Archiv für den Monat: März 2019

StPO I: Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung, oder: Bild-Ton-Übertragung reicht nicht

entnommen wikimedia.org
Urhber: Hichhich – Eigenes Werk

Heute dann Verfahrensrecht. Und den Reigen eröffnet der BGH, Beschl. v. 11.12.2018 – 2 StR 250/18, der zum Anwesenheitsrecht des Angeklagten in der Hauptverhandlung Stellung nimmt.

Das LG hatte den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Vor der Vernehmung einer der Geschädigten beschloss die Strafkammer gemäß § 247 Satz 1 StPO die Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungssaal für die Dauer dieser Vernehmung. Der Angeklagte erhielt Gelegenheit, die Vernehmung „über Video“ zu verfolgen und über seine Verteidiger Fragen an die Zeugin zu stellen.

Der Angeklagte und eine Verteidigerin nahmen daraufhin in einem Nebenraum Platz, von dem aus sie die Vernehmung der Zeugin durch Bild-Ton-Übertragung verfolgen konnten. Ein weiterer Verteidiger verblieb im Sitzungssaal. Während der Vernehmung wurde ein Brief der Zeugin an ihre Mutter „von der Zeugin in Augenschein genommen und durch den Vorsitzenden verlesen“. Anschließend kam der Angeklagte zurück in den Saal und erklärte auf Befragen, dass er die Vernehmung der Zeugin gut habe verfolgen können und keine weiteren Fragen an diese habe. In der Revision beanstandete der Angeklagte mit der Verfahrensrüge eine Verletzung seines Anwesenheitsrechts. Das Rechtsmittel hatte Erfolg:

„3. Die Rüge ist begründet. Die Verlesung des Briefes der Geschädigten in Abwesenheit des Angeklagten war verfahrensfehlerhaft im Sinne von § 230 Abs. 1, § 247 Satz 1 StPO (a), der Fehler wurde in der Hauptverhandlung nicht geheilt (b) und auf dem Verfahrensfehler beruht das Urteil gemäß § 338 Nr. 5 StPO (c).

a) Das Landgericht hat das Anwesenheitsrecht des Angeklagten durch eine Beweiserhebung, die nicht in seiner Abwesenheit stattfinden durfte, verletzt.

aa) Der Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung kommt im deutschen Strafprozess ein hoher Stellenwert zu. Sie ist nicht nur zur Wahrheitsfindung, sondern auch für die Verteidigung des Angeklagten von erheblicher Bedeutung. Deshalb bestimmt § 230 Abs. 1 StPO, das gegen einen ausgebliebenen Angeklagten keine Hauptverhandlung stattfindet. Der Angeklagte hat danach nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zur Anwesenheit (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2010 – GSSt 1/09, BGHSt 55, 87, 88).

Unter der Anwesenheit des Angeklagten ist dessen geistige und körperliche Präsenz am Verhandlungsort zu verstehen. Die Anwesenheit in einem Nebenraum zum Sitzungssaal genügt nicht; denn auch dies ist ein Fall der Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungszimmer im Sinne von § 247 Satz 1 StPO, der als Ausnahme von der Anwesenheit im Sinne des § 230 Abs. 1 StPO im Gesetz geregelt ist. Dies gilt auch dann, wenn dort für den Angeklagten im Nebenzimmer eine Möglichkeit zur gleichzeitigen Wahrnehmung des Verhandlungsgeschehens im Wege einer Bild-Ton-Übertragung besteht. Die Strafprozessordnung sieht keine Ersetzung der Anwesenheit des Angeklagten im Sitzungszimmer durch eine solche Bild-Ton-Übertragung in einen Nebenraum vor. Sie kennt nur die Möglichkeit der audiovisuellen Vernehmung eines Zeugen, der sich während der Vernehmung an einem anderen Ort befindet (§ 247a StPO). Um einen solchen Fall geht es hier nicht.

