Archiv für den Monat: Dezember 2015

Täterfeststellung beim Abstandsverstoß, oder: Was heißt „wenig glaubhaft“?

entnommen wikimedia.org Urheber Erkaha

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Ein Betroffener kann, wenn er bestreitet, zum Vorfallszeitpunkt LKW-Führer und damit Täter eines Abstandsverstoßes, der mit einem Lkw begangen worden ist, gewesen zu sein, als Fahrer zum Vorfallszeitpunkt identifiziert werden, wenn sich auf dem dem (Amts)Gericht vorliegenden „Fahrtenschreiberschaublatt“ der Namenseintrag des Betroffenen findet, das Fahrzeug im Eigentum des Betroffenen steht und auf dem vom Vorfall vorliegenden Messfoto ein Schild mit dem Vornamen des Betroffenen abgebildet ist, das sich hinter der Windschutzscheibe befindet. Das ist die Quintessenz aus dem AG Lüdinghausen, Urt. v. 20. o7. 2015 – 19 OWi-89 Js 1028/15-77/15.

Der Betroffene hatte gegenüber dem Vorwurf eines Abstandsverstoßes mit einem Lkw seine Fahrereigenschaft bestritten und zur Sache ausgeführt, er sei zwar auf der Tachoscheibe als Fahrzeugführer eingetragen und sei auch Fahrzeugeigentümer. Zudem sei es richtig, dass am Tattage hinter der Windschutzscheibe ein Schild mit seinem Vornamen gelegen habe. Fahrer sei aber ein Bekannter gewesen, der mittlerweile Suizid begangen habe. Dieser habe am Tattage gerne einmal das Fahrzeug fahren wollen. Beweismittel oder weitere Indizien hierfür könne er, der Betroffene, keine benennen.

Das AG hat diese Einlassung als „wenig glaubhaft“ und durch die von ihm hervorgehobenen Umstände als widerlegt angesehen. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen, obwohl: Was ist „wenig glaubhaft“? Glaubt man dann dem Betroffenen nur nicht so richtig? Oder ist das wie mit „ein bisschen schwanger“? Jedenfalls sollte man als Verteidiger aber im Auge behalten, dass je außergewöhnlicher eine Einlassung des Mandanten ist, es um so schwieriger wird, das Gericht von deren Richtigkeit zu überzeugen. Und man sollte nach Möglichkeit dafür immer noch etwas in der Hinterhand haben.

Ich weiß, ich weiß, der Betroffene muss sich nicht entlasten. Aber leider läuft es bei den AG häufig anders…..

„Die Rechtsansicht des BVerfG …. wird hier nicht praktiziert“… so schreibt die Amtsinspektorin in Kassel

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Und nach dem Beitrag OVG Münster zickt, oder: Rüffel für das BVerfG aus Münster zum OVG Münster, Beschl. v. 26.11.2015 – 16 E 648/15 ein Posting, das man beim BVerfG sicherlich nicht gern liest (ist natürlich im übertragenen Sinn gemeint, da ich nicht davon ausgehe, dass man beim BVerfG dieses Blog liest 🙂 ). Es geht zurück auf die Zuschrift eines Kollegen, der in seinem Anschreiben das Gefühl geäußert hat, „dass die Kostenschraube bei der Erstattung von Pflichtverteidigergebühren/Auslagen immer weiter angezogen wird.“ Und als „als krönendes Beispiel aus jüngster Zeit“ hat er mir dann ein Schreiben der Justizbehörden Kassel vom 08.12.2015 übersandt.

Das ist dem Kollegen in einem Strafverfahren zugegangen. Der Mandant sitzt ein in der JVA Kassel, der Kollege ist/war Pflichtverteidiger. Der Kollege wurde diesem am 07.09.2015 beigeordnet, nachdem er ihn zuvor u.a. am 24.08.2015 und 01.09.2015 in der JVA Kassel aufgesucht hatte. Bei diesen Besuchen wurde er jeweils von einer Dolmetscherin begleitet. In Kenntnis der herrschenden Rechtsprechung hat der Kollege, wie erschreibt – sich „natürlich nicht damit aufgehalten, das Gericht zunächst um die Genehmigung dieser Dolmetscherkosten zu bitten.“ Im Regelfall mache er die Erstattung entsprechender Dolmetscherkosten später geltend. In diesem Falle habe der die Dolmetscherrechnungen für die Besuche vom 24.08.2015 und 01.09.2015 mit Schreiben vom 06.12.2015 bei dem AG Kassel eingereicht.

