Archiv für den Monat: August 2018

Strafrecht I: Diebstahl im besonders schweren Fall, oder: Schutz durch „Sicherungsspinne“?

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Author Rainer Lippert

Materielles Strafrecht kommt hier im Blog immer ein wenig kurz. Dem will ich dann heute mal abhelfen mit drei Entscheidungen zum StGB.

Den Opener macht der BGH, Beschl. v. 26.06.2018 – 1 StR 78/18. Verurteilt worden ist der Angeklagte wegen „einfachen“ Diebstahls. Die StA hat Revision eingelegt. Sie möchte eine höhere Strafe. Sie beanstandet, dass die Strafkammer die Voraussetzungen eines besonders schweren Falls des Diebstahls nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB verneint und sodann auch einen unbenannten besonders schweren Fall nach § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB abgelehnt hat.

Das Rechtsmittel hatte beim BGH Erfolg. Auszugehen war von folgenden Feststellungen:

Nach den Urteilsfeststellungen beschlossen der Angeklagte und der Mitangeklagte Al. , im Elektronikfachmarkt von der Aktionsware ein Tablet der Marke Samsung Galaxy Tab 6 zu entwenden. Um die ca. 18 × 30 cm große Verpackung waren Elektrodrähte angebracht (sog. Sicherungsspinne). Bei Durchtrennen der Drähte oder Passieren des Kassenbereichs löst die Sicherungsvorrichtung ein Alarmsignal aus.

Der Angeklagte entfernte mit einer von ihm gewohnheitsmäßig als Drogenutensil verwendeten 3,2 cm langen und in einem Bereich von 2 cm scharfgeschliffenen Skalpellklinge die Sicherungsspinne an der Verpackung des Tablets. Anschließend entnahm der Mitangeklagte Al. das Tablet aus der Verpackung und steckte es unter sein T-Shirt in den Hosenbund. Die leere Verpackung legte er in einem Gang des Marktes ab.

Der Angeklagte wollte nun auch ein Tablet für sich haben. Deshalb begaben sich beide erneut zu der Aktionsware. Der Mitangeklagte Al. nahm ein weiteres Tablet desselben Modells, bei dem sich allerdings die Sicherungsspinne ohne Werkzeugeinsatz entfernen ließ. Zusammen mit dem verpackten Tablet gingen die Angeklagten in die DVD-Abteilung. Absprachegemäß deckte der Angeklagte den Mitangeklagten Al. ab, während dieser versuchte, die Verpackung zu öffnen. Da er das Siegel nicht entfernen konnte, nahm er sein Taschenmesser, von dem der Angeklagte keine Kenntnis hatte, aus der Hosentasche, schnitt das Siegel auf, riss die Verpackung auf und steckte das Tablet ebenfalls unter sein T-Shirt in den Hosenbund. Die leere Verpackung legte er zu den DVDs. Anschließend gingen beide in Richtung Ausgang und verließen ohne zu bezahlen den Markt.“

Dazu der BGH:

Der Strafausspruch hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand, weil die getroffenen Feststellungen dem Revisionsgericht keine Prüfung ermöglichen, ob die Strafkammer das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB ohne Rechtsfehler verneint hat. Nach dieser Vorschrift liegt ein besonders schwerer Fall des Diebstahls in der Regel dann vor, wenn der Täter eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist. Die Schutzvorrichtung muss tatsächlich funktionsfähig und aktiviert sein. Deshalb ist ein offenes Schloss oder ein geöffneter Tresor keine Schutzvorrichtung gegen Wegnahme (z.B. BGH, Beschluss vom 20. April 2005 – 1 StR 123/05; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 243 Rn. 16a; LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 243 Rn. 29).

