Archiv für den Monat: Dezember 2018

Zusammenstoß beim parallelen Abbiegen, oder: Wer haftet wie?

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Und als zweite Entscheidung des Tages dann der KG, Beschl. v. 01.11.2018 – 22 U 128/17. Es handelt sich um einen sog.Hinweisbeschluss, der zur Berufungsrücknahme geführt hat. Problemati: Haftung beim parallelen Abbiegen

Zu entscheiden war folgender Sachverhalt:

Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes, des Zeugen M., von dem Beklagten zu 1. als (Bus-) Fahrer und der Beklagten zu 2. als Halterin des Busses Zahlung von Schadenersatz wegen des Unfalls vom 29. Februar 2016 auf der Kreuzung Heerstraße/Sandstraße.

Der Zeuge sowie der Beklagte zu 1. fuhren auf der Heerstraße stadteinwärts. Der Beklagte zu 1. hielt vor der Kreuzung mit der Sandstraße an der dort befindlichen Haltestelle, um Fahrgäste aus- bzw. einsteigen zu lassen. Die stadteinwärts führende Fahrbahn der Heerstraße ist vor der Kreuzung zweispurig. Wegen der Linksabbieger beginnt etwa 60 m vor der Kreuzung ein weiterer (dritter) Fahrstreifen links und wegen der Haltestelle ein weiterer (vierter) Fahrstreifen rechts, die beide nach der Kreuzung in der dann für eine Richtung zweispurigen Heerstraße nicht fortgeführt werden.

Im Gegenverkehr stadtauswärts besteht gegenüberliegend an der Kreuzung die gleiche Sachlage, ohne dass die Haltestelle sich dort im Bereich des rechten Fahrstreifens befinden würde. Sie liegt vielmehr in dem dort (zunächst über etwa 60 m) fortgeführten (dritten) rechten Fahrstreifen auf der Straßenseite gegenüber der hier maßgeblichen Haltestelle.

Der Zeuge näherte sich von hinten auf dem rechten bzw. im Bereich der Haltestelle zweiten Fahrstreifen von rechts und wollte rechts in die Sandstraße abbiegen. Der Beklagte zu 1. fuhr zu dieser Zeit wieder an. Der Bus der Beklagten zu 2. wurde vorne links, der im Eigentum des Zeugen stehende Pkw an der hinteren rechten Fahrzeugseite beschädigt.

Einzelheiten des dem Unfall vorausgegangenen Geschehens sind zwischen den Parteien streitig, u.a. ob am Pkw oder dem Bus der Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt war.

Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Hauptanträge vollständig (zu 1. bis 3.) sowie teilweise die Hilfsanträge (zu 1. und 2., nicht mehr zu 3.) sowie teilweise den Hilfshilfsantrag zum Hilfsantrag zu 2. weiter. Sie meint u.a. sinngemäß, der Zeuge hätte sich nicht vor dem Abbiegen rechts in den Fahrstreifen vor dem Bus einordnen müssen, und greift das Ergebnis der Beweisaufnahme an.“

Das KG hat „mitgeteilt“, dass es die Berufung zurückweisen wird. Es hat seinem Beschluss folgende Leitsätze vorangestellt:

1. Beim parallelen Abbiegen nach rechts spricht ein Anscheinsbeweis für einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten aus § 9 Abs. 1 Satz 1, 2 und 4 StVO gegen den aus der linken Spur Abbiegenden, wenn dort keine die Markierungen vorhanden sind, die ebenfalls ein Abbiegen nach rechts anordnen.

2. Die Darlegungs- und Beweislast für das (rechtzeitige) Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers trägt der Abbiegende.

3. Die aus § 20 Abs. 5 StVO folgende Pflicht anderer Verkehrsteilnehmer, einem Linienbus das Abfahren von Haltestellen zu ermöglichen und notfalls zu warten, begründet für den Bus einen Vorrang vor dem Fließverkehr und nicht nur ein “Recht zur Behinderung”. Die Regelung geht § 10 Satz 1 StVO vor.

4. Das Vorrecht entsteht aber erst mit dem Erfüllen der Pflichten aus § 10 Satz 2 StVO, ohne dass für die Verletzung der Pflichten ein Anscheinsbeweis gilt.

Zusammenstoß mit geöffneter Fahrertür beim Einparken, oder: Wer haftet wie?

