Archiv für den Monat: August 2018

Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren verdiene ich im Adhäsionsverfahren?

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Vorab: Im Moment ist es mit Fragen „mau“, d.h. ich habe kaum noch Vorrat in meinem Ordner. Daher bin/wäre ich für Fragen dankbar. Und natürlich auch – wie immer – für RVG-Entscheidungen. Auch da habe ich nicht (mehr) viel Material.

Aus den noch vorhandenen Fragen dann heute eine zum Adhäsionsverfahren, und zwar:

„Sehr geehrter Herrr Kollege,

auch mit der Gefahr, dass ich mich blamiere,weil ich all Ihre Bücher habe und das irgendwo stehen müsste:

Da ich keine Nebenklage mache, bin ich etwas ahnungslos:

Was kann der Geschädigtenvertreter für eine anwaltliche Vertretung im Adhäsionsverfahren ( Stellung des Antrages sowie 1 Teilnahme am Gerichtstermin) abrechnen?

Mir war nur bekannt, dass da eine 2,0 Verfahrensgebühr nach 4143 anfällt aber was ist mit der Teilnahme an der Hauptverhandlung? Bekommt er noch die „Nebenklagevertretergebühren“ nach 4100 VV RVG wie ein Verteidiger dazu?

Gruß aus….“

Dolmetscher bei jugendrichterlichen Weisungen, oder: Wer trägt die Dolmetscherkosten?

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich heute vorstelle, geht es um die Frage: Wer trägt die Dolmetscherkosten, die im JGG-Verfahren bei Durchführung jugendrichterlicher Weisungen entstanden sind/entstehen. Ausgangspunkt ist ein Verfahren, in dem das AG Reutlingen den Angeklagten – einen Portugiesen – einer vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gesprochen und aufgrund eines entsprechenden Vorschlags der Jugendgerichtshilfe – angeordnet hat, dass dieser sich einer sechsmonatigen Betreuungsweisung nach Maßgabe der Jugendgerichtsgerichtshilfe zu unterziehen hat.

Mit der Abwicklung der Auflage wurde die Jugendgerichtshilfe (Kreisjugendamt Reutlingen)  beauftragt. Der Verein Hilfe zur Selbsthilfe e.V., der ein Projekt Betreuungsweisungen unterhält, wurde wiederum von der Jugendgerichtshilfe mit der Durchführung der Betreuungsweisung beauftragt. Ein Vertreter dieses Vereins beantragte mit Schreiben vom 11.04.2017, dass seitens des AG, die Finanzierung von zwei Dolmetscherstunden für die Sprache Portugiesisch zur Durchführung der Betreuungsauflage genehmigt wird. Hintergrund war, dass die Mutter des Verurteilten kein Deutsch verstand und daher ein Gesprächstermin mit dem Verurteilten und ihr nur unter Hinzuziehung eines Dolmetschers durchgeführt werden konnte.

Das AG gewährte der Bezirksrevisorin bereits vorab Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Antrag und entschied, dass „im Rahmen der Vollstreckung“ des Urteils, insbesondere der dort beinhaltenen Weisung nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 JGG, die Heranziehung eines Dolmetschers (Entschädigung nach dem JVEG) für zwei Stunden für ein Gespräch im Rahmen der Betreuungsweisung mit dem Verurteilten und dessen Mutter für notwendig erachtet und ein Dolmetscher für die portugiesische Sprache „durch das Amtsgericht Reutlingen bestellt“ wird.

Dagegen das Rechtsmittel der Staatskasse, das Erfolg hatte. Das LG Tübingen hat im LG Tübingen, Beschl. v. 28.03.2018 – 3 Qs 14/17 – den Beschluss des AG aufgehoben und der Antrag auf Hinzuziehung eines Dolmetschers zur Durchführung der Weisung gem. § 10 Abs. 1 Nr. 5 JGG und dessen Entschädigung nach JVEG abgelehnt.