Schutzvorrichtungen i.S.d. § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB sind – wie das als Beispiel erwähnte Behältnis – solche, die nach ihrer Beschaffenheit dazu geeignet und bestimmt sind, die Wegnahme einer Sache erheblich zu erschweren. Nicht ausreichend ist es, wenn die Schutzvorrichtung erst wirksam wird, wenn der Gewahrsam bereits gebrochen ist. Deshalb sind Sicherheitsetiketten an Waren in Kaufhäusern, die akustischen oder optischen Alarm erst auslösen, wenn der Täter das Kaufhaus verlässt, keine Schutzvorrichtungen. Sie sind nicht dazu geeignet und bestimmt, den Gewahrsamsbruch, der bei handlichen und leicht beweglichen Sachen in der Regel mit dem Verbergen des Diebesguts in der Kleidung des Täters oder in einem von diesem mitgeführten Behältnis innerhalb des Kaufhauses vollendet ist (vgl. hierzu z.B. BGH, Beschluss vom 16. September 2014 – 3 StR 373/14, Vollendung des Diebstahls durch Einstecken des Notebooks in den mitgeführten Jute-Beutel; Urteil vom 6. November 1974 – 3 StR 200/74, BGHSt 26, 24, 25 f.; Fischer, aaO, Rn. 16 und § 242 Rn. 18 mwN; Schönke/Schröder/Eser/Bosch, 29. Aufl., § 243 Rn. 25), zu verhindern, sondern sie dienen der Wiederbeschaffung des bereits an den Täter verlorenen Gewahrsams (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Dezember 1997, 2 Ss 347/97 – 98/97 II, NJW 1998, 1002; OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. Oktober 1984 – 1 Ss 672/84, NStZ 1985, 76; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Januar 1993 – 3 Ss 396/92, MDR 1993, 671, 672).

Hat die Sicherungsspinne bei Durchtrennen mit dem Skalpell keinen Alarm ausgelöst, weil sie defekt oder nicht aktiviert war, handelt es sich nicht um eine Schutzvorrichtung i.S.d. § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB. Ob dies der Fall war oder die Sicherungsspinne ohnehin erst beim Verlassen des Elektronikfachmarkts Alarm ausgelöst hätte, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Hätte sie erst beim Verlassen des Markts Alarm ausgelöst, ist sie in der Funktionsweise den Sicherungsetiketten vergleichbar. Hat sie aber bereits beim Durchtrennen der Drähte Alarm ausgelöst, ist zu prüfen, ob diese Funktion bereits den Bruch des Gewahrsams erschwert. So sind Einbruchsmelder an Gebäuden oder Autoalarmanlagen Schutzvorrichtungen, da sie dazu dienen, den Gewahrsamswechsel durch Alarmierung hilfsbereiter Dritter zu erschweren (Vogel, aaO, § 243 Rn. 30). Allerdings kann bei kleineren Gegenständen im Kaufhaus der Gewahrsamsbruch bei Ertönen des Alarmsignals bereits vollzogen sein oder noch vollzogen werden; denn es macht das Personal nur auf eine stattgefundene Manipulation oder einen erfolgten Gewahrsamsbruch aufmerksam. Das Personal kann, wenn es ihm gelingt, den Täter rechtzeitig zu erkennen und zugriffsbereite Personen vorhanden sind, Maßnahmen zu dessen Ergreifung und Wiedererlangung des Gegenstands einleiten.“

OWi III: Ausschaltung der StA im Bußgeldverfahren, oder: Das führt zu einem Verfahrenshindernis

Das AG Dortmund hat vor einigen Tagen den AG Dortmund im Beschl. v. 05.07.2018 – 729 OWi-100 Js 1/18-140/18 übersandt. Mit dem Beschluss habe ich Probleme 🙂 .

