Archiv für den Monat: April 2015

Nachbereitung des Blitzermarathons – So wird im „wilden Süden“ entschlüsselt

Poliscan Speed - RadarDer gestrige Blitzmarathon ist vorbei und es hat dann doch sicherlich wieder den ein oder anderen Kraftfahrzeugführer erwischt, obwohl der Marathon angekündigt war und zum Teil auch die „Blitzerstellen“ vorab öffentlich gemacht worden sind. Ich hatte ja unter Wie bereite ich mich auf den Blitzmarathon vor? auf unser „Messungen-Buch“ hingewiesen. Wenn das noch nicht Vorbereitung genug ist/war – kann ja in dem ein oder anderen Fall sein :-), hier noch ein kleines Schmankerl, das ich vor einiger Zeit aus dem „wilden Süden“ erhalten habe. Quasi zur Nachbereitung.

Wir wissen:  Ein Messgerätehersteller legt Messdaten verschlüsselt ab. Wir kennen die Geschichte alle und kennen auch den Hersteller, der hier aber ungenannt bleiben soll.  Im „wilden Süden“ erhalten die Gerichte – zumindest wohl an einem AG – die Daten nach entsprechend nachdrücklicher Bitte gegen Erstattung des bloßen Aufwand nach dem JVEG bzw. umsonst/kostenlos.

Das entsprechende Schreiben ist mir zugespielt worden und, da nicht alle „Verkehrssünder“ rechtschutzversichert sind, sicherlich auch eine Sache, die für deren Verteidiger interessant ist. Daher hier dann die Aufforderung/Bitte bzw. der Hinweis, mit der/dem Mitarbeiter des Herstellers als Zeugen geladen werden:

Die vom technischen Sachverständigen pp. im Schreiben vom pppp. benannten Daten (Abstandsbestimmung, insb. Helligkeitsprofile sowie die Helligkeitsprofile insgesamt wie vom Gerät aufgenommen als auch die graphische Darstellung der korrelierten Kurven) werden im Klartext gerichtlich angefordert, § 95 StPO.

Sie sollen als Zeugen nötigenfalls eine Messdatei entschlüsseln, welche mit einem von Ihnen vertriebenen Gerät erstellt wurde. Hilfsweise haben Sie den hierzu befähigten Mitarbeiter zu benennen. Zudem sollen Sie in der Hauptverhandlung zu den eingesetzten Verschlüsselungsverfahren und den Gründen hierfür vernommen werden.

Ihre Einvernahme als Zeugen erledigt sich, wenn dem gerichtlichen Sachverständigen oder dem Amtsgericht Reutlingen die zur Auswertung der Messdatei erforderlichen Daten (insb. „Key-Dateien“, Session Keys, Zugangscodes, Rohdaten u.ä.) rechtzeitig vor dem Termin unmittelbar im Klartext zur Verfügung gestellt werden, gerne auch per (verschlüsselter, ZIP) E-Mail oder auf Datenträger.

Eine Entschädigung für den anfallenden Aufwand und die Einvernahme als Zeugen erfolgt alleine nach den Vorschriften des JVEG.

Sollte nur eine andere Person (z.B. Unternehmensangestellter der Fa pp. zur Aufbereitung oder „Entschlüsselung“ in der Lage sein, wofür das offenbar von Ihnen gegenüber dem Sachverständigen gemachte „Angebot“ spricht, bitte ich diese Person binnen einer Woche mit einer ladungsfähiger Anschrift beim Gericht vorab namhaft zu machen. Auch in diesem Falle wird sich die Vernehmung erübrigen.

Die (teilweise) verschlüsselten (Mess-)Daten wurden von der Stadt pp. am pp. bei der Verkehrsüberwachung hoheitlich erhoben und sind in der Gesamtheit Beweismittel im Bußgeldverfahren hier. Der gerichtliche Sachverständige und der Bußgeldrichter benötigen in der Datei enthaltene Informationen und Daten als Anknüpfungstatsachen in unverschlüsselter („Klartext“) Form für eine eigenständige, sachverständige Begutachtung des Messvorganges mit einem Gerät ppp. aus ihrem Hause.

