Archiv für den Monat: September 2019

Entbindung II: Erst am Terminstag eingegangen? oder: Nichtbescheidung = Gehörsverstoß

Bei der zweiten „Entbindungsentscheidung“, die ich vorstelle, handelt es sich um den BayObLG, beschl. v. 15.04.2019 – 202 ObOWi 400/19. Problematik: Die Nichtbescheidung eines erst am Terminstag übermittelten Entbindungsantrags.

M.E. reicht es , wenn ich von diesem Beschluss die (amtlichen) Leitsätze einstelle. Auch die vom BayObLG entschiedenen Fragen sind nämlich im Grunde „Schnee von gestern“ = in der Rechtsprechung schon häufiger entschieden. Allerdings, das räume ich ein: Die Frage, wann denn nun der Entbindungsantrag bei Gericht sein muss, damit dieses noch verpflichtet ist, ihn zu bescheiden, wird nicht ganz einheitlich gesehen. Und aufpassen muss man bei diesen kurzfristigen Anträgen auch immer, dass daraus nicht eine „Gehörsrügenfalle“ wird.

Hier dann die Leitsätze:

  1. Vor einer Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG gebietet es die Aufklärungs- und Fürsorgepflicht, dass sich das Gericht bei der Geschäftsstelle informiert, ob dort eine Entschuldigungsnachricht des Betroffenen vorliegt (u.a. Anschluss an OLG Bamberg, Beschl. v. 23.05.2017 – 3 Ss OWi 654/17).
  2. Auch dann, wenn der Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG erst am Sitzungstag kurz vor dem anberaumten Termin bei Gericht eingeht (hier: 20 Minuten), darf der Einspruch jedenfalls dann nicht ohne vorherige Entscheidung über die Entbindung verworfen werden, wenn der Antrag mit ‚offenem Visier‘, d.h. nicht bewusst oder in rechtsmissbräuchlicher Absicht „versteckt“ oder „verklausuliert“ eingereicht und bei seiner Übermittlung per Telefax an den Faxanschluss der für die betreffende Abteilung des Amtsgerichts und in der gerichtlichen Korrespondenz angegebenen zuständigen Geschäftsstelle übersandt worden ist. Darauf, ob der Entbindungsantrag bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung tatsächlich zur Kenntnis des Gerichts gelangt ist, kommt es nicht an (u.a. Anschluss an OLG Bamberg, Beschl. v. 23.05.2017 – 3 Ss OWi 654/17).

Den zitierten OLG Bamberg, Beschluss hatte ich hier (natürlich) auch: Bescheidung eines erst am Terminstag eingereichten Entbindungsantrags, oder: Gehörsverstoß.

Entbindung I: Was bringt die Anwesenheit in der HV?, oder: Spekulieren reicht nicht ….

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Heute dann ein OWi-Tag, allerdings mit einer „Sonderproblematik“, nämlich Entbindungsanträge (§ 73 Abs. 2 OWiG) mit allem was dazu gehört.

Und ich eröffne die Vorstellung mit dem KG, Beschl. v. 01.04.2019 – 3 Ws (B) 103/19. In meinen Augen eine dieser Entscheidungen, bei denen man sich fragt: Warum brauche ich dafür eigentlich ein OLG. Denn die entschiedenen Fragen sind in der Rechtsprechung der OLG bereits zig-mal entschieden. Man müsste sich als AG nur an diese Rechtsprechung halten. Denn:

Der Betroffene hatte seinen „Entbindungsantrag“ damit begründet, dass er vorgetragen hatte, er räume die Fahrereigenschaft ein, werde sich aber im Übrigen nicht zur Sache einlassen. Sein persönliches Erscheinen sei daher zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich. In der Sache trug er seine Rechtsansicht vor, dass Verfolgungsverjährung eingetreten und das Verfahren daher einzustellen sei. Das AG hat den Antrag in der Hauptverhandlung abgelehnt. Es führte zur Begründung aus, die Anwesenheit des Betroffenen sei zur Aufklärung seiner persönlichen Verhältnisse – jedenfalls seines Berufs und seines Familienstandes – erforderlich. Zugleich hat es den Einspruch des Betroffenen durch auf § 74 Abs. 2 OWiG gestütztes Urteil.