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Heute dann zum vorletzten Mal in 2018 ein „Kessel Buntes“. Zunächst befindet sich da das LG Saarbrücken, Urt. v. 02.11.2018 – 13 S 70/18. Es entscheidet über eine alltägliche Verkehrssituation, die man immer wieder beobachten kann, nämlich der Zusammenstoß  zweier Fahrzeuge beim Einfahren in eine Parkbucht mit der geöffneten Fahrertür eines in der benachbarten Parkbucht stehenden Fahrzeugs. Der Kläger hatte restlichen Schadensersatz aus einem solchen Verkehrsunfall geltend gemacht. Die Zeugin pp. war als Fahrerin des Pkw des Klägers in eine freie Parkbucht eingefahren und war dabei mit der geöffneten Fahrertür des Fahrzeugs der Beklagten. Auf den Gesamtschaden von 5.057,34 € zahlte die Versicherung die Sachverständigenkosten von 518,34 € sowie weitere 1.997,33 € an den Kläger. Den Restschaden von 2.541,67 € nebst Zinsen und weiteren vorgerichtlichen Anwaltskosten machte der Kläger mit der Behauptung geltend, die Fahrerin seines Pkw habe sich mit seinem Pkw bereits neben dem Beklagtenfahrzeug befunden, als dort plötzlich die Tür geöffnet worden sei. Dass auf dem Fahrersitz des Beklagtenfahrzeuges jemand gesessen habe, sei für die Zeugin pp. wegen getönten und spiegelnden Scheiben sowie wegen der Nackenstützen nicht erkennbar gewesen.

Das AG hat die Klage nach Beweisaufnahme bis auf 12,50 € für die hälftige Unkostenpauschale abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Unfall sei nicht mehr aufklärbar, weshalb die Beteiligten jeweils hälftig für die Unfallfolgen hafteten. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte einen Teilerfolg.

„Die form- und fristgerecht eingelegte, mithin zulässige Berufung hat in der Sache einen Teilerfolg.

1. Das Erstgericht ist zunächst davon ausgegangen, dass sowohl der Kläger als auch die Beklagten grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gemäß § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 115 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) einzustehen haben, weil der Unfallschaden bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden ist, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der unfallbeteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG darstellte. Das ist zutreffend. Soweit die Berufung meint, das Erstgericht habe insoweit verkannt, dass die Zeugin … unstreitig nicht erkennen konnte, ob jemand auf dem Fahrersitz saß, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Unabwendbar ist ein Ereignis nämlich nur dann, wenn es auch durch äußerste Sorgfalt – gemessen an den Anforderungen eines Idealfahrers – nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne von § 276 BGB hinaus (BGH, st. Rspr.; vgl. BGHZ 113, 164, 165; 117, 337; Urteil vom 23.09.1986 – VI ZR 136/85VersR 1987, 158, 159 m.w.N.). Dass sie diesen Anforderungen genügt hätte, konnte die Klägerseite nicht nachweisen. Ein Idealfahrer hat beim Einfahren in eine Parktasche, bei der er nicht ausschließen kann, dass aus einem seitlich stehenden Fahrzeug jemand aussteigen wird, nur so vorsichtig einzufahren, dass er jederzeit, auch bei einem plötzlichen Türöffnen anhalten kann. Da die Zeugin pp. nach der Kollision nach den Sachverständigenfeststellungen (GA 96) noch rd. 1,6 Meter bis zum Endstand weitergefahren ist und es angesichts sich widersprechender Aussagen der Erstbeklagten und der Zeugin pp. nicht sicher feststeht, ob das Klägerfahrzeug erst nach einem kollisionsbedingten Anhalten weiterbewegt wurde, bleibt offen, ob die Zeugin pp. hinreichend vorsichtig eingefahren war und sofort angehalten hatte. Dies geht zu Lasten des dafür beweisbelasteten Klägers.

