© J.J.Brown – Fotolia.com
Und nach dem Beitrag OVG Münster zickt, oder: Rüffel für das BVerfG aus Münster zum OVG Münster, Beschl. v. 26.11.2015 – 16 E 648/15 ein Posting, das man beim BVerfG sicherlich nicht gern liest (ist natürlich im übertragenen Sinn gemeint, da ich nicht davon ausgehe, dass man beim BVerfG dieses Blog liest 🙂 ). Es geht zurück auf die Zuschrift eines Kollegen, der in seinem Anschreiben das Gefühl geäußert hat, „dass die Kostenschraube bei der Erstattung von Pflichtverteidigergebühren/Auslagen immer weiter angezogen wird.“ Und als „als krönendes Beispiel aus jüngster Zeit“ hat er mir dann ein Schreiben der Justizbehörden Kassel vom 08.12.2015 übersandt.
Das ist dem Kollegen in einem Strafverfahren zugegangen. Der Mandant sitzt ein in der JVA Kassel, der Kollege ist/war Pflichtverteidiger. Der Kollege wurde diesem am 07.09.2015 beigeordnet, nachdem er ihn zuvor u.a. am 24.08.2015 und 01.09.2015 in der JVA Kassel aufgesucht hatte. Bei diesen Besuchen wurde er jeweils von einer Dolmetscherin begleitet. In Kenntnis der herrschenden Rechtsprechung hat der Kollege, wie erschreibt – sich „natürlich nicht damit aufgehalten, das Gericht zunächst um die Genehmigung dieser Dolmetscherkosten zu bitten.“ Im Regelfall mache er die Erstattung entsprechender Dolmetscherkosten später geltend. In diesem Falle habe der die Dolmetscherrechnungen für die Besuche vom 24.08.2015 und 01.09.2015 mit Schreiben vom 06.12.2015 bei dem AG Kassel eingereicht.
Und dann ereilt ihn das Schreiben der Anweisungsstelle vom 08.12.2015. Das muss man sich nun wahrlich auf der „Zunge zergehen lassen“:
„Sehr geehrte Damen und Herren Rechtsanwälte,
auf ihren Antrag vorn 6.12.2015 wird mitgeteilt, dass der Anspruch auf Zahlung der Dolmetscherleistung bzgl. der Termine erloschen ist, da er nicht binnen drei Monaten bei Gericht geltend gemacht wurde.
Ihr Entschädigungsantrag ist daher abzulehnen. Das hiesige Schreiben vom heutigen Tag an die Dolmetscherin, Frau ppp. wird beigefügt.
Auf § 2 Abs. 2 JVEG wird hingewiesen.
In einem anderen Strafverfahren liegt Ihre Erinnerung z.Z. der Bezirksrevisorin vor.
Im Übrigen wird bei der Justiz in Kassel für die Abrechnung eines Dolmetschergespräches auf Kosten der Staatskasse ein Beschluss gem. Art. 6 MRK benötigt. Die Rechtsansicht des Bundesverfassungsgerichts von 2001 wird hier nicht praktiziert.
Für den Beschluss gem. Art. 6 MRK vom 14.08.2015 für ein Dolmetschergespräch wurde die Dolmetscherrechnung vom 5.11.2015 (Termin vom 5.11.2015) abgerechnet.
Mit freundlichen Grüßen
pppppp.
Amtsinspektorin“
Aber hallo, das wird das BVerfG aber freuen, dass die „Amtsinspektorin“ mitteilt, dass die Rechtsprechung der BVerfG in Kassel „nicht praktiziert wird“ = in Kassel nicht interessiert. Bisher hatte ich gedacht, dass an sich doch nur Bayern ggf. ein anderer Rechtskreis ist :-), nun der LG-/AG-Bezirk Kassel aber offenbar auch. § 31 Abs. 1 BVerfGG gilt in Kassel also nicht.
Im Übrigen ist das Ausgeführte m.E. auch – mit Verlaub – Unfug und widerspricht nicht nur der Rechtsprechung des BVerfG, sondern auch der anderer Obergerichte. Ich erinnere nur an BGHSt 46, 178 und die OLG-Rechtsprechung.
Und was – liebe Frau Amtsinspektorin – soll der Hinweis auf § 2 Abs. 2 JVEG? Das ist ganz großer Unfug. Wir sind nicht im JVEG, sondern in § 46 RVG. Und da geht es nur wegen der Höhe in § 46 Abs. 2 Satz 2 RVG nach dem JVEG. Alles andere ist „Kassler Landrecht“.
Mich machen solche Entscheidungen „fassungslos“. Das wird für einen ganz Gerichtsbezirk die Rechtsprechung des BVerfG, des BGH und der OLG negiert. Man „praktiziert“ sie nicht. Der Kollege wollte an den LG-Präsidenten und das BVerfG schreiben. Ich habe ihm geraten, das zu lassen. Was soll es bringen, beide werden sich nicht in das Verfahren einklinken? Obwohl: Vielleicht wäre es mal für das BVerfG interessant zu erfahren, was man so von seiner Rechtsprechung hält.
Ich habe dem Kollegen vielmehr geraten, das auf keinen Fall hinzunehmen, sondern ins Rechtsmittel zu gehen. Er wird berichten. Und ich dann auch.