Begründung u.a.:

„c) Die Vorschrift des § 36a SGB VIII stellt eine wirksame Rechtsgrundlage für die Frage der Kostentragung der durchgeführten Betreuungsweisung und der insoweit mit entstandenen Dolmetscherkosten dar. Die Kammer sieht obschon der teilweise geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken (AG Eilenburg ZJJ 2006, 85) die Vorschrift auch als verfassungsgemäß an:

Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Norm missglückt ist, entspricht sie doch angesichts des Fehlens einer durchsetzbaren Verpflichtung zur Durchführung von Weisungen nach § 10 JGG bereits nicht der im Rahmen des JGG geltenden Rechtslage. Würde eine solche durchsetzbare Verpflichtung bestehen, wäre § 10 JGG systematisch der Vollstreckung des jugendrichterlichen Urteils zuzuordnen und die anfallenden Kosten und Auslagen wären solche i.S.d. § 74 JGG – die Frage der Kostentragung würde sich mithin bei Ernstnahme der Formulierung des § 36a SGB VIII nicht stellen, weil diese hiernach nach dem GKG (hier Anlage 1 Nr. 9005) zu beantworten wäre. § 36a SGB VIII führt im Ergebnis zudem dazu, dass eine letztverbindliche Entscheidung über die Kostentragungspflicht auch bei justiziell angeordneten Maßnahmen beim Jugendamt verbleibt. Zugleich weist das JGG den Jugendgerichten einen gesetzlichen Aufgabenbereich zu, den diese zu erfüllen haben, u.a. dadurch, dass sie von der Jugendgerichtshilfe mit dem verurteilten Jugendlichen durchzuführende Auflagen, z. B. gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 JGG, anordnen. Während die Jugendgerichte mithin zur Aufgabenerfüllung in § 38 Abs. 2 §. 5 JGG gesetzlich verpflichtete Behörden zur Durchführung von Aufgaben „mittelbar verpflichten“ können, können diese die Tragung der Kosten hierfür ablehnen, auch wenn das Gericht sie hiermit betraut; ein Risiko, dass die Frage der Kostentragung bei Ablehnung durch das Jugendamt mangels anderweitiger expliziter Rechtsgrundlage offen bleibt, erscheint daher denkbar.

….

d) Aus § 36a Abs. 1 SGB VIII ergibt sich vorliegend eine Pflicht der Jugendgerichtshilfe, die Kosten der Durchführung der Betreuungsweisung und auch die Kosten eines in diesem Rahmen hinzugezogenen Dolmetschers zu tragen. § 36a Abs. 1 Hs. 1 SGB VIII sieht eine solche dem Wortlaut nach vor, wenn eine Hilfsmaßnahme „auf Grundlage der Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht“ wird.

Vorliegend hat eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe an der Hauptverhandlung teilgenommen. In ihrem bereits vorab schriftlich eingereichten Bericht hat die Jugendgerichtshilfe auf Grundlage einer umfangreichen Stellungnahme einen Sanktionsvorschlag unterbreitet – nämlich, dass es „zu begrüßen wäre, den Jugendlichen im Rahmen einer Betreuungsweisung auf seinem weiteren Weg eine zeitlang zu begleiten und zu unterstützen“. Diesen Vorschlag hat der Jugendrichter im   Urteil tenoriert. Auch der Wunsch nach der Hinzuziehung eines Dolmetschers wurde seitens der bei der Durchführung der Maßnahme behördlicherseits beauftragten Personen des Vereins Hilfe zur Selbsthilfe e.V. geäußert (so im Schreiben vom 11.04.2017), welche insoweit für die Jugendgerichtshilfe tätig wurden.

Im Rahmen der Durchführung der Maßnahme ist das Jugendamt zur Überzeugung der Kammer an das Votum ihres Vertreters im Vorfeld des Urteils gebunden und hat deshalb nach § 36a SGB VIII die Kosten für die Durchführung der ausgeurteilten Maßnahme zu tragen, auch soweit gerade das Jugendamt dahin votiert, dass zur adäquaten Durchführung der Maßnahmen bestimmte wei  tere Aufwände (wie hier der eines Dolmetschers) ergriffen werden müssen (wie hier: Brand NStZ   2007, 190; Münder SGB VIII § 52 Rn. 22; auch das Bundesverfassungsgericht zieht diese Möglichkeit im genannten Beschluss in Erwägung, a.a.O., Rn. 27). Die Jugendgerichtshilfe (und das Jugendamt als Träger) würde sich widersprüchlich verhalten, wenn sie zunächst nach Prüfung durch die Jugendgerichtshilfe eine Betreuungsweisung unter Einbeziehung der Jugendgerichtshilfe vorschlagen würde und eine langfristige Arbeit in diesem Rahmen mit dem Jugendlichen empfiehlt, andererseits aber die Kostentragung auf Grundlage des § 36a Abs. 1 SGB VIII später ablehnen könnte und würde.