Da die vorhandenen Daten (teilweise noch) verschlüsselt in der Messdatei abgelegt oder gespeichert sind, müssen diese von Ihnen gesondert zugänglich gemacht werden. Es ist davon auszugehen, dass alleine der Hersteller mit vertretbarem Aufwand hierzu in der Lage ist. Von der Einschaltung eines forensischen IT-Sachverständigen soll aus Kostengründen zunächst abgesehen werden.

Bitte beachten Sie unbedingt: Zur Meldung weitergehender strafprozessualer Zwangsmaßnahmen nach den §§ 94, 95 Abs. 1, 70; 98 StPO i.V.m. § 46 OWiG, nötigenfalls einer Beschlagnahme vor Ort in ppp, wird in jedem Falle, unbesehen möglicher Entschädigungsfragen nach dem JVEG, um die zeitnahe Überlassung eines entschlüsselten Datensatzes oder der zu einer Entschlüsselung notwendigen Daten anheimgestellt (zu den Pflichten eines Zeugen: Meyer-Goßner, StPO, 57. Auflage, § 95, Rz. 3a).

Weitere Vorgaben des vom Gericht bestellten Sachverständigen sind unverzüglich umzusetzen. Die Telefonnummer entnehmen Sie bitte dem Anschreiben des Sachverständigen ppp.

Die Herausgabe von Quellcodes, Firmware und technischen Dokumentationen o.ä. ist derzeit nicht Gegenstand der gerichtlichen Anforderung. Soweit Betriebsgeheimnisse im weiteren Sinne belegbar betroffen sind, werden diese auf Antrag gemäß den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes geschützt.

Bitte beachten Sie freundlich, dass urheberrechtliche, wettbewerbsrechtliche und zivilrechtliche Vorschriften (hierzu: AG Lüdinghausen, Beschluss vom 09.12.2012, Az:. 19 OWi 19/12) die Auswertung der beim verfahrensgegenständlichen Messvorgang erhobenen (Roh- )Daten durch das Gericht oder den Sachverständigen (hierzu umfangreich: Oberlandesgericht Naumburg, Urteil vom 27.08.2014: 6 U 3/14) nicht berühren.

Eine „Zweite Ernte“ in Gestalt einer Aufwandsentschädigung von 450 EUR netto oder von „Lizenzgebühren“ o.ä., nach der bestimmungsgemäßen, amtlichen Erstellung einer Messdatei im Regelbetrieb einer von der Fa. pppp. vertriebene Messanlage, wird vom JVEG, der Strafprozessordnung und den Vorschriften des Urheberrechts nicht getragen, zumal technisch oder rechtlich nachvollziehbare Gründe für die dauerhafte Verschlüsselung von Messdaten beim behördlichen Endanwender nicht ersichtlich sind.

Soweit überhaupt Aufwendungen für die Bereitstellung der unverschlüsselten (Roh-)Daten, gemäß der gemachten Anforderungen des Sachverständigen (vgl. Anschreiben vom pppp. entstehen sollten, sind diese binnen 10 Tagen, mit einer Begründung, dem Gericht glaubhaft zu machen. Es wird freilich davon ausgegangen, dass hier lediglich die Herausgabe einer „Schlüsseldatei“ von wenige Byte Größe notwendig ist.

Auf § 7 Abs. II des Gesetzes über die „Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten“ darf allerdings hingewiesen werden:

„Für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien anstelle der in Absatz 2 genannten Kopien und Ausdrucke werden 1,50 Euro je Datei ersetzt. Für die in einem Arbeitsgang überlassenen oder in einem Arbeitsgang auf denselben Datenträger übertragenen Dokumente werden höchstens 5 Euro ersetzt.”