Dazu das KG:

„b) Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist auch begründet. Der Betroffene war vorliegend gemäß § 73 Abs. 2 OWiG von seiner Anwesenheitspflicht zu entbinden. Die Verwerfung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid gemäß § 74 Abs. 2 OWiG nach abschlägiger Bescheidung des Entbindungsantrages war rechtsfehlerhaft. Nach § 73 Abs. 2 OWiG entbindet das Gericht einen Betroffenen auf seinen Antrag hin von seiner Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist. Dabei ist zu beachten, dass die Entscheidung über den Entbindungsantrag nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt wird. Dieses ist vielmehr verpflichtet, dem Antrag zu entsprechen, sofern die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen (std . Rechtspr. des Senats, vgl. etwa VRS 132, 235 m.w.N.; OLG Dresden DAR 2005, 460).

Die Voraussetzungen der genannten Regelung waren vorliegend gegeben. Der Betroffene hat in dem Entbindungsantrag im Hinblick auf die anberaumte Hauptverhandlung erklärt, er räume die Fahrereigenschaft ein, werde aber darüber hinaus keine Angaben zur Sachen machen. Damit war klargestellt, dass von der persönlichen Anwesenheit des Betroffenen in dem Hauptverhandlungstermin eine weitere Aufklärung des Tatvorwurfs nicht zu erwarten war (vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 2012, 258). Die Anwesenheit eines Betroffenen in der Hauptverhandlung, der sein Schweigen zum Tatvorwurf angekündigt hat, kann zwar im Einzelfall unverzichtbar sein, wenn nur dadurch die gebotene Sachaufklärung möglich ist. Dies kann der Fall sein, wenn die Anwesenheit zur Identifizierung seiner Person erforderlich ist, das Gericht zuverlässigere Angaben von Zeugen (oder Mitbetroffenen) erwartet, falls diese in Gegenwart des Betroffenen abgegeben werden oder einem zum Schweigen entschlossenen Betroffenen die im Laufe der Hauptverhandlung zu erwartenden Erkenntnisse die Möglichkeit geben sollen, seine Entscheidung zu überdenken (vgl. Seitz/Bauer in Göhler a.a.O., § 73 Rn. 8 m.w.N.). Rein spekulative Erwägungen, die Anwesenheit eines Betroffenen könne in der Hauptverhandlung zu einem Erkenntnisgewinn führen, genügen jedoch nicht (vgl. OLG Koblenz NZV 2007, 587; OLG Naumburg StraFo 2007, 207; OLG Bamberg VRS 113, 284; Senat DAR 2012, 31; 2011, 146; VRS 113, 63; 111, 429).

Das angefochtene Urteil bezeichnet keine diesen Anforderungen genügenden konkreten Umstände, warum die Anwesenheit des Betroffenen zur Aufklärung des Sachverhalts hätte beitragen können. Die vom Amtsgericht im Beschluss vom 31. Januar 2019 mitgeteilten Gesichtspunkte sind nicht wesentlich im Sinne von § 73 Abs. 2 OWiG. Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass die Personalien des Betroffenen bereits von den vor Ort eingesetzten Polizeibeamten aufgenommen wurden und Anhaltspunkte für eine in wesentlichen Teilen fehlerhafte Erfassung der Personalien nicht ersichtlich sind.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Strafanzeige für den Mandanten – welche Gebühren?

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Am Freitag hatte ich mit der Frage: Ich habe da mal eine Frage: Strafanzeige für den Mandanten – welche Gebühren?, nach den Gebühren gefragt, die für den Rechtsanwalt entstehen, wenn er für den Mandanten eine Strafanzeige erstattet.

Nun, im Grunde ist das ganz einfach:

  • Ist der Rechtsanwalt nur mit der Erstattung der Strafanzeige beauftragt, entsteht auch nur die Gebühr Nr. 4302 Nr. 2 VV RVG. Eine Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG entsteht daneben nicht. In Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG ist eine bzw. die Grundgebühr nicht vorgesehen.
  • Ist der Rechtsanwalt von vornherein mit der Vertretung des Verletzten im Strafverfahren beauftragt, dann entstehen über die Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG die Gebühren wie beim einem Verteidiger, also Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühren und ggf. eine Terminsgebühr.
  • Ist der Rechtsanwalt zunächst nur mit der Erstattung der Strafanzeige beauftragt und soll er dann den Verletzten im Strafverfahren weiter vertreten – so war es beim Anfragenden -, dann entsteht zunächst die Verfahrensgebühr Nr. 4302 Nr. 2 VV RVG. Mit dem weiteren Auftrag können dann die Gebühren aus Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG entstehen. Auf die wird aber gem. Vorbem. 4.3 Abs. 4 VV RVG die Gebühr Nr. 4302 Nr. 2 VV RVG angerechnet.

Fazit: Reich wird man mit solchen Tätigkeiten als Rechtsanwalt nicht. Aber welcher Rechtsanwalt/Verteidiger wird schon „reich“?

