Archiv für den Monat: April 2018

Strafzumessung III, oder: Tatbeute 22,99 € – drei Monate Knast?

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Und die dritte Strafzumessungsentscheidung ist „taufrisch“, nämlich erst gestern bei mir eingegangen. Sie behandelt (mal wieder) die Problematik der Verhängung einer (kurzen) Freiheitsstrafe bei einer Bagatellstraftat. Das AG hat die Angeklagte wegen Ladendiebstähle verurteilt, bei welchen die Angeklagte Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände im Werte von 15,99 € bzw. 7,– € an sich nahm. Dagegen die Strafmaßberufung der Staatsanwaltschaft. Das LG hat das Urteil des AG aufgehoben und gegen die Angeklagte auf eine nicht mehr zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Monaten – bei Einzelstrafen von je zwei Monaten – erkannt. Dagegen die Revision. Das OLG Köln sagt im OLG Köln, Beschl. v. 23.03.2018 – 1 RVs 54/18: So nicht, die Urteilsgründe sind unvollständig:

„Das Tatgericht führt – wenn auch im Kontext mit der Verhängung kurzer Freiheitsstrafen im Sinne von § 47 Abs. 1 StGB – mit Recht aus, dass gerade bei Bagatelltaten das Übermaßverbot besonderer Beachtung bedürfe und geht zutreffend davon aus, dass dann, wenn schon geringfügige Straftaten ohne erschwerende Besonderheiten den Ausspruch einer Freiheitsstrafe erfordern, es die Anforderung an einen gerechten Schuldausgleich und die Beachtung des Übermaßverbots gebieten können, auf die Mindeststrafe zu erkennen (st. Senatsrechtsprechung vgl. beispielhaft zu Ladendiebstählen SenE v. 03.03.2009 – 81 Ss 8/09 – [Beutewert 9,20 € und 9,99 €]; SenE v. 20.07.2010 – III-1 RVs 125/10 – [9,95 €]; SenE v. 08.02.2011 – III-1 RVs 23/11 – [11,10 €]; SenE v. 28.04.2017 – III-1 RVs 87/17 – [9,75 €]; vgl. weiter OLG Celle NStZ-RR 2004, 142; OLG Oldenburg StRR 2008, 323). Dieser Umstand musste das Tatgericht zu einer besonders gründlichen und umfassenden Abwägung namentlich der strafmildernden Gesichtspunkte drängen; dem genügen die Urteilsgründe nicht zur Gänze:

Das Amtsgericht hat der Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung zugute gebracht, dass die entwendeten Waren „letztlich auch bei den Geschädigte verblieben“ seien. Feststellungen zum Verbleib der Tatbeute sind mit Blick auf den Schuldumfang stets geboten (SenE v. 12.07.2013 – III-1 RVs 135/13 -; SenE v. 29.09.2017 – III-1 RVs 228/17; SenE v. 20.10.2017 – III-1 RVs 258/17 -). Sie nehmen als diesen (mit-)bestimmend und als Umstand, der geeignet ist, die Tat als einen geschichtlichen Vorgang näher zu beschreiben (hierzu vgl. jüngst SenE v. 02.03.2018 – III-1 RVs 14/18 m. zahlr. Nachw.) an der durch die erklärte Beschränkung bewirkten Bindung der Berufungsstrafkammer an die amtsgerichtliche Feststellungen teil (so auch KG StraFo 2016, 83 – bei Juris Tz. 18). Im Rahmen ihrer Ausführungen zur Strafbemessung hat die diesen Umstand an keiner Stelle der Urteilsgründe erwähnende Berufungsstrafkammer aber nicht erkennbar in ihre Überlegungen mit einbezogen, dass sich selbst der potentiell geringe Schaden hier nicht realisiert hat. Das wäre aber nach dem zuvor Dargestellten im Sinne einer umfassenden Abwägung und erschöpfenden Würdigung der strafzumessungsrelevanten Umstände in einem Bereich geboten gewesen, der im Hinblick auf die Höhe zu verhängender Freiheitsstrafe einen Grenzfall darstellt (vgl. auch KG a.a.O. – bei Juris Tz. 16). Der Senat vermag letztlich nicht auszuschließen, dass  die erkannten Einzelstrafen niedriger ausgefallen wären, hätte das Tatgericht sich den Umstand bewusst gemacht, dass die Tat letztlich ohne Realschaden geblieben ist.“

Strafzumessung II, oder: Wenn der Betrüger im 7. Semester Medizin studiert

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Die zweite Strafzumessungsentscheidung, die ich vorstelle, ist der OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.12.2017 – 1 Ss 174/17. Über den hatte ich wegen der im Beschluss behandelten verfahrensrechtlichen Problemtaik schon einmal berichtet (vgl. hier: Selbstleseverfahren, oder: Wie geht man damit um – zwei Anfänger?).