2. Im Rahmen der danach gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG gebotenen Haftungsabwägung rügt die Berufung indes mit Recht, dass das Erstgericht zu Lasten der Beklagten keinen Verstoß der Erstbeklagten gegen die beim Türöffnen gebotene Sorgfalt eingestellt hat.

a) Zwar findet § 14 Abs. 1 StVO auf Parkplätzen grundsätzlich keine unmittelbare Anwendung. Denn diese Vorschrift, die ein Höchstmaß an Sorgfalt von dem Aussteigenden verlangt, schützt den fließenden Verkehr (vgl. OLG Frankfurt OLGR 2009, 850 ff.; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 14 Rn. 5; Kammer, Urteil vom 22. Februar 2013 – 13 S 202/12, NZV 2013, 594; in der Sache auch OLG Karlsruhe VersR 2012, 875). Allerdings trifft den Aussteigenden auch auf Parkplätzen im Rahmen des allgemeinen Rücksichtnahmegebots nach § 1 Abs. 2 StVO die Pflicht, sich vor dem Türöffnen zu vergewissern, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer durch das Türöffnen geschädigt wird. Dabei können auch auf öffentlichen Parkplätzen die strengen Sorgfaltsmaßstäbe, die im fließenden Verkehr gelten, jedenfalls sinngemäß herangezogen werden, sofern sich in einem bestimmten Verkehrsverhalten die besondere Gefährlichkeit gegenüber den übrigen Verkehrsteilnehmern niederschlagen kann. Aus diesem Grund hat auch der Ein- und Aussteigende auf öffentlichen Parkplätzen – anders als auf privaten Parkflächen, auf denen kein besonderer Fahrverkehr zu erwarten ist – besondere Vorsicht und Achtsamkeit walten zu lassen (vgl. Kammerurteil vom 9.3.2018 – 13 S 158/17, SVR 2018, 341; Hentschel/König/Dauer aaO Rn. 9 und die Nachweise bei Freymann, DAR 2018, 242, 246).

c) Ob zu Lasten des Türöffnenden auf dem Parkplatz auch – wie bei § 14 StVO – ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden eingreift (zum Streitstand etwa Freymann DAR 2018, aaO), kann hier offen bleiben. Denn die Erstbeklagte hat in ihrer Anhörung dargelegt, dass sie sich lediglich vergewissert habe, ob neben ihr ein Fahrzeug stehe, nicht ob ein Fahrzeug von hinten einfahren werde. Dies war unter den gegebenen Umständen sorgfaltswidrig. Denn unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt muss der Türöffnende während des gesamten Vorgangs des Türöffnens hinweg den rückwärtigen Verkehr beobachten. Dies gilt insbesondere dann, wenn die bereits geöffnete Tür in die danebenliegende Parkbucht hineinragt und dadurch die Gefährlichkeit eines Zusammenstoßes mit einem einfahrenden Fahrzeug erhöht ist (vgl. Kammerurteil vom 9. März 2018 – 13 S 158/17 -, juris). So lag es hier. Ausweislich der Lichtbilder vom Unfallort, die sich in der beigezogenen polizeilichen Unfallakte befinden, stand das Beklagtenfahrzeug knapp neben der linken Parktaschenbegrenzung, während das Klägerfahrzeug innerhalb der links davon gelegenen Parkbucht von der rechten Begrenzung deutlichen Abstand einhielt. Da es sich insoweit laut Angaben der Unfallbeteiligten hinsichtlich der seitlichen Abstände um die Unfallendstellung handelte, muss die nach Berechnung des Sachverständigen um 45 Grad geöffnete Tür am Fahrzeug der Erstbeklagten deutlich in die benachbarte Parkbucht hineingeragt haben, damit eine Kollision stattfinden konnte. Angesichts dieser Gefahrerhöhung, die sich im Unfall auch realisiert hat, wäre die Erstbeklagte verpflichtet gewesen, sich in die Nachbarbucht einfahrenden Fahrzeugen zu versichern. Dass sie diesen Anforderungen nicht genügt hat, ergibt sich schon daraus, dass sie das Beklagtenfahrzeug vorkollisionär nicht wahrgenommen hat.

3. Demgegenüber lässt sich ein unfallursächlicher Sorgfaltsverstoß der Zeugin pp. nicht nachweisen.

a) Allerdings hat auch der Einparkende nach § 1 Abs. 2 StVO auf den neben seiner Parklücke befindlichen Verkehrsteilnehmer Rücksicht zu nehmen. Dabei sind an die Sorgfalt des Fahrers eines Fahrzeugs, der in eine rechtwinklig zur Durchfahrtrichtung angeordnete Parktasche einparken will, keine geringeren Sorgfaltsanforderungen zu stellen als an den Fahrer oder Mitfahrer eines neben dieser Parklücke abgestellten weiteren Fahrzeugs beim Aussteigen (vgl. OLG Frankfurt, NJW 2009, 3038). Insbesondere wenn der Einfahrende konkreten Anlass dafür hat, mit einem Türöffnen des bereits eingeparkten Fahrzeugs zu rechnen, muss er danach noch vorsichtiger als ohnehin schon geboten in die daneben liegende Parktasche einfahren (vgl. Hinweisbeschluss der Kammer vom 3. November 2014 – 13 S 140/14).