Im Übrigen gilt die Vorschrift des § 23 JVEG:

(2) Dritte, die aufgrund einer gerichtlichen Anordnung nach § 142 Abs. 1 Satz 1 oder § 144 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Urkunden, sonstige Unterlagen oder andere Gegenstände vorlegen oder deren Inaugenscheinnahme dulden, sowie Dritte, die aufgrund eines Beweiszwecken dienenden Ersuchens der Strafverfolgungsbehörde

  1. Gegenstände herausgeben (§ 95 Abs. 1, § 98a der Strafprozessordnung) oder die Pflicht zur Herausgabe entsprechend einer Anheimgabe der Strafverfolgungsbehörde abwenden oder
  2. in anderen als den in Absatz 1 genannten Fällen Auskunft erteilen,

werden wie Zeugen entschädigt. Bedient sich der Dritte eines Arbeitnehmers oder einer anderen Person, werden ihm die Aufwendungen dafür (§ 7) im Rahmen des § 22 ersetzt; § 19 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.“

Charmant der Hinweis auf die „zweite Ernte“ und: Der Hinweis auf die Beschlagnahme geht ein wenig in Richtung des OLG Celle, Beschl. v. 26.03.2013 – 322 SsBs 377/12. Da hatte das OLG Celle (vgl. dazu Akteneinsicht a la OLG Celle: Hammer; oder: Verwaltungsbehörden zieht euch warm an. Durchsuchung bei euch droht!!) Ausführungen zur ggf. möglichen Beschlagnahme der Bedienungsanleitung gemacht, wenn die Verwaltungsbehörde die nicht „herausrückt“. Hier droht man dem Hersteller. Auch keine schlechte Idee :-).

So das war dann aber Vor- und Nachbereitung genug.

Ach so: Danke in den „wilden Süden“ für das Schmankerl. Die Anstiftung war erfolgreich 🙂 .

 

 

Voraussetzungen für eine ordnungswidrige Abstandsunterschreitung

© digitalstock - Fotolia.com

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Das OLG Hamm hat im OLG Hamm, Beschl. v. 22.12.2014 – 3 RBs 264/14 – vor einiger Zeit noch einmal zu den Voraussetzungen für die Tatbestandsmäßigkeit einer im Sinne einer vorwerfbaren Abstandsunterschreitung gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO Stellung genommen. Danach verstößt gegen § 4 Abs. 1 StVO bereits, wer zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Fahrt objektiv pflichtwidrig und subjektiv vorwerfbar den im einschlägigen Bußgeld-Tatbestand gewährten Abstand unterschreitet. Auf das Vorliegen einer nicht nur ganz vorübergehenden Abstandsunterschreitung kommt es dagegen nur dann an, wenn Verkehrssituationen in Frage stehen, wie etwa das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder der abstandsverkürzende Spurwechsel eines dritten Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könne.

Mit der Entscheidung stellt der 3. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm die Rechtsprechung des OLG Hamm zum Abstandsverstoß klar. Insoweit war es teilweise durch zwei Entscheidungen des 1. Senats für Bußgeldsachen des OLG Hamm (vgl. u.a. OLG Hamm, Beschl. v. 09.07.2013 – 1 RBs 78/13) zu Irritationen gekommen. Der 3. Senat verweist darauf, dass eine Einschränkung des Tatbestandes oder der Rechtsfolgen der vorwerfbaren Unterschreitung des zulässigen Sicherheitsabstandes (§ 4 StVO) in dem Sinne, dass stets eine nicht nur ganz vorübergehende Abstandsunterschreitung vorliegen müsse, auch der Rechtsprechung des 1. Senats nicht entnommen werden könne. Es werde vielmehr betont, dass es auf das Vorliegen einer nicht nur ganz vorübergehenden Abstandsunterschreitung nur dann ankomme, wenn Verkehrssituationen in Frage stünden, wie etwa das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder der abstandsverkürzende Spurwechsel eines dritten Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könne (OLG Hamm, a.a.O. m.w.N.; so auch OLG Rostock, Beschl. v. 18.08.2014 – 21 Ss OWi 144/14 ). Auf diese „Sondersituationen“ ist also zu achten.