Heute kommt er dann wegen der Strafzumessungsproblematik. Das AG hat den Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 135 Tagessätzen zu je 35, EUR verurteilt. Das passt so nicht sagt das OLG:

4. Das Urteil des Amtsgerichts leidet jedoch im Strafausspruch bei der Anwendung des § 46 Abs. 1 S. 2 StGB an einem sachlichrechtlichen Mangel, der zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs einschließlich der diesem zuzuordnenden Feststellungen nötigt.

a) Die Strafzumessung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat aber auf die Sachrüge zu überprüfen, ob dem Tatrichter bei dieser Entscheidung Rechtsfehler unterlaufen sind. Eine erschöpfende Darstellung aller Strafzumessungserwägungen durch den Tatrichter ist nicht erforderlich.

Ein solcher Fehler liegt aber unter anderem dann vor, wenn der Tatrichter die ihm nach § 46 StGB obliegende Pflicht zur Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände verletzt. Insbesondere sind die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben der Angeklagten in der Gesellschaft zu erwarten sind, gem. § 46 Abs. 1 S. 2 StGB zu berücksichtigen.

b) Eine Abwägung, die den Anforderungen an § 46 Abs. 1 S. 2 StGB gerecht wird, liegt hier nicht vor.

Das Amtsgericht berücksichtigt vorliegend insbesondere den hohen Schaden einerseits und die geständige Einlassung sowie die Schadenswiedergutmachung andererseits. Vor diesem Hintergrund fehlt die Auseinandersetzung mit einem bestimmenden Strafzumessungsgrund, nämlich den Auswirkungen einer Verurteilung auf das Leben der Angeklagten.

Nach den zugrundeliegenden Feststellungen studierte die Angeklagte im Zeitpunkt der Verurteilung Humanmedizin im 7. Semester.

Nach §§ 4 Nr. 1, 32 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 5a BZRG ist eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen in ein Führungszeugnis aufzunehmen. Zur Erlangungen der ärztlichen Approbation und auch im Rahmen von Bewerbungen für Arbeitsstellen wird i.d.R. ein Führungszeugnis gefordert. Eine Verurteilung kann vor diesem Hintergrund gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 Bundesärzteordnung (BÄO) erhebliche Auswirkungen auf die Beurteilung der Zuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs haben und sich zudem auf Chancen eines Bewerbers am Arbeitsmarkt auswirken (vgl. auch OLG Nürnberg, Beschl. v. 30.08.2006 – 2 St OLG Ss 191/06, StV 2006, 695).

Diese Erwägungen stehen einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen nicht grundsätzlich entgegen. Sie haben aber im vorliegenden Einzelfall Beachtung zu erfahren, um nicht eine Entsozialisierung der Angeklagten herbeizuführen (vgl. Fischer aaO., § 46 Rn. 7). Eine Auseinandersetzung mit diesen Strafzumessungsgründen lässt das Urteil jedoch gänzlich missen.“

In der Sache wohl richtig. In den Formulierungen. Na ja. Das „ der zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs einschließlich der diesem zuzuordnenden Feststellungen nötigt.“ stößt sauer auf, jedenfalls mir. Das kann man auch anders – wertfreier ausdrücken.

Strafzumessung I, oder: Wenn die Freiheitsstrafe länger als die restliche Lebenserwartung ist

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Heute mache ich dann mal wieder einen „Thementag“, und zwar zu Strafzumessungsfragen. Ich starte mit dem BGH, Beschl. v. 25.01.2018 – 3 StR 613/17, der in einem Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung ergangen ist. Das LG hat den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Der BGH hebt den Strafausspruch auf:

„Das Landgericht hat zwar zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er „an einer schweren Krebserkrankung leidet, die mit einer äußerst geringen Restlebenserwartung verbunden ist“. Es hat aber nicht bedacht, dass die restliche Lebenserwartung des Angeklagten den getroffenen Feststellungen zufolge wahrscheinlich nur ein bis zwei Jahre beträgt und deshalb deutlich kürzer ist als die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe. Diese stößt daher auf durchgreifende rechtliche Bedenken, weil es jedenfalls in solchen Fällen vor dem Hintergrund, dass einem zu einer Freiheitsstrafe Verurteilten im Hinblick auf den aus der Menschenwürde folgenden Freiheitsanspruch (Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) grundsätzlich eine realistische Chance verbleiben muss, seine Freiheit wieder zu erlangen (BVerfG, Urteil vom 21. Juni 1977 – 1 BvL 14/76, BVerfGE 45, 187, 228 f., 239; Beschlüsse vom 22. Mai 1995 – 2 BvR 671/95, NStZ 1996, 53, 54; vom 24. April 1986 – 2 BvR 1146/85, BVerfGE 72, 105, 115 ff.), einer ausdrücklichen Erörterung bedarf, ob ein Ausgleich der Schuld möglicherweise auch noch durch eine geringere als die sonst schuldangemessene Strafe erreicht werden kann (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1986 – 2 StR 528/86, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 3; Urteil vom 29. April 1987 – 2 StR 107/87, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 7).“

