Archiv für den Monat: Juli 2014

Pflichtverteidigerwechsel – OLG Köln: Einmal „Hui“, gebührenrechtlich ein kleines „Pfui“

© Haramis Kalfar - Fotolia.com

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Vor einigen Tagen hat mir die Kollegin, die den OLG Köln, Beschl. v. 26.06.2014 –  2 Ws 344/14 – erstritten hat, diesen übersandt. Nach erstem Lesen meine ich: Soweit das OLG Fragen der Pflichtverteidigung entscheidet: Hui, soweit es dabei zu gebührenrechtlichen Problemen Stellung nimmt. M.E. eher „Pfui“.

Die Entscheidung behandelt ein Problem der Pflichtverteidigung, und zwar die Frage der Auswechselung/Umbeiordnung. Da hatte das LG, das dem Beschuldigten eine Frist zur Benennung eines Pflichtverteidigers gesetzt hatte, die der Beschuldigte versäumt hat, diesem einem (eigenen) Pflichtverteidiger beigeordnet. Dann melden sich die „Verteidiger des Vertrauens“ und beantragen ihre Beiordnung.  Das LG lehnt das unter Hinweis auf die versäumte Frist ab. Das OLG sieht das – m.E. zutreffend – anders und sagt: Nach § 142 Abs. 1 S. 1 StPO soll dem Beschuldigten vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers Gelegenheit gegeben werden, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger seiner Wahl zu bezeichnen. Allein der Ablauf einer gesetzten Benennungsfrist kann dem Beschuldigten dieses Recht nicht nehmen. Denn die Benennungsfrist stellt keine Ausschlussfrist dar. Deshalb ist im Zweifel umbeizuordnen. Insoweit „hui“.

Allerdings meine ich: Gebührenrechtlich fängt sich das OLG ein „pfui“ ein. Denn seinen in dem Zusammenhang gemachten gebührenrechtlichen Ausführungen kann man nun gar nicht folgen. Das OLG nimmt zum Entstehen und zum Abgeltungsbereich von Verfahrens- und Grundgebühr Stellung. Das hätte es aber besser mal gelassen bzw. erst mal einen Blick in das (neue) RVG geworfen und dann – hoffentlich – bemerkt, dass es im Verhältnis Grund-/Verfahrensgebühr und für das Entstehen der Gebühren auf die Frage, ob der Abgeltungsbereich der Grundgebühr schon überschritten ist, seit dem 01.08.2013 nicht mehr ankommt. Denn Grundgebühr und Verfahrensgebühr entstehen jetzt immer nebeneinander. Die Frage des Abgeltungsbereich hat nur noch bei der Bemessung der Gebühren Bedeutung. Auf die kam es aber nicht. Denn es ging um die gesetzlichen Gebühren des Pflichtverteidigers. Und das sind – unabhängig vom Umfang der erbrachten Tätigkeiten – Festbetragsgebühren.

Reden ist Silber, oder: 2,56 Promille, warme Motorhaube und Reden rechtfertigen MPU-Anordnung

© ExQuisine - Fotolia.com

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Und das dicke Ende kommt dann hinterher, oder: Vielleicht hätte ich im Strafverfahren doch besser geschwiegen, wird sich ein Kraftfahrzeugführer sagen, gegenüber dem die Fahrerlaubnisbehörde die MPU angeordnet hat. Begründet hat sie das damit, dass nach ihrer Auffassung Tatsachen vorliegen, die die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat ihr im OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 27.06.2014 – 16 B 358/14 – Recht gegeben. Es argumentiert u.a. mit 2,56 Promille und und warmer Motorhaube und eben einer Äußerung im Strafverfahren, und zwar wie folgt:

„—Die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, hat der Antragsgegner auf § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. a Alt. 2 FeV gestützt. Danach ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Der Antragsgegner hat insofern darauf abgestellt, dass beim Antragsteller am 6. Juli 2012 eine mittlere Blutalkoholkonzentration von 2,56 Promille festgestellt worden sei, der Antragsteller selbst im Strafverfahren nicht ausgeschlossen habe, vielleicht doch das Fahrzeug an dem Abend geführt zu haben, und die Polizei vor Ort festgestellt habe, dass die Motorhaube noch warm gewesen sei. Diese Umstände lassen den Schluss zu, dass der Antragsteller am 6. Juli 2012 unter einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholeinfluss ein Kraftfahrzeug führte. Dieser Annahme steht nicht entgegen, dass der Antragsteller nunmehr behauptet, er habe die Erklärung im Strafverfahren nur aus rein prozesstaktischen Erwägungen abgegeben, um einer weiteren Konfrontation mit den mutmaßlich die Unwahrheit sagenden, mit dem Antragsteller verfeindeten Nachbarn zu entgehen. Dieser Vortrag ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Nachbarn in der Verhandlung am 23. April 2013 bereits als Zeugen vernommen worden waren, bevor der Antragsteller in derselben Verhandlung nach Inaugenscheinnahme eines Videos auf dem Smart-Phone eines Zeugen erklärte: „Es kann sein, dass ich doch gefahren bin“.

Schließlich dringt der Antragsteller auch mit der Rüge nicht durch, die Entscheidung beruhe auf der hypothetischen Annahme, dass grundsätzlich von einer Alkoholabhängigkeit bzw. einem Alkoholmissbrauch auszugehen sei bei Personen, die in der Lage seien, eine Alkoholkonzentration von 2,56 Promille zu erreichen. Bereits Blutalkoholkonzentrationen von 1,6 Promille setzen nach verkehrsmedizinischen Erkenntnissen regelmäßig normabweichende Trinkgewohnheiten voraus und sprechen für eine Alkoholproblematik. Das gilt erst recht für deutlich darüber liegende Werte. Vgl. dazu Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Kommentar, 2. Aufl. 2005, S. 132; BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1988 – 7 C 46.87 -, BVerwGE 80, 43 = […] Rn. 9, jeweils mit weiteren Nachweisen….“

Darf der Verteidiger „kinderpornografische Schriften“ weitergeben – ja, aber….

AusrufezeichenWir erinnern uns: Im Frühjahr 2013 hat der der OLG Frankfurt, Beschl. v. 02.11.2012, 2 Ws 114/12 – nicht nur die Blogs (vgl. unseren Beitrag Die Weitergabe von Kinderpornografie durch den Verteidiger – strafbar?) sondern auch die Fachzeitschriften beschäftigt/bewegt. In der Sache ging es u.a. um die Frage, ob sich ein Verteidiger nach § 184b Abs. 2 StGB strafbar macht wegen der Verschaffung des Besitzes Dritter an kinderpornografischen Schriften, wenn er diese, z.B. im Rahmen eines Gutachtenauftrags an einen Sachverständigen, zur Verfügung stellt. Das LG Marburg hatte das  unter Hinweis auf § 184b Abs. 5 StGB verneint und das Verfahren nicht eröffnet. Das OLG Frankfurt hatte das anders gesehen und das Verfahren eröffnet. In der Hauptverhandlung hatte das LG dann – wie im Grunde nicht anders zu erwarten – den angeklagten Rechtsanwalt insoweit aus rechtlichen Gründen frei gesprochen. Die Sache hat dann den BGH beschäftigt, der durch Urteil vom 19.03.2014 den Freispruch aufgehoben hat. Das BGH, Urt. v. 19.3.2014 – 2 StR 445/13 – ist inzwischen auf der Homepage des BGH eingestellt. Hat – aus welchen Gründen auch immer – länger gedauert.

Die BGH-Entscheidung lässt sich etwa in folgenden Leitsätzen zusammenfassen:

1. Der Ausnahmetatbestand des § 184b Abs. 5 StGB ist nicht auf die Tätigkeit von Be­hör­den beschränkt, sondern kann auch Strafverteidiger und Sachverständige betreffen. Zu Verteidigungszwecken kann der Strafverteidiger das Aktenmaterial, das kinder­pornographische Schriften enthält, auswerten und dazu auch Berufshelfer einschalten.

2. Die Besitzverschaffung an Dritte ist dem Strafverteidiger aber nur erlaubt, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Verteidigungsaufgabe erforderlich ist.

Also, ein „Ja, aber“, mit dem Verteidiger in der Praxis aber m.E. ganz gut leben können. Denn der BGH bestätigt das Recht des Verteidigers, eigene Ermittlungen durchzuführen und ggf. Sachverständige zu beauftragen, selbst wenn dabei einem Dritten kinderpornografische Dateien zur Verfügung gestellt werden. Allerdings ist dies nur dann durch § 184b Abs. 5 StGB gedeckt, wenn es zur Wahr­nehmung der Verteidigeraufgabe erforderlich ist. Das ist aber für mich eine Selbstverständlichkeit. Aus dem Urteil des LG ergaben sich hier nicht die Voraussetzungen des § 184b Abs. 5 StGB; deshalb hat der BGH aufgehoben.