Klatsche aus Karlsruhe: Einen Tag nackt – Guantanamo lässt grüßen

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Im Moment „rappelt“ es im Strafvollzug, meint: Derzeit werden doch eine ganze Reihe von Entscheidungen des BVerfG veröffentlicht, die ein in meinen Augen nicht allzu gutes Licht auf den Strafvollzug werfen und auch nicht auf die Art und Weise, wie damit bei den LG und OLG umgegangen wird. Nach dem BVerfG, Beschl. v. 05.03.2015 – 2 BvR 746/13 (vgl. dazu Der entkleidete Gefangene, oder: Guantanamo ist wohl doch überall) ist gestern die PM zum BVerfG, Beschl. v. 18.03.2015 – 2 BvR 1111/13 – über die Ticker gelaufen.

In ihm geht es mal wieder um einen entkleideten/nackten Gefangenen. Der mittlerweile entlassene Gefangene war 2010 in der JVA Kassel I, Abteilung für psychisch auffällige Gefangene, untergebracht, wo er für den 08. 09. 2010 zur Zahnarztsprechstunde vorgesehen war. Nachdem die JVA die Behandlung an diesem Tag nicht gewährleisten konnte, begann der Gefangene gegen seine Haftraumtür zu schlagen und zu treten. Im weiteren Verlauf wurde er unter Anlegung von Handfesseln in einen besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände mit durchgehender Kameraüberwachung verbracht und dort nach Entfernung der Handfesseln vollständig entkleidet. Am 09. 10. 2010 erhielt er eine Hose und eine Decke aus schnell reißendem Material. Am 10. 09. 2010 wurde er in seinen Haftraum zurückverlegt. Eine nach seiner Rückverlegung erhobene Dienstaufsichtsbeschwerde wies der Anstaltsleiter zurück. Es sei kein dienstaufsichtsrechtliches Fehlverhalten der von dem Gefangenen genannten Bediensteten ersichtlich.  Letztlich hat dann sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung weder beim LG noch beim OLG Frankfrut Erfolg. Das OLG hat seine Rechtsbeschwerde als unzulässig, u.a. weil die Verfahrensrüge nicht ausreichend begründet war, verworfen.

Die Verfassungsbeschwerde hatte dann jetzt aber Erfolg. Nach Ausführungen zur Zulässigkeit führt das BVerfG zur Begründetheit u.a. aus:

Die weiteren Ausführungen des Landgerichts, bei der Feststellung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme sei zu berücksichtigen, dass die Eingriffsintensität dadurch abgemildert worden sei, dass der besonders gesicherte Haftraum dauerhaft beheizt gewesen und von außen nur durch einzelne Vollzugsbedienstete per Kameraüberwachung einsehbar gewesen sei, gehen ebenfalls fehl. Die ausreichende Beheizung eines besonders gesicherten Haftraums (die im Übrigen vorliegend strittig war), ist eine Selbstverständlichkeit und gerade nicht dazu geeignet, als besonderes Entgegenkommen der Justizvollzugsanstalt einen so schwerwiegenden Eingriff wie die vollständige Entkleidung eines Gefangenen als verhältnismäßig zu rechtfertigen. Sie steht in keiner Beziehung zu der hier in Frage stehenden Verletzung der durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Intimsphäre des Betroffenen und ist im Übrigen Mindestvoraussetzung dafür, dass bei der einschneidenden Unterbringung nicht noch weitere Grundrechte des Gefangenen – etwa dessen Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG – verletzt werden. Ebenso wenig sind die Ausführungen des Landgerichts, das Schamgefühl des Beschwerdeführers sei dadurch geschont worden, dass der Haftraum nur durch einzelne Vollzugsbedienstete per Kameraüberwachung einsehbar gewesen sei, geeignet, die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu begründen. Die diesbezügliche Feststellung des Landgerichts entbehrt bereits einer Tatsachengrundlage. Aus dem Vorbringen der Justizvollzugsanstalt ist nicht ersichtlich, wie viele Vollzugsbedienstete den besonders gesicherten Haftraum des Beschwerdeführers einsehen konnten. Insbesondere geht aus dem Vortrag der Justizvollzugsanstalt nicht hervor, dass die Überwachung des Beschwerdeführers nur durch gleichgeschlechtliche Bedienstete erfolgt ist (vgl. zu diesem Gebot zur Wahrung des Schamgefühls des Betroffenen Arloth, StVollzG, 3. Aufl. 2011, § 88 Rn. 8). Im Übrigen ändert die Frage, wie viele Bedienstete durch die Kamera tatsächlich den besonders gesicherten Haftraum einsehen konnten, nichts daran, dass sich der Beschwerdeführer bereits durch das Bewusstsein der permanenten Beobachtung durch die Videokameras bei gleichzeitig vollständiger Entkleidung erniedrigt und in seiner Intimsphäre verletzt fühlen musste….“

