rechtsbeschwerde verfahren solle, erklärte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 06.06.2019, die Rechtsbeschwerde werde weiterverfolgt, eine Rücknahme werde nicht erfolgen.

Vorab: Die Daten stehen so im KG-Beschluss. Das KG sagt auf die Rechtebschwerde nun (noch): Wir müssen nichts mehr tun. Denn:

Eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde war durch den Senat nicht veranlasst, weil der Verteidiger durch seine Erklärung im Schriftsatz vom 20. November 2018 die Rechtsbeschwerde wirksam zurück genommen hat. Zwar konnte der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid, nachdem das (Verwerfungs-) Urteil des Amtsgerichts am 17. Juli 2017 verkündet worden war, nicht mehr wirksam zurückgenommen werden (vgl. Ellbogen in KK-OWiG 5. Aufl., § 67 Rdn. 100; Seitz/Bauer in OWiG 17. Aufl., § 71 Rdn. 6 f.). Indes ist die Erklärung nach Maßgabe von §§ 46 Abs. 1 OWiG, 302 StPO als Rücknahme des Rechtsmittels der Rechtsbeschwerde auszulegen.

Eine Rechtsmittelrücknahme, die sich hinsichtlich ihrer Form nach der Form für die Rechtsmitteleinlegung richtet (vgl. BGHSt 31, 109; 18, 257; Paul in KK-StPO 8. Aufl., § 302 StPO Rdn. 8 m.w.N.) muss eindeutig und erklärt werden (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 62. Aufl., § 302 Rdn. 7).  Auch wenn der Erklärende nicht ausdrücklich von „Rücknahme“ spricht, kann die Erklärung diesen Inhalt haben, wenn der hierauf gerichtete Wille deutlich zum Ausdruck kommt (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 228; NStZ 1997, 378; OLG Stuttgart NJW 1990, 1494; OLG Koblenz NStZ 1994, 354; OLG Naumburg NStZ-RR 1997, 340; OLG Hamburg NStZ 2017, 307; Paul a.a.O. Rdn. 11).

Auf der Grundlage dieses Maßstabs erweist sich die Erklärung des Verteidigers im Schriftsatz vom 20. November 2018 als wirksame Zurücknahme der Rechtsbeschwerde. Er hat mit seiner formwirksamen Erklärung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, das (Rechtsmittel-) Verfahren nicht weiter betreiben zu wollen. Dies findet seine Bestätigung in der Erklärung des Verteidigers im Schriftsatz vom 13. Mai 2019, in dem er auf entsprechende Nachfrage ausdrücklich erklärt hat, dass mit der Rücknahme des Einspruchs auch die Rechtsbeschwerde zurückgenommen werden sollte. Dass der Verteidiger nach Abgabe dieser wirksamen und unwiderruflichen (vgl. Schmitt a.a.O. Rdn. 9 m.w.N.) Erklärung durch Schriftsatz vom 6. Juni 2019 den davon abweichenden Willen bekundet hat, die Rechtsbeschwerde weiterverfolgen zu wollen, ist folglich prozessual irrelevant.“

Einspruch II: Die „abgesprochene“ Einspruchsbeschränkung, oder: Wirksamkeit der Einspruchsbeschränkung

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Die zweite Entscheidung, die sich mit dem Einspruch befasst, kommt dann aus dem Bußgeldverfahren. Im KG, Beschl. v. 09.08.2019 – 3 Ws (B) 205/19 – geht es um die Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruchs gegen Bußgeldbescheid.

Dem Beschluss liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen die Betroffene wegen eines fahrlässig begangenen qualifizierten Rotlichtverstoßes eine Geldbuße von 200 EUR festgesetzt, ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet und dieses mit einer Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG versehen. Nachdem die Betroffene gegen den Bußgeldbescheid form- und fristgerecht Einspruch eingelegt und diesen in der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hatte, hat das AG sie zu einer Geldbuße von 200 EUR verurteilt. Von der Verhängung eines Fahrverbotes hat das AG abgesehen. Dagegen die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft, die Erfolg hatte.

Das KG beanstandet das Verfahren, das zur Beschränkung des Einspruchs geführt hat und sieht die Beschränkung als unwirksam an:

„b) Die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch beruhte hier auf der Zusage des Amtsgerichts, im Gegenzug von einem Fahrverbot abzusehen.

Den Urteilsgründen ist hierzu Folgendes zu entnehmen:

„Mangels Einhaltung des mindestens notwendigen Kurvenradius fehlte es an einem „standardisiert erhobenen Messwert“ vor Ort in Bezug auf die Erfassung der Betroffenen. Die Messung war so nicht gerichtsverwertbar.

Die Betroffene war bereit, den in der ständigen Praxis aller beteiligten Justizbehörden deshalb gefundenen Kompromiss mitzutragen, den Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch zu beschränken, dafür im Gegenzug nicht mit einem Fahrverbot belangt zu werden. Damit sollte der Einholung eines individualisierten Sachverständigen-Gutachtens begegnet werden.

Die Betroffene beschränkte daher ihren Einspruch sodann tatsächlich auf den Rechtsfolgenausspruch.“

c) Diese Zusage des Amtsgerichts führte nicht zu einer Verständigung im Sinne von § 257c StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG.

Nach § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG kann das Gericht sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. Eine Verständigung liegt bei zumindest einseitig bindenden Absprachen zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten über mit dem Urteil zu verhängende Rechtsfolgen vor, die unter Beachtung der hierfür geltenden gesetzlichen Maßgaben erfolgen (vgl. OLG München, Urteil vom 09. Januar 2014 – 4 StRR 261/13 –, juris).