Offen ist noch die vom BGH nicht entschiedene und nicht zu entscheidende Frage, ob der Verteidiger seinem Mandanten Aktenkopien mit kinderpornografischen Material überlassen darf. M.E. wird man die Frage kaum anders beantworten können: Sofern es für die Wahrnehmung der Verteidigeraufgabe erforderlich ist, darf der Verteidiger die entsprechenden Kopien von Akten an seinen Mandanten weiterreichen.

„Am Tag als der Regen kam“, oder: Auf der Luftmatratze durch die Stadt

Luftmatratze„Am Tag als der Regen kam“, das war für Münster gestern. So etwas habe ich hier noch nicht erlebt. Angeblich das schlimmste Unwetter, das Münster je getroffen hat, Gewitter, Hagel und Starkregen (jetzt weiß ich, was das ist). Ab dem späten Nachmittag hat es geschüttet, über 100 l/qm waren es dann gestern Abend/heute Nacht, als es so gegen 00.30 Uhr endlich aufhörte. Verkehrschaos an allen Stellen, das Wasser stand kniehoch (zu allem hier die WN). Die Feuerwehr ist noch immer unterwegs. Wenn man so mitten drin ist/war, da wird es einem doch ganz anders und man kann sich vorstellen, was „monsunartige“ Regenfälle sind, von denen man immer wieder liest. Die entstandenen Sachschäden sind sicherlich schlimm, aber nebensächlich, wenn man liest, dass ein Mann in seinem Keller ertrunken ist.

Aber: Es gibt dann auch Mitbürger, die ihren Humor nicht verlieren und die Gelegenheit nutzen, um auf der Luftmatratze durch die Stadt zu fahren. Wann hat man dazu schon mal die Gelegenheit? Aufgenommen wahrscheinlich weit vor den o.a. Ereignissen bzw. bveor es richtig schlimm wurde. Dazu gibt es dann auch noch ein Video auf der Facebook-Seite von Antenne Münster, die übrigens wegen Stromausfall nicht senden können.

An anderen Stellen sah es dann nicht so lustig aus wie (zunächst) in der Innenstadt:

steinfurter-strassePromenadeUmgehungs

So, Bilder habe ich von Twitter. Jetzt hoffe ich mal, dass da nicht die Abmahnung kommt.

Lösung: Ich habe da mal eine Frage: Sind zwei Hauptverhandlungsgebühren entstanden?

© haru_natsu_kobo - Fotolia.com

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Am vergangenen Freitag hatte ich die Frage gestellt: Ich habe da mal eine Frage: Sind zwei Hauptverhandlungsgebühren entstanden? Nun, die Lösung ist nicht schwer und ergibt sich – was manchmal nicht der Fall – aus dem RVG. Denn bei den Hauptverhandlungsterminsgebühren heißt es immer „je Hauptverhandlungstag“. Das bedeutet, dass es für einen Tag in derselben Sache/Angelegenheit immer nur eine Hauptverhandlungsgebühr geben kann. Das hat das LG Hannover schon zur BRAGO entschieden (vgl. JurBüro 1996, 190). Und das gilt auch so im „Fragefall“. Dass da die Hauptverhandlung „ausgesetzt“ und nicht „unterbrochen“ worden und dann „fortgesetzt“ worden ist, ändert an dem Ergebnis nichts. Es ist/bleibt ein Hauptverhandlungstag. Für den Pflichtverteidiger stellt sich dann aber ggf. die Frage des Längenzuschlags mit dem interessanten Problem, ob die zwischen den beiden Terminen liegende Wartezeit/Pause ggf. angerechnet wird.

Etwas anderes gilt übrigens, wenn ein Verfahren abgetrennt und im Ursprungsverfahren und im abgetrennten Verfahren am selben Tag noch/weiter Hauptverhandlungen stattfinden. Dann liegen „verschiedene Angelegenheiten“ vor, in denen die Hauptverhandlungsgebühren „je Hauptverhandlungstag“ entstehen können (vgl. LG Itzehoe AGS 2008, 233 = StraFo 2008, 92).

Alles kein „Hexenwerk“, sondern steht in jedem (guten) Kommentar 🙂 .