Versäumte Urteilsabsetzungsfrist beim AG, oder: Generelle Arbeitsüberlastung entschuldigt nicht

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Die zweite Entscheidung, die sich mit einer versäumten Urteilsabsetzungfrist befasst, hat mit der Kollege C. Schneider aus Leipzig geschickt. Es handelt sich um den OLG Rostock, Beschl. v. 23.08.2019 – 21 Ss 210/19 (B). Der Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt, ergibt sich aus dem Beschluss, in dem es heißt:

„….Das Urteil des Amtsgerichts Waren (Müritz) ist am 27.11.2017 verkündet worden, so dass die Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO mit Ablauf des 02.01.2018 endete (§ 43 Abs. 1 und 2 StPO). Ausweislich des Eingangsvermerks der Geschäftsstelle (BI. 67 d.A.) und der dienstlichen Stellungnahme des erkennenden Richters vom 08.07.2019 (BI. 132 ff. d.A.) ist das vollständige, mit Gründen versehene Urteil aber erst am 11.01.2018 und somit nach Ablauf der fünfwöchigen Frist zu den Akten gebracht worden.

Die Fristüberschreitung war auch nicht gemäß § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO durch einen nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand gerechtfertigt. Gerichtsorganisatorische Gründe oder die allgemeine Arbeitsüberlastung oder Versehen des Richters, der Kanzlei oder der Geschäftsstelle stellen keinen nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand in diesem Sinne dar (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 275 Rn. 14). Zu den voraussehbaren, vermeidbaren Umständen gehört mithin in erster Linie alles, was die Organisation der Justiz betrifft, nämlich einerseits hinsichtlich der Person des Urteilsverfassers, ggfls. die Nichtgewährung der für die Absetzung des Urteils erforderlichen zeitlichen Freistellung bzw. arbeitsmäßigen Entlastung, insbesondere auch bei plötzlicher Versetzung, Abordnung oder anderweitiger Verwendung, und andererseits hinsichtlich der technischen Herstellung und büromäßigen Verarbeitung des Urteils, etwa eine Verzögerung durch wechselnde Besetzung der Geschäftsstelle, durch Mängel der Übertragung vom Tonträger durch Kanzlei oder durch plötzlich auftretende Engpässe im Kanzleibetrieb und dergleichen (OLG Hamm, Beschluss vom 29.12.1976 — 4 Ss OWi 930/76        Rn. 17, zit. nach juris).

Nach der dienstlichen Stellungnahme des erkennenden Richters vom 08.07.2019 beruhte die Nichteinhaltung der Urteilsabsetzungsfrist darauf, dass er im Jahr 2017 an zwei Gerichtsstandorten Dienst zu verrichten hatte, sich im Zeitraum 02. – 20.10.2017 und 27. – 29.12.2017 im Urlaub befand, ihm Anfang Dezember 2017 die Zustimmung zur Abordnung als Textanalyst für weitere zwei Jahre erteilt worden war mit daraus folgender Dienstreise am 03. und 04.12.2017 sowie ebenfalls daraus folgender Wahrnehmung organisatorischer Aufgaben und ab Oktober 2017 ein Anstieg der Eingangsbelastung für Ordnungswidrigkeitenverfahren zu verzeichnen war.

Diese Ausführungen des Tatrichters belegen, dass ihn kein unabwendbarer Umstand im Einzelfall an der rechtzeitigen Urteilsabsetzung gehindert hat, sondern seine generelle Arbeitsüberlastung. Diese Überlastung hat sich offenbar auch über einen längeren Zeitraum erstreckt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.01.2006 — 111-5 Ss 198/05 – 4/06 1 — Rn. 6, zit. nach juris). Die Arbeitsorganisation war schon ab dem Jahre 2017 durch abwechselnden Dienst an zwei Standorten erschwert. Bereits im Oktober 2017, mithin zwei Monate vor der Urteilsverkündung, stieg die Eingangsbelastung für Ordnungswidrigkeitenverfahren nach der dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden sprunghaft um fast das Doppelte an. Die Arbeitsüberlastung hielt dann auch im Jahr 2018 an. Der Tatrichter hat dazu ausgeführt, im Jahre 2018 hatte er im Rahmen seiner Abordnung als Textanalyst an der Vorbereitung und Durchführung eines StVK-Workshops in Traunstein mitzuwirken sowie an einem Forumstar-Verbundtreffen in Schwerin. Zu zwei Dritteln des Jahres hatte er eine erkrankte Richterin zu vertreten. Auch im Spruchrichterdezernat ist die Eingangsbelastung sprunghaft angestiegen. Ein im Einzelfall die Fristüberschreitung rechtfertigender Umstand liegt mithin nicht vor, wie sich schon darin zeigt, dass nach der dienstlichen Äußerung des Richters in weiteren Fällen „die Absetzung einzelner Urteile zurückgestellt werden musste …“