…..

e) Die vom Amtsgericht angenommenen Voraussetzungen, um im Wege der Analogiebildung bzw. „Annexkompetenz“ über die explizit geregelte Rechtslage hinaus eine Rechtsgrundlage für die Hinzuziehung des Dolmetschers im Rahmen der Durchführung der Betreuungweisung und dessen Vergütung nach dem JVEG zu finden, lagen mithin aufgrund fehlender Regelungslücke nicht vor. Aus den seitens des Amtsgerichts wie der Bezirksrevisorin angeführten Entscheidungen des OLG Stuttgart wie auch des OLG Celle ergibt sich nichts anderes, nachdem die Entscheidung des OLG Stuttgart Urintests als Bewährungsweisung (gemäß § 56c StGB) und die Entscheidung des OLG Celle Dolmetscherkosten im Ermittlungsverfahren betrifft. In beiden Fällen ist die Annahme einer Regelungslücke hinsichtlich der Kostentragung Ausgangspunkt für die Entscheidung über das Vorliegen einer „Annexkompetenz“ (im Fall des OLG Stuttgart z. B. zu § 56c StGB). In keinem der genannten Fälle besteht auf öffentlich-rechtlicher Grundlage eine Vorschrift, welche – wie hier – die Frage der Kostentragung auf erster Ebene regelt, weshalb aus der insoweit zitierten Rechtsprechung für den hiesigen Fall nichts gewonnen werden kann.

Mal was anderes, aber für den Verurteilten im Hinblick auf § 74 JGG interessant.

Keine zusätzliche Verfahrensgebühr, oder: „… ein Satz für die Ewigkeit….“

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Der Kollege Scheffler aus Bad Kreuznach hat mir den LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 15.08.2018 – 2 Qs 80/18. Es geht um eine Gebührenfrage, und zwar mal wieder um die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG. Deren Festsetzung hat das LG abgelehnt.

Leider ergibt sich aus dem Beschluss nichts zum Sachverhalt. Der Kolleg hat ihn kurz skizziert mit: „Instanzenzug AG – LG – OLG – wieder LG. Dann setzt sich Mandant ab in die Türkei. Dann passiert seit 2010 nichts, im März 2018 dann endgültige Einstellung nach § 153 II StPO.“

Das LG lehnt die Festsetzung einer zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG ab:

„Die beantragte zusätzliche Gebühr Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV ist in dem Verfahren nicht angefallen. Dem Wortlaut nach entsteht die Gebühr, wenn die Hauptverhandlung „durch die anwaltliche Mitwirkung“ entbehrlich wird, weil (Abs. 1 Nr. 1) das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird.

Es kommt darauf an, ob ein Beitrag des Verteidigers vorliegt, der objektiv geeignet ist, das Verfahren in formeller und/oder materieller Hinsicht im Hinblick auf eine Verfahrensbeendigung außerhalb der Hauptverhandlung zu fördern (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 08.03.2010 – 2 Ws 29/10-zitiert nach juris-online). Solch ein Beitrag des Pflichtverteidigers liegt nicht vor. „Irgendeine Tätigkeit des Verteidigers“ ist gerade nicht ausreichend. Weder zur Verfahrenseinstellung nach § 205 StPO durch Beschluss des LG Bad Kreuznach vom 08.04.2010, noch zur endgültigen Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO durch Beschluss des LG Bad Kreuznach vom 20.03.2018, hat der Pflichtverteidiger beigetragen. Das Hinauszögern einer endgültigen Entscheidung durch Einlegung von Rechtsmitteln kann nicht als Beitrag im Sinne von Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV gewertet werden.“

Ich habe erhebliche Bedenken, ob das so richtig ist, ws sich letztlich aber ohne genaue Kenntnis der Akten nicht abschließend beurteilen lässt. Allein ein Einstellungsantrag des Kollegen, den er im Laufe des Verfahrens gestellt hat, würde ja ausreichen, auch wenn es der Beschwerdekammer – den Eindruck habe ich – nicht passt.

Und der letzte Satz aus dem Beschluss: „Das Hinauszögern einer endgültigen Entscheidung durch Einlegung von Rechtsmitteln kann nicht als Beitrag im Sinne von Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV gewertet werden.“ ist – so der Kollege in der Übersendungsmail – „ein Satz für die Ewigkeit“, der m.E. so aber auch nicht richtig ist. Denn wo steht, dass „Das Hinauszögern einer endgültigen Entscheidung durch Einlegung von Rechtsmitteln…“ keine Mitwirkung i.S. der Nr. 4141 VV RVG darstellt. Mitwirkung ist jede Tätigkeit, die objektiv geeignet ist, die Hauptverhandlung zu vermeiden.

