Archiv für den Monat: Juli 2018

Wochenspiegel für die 27. KW., das war beA, Neues zum Pflichti, Kaffee im Auto und Kinderfotos im Internet

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Die 27. KW. läuft ab. Und immer noch läuft das „Ereignis“ Fußball-WM, aber zum Glück auch nur noch eine Woche. Dann kann man im Fernsehen wieder in beiden öffentlich-rechtlichen Kanälen Uralt-Wiederholungen sehen. Eine Unverschämtheit, was man sich da jedes Jahr im Sommer erlaubt – und in diesem Jahr wegen der Fußball-WM besonders schlimm.

Aber das ist dann die richtige Zeit, um ein wenig in den Blogs zu stöbern und zu lesen, und zwar vielleicht bei folgenden Beiträgen:

  1. BeA, die BRAK und die Zeitmaschine

  2. Ja heißt ja ,

  3. Behörde ignoriert Gerichtsbeschluss zur Akteneinsicht: Bußgeldverfahren eingestellt!,
  4. Legal Aid-Richtlinie: Neues zur Pflichtverteidigerbestellung – einen Gesetzesentwurf gibt es meines Wissens dazu noch nicht,

  5. Einstellung von Kinderfotos im Internet ist eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung,
  6. AG Bonn: Verschütten von Kaffee im Fahrzeug – nicht zwingend grob fahrlässig,
  7. Straftat vor acht Jahren steht Polizeidienst entgegen,

  8. WLAN-Tracking: Vorteile und Datenschutz-Risiken,

  9. „EuGH-Fanpage-Urteil“ — Inhalt und Bedeutung für die Betreiber von Fanseiten auf Facebook (Stand: 26.06.2018),
  10. und dann war da noch: Anwaltskosten bei Wettbewerbsverbänden – am Problem vorbeigewürfelt?.

Aufstehen, wenn das Gericht den Saal betritt, oder: Wenn es der Wahrheitsfindung dient

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Als zweite Entscheidung im „Kessel Buntes“ dann der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 14.05.2018 – 1 Ws 88/17. Er stammt zwar aus einem Strafverfahren, die vom OLG entschiedene Problematik ist aber keine rein straf(verfahrens)rechtliche. Vielmeher kann sich die Frage ggf. auch in jedem Verfahren stellen. Es geht (mal wieder) um Ungebühr vor Gericht (§ 178 Abs. 1 Satz 1 GVG), wenn man sich – im entschiedenen Fall ein Zeuge – bei Eintreten des Gerichts nicht von seinem Sitzplatz erhebt. Also: Ungebühr im Sinne von § 178 Abs. 1 Satz 1 GVG, ja oder nein. Das OLG Zweibrücken hat die Frage bejaht:

„Der angefochtene Ordnungsmittelbeschluss beruht auf einem in förmlicher Hinsicht ordnungsgemäßen Verfahren (§§ 178 Abs. 2, 182 GVG). Er ist auch in sachlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, da die Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsmittels gemäß § 178 Abs. 1 GVG erfüllt sind. Dadurch, dass der Beschwerdeführer beim Eintreten des Gerichts sitzenblieb und trotz der Aufforderung aufzustehen sich nicht von seinem Platz erhoben hat, hat er sich einer Ungebühr im Sinne des § 178 Abs. 1 GVG schuldig gemacht.