Das angefochtene Urteil war von daher mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Waren (Müritz) zurückzuverweisen.“

In 30 Mio.-Geldbußensache Urteilsabsetzungsfrist versäumt, oder: Zumindest peinlich bzw. Teamwork erforderlich…

Die 37. KW. eröffne ich dann mit zwei Entscheidungen zur (versäumten) Urteilsabsetzungsfrist, also eine Problemtaik aus § 275 StPO i.V.m. § 338 Nr. 7 StPO. Stichwort: Absoluter Revisionsgrund.

Bei der ersten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 09.07.2019 – KRB 37/19, also eine Entscheidung des Kartellsenats des BGH. Ergangen ist er in einenm Verfahren, das beim OLG Düsseldorf anhängig war. In dem hatte das OLG im OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.02.2108 – 4 Kart 3/17 OWi – die Fa. Rossmann wegen einer vorsätzlichen Kartellordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 30 Millionen Euro verurteilt. Grund: Mehrere  Handelsketten und die „Kaffeefirma“ Melitta hatten sich mehrere Jahre lang über die Verkaufspreise für Filterkaffee abgesprochen.

Auf die Revision von Rossmann hat der BGH das Urteil des OLG Düsseldorf aufgeboben. Begründung: Überschreitung der Urteilsabsetzungsfrist ohne rechtfertigenden Grund:

Die zulässig erhobene Verfahrensrüge, das Urteil sei verspätet zu den Akten gebracht worden (§ 275 Abs. 1, § 338 Nr. 7 StPO, § 71 Abs. 1, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG), ist begründet. Das am 28. Februar 2018 nach 24 Hauptverhandlungstagen verkündete Urteil hätte spätestens nach elf Wochen, also bis zum 16. Mai 2018 zu den Akten gebracht werden müssen. Dies ist jedoch erst am 29. Mai 2018 durch Niederlegung auf der Geschäftsstelle geschehen, nachdem das Urteil am Vortag fertiggestellt und unterschrieben war.

1. An der Einhaltung der Urteilsabsetzungsfrist war das Oberlandesgericht nicht durch einen unvorhersehbaren und unabwendbaren Umstand im Sinne des § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO gehindert. Ob ein solcher Umstand vorliegt, hat allein das Rechtsbeschwerdegericht zu beurteilen. Die Absetzungsfrist dient der Verfahrensbeschleunigung und soll zugleich die Übereinstimmung der schriftlichen Urteilsgründe mit dem Ergebnis der Hauptverhandlung sichern (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1991 – 4 StR 436/91, StV 1992, 98). Sie steht nicht zur Disposition des Tatgerichts und darf nur ganz ausnahmsweise wegen unabwendbarer und nicht voraussehbarer Umstände (vgl. KK-StPO/Greger, 8. Aufl., § 275 StPO Rn. 48) überschritten werden, wobei überstrenge Anforderungen zu vermeiden sind (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 1975 – 1 StR 701/75, BGHSt 26, 247, 249). Die gerügte Fristüberschreitung ist trotz des von dem Vorsitzenden und der Berichterstatterin in ihren dienstlichen Erklärungen vom 28. und 29. Mai 2018 geschilderten Sachverhalts, wonach die Berichterstatterin ab dem 11. April 2018 aus gesundheitlichen und persönlichen Gründen außerstande war, die Urteilsgründe weiter abzufassen, und der Vorsitzende diese Aufgabe daraufhin mit voller Arbeitskraft übernahm, nicht zu rechtfertigen.

a) Bei einem Kollegialgericht wie dem Kartellsenat des Oberlandesgerichts gestattet auch der unvorhersehbare Ausfall der Berichterstatterin die Fristüberschreitung nicht ohne Weiteres. Dies ist darin begründet, dass nicht nur der Berichterstatter, sondern alle berufsrichterlichen Mitglieder des Spruchkörpers für die Einhaltung der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO verantwortlich sind. Beim Ausfall der Berichterstatterin müssen deshalb notfalls die anderen erkennenden Richter oder ein solcher Richter das Urteil abfassen, sofern dies möglich und zumutbar ist (st. Rspr.; vgl. BGHSt 26, 247, 249; BGH, Beschluss vom 9. August 1988 – 5 StR 295/88, BGHR StPO § 338 Nr. 7 Fristüberschreitung 1; Beschluss vom 27. April 1999 – 4 StR 141/99, NStZ 1999, 474; Beschluss vom 9. Dezember 2010 – 5 StR 485/10, StV 2011, 211; Beschluss vom 18. Dezember 2013 – 4 StR 390/13, NStZ-RR 2014, 87).