Es geht um eine (fehlerhafte) Vorlage der Akten im Bußgeldverfahren beim AG. Nach § 69 Abs. 3 OWiG übersendet nach einem Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid die Verwaltungsbehörde die Akten über die Staatsanwaltschaft an das AG, wenn sie den Bußgeldbescheid nicht zurücknimmt und sie nicht den Einspruch nach § 69 Abs. 1 Satz 1 OWiG als unzulässig, z.B. wegen Fristversäumung, verwirft. Hier waren die Akten aber nicht über die StA, sondern unmittelbar von der Verwaltungsbehörde an das AG übersendt worden. Das AG hat deswegen wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt:

„Die weitere Verfolgung im hiesigen Verfahren ist ausgeschlossen, weil die Verwaltungsbehörde die Akte unmittelbar an das AG übersandt hat, aber nicht vorlagebefugt i.S.d. § 69 Abs. 3 OWiG ist. Nach dieser Vorschrift übersendet die Verwaltungsbehörde die Akten über die Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht. Die im vorliegenden Falle festzustellende Ausschaltung der Staatsanwaltschaft als im Zwischenverfahren nunmehr eigentlich zuständige Verfolgungsbehörde  führt nach Ansicht des Gerichtes zu einem Verfahrenshindernis, das wiederum eine Verfahrenseinstellung bedingt.

Das ist alles. Seine – für den Betroffenen – günstige Entscheidung hat das AG nicht näher begründet. Offen bleibt für mich, warum das AG das Verfahren nicht an die Verwaltungsbehörde unter Hinweis auf die mangelnde Vorlagebefugnis zurückgesandt hat. Das hätte den Weg eröffnet, dass dann ggf. noch ordnungsgemäß unter Einschaltung der Staatsanwaltschaft hätte vorgelegt werden können. Ob das dann noch rechtzeitig gewesen wäre, um die Verjährung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 OWiG zu unterbrechen, ist eine andere Frage.

Das AG hat zudem davon abgesehen, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Betroffenen aufzuerlegen. Das wird mit einem Hinweis auf § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO begründet. Dabei wird aber m.E. übersehen, dass hier das Verfahrenshindernis in der Sphäre der Justiz/Verwaltung liegt. Zudem dürfte der bloße Hinweis auf § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO gegen die Unschuldsvermutung verstoßen. (vgl. dazu u.a. BVerfG, Beschl. v. 13.10.2015 – 2 BvR 2436/14 und Verfahrenseinstellung und Auslagenentscheidung, oder: Ermessen, das man hat, muss man auch ausüben).

Also: Für mich Fragen über Fragen….

OWi II: Wenn der Rechtsanwalt seine Post abholt, oder: Lieferverkehr?

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Author: Mediatus

Über den OLG Köln, Beschl. v. 02.05.2018 – 1 RBs 113/18 – ist ja schon berichtet worden, allerdings m.E. nicht auf der Grundlage des Volltextes. Den habe ich mir beim OLG Köln besorgt – Dank an den 1. Senat für Bußgeldsachen – und will den Beschluss dann auch gleich hier vorstellen. Das war die Geschichte mit dem Rechtsanwalt, der mit seinem Kraftfahrzeug in eine Fußgängerzone fährt, um bei einer dort gelegenen Postfiliale seine Anwaltspost. Das OLG Köln sagt: Bei dieser Fahrt handelt es nicht um Lieferverkehr:

„1. Der Senat folgt der Auffassung des Amtsgerichts, wonach der Betroffene die Fußgängerzone nicht befahren durfte. Die Entscheidung steht im Einklang mit der zum Begriff des Lieferverkehrs ergangenen und vom Tatrichter herangezogenen höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung. Darüber hinaus zulassungsbedürftige Fragen in dieser Hinsicht wirft die Sache daher nicht auf.