Strafrecht III: Das Aufbewahren von BtM, oder: Mittäter oder nur Gehilfe?

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Autor : Evan-Amos – Own work

Und als dritte „materielle“ Entscheidung hier dann der BGH, Beschl. v. 08.05.2018 – 2 StR 130/18. Er stammt aus dem Bereich des „Nebenstrafrechts“, dort aber aus einem Bereich mit erheblicher praktischer Bedeutung, nämlich dem Bereich der Btm-Delikte. Es geht (mal wieder) um die Frage der Mittäterschaft des Angeklagten beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln.

Dazu hatte das LG „festgestellt, dass der Angeklagte von Ende Juli bis zum 29. August 2016 für den gesondert verfolgten S. 10 kg Haschisch, 2 kg Marihuana und 35 g Kokain aufbewahrte, die dieser zum gewinnbringenden Weiterverkauf verwenden wollte. Als Gegenleistung für die Aufbewahrung dieser Betäubungsmittel und seine Mitwirkung beim Verpacken von Verkaufsportionen wurde dem Angeklagten von S. gestattet, soviel Marihuana für seinen eigenen Konsum zu entnehmen, wie er wollte. Tatsächlich konsumierte der Angeklagte in der Folgezeit täglich 3 bis 4 g Marihuana aus diesem Vorrat. Außerdem übergab S. ihm zwei Flaschen Parfüm und mehrere Flaschen Asthma-Spray.

b) Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe sich durch die Aufbewahrung der Betäubungsmittel als Mittäter des tateinheitlich begangenen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar gemacht. Er habe einen erheblichen Tatbeitrag zum Handeltreiben geleistet, weil S. ohne seine Mitwirkung nicht mehr auf die Betäubungsmittel habe zugreifen können. Außerdem habe er eigennützig gehandelt, um Marihuana für seinen Eigenkonsum zu erhalten.“

Der BGH meint/sagt:

„c) Die Annahme von Mittäterschaft des Angeklagten beim tateinheitlich begangenen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist rechtsfehlerhaft.

aa) Das Aufbewahren von Rauschgift für einen Dritten, das zur gewinnbringenden Veräußerung bestimmt ist, kann zwar im Einzelfall ein Tatbeitrag sein, der die Annahme von Mittäterschaft beim Handeltreiben rechtfertigt. Ob es sich so verhält, bestimmt sich aber nach den allgemeinen Grundsätzen für die Abgrenzung der Beteiligungsformen gemäß § 25 Abs. 2 oder § 27 StGB.

Die Feststellung, dass der Angeklagte eigennützig handelte, reicht, wie das Landgericht erkannt hat, nicht aus, um täterschaftliches Handeltreiben zu begründen. Für die Wertung seines Tatbeitrags als Beihilfe spricht, dass sich die Mitwirkung des Angeklagten an dem Umsatzgeschäft in der Aufbewahrung der Betäubungsmittel und einer Hilfe beim Verpacken von Verkaufsportionen erschöpfte. Derartige Hilfstätigkeiten können zwar im Einzelfall für die Annahme von Mittäterschaft genügen. Hier ist jedoch zu bedenken, dass der Angeklagte weder mit der Beschaffung der Betäubungsmittel noch, von seiner Mitwirkung beim Verpacken der Verkaufsportionen abgesehen, mit den Verkaufsgeschäften zu tun hatte. Angesichts dessen hat der Umstand, dass er kleine Mengen Marihuana zum Eigenkonsum aus dem großen Betäubungsmittelvorrat entnehmen durfte und Parfüm sowie Asthma-Spray von S. erhielt, keine ausschlaggebende Bedeutung. Dies rechtfertigt nicht die Wertung des Tatbeitrags des Angeklagten als Mittäterschaft. Nichts anderes gilt für die Feststellung, dass S. nur mit Hilfe des Angeklagten Zugriff auf den Betäubungsmittelvorrat nehmen konnte (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juni 2003 – 2 StR 139/03, NStZ-RR 2003, 309 f.).

bb) Der Senat ändert den Schuldspruch insoweit in Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

Dient der Besitz an den Betäubungsmitteln der gewinnbringenden Weiterveräußerung, tritt die Strafbarkeit wegen Besitzes hinter das täterschaftlich begangene Handeltreiben zurück, während zwischen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und Besitz Tateinheit besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2017 – 4 StR 580/16, StraFo 2017, 128 f. mwN).“

Strafrecht II: Wenn die Polizeibeamtin „im Schritt gekniffen“ wird, oder: Was ist mit der sexuellen Belästigung?

