In der Hauptverhandlung kommt es sicherlich auch auf Außenwirkung an. Daher ist die Fesselung des Angeklagten, wenn sie vom Vorsitzenden angeordnet worden ist, ein Umstand, den mit Sicherheit jeder Verteidiger verhindern bzw. beseitigen möchte. Allerdings ist das nich so ganz einfach, vor allem weil an der Stelle die Rechtsmittelmöglichkeit eingeschränkt ist. Das musste jetzt ein Verteidiger mit dem OLG Saarbrücken, Beschl. v. 08.03.2016 – 1 Ws 28/16 – zur Kenntnis nehmen.
Der Angeklagte war wegen des Vorwurfs des gemeinschaftlichen Mordes angeklagt. Der Vorsitzende hatte mündlich angeordnet, dass der Angeklagte auch während der Sitzung an den Füßen gefesselt bleibt. Begründung (in der Nichtabhilfeentscheidung) im Wesentlichen, „dass bei dem bereits wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr verurteilten Angeklagten angesichts der Tatausführung von einem hohen, durch seine Äußerungen im Rahmen der Haftraumüberwachung – dort sei die Rede davon, dass Personen umgebracht werden sollen (u. a. der zuständige Dezernent der Staatsanwaltschaft) oder jemandem Leid zugefügt werden soll (z. B. dem Kind eines Zeugen und dem Kind des Staatsanwalts) – belegten Gewaltpotential, einer deutlich erhöhten Aggressivität sowie einer fehlenden Impulskontrolle auszugehen sei, so dass eine Fesselung erforderlich sei, wobei die bloße Fesselung der Füße den Angeklagten vergleichsweise wenig beeinträchtige.“
Dagegen die Beschwerde, die das OLG als unzulässig verworfen hat. Es sieht die Maßnahme des Vorsitzenden als eine im Rahmen der Ausübung seiner sitzungspolizeilichen Befugnisse gemäß § 176 GVG ergangene Anordnung an.
„b) Zwar kann eine Fesselungsanordnung durch den Vorsitzenden nicht nur auf 176 GVG, sondern auch auf § 231 Abs. 1 Satz 2 StPO gestützt werden (vgl. BGH NJW 1957, 271; OLG Dresden NStZ 2007, 479 f. – juris Rn. 1, 3; Senatsbeschluss vom 9. Januar 2012 – 1 Ws 11/12, 1 Ws 14/12 -; OLG Hamm, Beschl. v. 09.01.2014 – III-5 RVs 134/13, juris Rn. 7; Löwe-Rosenberg/Becker, a. a. O., § 231 Rn. 3; KK-Gmel, a. a. O., § 231 Rn. 2; Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 231 Rn. 2) mit der Folge, dass sie dann nach § 304 Abs. 1 StPO mit der Beschwerde anfechtbar ist (vgl. OLG Dresden, a. a. O.; vorgenannter Senatsbeschluss; Löwe-Rosenberg/Becker, a. a. O., § 231 Rn. 41; KK-Gmel, a. a. O., § 231 Rn. 15; Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 231 Rn. 24). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Maßnahme zumindest auch dem Zweck dienen soll, die Entfernung des Angeklagten aus der Hauptverhandlung zu verhindern, was etwa dann der Fall ist, wenn die Maßnahme auch auf eine erhöhte Fluchtgefahr gestützt ist (vgl. BGH NJW 1957, 271; OLG Dresden, a. a. O.; vorgenannter Senatsbeschluss). So verhält es sich hier indes nicht. Vielmehr hat der Vorsitzende der Jugendkammer ausweislich seines Nichtabhilfevermerks vom 25. Februar 2016 die Fesselungsanordnung ausschließlich auf die genannten sitzungspolizeilichen Aspekte und nicht auch auf eine erhöhte, über die bereits im Haftbefehl des Amtsgerichts Saarbrücken vom 29. Juli 2015 (Az.: 7 Gs 3186/15) für die Annahme des Haftgrundes nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO genannten Gründe hinausgehende Fluchtgefahr gestützt. Dem steht nicht entgegen, dass es in dem Nichtabhilfevermerk heißt, bei dem Angeklagten sei „zusätzlich zu dem durch die Strafdrohung begründeten hohen Fluchtanreiz“ auch von einem hohen Gewaltpotential auszugehen. Denn bei dieser nur am Rande erfolgten Erwähnung des durch die Straferwartung begründeten Fluchtanreizes handelt es sich – anders als etwa in dem dem vorgenannten Senatsbeschluss zugrunde liegenden Fall, in dem der dortige Vorsitzende die Ablehnung der Entfernung der Fußfesseln ausdrücklich auch darauf gestützt hatte, es sei „ein Fluchtversuch des Angeklagten zu befürchten“ – ersichtlich nicht um eine die Fesselungsanordnung tragende Erwägung.“
Derartige sitzungspolizeiliche Maßnahmen nach § 176 GVG können aber nach ganz überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich nicht mit der Beschwerde nach § 304 StPO angefochten werden, sondern nur dann, wenn ihnen eine über die Dauer der Hauptverhandlung oder sogar über die Rechtskraft des Urteils hinausgehende Wirkung zukommt und insbesondere Grundrechte oder andere Rechtspositionen des Betroffenen dauerhaft tangiert und beeinträchtigt werden. Und das hat das OLG verneint.