Es stößt bereits an die Grenzen des Wortsinns, die Erledigung postalischer Geschäfte für die Anwaltskanzlei unter den Begriff des Lieferverkehrs zu fassen. Der allgemeine Sprachgebrauch versteht darunter in erster Linie den Transport von Waren und Gegenständen von und zu Kunden (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.09.1993 – 11 C 38/92 – = NJW 1994, 1080; KG, Beschl. v. 14.08.1981 – 3 Ws (B) 362/89 = VRS 62, 65 ff.). Jedenfalls dienen Fußgängerzonen dem Schutz der Fußgänger, die Gelegenheit haben sollen, unbehindert und unbelästigt von Kraftfahrzeugen in Muße – ohne dass sie dabei erschreckt, gefährdet oder überrascht werden (BVerwG, a.a.O., S. 1080) – Einkäufe zu tätigen und sich die Auslagen der Geschäfte anzusehen; grundsätzlich findet deshalb dort ein motorisierter Straßenverkehr nicht statt. Ausnahmen sind nur in eng begrenztem Rahmen zulässig, um die Aufrechterhaltung eines ordnungsmäßen Geschäftsbetriebs zu gewährleisten – dazu kann etwa auch die Bestückung von Schaukästen gehören (vgl. OLG Thüringen, Beschl. v. 17.07.2012 – 1 Ss Rs 67/12 (146) – bei juris) – ­ oder die Belieferung von in der Fußgängerzone gelegenen Geschäften zu ermöglichen (BayObLG, Beschluss vom 27.09.1990 – 1 Ob OWi 259/90 – = NZV 1991, 164).

Nicht Sinn und Zweck der Ausnahmevorschrift ist es hingegen, den Gewerbetreibenden bei der Vornahme von Allerweltsgeschäften zu privilegieren, wie sie bei jedem anderen Geschäftstätigen aber auch bei Privaten anfallen und die – wie hier – in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Geschäftstätigkeit stehen (vgl. VG Gelsenkirchen Urt. v. 10.6.2016 – 17 K 4420/13, BeckRS 2016, 48220 zum vergleichbaren Fall des Haltens in einer Lieferzone).

2. Da der hier zu beurteilende Sachverhalt – wie ausgeführt – keine Veranlassung bietet, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, sieht sich der Senat an der an sich gebotenen Änderung des Schuldspruchs in vorsätzliche Begehungsweise gehindert. Der Betroffene ist wissentlich in die Fußgängerzone eingefahren. Der (mögliche) Irrtum über die Bedeutung des Begriffs des Lieferverkehrs kann dabei nur einen den Vorsatz unberührt lassenden Verbotsirrtum darstellen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 02.11.1989 – 3 Ss (OWi) 229/89 – = NJW 1990, 589), dessen Folgen sich nach § 11 Abs. 2 OWiG richten. Gem. § 11 Abs. 2 OWiG handelt (nur) derjenige nicht vorwerfbar, der seinen Verbotsirrtum nicht vermeiden konnte. Ein Verbotsirrtum ist vermeidbar, wenn der Täter bei Anwendung derjenigen Sorgfalt, die ihm nach den Umständen des Falles, seiner Persönlichkeit sowie seinem Lebens- und Berufskreis zuzumuten war, das Unerlaubte seines Tuns hätte erkennen können, wobei er alle seine geistigen Erkenntniskräfte einzusetzen und etwaige Zweifel durch Nachdenken und erforderlichenfalls durch Einholung von Rechtsrat zu beseitigen hat (BGHSt 21, 18 [20]). Ein Irrtum über die Bedeutung einer Verkehrsregelung ist dabei in aller Regel als vermeidbar anzusehen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 11.07.2007 – 3 Ss OWi 924/07 – = NJW 2007, 3081). Insbesondere mit Blick auf den beruflichen Hintergrund des Betroffenen hätte dieser entsprechende Informationen einholen und erkennen können, dass der erforderliche Zusammenhang mit seiner Geschäftstätigkeit fehlte.“

OWi I: Unzulässige Verlesung von Zeugenangaben, oder: Tatzeugen sind keine Ermittlungsbeamte

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Heute dann noch einmal ein wenig OWi-/Bußgeldverfahren. Ich bin da noch auf ein paar Entscheidungen in meinem Blogordner gestoßen, die „raus müssen“. Das ist zunächst der OLG Bamberg, Beschl. v. 28.12.2017 – 3 Ss OWi 1842/17, also schon ganz schön alt.

