Archiv für den Monat: Juni 2014

Der BGH, auf den (Fährten)Hund gekommen

entnommen wikimedia.org Urheber BUHR

entnommen wikimedia.org
Urheber BUHR

Vor einiger Zeit ist in der Fachpresse, u.a. auch bei uns im StRR, über das das LG Nürnberg, Urt. v. 13.12.2012, 13 KLs 372 Js 9454/12 (vgl. dazu hier: Auf den Hund gekommen… Verwertbarkeit von Mantrailereinsätzen) berichtet worden. Das hatte Vorgaben hinsichtlich der Verwertbarkeit von Beweisergebnissen gemacht, die durch so.g Mantrailing gewonnen worden waren. Nun hat auch der BGH (in einem Zusatz) die Frage (an)behandelt. Im BGH, Beschl. v. 07.05.2014 –  5 StR 151/14 – heißt es dazu:

„Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 28. März 2014 bemerkt der Senat:

1. Die Beweiswürdigung ist auch hinsichtlich der durch den Einsatz des Fährtenhundes „Lucky“ erzielten Ergebnisse nicht zu beanstanden. Der Senat kann offenlassen, ob er den vom Landgericht Nürnberg-Fürth in seinem Urteil vom 13. Dezember 2012 (13 KLs 372 Js 9454/12) – auf das sich die Revision stützt – insofern aufgestellten Mindeststandards folgen würde. Denn diese beziehen sich auf die hier nicht vorliegende Konstellation, dass es sich dabei um das alleinige Beweismittel für die Anwesenheit eines Beschuldigten am Tatort handelt. Deshalb durfte das Landgericht den durch „Lucky“ herbeigeführten Erkenntnissen einen gewissen Indizwert für die Täterschaft des Angeklagten selbst für den Fall zubilligen, dass der Einsatz des Hundes nicht in allen Punkten lege artis durchgeführt worden sein sollte. Das Landgericht war sich dessen möglicherweise eingeschränkten Beweiswertes bewusst und hat den hierdurch erzielten Ergebnissen nur „untergeordnete Bedeutung für die Beweiswürdigung“ zugebilligt (UA S. 41 ff.).

Ping, Ping – macht das Anrufen betrügerisch

© scusi - Fotolia.com

© scusi – Fotolia.com

In der Tages- und Fachpresse ist ja vor einiger Zeit über ein Urteil des LG Osnabrück berichtet worden, durch das das LG die sog.  Ping-Anrufe auf dem Mobiltelefon in der Absicht, einen Rückruf an eine kostenpflichtige Sonderrufnummer zu erreichen, die (massen)Anrufer wegen Betruges verurteilt hat. Zu dem Urteil liegt nun der Volltest der Revisionsentscheidung des BGH vor, nämlich das BGH, Urt. v. 27.03.2014 – 3 StR 342/13.

Auch der BGH nimmt in dem umfassend begründeten – für BGHSt – vorgesehenen Urteil Betrug gem. § 263 StGB an. Er geht von einer (doppelten) Täuschungshandlung (mit Irrtumserregung) aus:

„(1) Das Landgericht hat in dem eingehenden Anruf die schlüssige Übermittlung eines Kommunikationswunsches gesehen. Dieses Abstellen auf einen stillschweigenden Erklärungsinhalt ist zunächst im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden: Beim Betrug kann auch konkludent getäuscht werden, namentlich durch ein irreführendes Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als still-schweigende Erklärung zu verstehen ist (BGH, Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 3 mwN).

Rechtlich beanstandungsfrei ist das Landgericht aber auch davon aus-gegangen, dass mit einem Anruf, bei dem die Rufnummer hinterlassen wird, nach der objektiv zu bestimmenden Verkehrsanschauung (BGH, Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 3 f.) zugleich die Erklärung über-mittelt wird, der Anrufer habe mit dem Angerufenen kommunizieren wollen. Diese Auffassung, der sich der Senat anschließt, entspricht der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum (OLG Oldenburg aaO, wistra 2010, 453, 454; LG Hildesheim, Urteil vom 10. Februar 2004 – 26 KLs 16 Js 26785/02, MMR 2005, 130, 131; Ellbogen/Erfurth, CR 2008, 635; Eiden, Ju-ra 2011, 863, 865 f.; Kölbel, JuS 2013, 193, 195 f.; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 11 f.; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 263 Rn. 28c; Park/Zieschang, Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl., § 263 Rn. 36 Fn. 40 ; Geppert/Schütz, BeckTKG-Komm/Ditscheid/Rudloff, 4. Aufl., Vorbemerkung vor § 66a Rn. 40; so wohl auch Brand/Reschke, NStZ 2011, 379, 381; im Ergebnis auch BeckOK- v. Heintschel-Heinegg/Beukelmann, StGB, § 263 Rn. 17.2 [Stand: 8. März 2013]). Da die Angeklagten tatsächlich keine Kommunikation mit den Geschädigten anstrebten, war diese Erklärung unwahr.

…..