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um dne zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmten BGH, Beschl. v. 13.03.2018 – 4 StR 570/17. Das LG hat die Angeklagte wegen sexueller Belästigung gemäß § 184i Abs. 1 StGB zum Nachteil einer Polizeibeamtin verurteilt.

Dazu hat das LG folgende Feststellungen getroffen: Nachdem die Angeklagte wegen eines anderen Geschehens festgenommen worden war, wurde sie in den Räumen einer Polizeiwache – in Anwesenheit der geschädigten Polizeibeamtin – von einer weiteren Polizeibeamtin körperlich durchsucht. Die Angeklagte, der die Durchsuchung missfiel, rief der Geschädigten zu: „Und Du willst wohl auch gleich in meine Fotze gucken? Soll ich auch in Deine greifen?“ Dabei griff sie der Geschädigten mit einer schnellen Bewegung in den Schritt und kniff sie dort schmerzhaft. Die Geschädigte war hierdurch schockiert; der Vorfall war ihr peinlich, und sie ekelte sich sehr.

Der BGH hat die Verurteilung durch das LG wegen eines Verstoßes gegen § 184i Abs. 1 StGB beanstandet. Er führt in der recht umfangreich begründeten Entscheidung – daher hier heute mal eine redaktionelle Zusammenfassung – aus, dass zwar die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Straftatbestandes der sexuellen Belästigung im Sinne des § 184i Abs. 1 StGB erfüllt seien. Das LG habe indes nicht geprüft, ob der Strafbarkeit nach § 184i Abs. 1 StGB die Subsidiaritätsklausel dieser Vorschrift entgegenstehe.

Auslegungskriterien wie zum Begriff der sexuellen Handlung nach § 184h Nr. 1 StGB

  • Dabei geht der BGH in der in Literatur streitigen Frage der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der körperlichen Berührung „in sexuell bestimmter Weise“ i.S. von § 184i Abs. 1 StGB davon aus, dass das Vorliegen einer Berührung „in sexuell bestimmter Weise“ anhand der Auslegungskriterien zu bestimmen sei, welche die Rechtsprechung zum Begriff der sexuellen Handlung nach § 184h Nr. 1 StGB entwickelt hat (Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 184i Rn. 4 bis 5a; in diese Richtung auch BeckOK-StGB/Ziegler, Stand: 1. Februar 2018, § 184i Rn. 4 und 5); demnach könne eine Berührung sowohl objektiv – nach dem äußeren Erscheinungsbild – als auch subjektiv – nach den Umständen des Einzelfalls – sexuell bestimmt sein, wobei es allerdings nicht ausreiche, dass die Handlung allein nach der subjektiven Vorstellung des Täters sexuellen Charakter habe (Fischer, a.a.O.; a.A. – Bestimmung anhand objektiver Umstände und der Sexualbezug muss sich aus der Berührung als solcher ergeben MüKo-StGB/Renzikowski, 3. Aufl., § 184i Rn. 8; ders., NJW 2016, 3553, 3557; SK-StGB/Noltenius, 9. Aufl., § 184i Rn. 6; Hörnle, NStZ 2017, 13, 20; Hoven/Weigend JZ 2017, 182, 189; in diese Richtung auch Krug/Weber ArbR 2018, 59, 60). Mit Blick auf § 184h Nr. 1 StGB sprechen nach Auffassung des BGH für diese Auslegung insbesondere systematische Erwägungen. Zudem werde sie durch den Wortlaut sowie Sinn und Zweck der neuen Strafvorschrift gestützt. Eine Berührung in sexuell bestimmter Weise sei demnach zu bejahen, wenn sie einen Sexualbezug bereits objektiv, also allein gemessen an dem äußeren Erscheinungsbild, erkennen lässt. Darüber hinaus können auch ambivalente Berührungen, die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein. Dabei sei auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalles kenne; hierbei sei auch zu berücksichtigen, ob der Täter von sexuellen Absichten geleitet war. Insofern gelte im Rahmen von § 184i Abs. 1 StGB nichts anderes als bei der Bestimmung des Sexualbezugs einer Handlung gemäß § 184h Nr. 1 StGB (vgl. hierzu die st.Rspr.; BGHSt 61, 173, 176; BGH NStZ 2002, 431, 432, 2017, 528; StV 2018, 231; StraFo 2015, 471).