Und dann ereilt ihn das Schreiben der Anweisungsstelle vom 08.12.2015. Das muss man sich nun wahrlich auf der „Zunge zergehen lassen“:

„Sehr geehrte Damen und Herren Rechtsanwälte,

auf ihren Antrag vorn 6.12.2015 wird mitgeteilt, dass der Anspruch auf Zahlung der Dolmetscherleistung bzgl. der Termine erloschen ist, da er nicht binnen drei Monaten bei Gericht geltend gemacht wurde.

Ihr Entschädigungsantrag ist daher abzulehnen. Das hiesige Schreiben vom heutigen Tag an die Dolmetscherin, Frau ppp.         wird beigefügt.

Auf § 2 Abs. 2 JVEG wird hingewiesen.

In einem anderen Strafverfahren liegt Ihre Erinnerung z.Z. der Bezirksrevisorin vor.

Im Übrigen wird bei der Justiz in Kassel für die Abrechnung eines Dolmetschergespräches auf Kosten der Staatskasse ein Beschluss gem. Art. 6 MRK benötigt. Die Rechtsansicht des Bundesverfassungsgerichts von 2001 wird hier nicht praktiziert.

Für den Beschluss gem. Art. 6 MRK vom 14.08.2015 für ein Dolmetschergespräch wurde die Dolmetscherrechnung vom 5.11.2015 (Termin vom 5.11.2015) abgerechnet.

Mit freundlichen Grüßen

pppppp.

Amtsinspektorin“

Aber hallo, das wird das BVerfG aber freuen, dass die „Amtsinspektorin“ mitteilt, dass die Rechtsprechung der BVerfG in Kassel „nicht praktiziert wird“ = in Kassel nicht interessiert. Bisher hatte ich gedacht, dass an sich doch nur Bayern ggf. ein anderer Rechtskreis ist :-), nun der LG-/AG-Bezirk Kassel aber offenbar auch. § 31 Abs. 1 BVerfGG gilt in Kassel also nicht.

Im Übrigen ist das Ausgeführte m.E. auch – mit Verlaub – Unfug und widerspricht nicht nur der Rechtsprechung des BVerfG, sondern auch der anderer Obergerichte. Ich erinnere nur an BGHSt 46, 178 und die OLG-Rechtsprechung.

Und was – liebe Frau Amtsinspektorin – soll der Hinweis auf § 2 Abs. 2 JVEG? Das ist ganz großer Unfug. Wir sind nicht im JVEG, sondern in § 46 RVG. Und da geht es nur wegen der Höhe in § 46 Abs. 2 Satz 2 RVG nach dem JVEG. Alles andere ist „Kassler Landrecht“.

Mich machen solche Entscheidungen „fassungslos“. Das wird für einen ganz Gerichtsbezirk die Rechtsprechung des BVerfG, des BGH und der OLG negiert. Man „praktiziert“ sie nicht. Der Kollege wollte an den LG-Präsidenten und das BVerfG schreiben. Ich habe ihm geraten, das zu lassen. Was soll es bringen, beide werden sich nicht in das Verfahren einklinken? Obwohl: Vielleicht wäre es mal für das BVerfG interessant zu erfahren, was man so von seiner Rechtsprechung hält.

Ich habe dem Kollegen vielmehr geraten, das auf keinen Fall hinzunehmen, sondern ins Rechtsmittel zu gehen. Er wird berichten. Und ich dann auch.