Er enthält eine erfolgreiche Beschwerde beim OLG Bamberg! Grund: Unzulässige Verlesung der Angaben von Tatzeugen:

„Die ordnungsgemäß (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG) erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des § 77a Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 OWiG ist, wovon auch die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg in ihrer Stellungnahme vom 11.12.2017 ausgeht, begründet. Die auf § 77a Abs. 1 OWiG gestützte Verlesung der schriftlichen Aussagen der Tatzeugen, die keine Ermittlungsbeamten i.S.d. § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO waren, hätte nach § 77a Abs. 4 Satz 1 OWiG der Zustimmung des  in der Hauptverhandlung anwesenden Verteidigers des Betroffenen bedurft. Eine solche Zustimmung ist von diesem ausdrücklich verweigert worden, was auch sein stillschweigend erklärtes Einverständnis mit der Verlesung ausschließt. Das Amtsgericht hat auch keinen in § 77a Abs- 4 Satz 2 OWiG genannten Verlesungsgrund herangezogen.

Auf diesem Verfahrensfehler kann das Urteil auch beruhen, denn die Überzeugungsbildung des Amtsgerichts wird auf die verlesenen Angaben der Tatzeugen gestützt.“

OWi III: Löschung von Messdaten bei Leivtec XV 3, oder: Interessiert uns nicht.

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Und als dritte Entscheidung zum Bußgeldverfahren dann den schon etwas älteren OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.05.2018 – 4 Rb 16 Ss 380/18. Auch nicht erfreulich – aber gibt es überhuapt noch erfreuliche Beschlüsse im Bußgeldverfahren? M.E. nicht. Überall wird gemauert.

In diesem Beschluss geht es mal wieder um eine Messung mit Leivtec XV3. Also Messung mit einem Geschwindigkeitsmessgerät, das die Rohmessdaten löscht mit der Folge, dass eine Plausibilitätsprüfung der Messung nicht mehr möglich ist. Das hatten einige AG zum Anlass genommen, die Messung als nicht verwertbar anzusehen (vgl. u.a. hier zu der ähnlichen Problematik bei Traffistar S 350  TraffiStar S 350 ist nicht toll, oder Schönen Gruß vom AG Neunkirchen, nicht alles super oder Traffistar S 350, oder: Keine Urteilsgrundlage; weitere Nachweise beim Kollegen Gratz im VerkehrsRechtsBlog und auch hier: AG Meißen wie AG Jülich, oder: Leivtex XV3 ist nicht standardisiert).

Anders das OLG Stuttgart:

„Ein Beweisverwertungsverbot folgt auch nicht daraus, dass möglicherweise durch die Softwareversion und die damit verbundene Löschung von Rohmessdaten eine Plausibilitätsprüfung der Messung nicht möglich ist. Die Bauartzulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (vgl. http://www.leivtec.de/de/pdf/Zulassung_1ste_Neufassung_270520111.pdf) für das Messgerät Leivtec XV3 indiziert bei Einhaltung der Vorgaben der Bedienungsanleitung und Vorliegen eines geeichten Gerätes nämlich die Richtigkeit des gemessenen Geschwindigkeitswertes, da ihr die Funktion eines antizipierten Sachverständigengutachtens zukommt (OLG Celle, NZV 2014, 232; OLG Bamberg, aaO). Dies gilt auch dann, wenn ein beauftragter Sachverständiger mangels Zugangs zu den patent- und urheberrechtlich geschützten Herstellerinformationen, die genaue Funktionsweise nicht im Einzelnen nachvollziehen kann (OLG Bamberg, aaO, mwN). Vorliegend hat sich das Amtsgericht zutreffend die Überzeugung davon verschafft, dass im vorliegenden Fall sowohl die Bedingungen der Bedienungsanleitung als auch eine gültige Eichung vorlagen. Das Amtsgericht hat insofern eindeutige und rechtsfehlerfreie Feststellungen getroffen.“

Da ist es mal wieder, das „antizipierte Sachverständigengutachten“, vom OLG Frankfurt aus der Taufe gehoben und von den anderen OLGs gerne kopiert.

Das OLG befindet sich übrigens in „guter“ (?) Gesellschaft (vgl. Leivtec XV 3 ist/bleibt standardisiert, oder: Die PTP, die PTB, die PTB hat immer Recht).