Kneifen im Schritt Bezug zum Geschlechtlichen

  • Gemessen daran sei die Annahme des LG, die Angeklagte habe den Tatbestand des § 184i Abs. 1 StGB objektiv und subjektiv erfüllt, nicht zu beanstanden. Die Angeklagte habe die Geschädigte nach den Urteilsfeststellungen gezielt in den Schritt – also in den Bereich des primären Geschlechtsorgans – gekniffen. Hierdurch ergebe sich bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild ein Bezug zum Geschlechtlichen (vgl. für Berührungen im Bereich der primären Geschlechtsorgane im Ergebnis übereinstimmend: BT-Drucks. 18/9097, S. 30; Fischer, a.a.O., § 184i Rn. 4; MüKo-StGB/Renzikowski, a.a.O., § 184i Rn. 8; Hörnle, NStZ 2017, 13, 20). Dieser sexuelle Bezug sei, ohne dass es hierauf noch maßgeblich ankäme, verstärkt worden durch die begleitende Äußerung der Angeklagten, aus welcher sich ergebe, dass gerade die Intimsphäre der Geschädigten als Reaktion auf die eigene, als störend empfundene körperliche Durchsuchung verletzt werden sollte. Da sich eine Berührung in sexuell bestimmter Weise bereits hinreichend aus den äußeren Umständen ergebe, sei es unerheblich, dass keine sexuelle Motivation der Angeklagten festgestellt sei, sondern sie naheliegend allein aus Renitenz und zur Provokation der Geschädigten handelte.

Aufgehoben hat der BGH, weil sich das LG nicht damit auseinander gesetzt hat, dass eine Strafbarkeit wegen sexueller Belästigung nach § 184i Abs. 1 StGB ausscheidet, wenn die Tat in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Aus der uneingeschränkt auf „andere Vorschriften“ verweisenden Subsidiaritätsklausel ergibt sich, dass § 184i Abs. 1 StGB von allen Strafvorschriften mit schwererer Strafandrohung verdrängt wird und nicht nur von solchen des 13. Abschnitts des Strafgesetzbuches (vgl. Fischer, a.a.O., § 184i Rn. 16; MüKo-StGB/Renzikowski, a.a.O., § 184i Rn. 14; SK-StGB/Noltenius, a.a.O., § 184i Rn. 13). Zwar verweist die Gesetzesbegründung in diesem Zusammenhang nur auf Straftatbestände, die eine mit § 184i StGB „vergleichbare Schutzrichtung aufweisen“ (BT-Drucks. 18/9097, S. 30). Dieser gesetzgeberische Wille hat aber im Wortlaut des § 184i Abs. 1 StGB keinen Niederschlag gefunden und ist damit unbeachtlich, da der Wortlaut die äußerste Grenze der Auslegung ist (vgl. SK-StGB/Noltenius, a.a.O., § 184i Rn. 13; MüKo-StGB/Renzikowski, a.a.O.; vgl. zur entsprechend weiten Auslegung der Subsidiaritätsklausel im Rahmen von § 246 Abs. 1 StGB: BGHSt 47, 243 ff.; so auch zu § 125 Abs. 1 StGB a.F. BGHSt 43, 237, 238 f.).

Im LG-Urteil sind aber, obwohl sich das nach Auffassung des BGH aufgedrängt hat, etwaige vorrangige Tatbestände nicht geprüft worden. Aus den Feststellungen ergab sich, dass die Angeklagte die Geschädigte „schmerzhaft“ kniff, was das Vorliegen einer Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB – dieses Delikt ist mit schwererer Strafe bedroht als § 184i Abs. 1 StGB – nahelegt.

Und, wer sich fragt, ob die Angeklagte überhaupt „beschwert“ ist: Ja, das ist sie nach Auffassung des BGH. Denn die Verurteilung nach § 184i Abs. 1 StGB anstatt (möglicherweise) nach § 223 Abs. 1 StGB beschwere die Angeklagte trotz des höheren Strafrahmens der letztgenannten Vorschrift. Aus einem zu milden Schuldspruch ergebe sich nämlich dann eine Beschwer, wenn das vom Tatrichter angewandte Strafgesetz völlig verschieden ist von demjenigen, welches in Wahrheit verletzt wurde (vgl. BGHSt 8, 34, 37; LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 354 Rn. 22; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. 2018, § 354 Rn. 17). Dies müsse auch gelten, wenn der Strafbarkeit lediglich die formelle Subsidiarität einer Vorschrift entgegensteht, da auch das Nichteingreifen der Subsidiaritätsklausel Voraussetzung der Strafbarkeit ist.