OVG Münster zickt, oder: Rüffel für das BVerfG aus Münster

© helmutvogler - Fotolia.com

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Ich hatte vor einiger Zeit über den BVerfG, Beschl. v. 28.06.2014 – 1 BvR 1837/12 berichtet (vgl. Verkehrsrechtler aufgepasst – BVerfG: „erhebliche Bedenken“, wenn man den Richtervorbehalt „flächendeckend aushebelt…“). In dem hatte das BVerfG Bedenken geäußert, das „bei der Entziehung von Führerscheinen offenbar generell die Verwertung von Erkenntnissen akzeptiert wird, die auf Blutentnahmen beruhen, welche unter Verstoß gegen den einfachgesetzlichen Richtervorbehalt in § 81a Abs. 2 StPO gewonnen wurden. Auch wenn der in § 81a Abs. 2 StPO gesetzlich angeordnete Richtervorbehalt nicht auf einer zwingenden verfassungsrechtlichen Vorgabe beruhen mag (vgl. BVerfGK 14, 107 <113>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Februar 2011 – 2 BvR 1596/10 -, EuGRZ 2011, S. 183 <185>), bestehen doch aus rechtsstaatlicher (Art. 20 Abs. 3 GG) wie auch grundrechtlicher (Art. 2 Abs. 2 GG) Sicht erhebliche Bedenken gegen eine Praxis, die den gesetzlichen Richtervorbehalt für den Bereich verwaltungsbehördlicher Eingriffsmaßnahmen durch eine großzügige Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel (vgl. zu Beweisverwertungsverboten BVerfGE 65, 1 <43 ff.>; 106, 28 <48 ff.>; 113, 29 <61>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2006 – 2 BvR 954/02 -, NJW 2006, S. 2684 <2686>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 2010 – 2 BvR 2101/09 -, NJW 2011, S. 2417 <2419>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Februar 2011 – 2 BvR 1596/10 und 2 BvR 2346/10 -, juris, Rn. 18) flächendeckend aushebelt.

Dazu zickt 🙂 nun das OVG Münster, das im OVG Münster, Beschl. v. 26.11.2015 – 16 E 648/15 -, in dem es einen PKH-Antrag ablehnt zur Frage der Verwertung ggf. kontaminierter Beweismittel des Strafverfahren im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren Stellung nimmt und dazu die OVG-Rechtsprechung wiederholt, wonach die Frage anders zu entscheiden sei als im Strafverfahren. Bei der Gelegenheit bekommt das BVerfG dann einen Rüffel – so ein bisschen wie: Hausaufgaben nicht gemacht -, wenn das OVG ausführt:

„Der Senat hält an diesen Grundsätzen fest und sieht sich hieran auch nicht durch die Bedenken gehindert, die das Bundesverfassungsgericht in einem Kammerbeschluss gegen die verwaltungsgerichtliche Praxis geäußert hat, Erkenntnisse, die unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach § 81a Abs. 2 StPO gewonnen wurden, bei der Entziehung von Führerscheinen zu verwerten. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Juni 2014 ? 1 BvR 1837/12 ?, NJW 2015, 1005 = juris, Rn. 13.

Denn der Beschluss des Bundesverfassungsgericht beschränkt sich auf ein obiter dictum, ohne die Bedenken näher zu begründen und ohne sich mit der seit langem gefestigten Rechtsprechung auseinanderzusetzen, die u. a. von verschiedenen Obergerichten eingehend mit der allgemeinen Bedeutung von Beweisverwertungsverboten im Gefahrenabwehrrecht begründet wird. Vgl. zuletzt: OVG Lüneburg, Urteil vom 20. November 2014 – 11 LC 232/13 ?, NVwZ-RR 2015, 336 = juris, Rn. 33 m. w. N.; zustimmend i. Ü. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 24 Rn. 33.“

Man „zickt“ und wirft dem BVerfG vor: Obiter dictum, ohne sich damit näher auseinander zu setzen. Selbst ist man m.E. aber nicht viel besser, wenn man die Frage in einem PKH-Verfahren entscheidet. Wie war das noch mit den Steinen und dem Glashaus.

Absehen vom Fahrverbot: Schwierig ist es beim Abstandsverstoß

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Den heutigen Tag schließe ich dann mit einer Entscheidung zum Fahrverbot, nämlich mit dem OLG Bamberg, Beschl. v. 17.09.2015 – 3 Ss OWi 1048/15, zu den Voraussetzungen des Absehens vom Fahrverbot bei Abstandsverstoß (§ 4 StVO). Machen wir es kurz – der Inhalt erschließt sich aus den Leitsätzen, so dass die dann hier auch reichen:

  1. Von der Anordnung eines Regelfahrverbotes wegen eines Abstandsverstoßes kann nicht mit der Begründung abgesehen werden, das nachfolgende Fahrzeug sei auf der Beobachtungsstrecke gefahrvoll auf den Betroffenen aufgefahren, wenn dieser bereits zuvor den Mindestabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug in pflichtwidriger Weise unterschritten (Fortführung von OLG Bamberg, Beschl. v. 25.02.2015 – 3 Ss OWi 160/15 = NJW 2015, 1320 = DAR 2015, 396).
  2.  Der gegen die Anordnung eines Regelfahrverbotes wegen eines Abstandsverstoßes vorgebrachte Einwand, ein unerwarteter Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs vor der Beobachtungsstrecke bei gleichzeitigem gefahrvollen Auffahren des nachfolgenden Fahrzeugs ist nur beachtlich, wenn es dem Betroffenen bis zur Messung weder möglich war, die durch das Ausscheren des vorausfahrenden Fahrzeugs geschaffene Lücke auf der benachbarten Fahrspur zu nutzen, noch durch behutsame Verringerung der eigenen Geschwindigkeit den Abstand zum Vordermann signifikant zu steigern.