Wohnungseinbruchsdiebstahl, oder: Einbruch durch den Keller eines Wochenendhauses

Schon etwas länger „schlummert“ in meinem Blogordner der BGH, Beschl. v. 05.09.2017  – 5 StR 361/17. Ihm liegt eine Veurteilung des LG Dresden wegen wegen schweren Bandendiebstahls u.a. zugrunde. Verurteilt worden ist u.a. wegen eines Einbruchs in ein Wochenendhaus.  Dagegen die Revision. Der BGH sieht aber keinen Rechtsfehler:

„Die Bejahung eines Wohnungseinbruchdiebstahls im Fall II.1, in dem der Angeklagte K. durch Aufhebeln eines Kellerfensters in ein Wochenendhaus eingedrungen ist und dort Bekleidungs- und Gebrauchsgegenstände entwendet hat, ist rechtsfehlerfrei.

Der Tatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt, dass der Täter mittels einer dort beschriebenen Tathandlung zur Ausführung eines Diebstahls in eine Wohnung eindringt. Wohnungen sind abgeschlossene und überdachte Räume, die Menschen zumindest vorübergehend als Unterkunft dienen und nicht bloße Arbeits-, Geschäfts- oder Ladenräume sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. April 2008 – 4 StR 126/08, NStZ 2008, 514 f.; vom 20. Mai 2005 – 2 StR 129/05, NStZ 2005, 631, und vom 3. Mai 2001 – 4 StR 59/01).

a) Auch wenn der Täter in Räume einbricht, die durch eine unmittelbare Verbindung dem Wohnbereich typischerweise zuzuordnen sind, ist § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllt. Dem Wohnungsbegriff unterfallen deshalb auch Kellerräume, die mit einer Wohnung räumlich und baulich eine Einheit bilden bzw. so mit ihr verbunden sind, dass keine erheblichen Zugangshindernisse zu den Wohnräumen mehr bestehen. Anders als bei vom Wohnbereich getrennten Kellerräumen in einem Mehrfamilienhaus trifft dies beim Keller eines Einfamilienhauses regel-mäßig zu (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Juni 2014 – 4 StR 173/14, StV 2015, 113, und vom 8. Juni 2016 – 4 StR 112/16, StV 2016, 639; Vogel in LK-StGB, 12. Aufl., § 244 Rn. 76). Dies gilt sowohl, wenn der Täter sich von dort ungehindert Zugang zum ohne weiteres erreichbaren Wohnbereich im Erd- oder Obergeschoss verschafft, als auch dann, wenn er aus derartigen Räumen stiehlt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2012 – 1 StR 378/11, NStZ 2013, 120 f.). Auch im Hinblick auf die der Qualifikation des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB zugrundeliegende Rechtsgutsbestimmung bedarf es insoweit keiner Einschränkung. Anlass für die Höherstufung des Wohnungseinbruchdiebstahls gegenüber dem Einbruchdiebstahl nach § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB durch das 6. Strafrechts-reformgesetz war vor allem die damit einhergehende Verletzung der Intim- und Privatsphäre des Tatopfers (BT-Drucks. 13/8587, S. 43). Diese ist gleichermaßen betroffen, wenn sich der Täter über einen Keller ungehinderten Zutritt zu Wohnräumen verschafft oder aus (Keller-)Räumen stiehlt, die ihm den Zugang zum ohne weiteres erreichbaren Wohnbereich eröffnen.

b) Der Wohnungsbegriff umfasst Wochenendhäuser. Dem steht nicht entgegen, dass sie Menschen nur vorübergehend zur Unterkunft dienen (aA Schmitz in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 244 Rn. 58). Insofern gilt nichts anderes als bei Hotelzimmern (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2001 – 4 StR 59/01, NStZ-RR 2002, 68), Wohnmobilen und Wohnwagen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2016 – 1 StR 462/16, BGHSt 61, 285). Diese Rechtsprechung war dem Gesetzgeber bei Schaffung des § 244 Abs. 4 StGB durch das 55. Strafrechtsände-rungsgesetz (Wohnungseinbruchdiebstahl) vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2442) bekannt (BT-Drucks. 18/12359, S. 7).“

Verweigerte Schweigepflichtsentbindung des Arztes, oder: Nur der Arzt entscheidet, ob er aussagt

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Bei der zweiten Entscheidung heute vorgestellten Entscheidung handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 16.11.2017 – 3 StR 460/17. Er hat eine „Beweisantragsproblematik“ zum Gegenstand. Zu den mit einem Beweisantrag zusammenhängenden Fragen gibt es in letzter Zeit nicht so viel vom BGH, daher heute hier dieser Beschluss.