b) Danach durfte die Zeugin pp. hier nur mit gesteigerter Vorsicht in die Parklücke einfahren. Da die Erstbeklagte in dem Beklagtenfahrzeug saß, musste die Zeugin nämlich damit rechnen, dass diese die Tür öffnen würde. Soweit sie vorträgt, sie habe nicht erkennen können, ob in dem Beklagtenfahrzeug jemand saß, gilt nichts anderes. Denn die Vorsichtspflicht gilt, solange der Einparkende nicht sicher ausschließen kann, dass sich jemand im Nachbarfahrzeug befindet (Vgl. Kammerurteil NZV 2009, 501; AG Haßfurt, Urteil vom 20. März 2013 – 2 C 578/11 -, juris).

c) Zu Recht hat das Erstgericht jedoch nicht feststellen können, dass die Zeugin pp. gegen diese Pflicht verstoßen hat. Ausgehend von den unangegriffenen Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen lassen sich weder Geschwindigkeit noch das vorkollisionäre Verhalten des Beklagtenfahrzeuges feststellen. Unter diesen Umständen kann aber nicht verlässlich ausgeschlossen werden, dass die Zeugin … angemessen langsam in die Parklücke eingefahren ist und die Tür erst geöffnet wurde, als die Zeugin pp. eine Kollision nicht mehr durch ein Abbremsen oder ein Warnzeichen hätte verhindern können. Die Beklagtenseite hat folglich den ihr obliegenden Nachweis einer unfallursächlichen Pflichtverletzung der Klägerseite nicht geführt.

4. Die Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile führt zu einer Haftungsverteilung von 75% zu 25% zu Lasten der Beklagten. Dem Verstoß der Erstbeklagten gegen die besonderen Pflichten beim Türöffnen steht die Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs entgegen, die unter den gegebenen Umständen nicht hinter diesen Verstoß zurücktritt. Dass es beim Einfahren in eine Parklücke zu einer Kollision mit einer sich öffnenden Tür kommt, gehört zu den typischen, mit dem Betrieb des einfahrenden Fahrzeugs verbundenen Gefahren auf einem Parkplatz. Ein Zurücktreten dieser Betriebsgefahr kommt nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer zu Parkplatzunfällen nur ausnahmsweise in Betracht, wenn das Verschulden des Unfallgegners durch besondere Umstände erschwert ist (Kammer, Urteile vom 27. Mai 2011 – 13 S 25/11, Schaden-Praxis 2012, 66; vom 19. Oktober 2012 – 13 S 122/12, RuS 2013, 199; vom 7. Juni 2013 – 13 S 31/13, NJW-RR 2013, 1249 und vom 18. Juli 2014 – 13 S 75/14, NZV 2014, 572). Solche besonderen Umstände sind hier indes nicht nachgewiesen.

Ich habe da mal eine Frage: Führt „Pflichtverteidigerantrag“ zur Befriedungsgebühr?

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Im „Gebührenrätsel“ bringe ich heute kurz vor Weihnachten nichts Schweres mehr, sondern eine m.E. recht einfache Frage zu Nr. 5115 VV RVG, zusammen mit der Nr. 4141 VV RVG einer der gebührenrechtlichen Dauerbrenner. Und da hat ein Kollege gefragt:

„Sehr geehrter Herr Kollege,

Mandant begeht eine Verkehrs-OWi (27 Km/h zu schnell außerhalb => 80 EUR). Deckung über RSV ist gegeben.

Kurz danach tritt er eine Haftstrafe an von 2,5 Jahren.

Das OWi-Verfahren landet nach Einspruch bei Gericht und wird terminiert für Februar 2019. Da ist der 2/3-Zeitpunkt noch nicht mal in Sicht.