Der Zweck dieser Vorschrift, in dessen Licht der in ihr enthaltene Begriff der Ungebühr auszulegen ist, geht dahin, die Würde des Gerichts zu wahren und Störungen abzuwehren, die den gesetzmäßigen Ablauf der Verhandlung und die geordnete Wahrheitsfindung in ihr beeinträchtigen (Schäfer in: Löwe-Rosenberg, StPO, 23. Aufl., § 178 GVG Rdnrn. 1 – 3; Mayr in: KK, § 178 GVG Rdnr. 2). Indessen ist beides, die Würde des Gerichts und die geordnete Wahrheitsfindung, nicht im Sinne eines unverbundenen Nebeneinander zu verstehen, die Würde des Gerichts daher nicht als ein von der Wahrheitsfindung abgehobener Achtungsanspruch aufzufassen. Worum es im Kern geht, ist vielmehr die Gewährleistung einer dem Ernst der Strafrechtspflege angemessenen, persönliche Distanz schaffenden, emotionsfreien, Unparteilichkeit und Verantwortungsbereitschaft fördernden und damit letztlich dem Ziel der Wahrheitsfindung dienenden Atmosphäre. Diese Atmosphäre herzustellen, sind die in der Hauptverhandlung gebräuchlichen äußeren Formen bestimmt (OLG Hamm, NJW 1975, 943; Schäfer, aaO, Rdnr. 4). Zu ihnen gehört das Aufstehen aller im Gerichtssaal anwesenden Personen beim Eintreten des Gerichts. Das Aufstehen versinnbildlicht die Haltung gesteigerter Verantwortung und den Ernst, die einer strafgerichtlichen Verhandlung mit ihrer oft schicksalhaften Bedeutung für den Angeklagten eigen sein muss (Eb. Schmidt, ZRP 1969, 256). Indem das Aufstehen diese Verantwortungsbereitschaft und diesen Ernst symbolhaft für alle Beteiligten darstellt, trägt es zu deren Verwirklichung und damit zur Wahrheitsfindung auch selbst bei. Mithin ist das Aufstehen vor Gericht weder Selbstzweck noch Befolgung einer bloßen Tradition, und ebensowenig ist es eine außerhalb rechtlicher Erzwingbarkeit liegende Höflichkeitsbekundung (OLG Hamm, aaO; Schäfer, aaO, Rdnrn. 4, 12). Es handelt sich auch nicht um eine den Richtern persönlich erwiesene Reverenz (Eh. Schmidt, aaO). Soweit dem Sicherheben vor dem Gericht ein Element der Achtung innewohnt, ist es die Achtung vor der besonderen Bedeutung des richterlichen Auftrags, losgelöst von der Person dessen, der jeweils diesen Auftrag erfüllt (OLG Hamm, aaO). Nicht der Person des Richters gebührt das Sicherheben bei Eintritt in die Verhandlung, sondern seinem Richteramt (OLG Hamm, aaO), und noch allgemeiner: dem gemeinsam von allen Verfahrensbeteiligten angestrebten Ziel der Verwirklichung von Wahrheit und Gerechtigkeit. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu ausgeführt: “Den Richtern, die nach der Verfassung im Namen des Volkes die rechtsprechende Gewalt ausüben (Art. 92 GG), ist von jedermann die schuldige Achtung zu erweisen” (Beschl. v. 3. 8. 1966 – 1 BvR 441/66, DRiZ 1966, 356; vgl. für das gesamte Vorstehende OLG Koblenz, Beschluss vom 2.12.1983, NStZ 1984, 234, beck-online).“

Nun ja, wenn es der Wahrheitsfindung dient…..

„Die Antenne muss runter“, oder: Antenne noch auf dem Dach ==> Haftung

entnommen wikimedia.org
Author Hydro

„Die Antenne muss runter.“ Wer kennt den Satz, wenn er mit seinem Pkw in eine Autowaschstraße fahren will, nicht. Das hatte auch der Fahrer eines Taxis vor der Einfahrt in eine Autowaschanlage von den Mitarbeitern des Betreibers gehört. Der ist der Aufforderung aber offenbar nicht gefolgt und ist mit Antenne auf dem Dach eingefahren. Die Dachantenne ist dann während des Waschvorgangs des Taxis abgerissen worden. Sie verblieb in der Waschstraße und verfing sich wohl an einer der drehenden Bürsten. Hierdurch sind Schäden an anderen Fahrzeugen entstanden. Einer der Fahrzeughalter nimmt dann die Betreiberin der Waschstraße auf Schadensersatz in Anspruch, weil sei bzw. ihre Mitarbeiter nicht darauf geachtet haben, dass das Taxi mit der Antenne auf dem Dach in die Waschstraße eingefahren ist. Das Verfahren landet dann beim AG Dortmund. Das hat im AG Dortmund, Urt. v. 29.05.2018 – 425 C 9258/17 – die Waschstraßenbetreiberin verurteilt:

„Die Beklagte zu 1) schuldet der Klägerin Schadensersatz gemäß § 280, 241 Abs. 2, 631, sowie § 823 Abs. 1 BGB.