Das LG hat den Angeklagten u.a.  wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt. Die Revision des Angeklagten   beanstandet mit einer Verfahrensrüge zutreffend, dass die Strafkammer zwei Beweisanträge mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt hat. Dem lag folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Dem Angeklagten werden sexuelle Handlungen an der Tochter  seiner Lebenpartnerin vorgeworfen.Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung unter anderem die Anträge gestellt, zwei die Tochter/Nebenklägerin behandelnde Ärzte, darunter eine Frauenärztin, als Zeugen zu den Behauptungen zu vernehmen, die Angeklagte F., seine Lebenspartnerin,  habe auf sein Drängen bzw. seine Veranlassung jeweils einen Untersuchungstermin für ihre Tochter vereinbart, während des Termins bei der Frauenärztin habe er vor der Praxis gewartet, während des anderen Arzttermins sei er zugegen gewesen. Diese Beweistatsachen seien für die tatrichterliche Überzeugungsbildung hinsichtlich der ihm angelasteten sexuellen Übergriffe von Bedeutung; denn, würden die Vorwürfe zutreffen, hätte er „mit Sicherheit nicht entsprechende ärztliche Untersuchungen veranlasst, die … dazu hätten führen können, dass … sein angebliches Tun aufgedeckt worden wäre“.

Das Landgericht hat diese Anträge nach § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO abgelehnt, weil ein Beweismittelverbot bestünde. Gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO unterlägen die zwei Zeugen hinsichtlich ihrer ärztlichen Tätigkeiten gegenüber der Nebenklägerin einer Pflicht zur Verschwiegenheit. Die Nebenklägerin habe durch die Nebenklagevertreterin erklären lassen, sie entbinde die beiden behandelnden Ärzte nicht von dieser Verpflichtung.

Der BGH sieht die Ablehnung der Beweisanträge wegen Unzulässigkeit der begehrten Beweiserhebungen als rechtsfehlerhaft an:

„bb) Die Strafkammer hat zu Unrecht den Ablehnungsgrund des 244 Abs. 3 Satz 1 StPO angenommen; denn die begehrten Beweiserhebungen waren nicht ohne weiteres unzulässig.

Steht einem Arzt nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zu, so obliegt es ausschließlich seiner freien Entscheidung, ob er sich nach Abwägung der widerstreitenden Interessen zu einer Zeugenaussage entschließt. Lehnt der Patient es ab, den Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden, oder widerruft er eine frühere Entbindungserklärung, so hat er keinen strafprozessualen Anspruch darauf, dass der Arzt die Aussage verweigert (vgl. BGH, Urteile vom 20. November 1962 – 5 StR 426/62, BGHSt 18, 146, 147; vom 7. März 1996 – 4 StR 737/95, BGHSt 42, 73, 76). Das gilt auch dann, wenn sich dieser durch seine Angaben nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar macht (vgl. BGH, Urteile vom 28. Oktober 1960 – 4 StR 375/60, BGHSt 15, 200, 202; vom 20. November 1962 – 5 StR 426/62, aaO, S. 147 f.). Auch dann bleibt die Aussage grundsätzlich verwertbar (vgl. BGH, Urteile vom 12. Dezember 1995 – 1 StR 571/95, BGHR StPO § 53 Schweigepflicht 1; vom 7. April 2005 – 1 StR 326/04, BGHSt 50, 64, 79 mwN; KK-Senge, StPO, 7. Aufl., § 53 Rn. 9; einschränkend – allerdings ohne Auswirkung auf den vorliegenden Fall – LR/Ignor/Bertheau, StPO, 27. Aufl., § 53 Rn. 12 f.). Für das Tatgericht kommt es somit nicht darauf an, ob der Berufsgeheimnisträger befugt oder unbefugt handelt, sondern nur darauf, ob er sein Zeugnis verweigert oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1960 – 4 StR 375/60, aaO; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 53 Rn. 45; KK-Senge aaO, Rn. 7).

Hiernach durfte die Strafkammer nicht allein wegen der von der Nebenklägerin verweigerten Schweigepflichtsentbindung von einem Beweismittelverbot und damit von der Unzulässigkeit der begehrten Zeugenvernehmungen ausgehen. Vielmehr war die Strafkammer – falls sie die Beweisanträge nicht rechtsfehlerfrei gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO behandelt hätte – gehalten, die beiden Ärzte zu laden und ihre Entscheidung über das Zeugnisverweigerungsrecht herbeizuführen; gegebenenfalls hätte die Aussagebereitschaft auch freibeweislich geklärt werden können.“