Weil die Sache eigentlich ziemlich chancenlos ist, denke ich mir: Wozu gibt es eigentlich den § 140 I Nr. 5 StPO? Also beantrage ich Beiordnung und das – etwa 500 KM entfernte – AG reagiert wie von mir beabsichtigt: § 47 II OWiG – „weil eine Ahndung nicht geboten erscheint“. Sonst keine Begründung. Dass die Kosten das wahre Argument sind, schreiben die natürlich nicht.

Ich möchte nun der RSV (nicht der Staatskasse) die Gebühr Nr. 5115 VV RVG auf´s Auge drücken und frage mich, ob die (nicht beweisbare) Einstellung durch (unausgesprochene) „Androhung“ erheblicher Pflichtverteidigerkosten eine Mitwirkung iSd. der Vorschrift ist.“

Antwort kommt dann in der nächsten Woche. Wahrscheinlich nicht am Montag, dem 24.12. 🙂 .

Fiktiver Teilfreispruch, oder: Kostenentscheidung ist besser, als „abgespeist“ mit § 21 GKG

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Und als zweite Entscheidung des Tages eine weitere, in der Geld stecken könnte. Es ist der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.11.2018 – 3 Ws 576/18, den mir der Kollege Urbanczyk aus Mannheim geschickt hat. Es geht um die Anwendung des § 465 Abs. 2 StPO in den Fällen des fiktiven Teilfreispruchs.

Das AG hatte gegen den Angeklagten einen Strafbefehl wegen des Vorwurfs des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis erlassen, weil er am 12.12.2017 unter dem Einfluss von 8,5 ng/ml THC ein Kleinkraftrad geführt hatte, ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein. Hierbei wurde übersehen, dass dem Angeklagten zwar durch Strafbefehl des AG vom 6.12.2017 die Fahrerlaubnis entzogen worden war, der Strafbefehl aber erst am 03.1.2018 rechtskräftig wurde, so dass sich der Angeklagte am 12.12.2017 (noch) im Besitz einer Fahrerlaubnis befunden hatte.

Nach Einspruchseinlegung hat das AG den Angeklagten deshalb vom Vorwurf des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis frei gesprochen. Es hat ihn außerdem auch wegen vermeintlich eingetretener Verfolgungsverjährung auch vom Vorwurf des fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter dem Einfluss berauschender Mittel gern. § 24a Abs. 2 StVG frei-gesprochen. Auf die von der Staatsanwaltschaft Mannheim hinsichtlich der unterbliebenen Verurteilung gemäß § 24a StVG eingelegte Berufung wurde der Angeklagte dann durch Urteil des LG wegen der genannten Ordnungswidrigkeit verurteilt. Außerdem hat das Berufungsgericht dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen auferlegt. In den Urteilsgründen hat die Berufungskammer darauf hingewiesen, dass dem Umstand, dass die Berufung der Staatsanwaltschaft allein aufgrund der fehlerhaften Annahme der Verjährung der Ordnungswidrigkeit durch das erstinstanzliche Gericht beruht habe, hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens durch die Anwendung von § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Rechnung getragen werden könne. Die gegen die Kostenentscheidung eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten/Verteidigers hatte Erfolg:

„1. Die Kostenentscheidung des Landgerichts entspricht zwar der gesetzlichen Regelung des § 465 Abs. 1 StPO, weil der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung (wenngleich „nur“ wegen einer Ordnungswidrigkeit) verurteilt wurde. Allerdings hat die Kammer nicht bedacht, dass ein Ausnahmefall des § 465 Abs. 2 StPO vorliegt, wonach aus Billigkeitsgründen besondere Auslagen der Staatskasse und besondere notwendige Auslagen des Angeklagten ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegt werden können, wenn Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen sind. Die Möglichkeit, eine von § 465 Abs. 1 StPO abweichende Billigkeitsentscheidung zu treffen, besteht vor allem in den Fällen des sog. fiktiven Teilfreispruchs, d. h. bei der Nichtverurteilung wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., Rdn. 7 zu § 465; BeckOK-Niesler, StPO, Stand 1.6.2018, Rdn. 8 zu § 465; OLG Düsseldorf, B. v. 18.7.1988 – 1 Ws 420/188 – bei juris). Dann können die Mehrauslagen, die bei einer von vornherein erfolgten Begrenzung des Schuldvorwurfs auf den Umfang der späteren Verurteilung nicht entstanden wären, nach Billigkeit ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegt werden (OLG Stuttgart, Die Justiz 1974, 136). Ist anzunehmen, dass der Angeklagte einen Bußgeldbescheid hingenommen hätte, so können seine gesamten notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt werden (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.; BeckOK-Niesler, a.a.O.; BGHSt 25, 109; OLG Stuttgart, Die Justiz 1987, 160).