Das alles wird man in Kassel und in Frankfurt nicht so gerne lesen: „grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts„, „nicht nachvollziehbar„, „verkennt“ , „gehen fehl“ sind deutliche Worte, die, wenn nicht eine „schallende Ohrfeige“ und/oder „Klatsche“, dann aber doch einen „dicken Rüffel“ aus Karlsruhe bedeuten.

Das einzig unschöne an der Entscheidung des BVerfG: Warum kommt sie erst nach gut zwei Jahren?

So ein Quatsch, oder: Wenn man Äpfel mit Birnen vergleicht.

© beermedia.de -Fotolia.com

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Ja, sorry, liebes OLG Köln, so einen Quatsch, wie im OLG Köln, Beschl. v. 06.03.2015 – 1 RVGs 9/15 – habe ich ja schon lange nicht mehr gelesen. Da hatte der Pflichtverteidiger eine Pauschgebühr beantragt und dazu u.a. auf eine größere Anzahl von JVA-Besuchen verwiesen. Das OLG hat – durch die Einzelrichterin – offenbar eine („Erprobungs“)Richterin am AG – den Antrag abgelehnt.

Nun lassen wir mal die Frage dahingestellt, ob es sich um ein besonders umfangreiches oder schwieriges Schwurgerichtsverfahren gehandelt hat oder nicht. Es spricht sicherlich manches dafür, dass das nicht der Fall war. Insoweit kann ich dem OLG ja auch noch folgen. Allerdings:  Auch das OLG Köln übernimmt offenbar ohne weiteres den in meinen Augen falschen Ansatz des BGH zur Pauschgebühr, wenn es im Beschluss heißt: „Die Bewilligung setzt voraus, dass die anwaltliche Mühewaltung sich von sonstigen – auch überdurchschnittlichen Sachen – in ganz erheblicher Weise abheben muss (vgl. BGH, 3 StR 117/12, Beschluss vom 17.09.2013; BGH, 4 StR 73/10, Beschluss vom 11.02.2014; jeweils: „in exorbitanter Weise“).“ Wo steht das denn?

„Quatsch“ ist dann aber, was das OLG zu den JVA-Besuchen schreibt:

„Was die JVA-Besuche anbelangt, geht deren Anzahl zwar über die 3 Besuche hinaus, die nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig mit der gesetzlichen Gebühr abgegolten sind (SenE v. 03.11.2009 – 1 ARs 101/09 -; SenE v. 06.02.2009 – 1 ARs 15/09 -; SenE v. 21.03.2013 – III-1 RVGs 23/13 -). Der hier vorgetragene Mehraufwand erfährt aber eine Kompensation durch die Gebühren für die Hauptverhandlung. Denn der Antragsteller hat für die Teilnahme an 4 Hauptverhandlungsterminen jeweils eine Gebühr nach Nr. 4121 W RVG und zudem den Längenzuschlag nach Nr. 4122 VV RVG erhalten hat. Damit ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ein zeitlicher Aufwand von bis zu 32 Stunden angemessen vergütet. Diesen Gebühren steht nach der insoweit unwidersprochenen Stellungnahme des Vertreters des Landes NRW vom 05.02.2015 in vorliegender Sache eine tatsächliche Inanspruchnahme des Antragstellers durch die Teilnahme an der Hauptverhandlung von insgesamt 27 Stunden und 14 Minuten gegenüber. Hieraus folgt, dass der Antragsteller für die von ihm aufgewendete Zeit zur Einarbeitung in die Sache und für Besprechungen mit dem Angeklagten durch die bereits an sie ausgekehrten gesetzlichen Gebühren angemessen entschädigt ist.“