Stille Nacht, heilige Nacht, nicht für B. Zschäpe, oder: Ein paar weitere Gedanken zum NSU-Verfahren….

© aerogondo - Fotolia.com

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Heute war dann der Tag 2 nach der „Einlassung“ oder „Erklärung“ von B. Zschäpe im Münchner NSU-Verfahren am 09.12.2015, heute mit der Erklärung von R. Wohlleben (vgl. dazu hier aus der SZ-online: „Wohlleben bestreitet, Pistole für NSU beschafft zu haben„, der übrigens selbst spricht.

Den Tag 1 haben wir ja schon gestern am Dienstag, den 15.12.2015, mit den Fragen des Gerichts an B. Zschäpe erlebt. Und zum dem gestrigen Tag ist die Berichterstattung dann auch wieder vielfältig gewesen: Von NSU-Prozess: 55 Fragen an Beate Zschäpe bei Spon über „Jetzt treibt der Richter Zschäpe in die Enge“ bei welt.de bis zu „Eine Kaskade von Fragen prasselt auf Zschäpe herab“ in der SZ. Gestern dann auch (schon) die Erklärung/ die „Verschiebung“ der Antworten, dass man die Fragen des Gerichts so schnell nicht beantworten könne (oder vielleicht „wolle“?). Man werde sich über Weihnachten an die Beantwortung machen bzw. die Antworten, die dann auch verlesen werden sollen, vorbereiten. Also: Antworten gibt es frühestens am 12.01.2016.

Welche Verfahrenssituation haben wir jetzt also bzw. welche Gedanken kann man sich heute zum Verfahrensstand machen?