Sofern der klagenden Partei kein Fehlverhalten bei der Benutzung oder ein defektes Fahrzeug nachzuweisen sind, wird vermutet, dass die Schadensursache im Organisations- und Gefahrenbereich des die X-Straße betreibenden Unternehmers liegt (OLG Frankfurt, NJW 2018, 637). Ein solcher Vorwurf wurde gegenüber der klagenden Partei nicht erhoben und ist auch nicht ersichtlich.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die vom Fahrzeug des Streitverkündungsempfängers abgerissene Antenne am Fahrzeug der Klägerin sowie an wohl noch ca. 9 weiteren Fahrzeugen entstandenen Schäden verursacht hat. Die Beklagte hat die Anlage, nachdem sie dies bemerkt hatte, auch sofort stillgelegt. Die Schäden sind dann von einem Mitarbeiter der Beklagten zu 1) bei allen Fahrzeugführern sofort aufgenommen worden und teilweise auch durch die im Bereich der Innenraumreinigung liegende Polierwerkstatt beseitigt worden. Das hat der Zeuge L2 bekundet und wird letztendlich von der Beklagten auch nicht mehr bestritten. Vor dem erkennenden Gericht ist noch ein weiteres Verfahren wegen des gleichen Vorfalls anhängig (425 C #####/####).

Die schuldhafte Pflichtwidrigkeit auf Seiten der Beklagten liegt hier aber darin, dass sie das Fahrzeug des Streitverkündungsempfängers hat in die Waschanlage fahren lassen, obwohl ihre Mitarbeiter bemerkt hatten, dass dieses Fahrzeug noch entgegen den allgemeinen Anweisungen vor der Einfahrt in die X-Straße eine Antenne auf dem Dach hatte. Insofern hat die Beklagte ihren eigenen Sachvortrag auch berichtigt. Sie räumt jetzt selbst ein, dass ihre Mitarbeiterin ganz am Anfang des Waschvorgangs bemerkt hatte, dass an dem Taxi die Antenne nicht abmontiert war. Soweit sie behauptet, dass ihre Mitarbeiterin dem Taxifahrer mitgeteilt habe, er müsse die Antenne beseitigen, reicht dies nicht aus. Eine solche Weisung muss auch kontrolliert werden. Es ist auf dem Gelände der X-Straße der Beklagten auch genügend Platz, um ein Fahrzeug, das noch einmal verlassen werden muss um eine Antenne abzuschrauben, dort abzustellen. Gerichtsbekanntermaßen werden solche Weisungen und Kontrollen inzwischen wohl auch von Mitarbeitern der Beklagten vorgenommen. Der erkennende Richter lässt sein Fahrzeug in der X-Straße schon seit vielen Jahren waschen und konnte bisher nie beobachten, dass die Mitarbeiter auf solche Dinge geachtet haben, zumal das Fahrzeug des erkennenden Richters auch einen auffälligen aber fest montierten Dachträger hat. Nach den Hauptverhandlungsterminen in den beiden vor dem erkennenden Gericht anhängigen Verfahren konnte der Richter aber beobachten, dass jetzt Fahrzeugführer vor ihm auf die nicht abmontierte Antenne angesprochen wurden und auch „herausgewunken“ wurden. Auch der erkennende Richter ist auf die Befestigungen an seinem Fahrzeug persönlich angesprochen worden.

Alleine der Hinweis der Beklagten, dass diese Teile abzumontieren sind, sei es durch die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ vor der Einfahrt auf das Waschanlagengelände oder durch persönliche individuelle Ansprache genügt nicht. Die Beklagte zu 1) hat insofern eine besondere Obhutspflicht auch zu Gunsten der übrigen Waschanlagenbenutzer. Diese haben keinerlei Chance, auf Fehlverhalten von Fahrzeugführern vor ihnen in irgendeiner Form zu reagieren. Unabhängig davon, dass sie ein solches selbst kaum bemerken, kann die Beklagte so offensichtliche Verstöße gegen ihre eigenen Regelungen leicht erkennen und die davon ausgehenden Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer ausschließen. Der Hinweis auf der Einfahrttafel kann allenfalls zu einem Mitverschulden des Fahrzeugführers, der sich nicht daran gehalten hat, führen, kann aber keine Schadensersatzansprüche ausschließen, die anderen Verkehrsteilnehmern und Benutzern der Waschanlage zustehen, die durch die Nichteinhaltung dieser Regeln, die von Mitarbeitern der Beklagten auch bemerkt werden, verursacht werden.