b) Hieran gemessen hätte das Oberlandesgericht das schriftliche Urteil fristgerecht zu den Akten bringen müssen. Die Berichterstatterin hatte den von der Rechtsbeschwerde mitgeteilten dienstlichen Erklärungen zufolge bis zum 11. April 2018 mit beanstandungsfreiem Arbeitseinsatz zumindest einen „Rohentwurf, der die Feststellungen und die Grundzüge der Beweiswürdigung umfasste“, gefertigt. Die zugehörigen Dateien und die Mitschriften aus der Hauptverhandlung stellte sie dem Vorsitzenden zur Verfügung, als dieser am selben Tag die Bearbeitung des Urteils übernahm. Zwar ist es bei diesem Ablauf unter den Umständen des Einzelfalls nachvollziehbar, dass die weitere Abfassung der Urteilsgründe durch einen anderen erkennenden Richter etwa dadurch mehr Zeit in Anspruch nehmen kann, dass sie sechs Wochen nach der Verkündung erst wieder eine Einarbeitung in die Sache erfordert, wobei die Aussagen von Zeugen, die in der Hauptverhandlung ausführlich, teilweise ganz- und mehrtägig vernommen worden sind, nur den nicht selbst erstellten Mitschriften zu entnehmen sind. Eine fristgerechte Absetzung des 130 Seiten umfassenden Urteils war dem Oberlandesgericht aber gleichwohl jedenfalls deshalb möglich und zumutbar, weil auch der weitere beisitzende Richter – im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit dem Vorsitzenden – die schriftlichen Urteilsgründe hätte vervollständigen können. Die in der dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden vom 29. Mai 2018 hervorgehobene Komplexität des Falls sprach nicht gegen ein solches Vorgehen, sondern hätte es aufgrund der Verantwortung aller erkennenden Richter für die Fristwahrung gerade erfordert. Eine zeitsparende Arbeitsteilung, für die eine Ablichtung handschriftlicher Mitschriften hätte genutzt werden können, war auch bei der Niederschrift der 88-seitigen Beweiswürdigung praktikabel. Dies gilt insbesondere für die einzelnen Umsetzungshandlungen, die das Oberlandesgericht im Wesentlichen mit den grundlegend als glaubhaft bewerteten Aussagen von drei Zeugen und dem Inhalt von Besuchsberichten und Aktennotizen belegt hat.

Die sonstigen Dienstgeschäfte des Oberlandesgerichts standen der Fertigstellung der Urteilsgründe innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO – auch durch ein arbeitsteiliges Zusammenwirken zwischen Vorsitzendem und beisitzendem Richter – nicht entgegen. Die Pflicht, das Urteil rechtzeitig abzusetzen, geht allen aufschiebbaren Dienstpflichten vor (vgl. KG, wistra 2016, 511, 512; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 275 Rn. 15). Eine solche aufschiebbare Dienstpflicht war die Vorbereitung der am 13. Juni 2018 beginnenden Hauptverhandlung in einem weiteren Kartellbußgeldverfahren (vgl. hierzu allgemein BGH, StV 2011, 211; Beschluss vom 7. September 1982 – 1 StR 249/82, NStZ 1982, 519; KG, wistra 2016, 511, 512; SSW-StPO/Güntge, 3. Aufl., § 275 Rn. 10 aE). Hiermit war der beisitzende Richter – zugleich in Vertretung des Vorsitzenden – während des Laufs der Absetzungsfrist befasst. Wäre er stattdessen wie geboten auch zur Abfassung der Urteilsgründe herangezogen worden, hätte gegebenenfalls der Prozessauftakt in der zur Verhandlung anstehenden Sache um kurze Zeit verschoben oder die weitere Terminierung geändert werden können. Gegen diese Möglichkeiten sprechende Gründe sind mit Blick auf die Bedeutung der fristgerechten Urteilsabsetzung weder den dienstlichen Erklärungen zu entnehmen noch sonst ersichtlich.“

Tja, was schreiebt man da?  Ist zumindest peinlich, auch wenn man die „gesundheitlichen und persönlichen Gründen“. Im Übrigen: Der BGh verlangt ja in seiner Rechtsprechung nun nicht zum ersten Mal „Teamwork“, und zwar ggf. auch bei der Urteilsabsetzung. Und das  gilt dann auch beim OLG.

Die Fa. Rossmann wird es freuen. Es geht zurück auf Los 🙂 .