  • Allgemein: Sicherlich eine ein wenig ungewöhnliche Vorgehensweise, auf die sich der Senat da eingelassen hat. Aber es ist ja auch ein ungewöhnliches Verfahren J . So wie es für mich aussieht, will der Senat die verlesene Erklärung offenbar als Einlassung werten, B. Zschäpe hat sich ja auch ausdrücklich als ihre Erklärung genehmigt. Tut der Senta das aber, dann wird er m.E. nicht umhin kommen, auch die schriftliche Beantwortung der Fragen zuzulassen, wenn die Antworten autorisiert sind. M.E. keine „unbehelflichen Schriftstücke“, wie ich neulich irgendwo gelesen habe. Aber: Natürlich unterliegt es auch im Rahmen der Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung der Wertung des Gerichts, wie man mit dieser (Sonder)Form der Einlassung/Antworten umgeht. Ggf. kann ich in die Wertung einbeziehen, dass eben auf bestimmte Vorhalte nicht spontan geantwortet wird.
  • Das Gericht hatte 55 – an einer anderen Stelle heißt es 63, ist aber auch egal – Fragen gestellt. Und zwar mündlich und nicht wie von der Angeklagten und ihren Wahlverteidigern „gewünscht“ – um nicht zu sagen „gefordert“ – schriftlich. Nun, zunächst mal hat m.E. der Senat damit bisher eine Verletzung des Mündlichkeitsprinzips umschifft. Er hat seine Fragen mündlich gestellt und hat sich nicht darauf eingelassen, diese schriftlich vorformuliert zu überreichen. Der Kollege Grasel hat also eifrig mitschreiben müssen, denn man hatte ja schon von Anfang an darauf hingewiesen, dass B. Zschäpe nicht mündlich antworten werde, u.a. weil es „zu Missverständnissen kommen kann“. Nun ja, dann muss man eben „mitschreiben“, wenn man den genauen Wortlaut der vom Gericht gestellten Frage für die angekündigte schriftliche Antwort parat haben will.
  • Der Fragenkatalog – so weit er in der Berichterstattung mitgeteilt wird – zeigt auch sehr deutlich, dass sich der Senat mit der Erklärung/Einlassung der Angeklagten befasst hat, was ja auch die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) gebietet. Und er zeigt auch, dass der Senat sich mit der vorgefertigten Erklärung vom 09.12.2015 nicht zufrieden gibt und ja auch nicht zufrieden geben darf. So ungewöhnlich die Erklärung auch teilweise war – Waffe beim Aufräumen gefunden usw. … -, so wenig entbindet das m.E. den Senat von Nachfragen.
  • Und die Nachfragen gehen dann ans „Eingemachte“. Ich wollte sie nicht beantworten wollen, ohne der Mandantin ggf. schaden zu müssen (aber jeder ist eben seines Glückes Schmied). Denn der Senat will ja nun nicht wissen, wie B. Zschäpe an bestimmten Tagen gekleidet usw. war, also er fragt nicht nach Belanglosigkeiten, sondern: „Er will, dass Zschäpe aus dem Inneren des NSU berichtet. Wie haben ihre Freunde Mundlos und Böhnhardt ihr von den Morden erzählt? Was sprachen die beiden über Köln, wo sie zwei Anschläge verübt haben? Welche politische Einstellung hatten die beiden? Wie standen sie zu Waffen? Was weiß sie über die Herkunft der Waffen in der Wohnung des NSU in der Frühlingsstraße?“ Das sind für mich genau die Fragen, die man erwarten durfte/musste und die doch genau in die andere Richtung zielen als man eigentlich von Seiten der Wahlverteidigung wohl wollte: Nämlich weg vom „Hausmütterchen-Image“. Und damit ist doch dann genau die Situation da, auf die schon an vielen Stellen hingewiesen worden ist: Nämlich, dass dann, wenn Frau Zschäpe die Fragen nicht oder ausweichend beantwortet, der Senat das Ausweichen bewerten wird/kann und darf. Egal, ob man das nun Teileinlassung, Teilschweigen, Teilerklärung oder sonst wie nennt. Die Büchse der Pandora ist geöffnet. Ich glaube, dass man sie nicht wieder schließen kann.
  • Richtig m.E. auch, dass der Senat Fragen der Bundesanwaltschaft und der Nebenkläger zugelassen hat. Denn diese Verfahrensbeteiligten haben ein Fragerecht. Das ist für den Angeklagten nicht disponibel. Er kann Fragen nicht verhindern/verbieten. Er kann Fragen nicht beantworten, ok, er kann aber dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und auch dem Nebenkläger nicht verbieten, überhaupt Fragen zu stellen. Wenn er sie nicht beantwortet, unterliegt das dann auch wieder der Wertung durch das Gericht. Mag man es Teil(Einlassung) oder – wie G. Friedrichsen beim Spon – als die „Falle des Teilschweigens“, in die B. Zschäpe „tappen könnte“. Das wäre dann aber eine selbst gestellte Falle, die von vielen Verteidigern/Rechtsanwälten (voraus)gesehen worden. Dass die Wahlverteidiger sie nicht gesehen haben, kann ich mir nicht vorstellen. Ich weiß dann nur nicht, was man mit dem eingeschlagenen Weg bezweckt. Oder hat man zu hoch gepokert und ist davon ausgegangen, dass nicht nachgefragt werden würde. Das wäre dann aber leichtsinnig gewesen
  • Ich bin gespannt, wie lange der Senat das „Spiel“ – mündliche Frage/schriftliche Antwort – mitmacht. Gibt es im neuen Jahr nach den angekündigten Antworten eine neue Runde, dann „Mündliche Nachfrage/schriftliche Antwort“ oder reichen dem Senat ggf. die Antworten und erfragt nicht weiter/noch einmal nach? Das hängt sicherlich auch von den Antworten ab, wobei ich mir von denen nicht viel verspreche. B. Zschäpe wird ausweichen. Allerdings waren die Fragen des Senats m.E. teilweise so konkret, dass man sich ein Ausweichen kaum vorstellen kann. Das gibt es nur „Hopp oder Topp“.

Alles in allem: Ich bleibe dabei, es wäre verfahrensmäßig besser gewesen, den Mund zu halten. Und: Keine ruhige Weihnachts- und Jahreswechseltage für B. Zschäpe und die Wahlverteidiger. Denn man muss ja 55/63 Fragen beantworten und ihre Wahlverteidiger müssen/werden dabei helfen. (K)Ein frohes Fest….