Die durch den Beschluss der Strafkammer eingeräumte Möglichkeit für den Angeklagten, „die Verhandlung über Video zu verfolgen“, war zwar geeignet, die nach § 247 Satz 4 StPO gebotene Unterrichtung zu ersetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 1 StR 268/06, BGHSt 51, 180, 182 f.). Sie änderte aber nichts an seiner vorübergehenden Abwesenheit im Sinne von § 230 Abs. 1 StPO durch Entfernung aus dem Sitzungszimmer gemäß § 247 Satz 1 StPO.

bb) Das Recht und die Pflicht des Angeklagten zur Anwesenheit am Verhandlungsort kann nach der Strafprozessordnung nur in Ausnahmefällen durchbrochen werden. Nach der eng auszulegenden Ausnahmevorschrift des § 247 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 1975 – 5 StR 431/75, BGHSt 26, 218, 220) kann der Angeklagte unter anderem während einer Zeugenvernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt werden, wenn zu befürchten ist, ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen (§ 247 Satz 1 Var. 2 StPO). Die Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungszimmer ist dann aber auf die Vernehmung des Zeugen beschränkt. Eine andere Beweiserhebung, wie eine Urkundenverlesung, gehört nicht dazu, auch wenn sie einen sachlichen Zusammenhang mit der Zeugenvernehmung aufweist. Da im Protokoll der Hauptverhandlung nichts anderes vermerkt ist, muss davon ausgegangen werden, dass die Verlesung des Briefes der Geschädigten durch den Vorsitzenden zum Zweck des Urkundenbeweises erfolgt ist (vgl. Senat, Urteil vom 18. Oktober 1967 – 2 StR 477/67, BGHSt 21, 332, 333). Dies durfte nicht in Abwesenheit des Angeklagten geschehen.

b) Eine Heilung des Verfahrensfehlers wäre nur durch Wiederholung der Urkundenverlesung in seiner Anwesenheit möglich gewesen (vgl. Erb NStZ 2010, 347; H. E. Müller JR 2007, 79, 80). Eine solche ist nach dem Protokoll der Hauptverhandlung nicht erfolgt…..“

Lösung zu: Ich habe dann mal folgende Frage: Erhalte ich die zusätzliche Verfahrensgebühr zweimal?

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Am Freitag hieß es: Ich habe dann mal folgende Frage: Erhalte ich die zusätzliche Verfahrensgebühr zweimal?.

Und das war m.E. recht einfach, so dass ich dem Kollegen kurz und knapp antworten konnte:

„Nein.

Nr. 4141 VV RVG und Nr. 5115 VV RVG. Es handelt sich beim Straf- und Bußgeldverfahren um unterschiedliche Angelegenheiten. S. § 17 Nr. 10b RVG.“

Und wegen des „verliehenen Burhoff“ habe ich den Kollegen auf meine Bestellseite hingewiesen mit der Bitte, den Hinweis an den Entleiher seines RVG-Kommentars weiter zu leiten. 🙂

Einziehung II: Das Verbot der Schlechterstellung gilt, oder: Vorlage

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Die zweite Entscheidung kommt vom 5. Strafsenat des BGH. Ergangen ist der BGH, Beschl. v. 10.01.2019 – 5 StR 387/18 – auf eine Vorlage des OLG Hamburg. Das hatte dem BGH folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

„Schließt das Verbot der Verschlechterung (§ 331 Abs. 1 StPO) die erstmalige Anordnung einer Einziehung von Taterträgen oder des Wertes von Taterträgen (§§ 73, 73c StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017) durch das Berufungsgericht auf die allein vom Angeklagten geführte Berufung auch dann aus, wenn eine selbständige Anordnung gemäß § 76a StGB möglich ist?“

Ergangen ist der Vorlagebeschluss in einem Verfahren wegen Betruges. Das AG Hamburg hat den Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen, davon in einem Fall versucht, zu einer Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Nach den amtsgerichtlichen Urteilsfeststellungen zur hier betroffenen vollendeten Betrugstat hatte der Angeklagte am 17.05.2017 über eine Online-Verkaufsplattform einen Mercedes Benz zum Kauf angeboten. Er war dabei weder willens noch in der Lage, das Auto zu übergeben. Der durch ihn getäuschte Käufer entrichtete am 23.05.2017 den Kaufpreis von 30.000 €. Eine Lieferung des Kraftfahrzeugs erfolgte entsprechend dem Tatplan des Angeklagten nicht.

