Pflichtverteidiger kümmert sich nicht? – Dann „fliegt“ er „kostenneutral“ raus.

© pedrolieb -Fotolia.com

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Die mit dem Wechsel in der Person des Pflichtverteidigers zusammenhängenden Fragen führen in der Praxis immer wieder zu Diskussionen und zu längerm Hin und Her. Und meist sind die Landgerichte da recht „sperrig“; gern wird in dem Zusammenhang auch auf die zusätzlich entstehenden Kosten für die Staatskasse verwiesen. Von Interesse ist deshalb  der LG Siegen, Beschl. v. 20.08.2015 – 10 Qs 57/15. Dort war dem Beschuldigten in einem Verfahren wegen versuchten Totschlags – nachdem der Beschuldigte erklärt hatte, keinen Rechtsanwalt zu kennen, ein Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger 1 bestellt worden. Es meldet sich dann später der Wahlanwalt und beantragt, als Pflichtverteidiger 2 bestellt zu werden. Begründung u.a.: Der ursprüngliche Pflichtverteidiger 1 habe sich nicht „gekümmert“.Das AG wechselt aus  „unter der Voraussetzung, dass keine weiteren Kosten entstehen“. Dagegen dann die Beschwerde des Beschuldigten, die beim LG Siegen Erfolg hatte. Das LG begründet so:

Auf die Frage, ob mangels Kontakts noch kein Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Mandant aufgebaut werden konnte, kommt es vorliegend nicht entscheidend an, denn die Beschwerde ist schon deshalb begründet, weil dem Beschuldigten vorliegend keine ausreichende Gelegenheit gewährt wurde, einen Verteidiger zu benennen. Allein aus der am 20.04.2015 protokollierten Angabe, keinen Anwalt zu kennen, kann nicht schon der Schluss gezogen werden, dass der Beschuldigte auf die ihm eingeräumte 3-Tages-Frist zur Benennung eines Anwalts verzichtet hat. …………

Zudem ist auch von einem wichtigen Grund für einen Verteidigerwechsel auszugehen. Der Beschuldigte konnte hier zur dem Schluss gelangen, dass sich sein bisheriger Pflichtverteidiger, den er sich im Übrigen nicht selbst ausgesucht hatte, nicht hinreichend für seine Belange einsetzt und die Verteidigung nicht sachgerecht wahrnimmt. Unwidersprochen hat er vorgetragen, dass ihn sein bisheriger Verteidiger nicht in der Haftanstalt besucht hat und auch keine schriftliche Kommunikation zur Sache oder zum Verfahren erfolgt ist. Auch aus Sicht eines verständigen Beschuldigten ist dieses Verteidigerverhalten angesichts des erheblichen Tatvorwurfs, der dem Beschuldigten gemacht wird, nicht sachgerecht und wird auch nicht nachvollziehbar erklärt. Im vorliegenden Fall ist insoweit auch zu berücksichtigen, dass aufgrund des zeitnah zur Festnahme von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenen Gutachtens zu entscheiden war, ob sich der Beschuldigte einer Exploration durch einen Sachverständigen stellt.

Der Fall der fehlenden Gelegenheit zum Aufbau eines Vertrauensverhältnisses steht insoweit der Erschütterung desselben gleich. Für den der deutschen Sprache nicht mächtigen Beschuldigten (was sich schon aus dem Polizeivermerk auf BI. 10 d.A. und dem Protokoll zur Verkündung des Haftbefehls auf Bl. 160 d.A. ergibt) bestand ersichtlich ein Interesse an einer zügigen Kontaktaufnahme mit einem Anwalt. Dies wird an seinen unwidersprochen gebliebenen Ausführungen zu seinen Bemühungen, aus der Untersuchungshaft schon vor dem 06.05.2015 Rechtsanwalt Pp1 zu kontaktieren, deutlich.

Der bisherige Wahlverteidiger ist deshalb antragsgemäß als Pflichtverteidiger beizuordnen, ohne dass eine Einschränkung hinsichtlich der entstehenden Kosten erfolgt. Einem Verzicht auf einen Teil der Gebühren, nämlich soweit Rechtsanwalt Pp2 eine Grundgebühr zzgl. Umsatzsteuer geltend macht, hat der Verteidiger zwar ausdrücklich zugestimmt. Zugleich hat er jedoch erneut auf den im Namen des Beschuldigten bereits zuvor beantragten Pflichtverteidigerwechsel aus wichtigem Grund hingewiesen, weshalb insoweit davon auszugehen ist, dass der Verzicht nur für den Fall einer Ablehnung des wichtigen Grundes durch das Amtsgericht erfolgen sollte. Über die Frage des Vorliegens eines wichtigen Grundes hat das Amtsgericht jedoch keine Entscheidung getroffen.

Geht doch. Aber war hier wegen des Verhaltens des Pflichtverteidigers 1 auch nicht schwer. Wegen des Gebührenverzichts m.E. richtig und richtig ist es auch, wenn in den Fällen der Pflichtverteidiger 2 die vollen Gebühren erhält. Denn es kann ja nicht zu seinen Lasten gehen, wenn dem Beschuldigten zunächst ein Pflichtverteidiger bestellt wird, der seine Leistung nicht oder schlecht erbringt.

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