Das ist schlicht falsch, denn:

1. Fraglich ist schon, ob man überhaupt „kompensieren“ aufrechnen kann. Das ist in Rechtsprechung und Literatur nicht unbestritten und dazu hätte man sich dann als OLG schon mal äußern dürfen.

2. Falsch ist es dann jedenfalls, die Zeit für die JVA-Besuche mit Hauptverhandlungszeit und/oder Längenzuschlägen zu verrechnen. Dabei übersieht die Einzelrichterin, dass die von ihr errechneten 32 Stunden, die nach Vorstellung des Gesetzgebers den Gebühren Nrn. 4121, 4122 VV RVG zugrunde liegen sollen, Hauptverhandlungszeit sind und es sich zudem um pauschale Festbetragsgebühren handelt, die eben bis zu acht Stunden Hauptverhandlung abgelten. Die Zeit, die für JVA-Besuche aufgebracht wird bzw. aufgebracht worden ist, wird aber gar nicht von diesen Gebühren abgegolten, sondern von der gerichtlichen Verfahrensgebühr Nr. 4118, 4119 VV RVG. Das kann man nach den Strukturen des RVG nicht gegeneinander aufrechnen. Das ist so, als wenn Äpfel mit Birnen verglichen werden. Das steht im Übrigen auch in allen gängigen RVG-Kommentaren. Vielleicht hätte ein Blick dort hinein ja der – besseren – Rechtsfindung gedient.

Solche Beschlüsse ärgern – zumindest mich.

Wie bereite ich mich auf den Blitzmarathon vor?

© Sven Grundmann – Fotolia.com

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Burhoff/ Grün, Messungen im Straßenverkehr

Burhoff/ Grün, Messungen im Straßenverkehr

Morgen ist es wieder so weit: Der nächste Blitzmarathon steht an. Und damit stellt sich natürlich auch die Frage: Kann ich mich vorbereiten und, wenn ja, wie? Nun, die Antworten liegen auf der Hand:

Für den Verkehrsteilnehmer ist es ganz einfach: Man muss sich nur an die vorgegebenen Geschwindigkeiten halten, dann kann nichts passieren :-).

Und wann man das nicht getan hat, dann braucht man ggf. einen Verteidiger im Bußgeldverfahren. Und der kann sich auch (gut) vorbereiten, meine ich. Nämlich mit Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr, 3. Aufl., 2013. Das Werk behandelt u.a. eben die Geschwindigkeitsmessverfahren und stellt die anhand von Bildern vor. Wer es noch nicht kennt, hier gibt es Leseproben.

Derzeit läuft – passend zum Blitzmarathon 🙂 – eine Aktion des Verlages. Nämlich: Es gibt sog. „Mängelexemplare“ zu einem Sonderpreis vpn 69,90 € – der reguläre Preis beträgt 98,00 €. Keine Angst. Das sind vollständige Bücher, da fehlen also keine Seiten. Aber das die Bücher meist aus Retouren stammen, kann schon mal der Schutzumschlag beschädigt sein usw. Nichts Dramatisches also.

Wer sich also „richtig“ vorbereiten will, der kann das mit dem „Burhoff/Grün“ tun. Zum Bestellformular geht es hier – bitte einfach kurz mitteilen, ob ein reguläres Exemplar oder ein Mängelexemplar bestellt wird.

Ach so: Ja, das war jetzt Werbung 🙂