© J.J.Brown – Fotolia.com
Ich hatte ja schon einige Male Postings zu § 338 Nr. 5 StPO betreffend einen Teil der der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten. Meist stehen diese Fragen in Zusammenhang mit § 247 StPO. Im BGH, Beschl. v. 17.09.2014 – 1 StR 212/14 – ist es dann mal nicht die Entfernung nach § 247 StPO, sondern eine nach § 231b StPO. Zum Ablauf und zur Begründung führt der BGH aus:
„1. Die Rüge einer Verletzung des § 338 Nr. 5 StPO (§ 231b Abs. 1 StPO) hat Erfolg, weil die Hauptverhandlung (hier Einnahme eines Augenscheins) in Abwesenheit des Angeklagten erfolgt ist.
Durch Beschluss des Landgerichts wurde der Angeklagte gemäß § 177 GVG für die weitere Vernehmung der Zeugin B. am 15. November 2013 aus dem Sitzungszimmer entfernt, nachdem er zuvor mehreren sitzungspolizeilichen Anordnungen des Vorsitzenden … nicht nachgekommen war …
Nach Entfernung des Angeklagten machte die Zeugin weitere Angaben. Im Protokoll heißt es sodann: „Die von der Polizei gefertigten Lichtbilder der Wohnung der Geschädigten B. wurden in Augenschein genommen.“
Die Zeugin machte sodann weitere Angaben zur Sache. Der Angeklagte wurde über den wesentlichen Inhalt der Zeugenaussage B. informiert (§§ 231b Abs. 2, 231a Abs. 2 StPO).
Die Lichtbilder werden im Protokoll anschließend nicht mehr erwähnt.
…..
b) Die Rüge ist auch begründet.
Durch die Niederschrift über die Hauptverhandlung wird bewiesen (§ 274 StPO), dass während der Vernehmung der Zeugin B., bei der der Angeklagte nach § 177 GVG ausgeschlossen war, die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder durchgeführt wurde. Nach den Gesamtumständen ist hier davon auszugehen, dass es sich um einen förmlichen Augenschein gehandelt hat und die Lichtbilder nicht lediglich als Vernehmungsbehelf eingesetzt worden sind (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2002 – 5 StR 477/02).
Die Verwendung von Augenscheinsobjekten als Vernehmungsbehelfe im Verlaufe einer Zeugenvernehmung hätte keiner Aufnahme in die Sitzungsniederschrift bedurft (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2014 – 4 StR 529/13 mwN).
Der Wortlaut des Protokolls ist eindeutig: Die Bilder wurden „in Augenschein genommen“. Auf die Einschätzung des Sitzungsstaatsanwalts in seiner Gegenerklärung, wo nach seiner Erinnerung die Lichtbilder „als Hilfe dienten, die Angaben des Zeugen B. betreffend ihrer Wohnverhältnisse nachvollziehen zu können“, kommt es danach nicht an.
Den Urteilsgründen lässt sich auch nicht entnehmen, dass kein förmlicher Augenschein erfolgt ist. Denn dort heißt es: „Dieses Geschehen konnte B. anhand von in Augenschein genommenen Lichtbildern …“ (UA S. 20) und „beruhen u.a. … auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern der Wohnung von B.“ (UA S. 26). Umstände, die die Beweiskraft des Urteils in Zweifel ziehen könnten (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss vom 13. November 2002 – 1 StR 270/02), liegen danach nicht vor.
Eine gegebenenfalls zulässige Protokollberichtigung ist nicht erfolgt.
Danach ist ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten vorgenommen und auch nicht in seiner Anwesenheit wieder-holt worden (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss vom 19. Juli 2007 – 3 StR 163/07). Dass der Angeklagte hier nicht nach § 247 StPO sondern nach § 177 GVG entfernt wurde, ist für die Beurteilung des Verstoßes ohne Bedeutung. Es liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO vor, weil ein Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt wurde (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2014 – 4 StR 529/13), ohne dass dies durch den Entfernungsbeschluss gedeckt war; denn die Augenscheinnahme gehörte nicht zur Vernehmung (vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt 57. Aufl. Rn. 7 und 20 ff. zu § 247 StPO). Es stand auch nicht zu befürchten (vgl. § 231b Abs. 1 StPO), dass der Angeklagte bei nachträglicher Inaugenscheinnahme der Lichtbilder (bei seiner Unterrichtung gemäß §§ 231b Abs. 2, 231a Abs. 2 StPO) den Ablauf der Hauptverhandlung in schwerwiegender Weise beeinträchtigen würde.“