Maßnahmen der Vermögensabschöpfung gemäß §§ 73 ff. StGB hat das AG Hamburg weder angeordnet noch in den Urteilsgründen erörtert. Im Bewährungsbeschluss hat es dem Angeklagten auferlegt, den verursachten Schaden von 30.000 € im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten nach besten Kräften wiedergutzumachen, mindestens aber in monatlichen Raten von 50 €. Gegen das Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt und diese wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. In der Berufungshauptverhandlung hat die Staatsanwaltschaft erstmals beantragt, die Einziehung des Werts des aus der Tat erlangten Geldbetrages von 30.000 € anzuordnen. Mit Urteil vom 11.12.2017 hat das LG Hamburg die Berufung des Angeklagten verworfen. Die von der Staatsanwaltschaft beantragte Einziehung des Wertersatzes nach § 73c StGB hat es wegen des Verschlechterungsverbots (§ 331 Abs. 1 StPO) als rechtlich unzulässig angesehen. Gegen das Urteil des LG Hamburg hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Mit der Sachrüge greift sie allein die unterbliebene Wertersatzeinziehung an. Der Generalstaatsanwalt in Hamburg ist der Revision beigetreten.

Das OLG Hamburg möchte das Urteil des LG Hamburg aufheben, soweit von der Wertersatzeinziehung abgesehen worden ist. Es sieht sich daran aber durch einen Beschluss des OLG Zweibrücken vom 06.11.2017 (1 OLG 2 Ss 65/17) gehindert. Darin hat das genannte Oberlandesgericht den Standpunkt eingenommen, dass das Verbot der Schlechterstellung gemäß § 331 Abs. 1 StPO bei alleiniger Berufung des Angeklagten der erstmaligen Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73c StGB entgegenstehe.

Der BGH sieht es anders und beantwortet die vom OLG Hamburg gestellte Frage wie folgt:

Das Verbot der Verschlechterung (§ 331 Abs. 1, § 358 Abs. 2 Satz 1, § 373 Abs. 2 Satz 1 StPO) schließt die erstmalige Anordnung der Einziehung nach den §§ 73 ff. StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) auf lediglich vom Angeklagten, von seinem gesetzlichen Vertreter oder zu seinen Gunsten von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel oder Wiederaufnahmeanträge auch dann aus, wenn eine selbständige Einziehung nach § 76a StGB möglich wäre.“

Die Entscheidung ist für die Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen.

Einziehung I: Die Einziehungsgegenstände sind konkret anzugeben, oder: Etwas mehr Sorgfalt….

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Den Wochenauftakt mache ich in dieser Woche mit dem BGH, Beschl. v. 29.08.2018 – 4 StR 56/18. Man sieht schon am Aktenzeichen: Er ist älter. Ich weise auf ihn auch nur deshalb jetzt noch hin, weil man sich beim Lesen fragt, ob solche LG-Entscheidungen, wie das zugrunde liegende Urteil, eigentlich sein müssen. Mit etwas mehr Sorgfalt könnte man sie vermeiden.

Das LG hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchdiebstahls verurteilt und die Einziehung der bei ihm „sichergestellten fünf Handys“ sowie eines „Tablet-PC“ angeordnet. Dagegen die Revision, die hinsichtlich der Einziehungsentscheidung Erfolg hat:

„Unbeschadet des Umstands, dass dem angefochtenen Urteil nicht entnommen werden kann, auf welche Vorschrift das Landgericht die Einziehungsanordnung gestützt – der lediglich in der Liste der angewendeten Vorschriften genannte § 74 StGB ist nicht geeignet, die Begründung des Landgerichts zu tragen – und ob es die Anwendbarkeit des seit dem 1. Juli 2017 geltenden Rechts der Vermögensabschöpfung bei der Einziehung von Taterträgen beachtet hat (vgl. Art. 316h Satz 1 EGStGB), kann die Anordnung schon deshalb nicht bestehen bleiben, weil die Einziehungsgegenstände weder in der Urteilsformel noch in den Urteilsgründen ausreichend konkret bezeichnet sind. Nach ständiger Rechtsprechung müssen einzuziehende Gegenstände so genau angegeben werden, dass bei allen Beteiligten und den Vollstreckungsorganen Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 1994 – 1 StR 179/93, NJW 1994, 1421; Beschlüsse vom 9. Februar 2017 – 1 StR 490/16, juris; vom 15. Juni 2016 – 1 StR 72/16, NStZ-RR 2016, 313, 314; vom 25. August 2009 – 3 StR 291/09, juris; vom 28. November 2006 – 4 StR 404/06, StraFo 2008, 302).

Hinzu kommt, dass sich aus der knappen Begründung der Einziehungsentscheidung die Grundlagen für die Überzeugungsbildung des Landgerichts, es handele sich bei den sichergestellten Gegenständen um Beutestücke aus den „ihm zur Last gelegten Wohnungseinbruchdiebstählen“ (UA S. 21), nicht erschließen. Eine durch Tatsachen belegte Zuordnung der Gegenstände zu diesen Taten hat das Landgericht nicht vorgenommen.

Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, über die Einziehung in der gebotenen Form unter Beachtung der materiellen Voraussetzungen neu zu entscheiden.2

Man merkt der Beschluss-Begründung des BGH m.E. deutlich an: Der BGH war „not amused“.

Sonntagswitz. Heute natürlich Kreuzfahrten und/oder Schiffe

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Da die Kreuzfahrt ja nun inzwischen „läuft“, gibt es dann heute im Sonntagswitz natürlich Kreuzfahrtwitze, und zwar:

Den hatte ich schon mal, ist aber immer wieder schön 🙂 :

Das Luxustraumschiff passiert bei seiner Fahrt durch den Indischen Ozean eine kleine abgelegene Insel . Eine heruntergekommene Gestalt in zerfetzten Lumpen fuchtelt wild mit den Armen, springt wie verrückt am Strand hin und her und versucht offensichtlich, mit allen Mitteln auf sich aufmerksam zu machen.

„Was hat der denn?“ fragt ein Passagier den Kapitän.

„Ach der – der freut sich immer so, wenn wir hier vorbeikommen.“


Und der darf es auch noch einmal sein:

Ein Magier arbeitet auf einem Kreuzfahrtschiff in der Karibik. Weil die Zuschauer jede Woche verschieden sind, führt der Magier jede Woche die selben Tricks vor. Immer und immer wieder. Doch es gibt ein Problem. Der Kapitän hat einen Papagei und dieser beginnt zu verstehen, wie die Tricks des Magiers funktionieren. Wenn er die Tricks verstanden hat. ruft er laut in die Show hinein:
„Schaut, es ist nicht der gleiche Hut.“
„Schaut, er versteckt die Blumen unter dem Tisch.“
„Hey, warum sind alle Karten Asse?“
Der Magier ist sauer, aber weil es der Pappagei des Kapitäns ist, kann er nichts unternehmen.

Doch dann hat das Schiff eines Tages einen Unfall und sinkt. Der Magier findet sich auf einem Stück Holz mitten im Ozean wieder, zusammen mit dem Papagei. Sie starren sich gegenseitig an, doch keiner spricht ein Wort. Dies geht so einen Tage vor sich, dann noch ein Tag und noch ein Tag.

Nach einer Woche sagt der Papagei schließlich: „OK, ich gebe auf. Wo ist das Schiff?“


Zufällig hört der Kapitän, wie ein Matrose zu einem anderen sagt, er solle den Fußboden schrubben.

Schnauzt der Kapitän den Matrosen an: „Wir sind hier auf einem Schiff, und hier heißt das nicht „‚Fußboden“ sondern „Deck“, und vorne ist der „Bug“ und hinten das „Heck“. Merk dir das gefälligst, sonst werfe ich dich durch das kleine, runde Fenster da hinten!“


Wie heißt Schiffe versenken auf Chinesisch?

Dschunken-Tunken.