Nach alledem hatte die Beklagte am Vorfallstage ihren Geschäftsbetrieb nicht so organisiert, dass die Schädigung von Kunden soweit wie möglich ausgeschlossen war. Dies ist eine Pflichtwidrigkeit für die sie einstandspflichtig ist.“

Fazit: Man nimmt die Antenne besser runter…..

Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren im DNA-Identitätsfeststellungsverfahren?

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Frisch aus dieser Woche ist die Anfrage eines Kollegen, der den Mandanten im DNA-Identitätsfeststellungsverfahren nach § 81g StPO vertreten hat. Der Kollege fragte:

„Sehr geehrter Herr Burhoff,

ich habe eine gebührenrechtliche Frage und würde mich sehr über eine Antwort freuen.

Die Polizei wollte von meinem Mandanten unabhängig von einem bestimmten Ermittlngsverfahren DNA haben nach § 81g Abs. 4 StPO für eventuell in der Zukunft zu führende Ermittlungsverfahren.

Wir lehnten ab, die StA beantragete entsprechenden Beschluss beim AG. Ich nahm dagegen Stellung. Das AG erliess den Beschluss. Ich ging zum LG in Beschwerde und hatte Erfolg.

Wie rechne ich beim AG nun ab?

Welche Gebühr(en)?

4302? Zweimal da zwei instanzen?

Ich bin mir nicht sicher.“

Nun, wer ist sich sicher? 🙂

Kopien der digitalisierten Akte, oder: Leider wie gehabt.

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Und als zweites Posting dann eine weitere Entscheidungen, die mit der Erstattung von Kosten der Akteneinsicht pp. zu tun hat.

Im OLG Frankfurt, Beschl. v. 03.04.2018 -2 Ws 1/18 – geht es mal wieder um die Festsetzung der Vergütung betreffend die Dokumentenpauschale Nr. 7000 Nr. lit a in den Fällen, in denen dem Verteidiger die Verfahrensakte komplett in digitalisierter Form zur Verfügung gestellt worden ist. Das OLG Frankfurt sagt/meint (mal wieder): In der Regel wird nicht erstattet.

Hier die Leitsätze der Entscheidung:

  1. Wird dem Verteidiger die komplette Verfahrensakte in digitalisierter Form zum weiteren Verbleib überlassen, sind Kopierkosten nach Nr. 7000 Nr. 1 lit. a VV RVG vom Grundsatz her keine erforderlichen Auslagen im Sinne von § 46 Abs. 1 RVG.
  2. Dieser Grundsatz kann durch entsprechenden Sachvortrag durchbrochen werden, da derzeit noch keine gesetzliche Verpflichtung eines Rechtsanwalts zur ausschließlichen Verwendung einer elektronischen bzw. digitalisierten Verfahrensakte besteht.
  3. Aus dem Regelausnahmeprinzip folgt (insoweit Fortführung von OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. März 2012, 2 Ws 49/12), dass den Rechtsanwalt, der die elektronische Akte ausdruckt, eine besondere Begründungs- und Darlegungslast trifft, warum dies „zusätzlich“ zu der zur Verfügung gestellten digitalisierten Akte, die eine sachgerechte Bearbeitung bereits ermöglicht, notwendig war, wenn er diese zusätzlichen Ausdrucke ersetzt verlangt.

Ist leider schwer und für mich nicht nachvollziehbar, in den Fällen die Festsetztung der Dokumentenpauschale zu erreichen. Die OLG lehnen es fast einheitlich ab. Ggf. ändert sich da aber etwas durch ein hoffentlich kommendes 3. KostRMoG.