Das Amtsgericht hat – ohne Einbindung der Amtsanwaltschaft – eine informelle Verständigung mit der Betroffenen und dem Verteidiger dahingehend geschlossen, dass im Falle einer Beschränkung des Einspruches auf den Rechtsfolgenausspruch kein Fahrverbot verhängt werde. Zwar unterscheiden sich Verständigungen über den Ausgang eines Bußgeldverfahrens vom Strafprozess schon allein dadurch, dass die Amtsanwaltschaft als Verfahrensbeteiligte zur Teilnahme an der Hauptverhandlung nicht verpflichtet ist (§ 75 Abs. 1 OWiG) und dem folgend an dieser in der Regel auch nicht teilnimmt. Gleichwohl kann eine wirksame Verfahrensabsprache mit dem Bußgeldrichter ohne Kenntnis der Amtsanwaltschaft nicht erfolgen, da auch im Bußgeldverfahren ihre Zustimmung erforderlich ist. Das Einholen der staatsanwaltschaftlichen Zustimmung wird in derartigen Fällen in der Regel durch die Übersendung der Akten vor der Hauptverhandlung umgesetzt werden (vgl. Fromm, NZV 2010, 550).

Da es hier an der gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO erforderlichen Zustimmung der Amtsanwaltschaft fehlt, haben die Verfahrensbeteiligten keine Absprache im Sinne von § 257c StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG getroffen. Eine solche einseitige Verpflichtungserklärung widerspricht der Regelung des § 257c StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG und war daher gesetzwidrig (BVerfG NJW 2013, 1058). Die unter Missachtung der gesetzlichen Vorgaben zustande gekommene Absprache entfaltet daher keine Bindungswirkung gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4 StPO  (vgl. BGH NStZ 2018, 232 m.w.N.).

d) Die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch ist unwirksam, da diese auf einer objektiv unrichtigen Erklärung des Gerichts beruht.

Auch wenn die Beschränkungserklärung als Prozesserklärung grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1999 – 5 StR 714/98 -, juris), sind gleichwohl in der Rechtsprechung Ausnahmen anerkannt. So können die besonderen Umstände der Art und Weise des Zustandekommens der Rechtsmittelbeschränkung ihre Unwirksamkeit nach sich ziehen (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1999 a.a.O.). Dies betrifft insbesondere Konstellationen, in denen sich das Gericht zum Erreichen der Beschränkung unlauterer Mittel bedient oder in denen die Betroffene durch unrichtige oder fehlende amtliche Auskünfte in die Irre geführt wurde (vgl. Senat, Beschluss vom 23. April 2012 – (3) 121 Ss 34/12 (28/12) -, juris; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 6. Dezember 2018 – 1 OLG 121 Ss 70/18; OLG Stuttgart NStZ-RR 1996, 146; für Rechtsmittelrücknahme: OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 307; für Rechtsmittelverzicht: BGH, Urteil vom 21. April 1999 a.a.O.).

Erforderlich ist überdies ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem solchen – staatlich zurechenbaren – Rechtsverstoß und der Willensbildung eines Verfahrensbeteiligten bei der Rechtsmittelbeschränkung (vgl. OLG Hamburg NStZ 2017, 307; NStZ 2014, 534). Unzureichend ist die nur abstrakt bestehende Möglichkeit, dass sich ein Verfahrensfehler auf die Willensbildung eines Verfahrensbeteiligten ausgewirkt haben könnte (vgl. OLG Braunschweig NStZ 2016, 563, 564).

Die Urteilsgründe führen aus, dass sich die Betroffene einem „in der ständigen Praxis aller beteiligter Justizbehörden […] gefundenen Kompromiss“ angeschlossen habe, wonach sie ihren Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und das Gericht im Gegenzug auf die Verhängung eines Fahrverbotes verzichtet hat.

Diese Zusage des Gerichts, dass die Vereinbarung von allen Verfahrensbeteiligten ? mithin auch von der Amtsanwaltschaft – getragen wird, konnte die Betroffene nur so verstehen, dass zumindest ein grundsätzliches Einverständnis der Amtsanwaltschaft mit dieser Vorgehensweise bestand und diese das vom Amtsrichter als Kompromiss bezeichnete Verfahren mitträgt. Tatsächlich war das jedoch nicht der Fall.

Die Einspruchsbeschränkung der Betroffenen ist daher hier ausnahmsweise unwirksam, weil diese allein aufgrund einer objektiv unrichtigen Erklärung des Amtsrichters hinsichtlich des Einverständnisses der Amtsanwaltschaft mit der Vorgehensweise beruht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Amtsrichter im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung davon ausging, dass ein allgemeiner Konsens aller Verfahrensbeteiligter hinsichtlich dieses Vorgehens besteht, da auch eine irrtümlich abgegebene objektiv unrichtige Auskunft des Gerichts zur Unwirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung führen kann (vgl. für Fälle des Rechtsmittelverzichts: BGH NStZ 2001, 493; Senat NStZ 2007, 541).

Der hierdurch bei der Betroffenen hervorgerufene Irrtum war auch zweifelsfrei für die von ihr erklärte Einspruchsbeschränkung ursächlich. Es ging ihr um die Vermeidung der Anordnung eines Fahrverbotes. Der Senat schließt aus, dass die Betroffene, hätte sie Kenntnis davon gehabt, dass die Amtsanwaltschaft die Vereinbarung nicht mitträgt und Rechtsbeschwerde erheben wird, die Einspruchsbeschränkung erklärt hätte.“