2. Im vorliegenden Fall ergibt sich hieraus folgendes:

Hätte die Staatsanwaltschaft bereits zutreffend erkannt, dass sich der Angeklagte am Tattag, dem 12.12.2017, im Besitz einer Fahrerlaubnis befunden hat, hätte sie keinen Strafbefehlsantrag wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gestellt, sondern die Sache an die Bußgeldbehörde abgegeben. Angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte die zweitinstanzliche Verurteilung zu einer Geldbuße und einmonatigem Fahrverbot akzeptiert hat, ist davon auszugehen, dass ein im Umfang der landgerichtlichen Verurteilung erlassener Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden wäre. Es wären daher lediglich Gebühren und Auslagen im Verwaltungsverfahren (u.a. Gebühr für den Erlass des Bußgeldbescheids. Kosten für Zustellungsurkunde, Entnahme und Untersuchung der Blutprobe etc.) entstanden, die der Angeklagte zu tragen hat. Die übrigen Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) sowie seine gesamten notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.“

Nur kurz dazu: Die Vorschrift des § 465 Abs. 2 StPO wird nicht selten übersehen, vor allem eben in den Fällen des sog. fiktiven Teilfreispruchs (vgl. dazu a. BGH RVGreport 2015, 199 = StRR 2015, 180). So auch hier, wo das LG den Angeklagten mit dem Hinweis auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG „abgespeist“ hat. Zu Recht hat der Verteidiger sich damit nicht zufrieden gegeben, denn bei § 21 GKG handelt es sich um eine „Kannvorschrift“. Mit der vom OLG gefundenen Kostenverteilung in der Kostengrundetnscheidung steht sich der Angeklagte besser.

“I proudly present!” – „Burhoff Strafrechtspaket, Ermittlungsverfahren und Hauptverhandlung“ jetzt vollständig

Noch rechtzeitig vor Weihnachten kann ich melden: “ I proudly present“. Und das ist dann der endgültige Beweis.: Das Jahr 2018 geht nun wirklich dem Ende entgegen. Denn nun ist, nachdem auch „Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung. 9. Auflage , 2019“ erschienen ist, alles am Markt, was 2018 am Markt sein sollte.

Ich habe die Belegexemplare zur Hauptverhandlung gerade ausgepackt und habe mich wie immer auch über diese Neuerscheinung gefreut. Auch hier haben wir, weil der Umfang stark zugenommen hat, auf ein anderes Format umstellen müssen, auch der Satz hat sich verändert. Dadurch ist auch dieses Buch natürlich „dünner“ geworden als die Vorauflage. Das wieder nur als Hinweis an diejenigen, die meinen in der 9. Auflage stehe weniger Inhalt als in der 8. Auflage. Nein. Das ist nicht der Fall.

Und die Freude über das Erscheinen des Werks ist dieses Mal auch nicht getrübt. Denn mein Vorname ist richtig geschrieben. Danke Verlag 🙂 . Das musste jetzt sein. Und die Scharte beim Ermittlungsverfahren ist, wie man sieht, dann auch gleich ausgewetzt, wenigstens fast 🙂 .

Bei der Gelegenheit dann Dank an alle Mitarbeiter im Verlag, die sich in 2018 für meine Werke „den A…. aufgerissen“ haben, damit sie noch rechtzeitig in 2018 erscheinen. Ich weiß, die Zusammenarbeit ist mit mir ungeduldigem Autor nicht immer einfach, aber am Ende wird alles gut. Oder Helmut Kohl hätte gesagt: Entscheidend ist, was hinten raus kommt.

Und das sind – wie immer . gute Produkte, die man natürlich auch auf meiner Homepage bestellen kann, und zwar dann hier. Da geht es dann zu den Paketen „EV und HV“ bzw. dem Komplettpaket „EV, HV, Rechtsmittel und Nachsorge“. Die werden übrigens, wenn sie jetzt bestellt werden, ausgeliefert, wenn die „Nachsorge“ wieder lieferbar ist. Denn wir sind da ausverkauft (gewesen). Das dauert dann ein wenig….