(2) Eine weitere den Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB erfüllende Täuschung liegt in der den Angerufenen zugleich konkludent vorgespiegelten Möglichkeit, einen Rückruf bei der in ihrem Mobiltelefon hinterlassenen Nummer zu dem jeweils mit ihrem Netzbetreiber vereinbarten Tarif ohne darüber hinausgehende Kosten durchführen zu können (Kölbel, JuS 2013, 193, 196; MüKoStGB/Hefendehl aaO, § 263 Rn. 119). Hierzu gilt:…“

Lesenswert, vor allem auch für Examenskandidaten… 🙂 .

„Pferd beißt Polizeiwagen“ – Verkehrsrecht mal anders

entnommen wikimedia.org Urheber Ganida

entnommen wikimedia.org
Urheber Ganida

Einen Beitrag habe ich dann heute noch. Auf ihn bin ich gerade durch eine Nachricht bei LTO gestoßen. Die Überschrift ist ein Hingucker, wenn es heißt „Pferd beißt Polizeiwagen“. Kann ich mir dann hier nicht verkneifen 🙂 . Und in der Meldung zum AG Remscheid, Urt. v. 28.05.2014 – 43 C 25/14 – geht es dann weiter mit:

„Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte mal anders: Nachdem er ausgebüxt war, wollte Hengst „Richard“ nicht ohne Weiteres auf seine frisch gewonnene Freiheit verzichten. Das bekam vor allem ein Streifenwagen zu spüren: Dass Pferd biss mehrfach kräftig zu und verursachte an dem Polizeiwagen einen Schaden in Höhe von rund 4.300 Euro. Das AG Remscheid entschied nun, dass der Pferdehalter den Schaden vollumfänglich begleichen muss.

Die Versicherung des Pferdehalters wollte von den für die Reparaturen veranschlagten Kosten lediglich 3.000 Euro übernehmen. Sie war der Ansicht, dass die durchgeführten Instandsetzungsarbeiten viel zu aufwendig durchgeführt worden seien. Zudem vermutete die Pferdehaftpflichtversicherung, dass auch Altschäden gleich mit repariert worden seien. Schließlich klagte das Land NRW vor dem AG Remscheid auf Zahlung der übrigen 1.300 Euro und bekam Recht.

Das Gericht befand, dass die umfangreichen Schäden – Kratzer am Dachholm, an beiden Türen und der Motorhaube – den Reparaturaufwand rechtfertigten. Zudem sei die Reparatur zum Werterhalt des lediglich geleasten Streifenwagens notwendig gewesen.“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Vollstreckung einer ausländischen Strafe, wie rechne ich ab?

© haru_natsu_kobo - Fotolia.com

© haru_natsu_kobo – Fotolia.com

Am vergangenen Freitag hatte ich im „RVG-Rätsel“ gepostet zu: Ich habe da mal eine Frage: Vollstreckung einer ausländischen Strafe, wie rechne ich ab? Ich bin dann schon erstaunt, dass nur eine Antwort gekommen ist, wobei mir allerdings nicht klar ist, ob der Antwortende/Kommentator es ernst gemeint hat, wenn er schreibt: „Nach der Gebührenvereinbarung …..“. Also ein richtiger Gebührenfuchs, der allerdings so verkehrt nicht liegt, wenn eine Honorarvereinbarung getroffen worden ist. Aber: Es geht dennoch kein Weg daran vorbei. Wenn ich als Verteidiger eine Honorarvereinbarung schließe, dann muss ich wissen, welche Gebühren mir eigentlich zustehen. Sonst kann ich nicht entscheiden, welches Honorar ich vereinbaren muss/soll/darf/kann.

Und da hatte ich gedacht, dass die Frage so einfach ist, dass die Antworten nur so rasseln. Aber leider nicht. Wahrscheinlich hat sich, weil es so einfach ist, keiner getraut. Die Antwort liegt nämlich nun wirklich auf der Hand. Es handelt sich bei der vom Kollegen in seiner Frage dargestellten Tätigkeit um eine solche im sog. Exequaturverfahren, also um eine Tätigkeit nach dem 4. Teil des IRG (§§ 48 ff. IRG) – Rechtshilfe durch Vollstreckung ausländischer Erkenntnisse -. Und diese Tätigkeit wird abgerechnet nach Teil 6 VV RVG Abschnitt 1 VV RVG, und zwar i.d.R. mit (nur) einer Verfahrensgebühr Nr. 6101 Vv RVG. Ggf. entsteht eine Terminsgebühr nach Nr. 6102 VV RVG. Weiß man doch,. Oder sind die Vorschriften so versteckt, dass man sie nicht findet….

 

Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, Unerfahrenheit, Ärgern des Verteidigers? Man weiß es nicht….

© J.J.Brown - Fotolia.com

© J.J.Brown – Fotolia.com

Von einem Kollegen vom KG habe ich (vorab) den KG, Beschl. v. 16.05.2014 – 1 Ws 21/14 – erhalten. Beim Lesen ist mir dann mal wieder der sprichwörtliche Draht aus der Mütze gesprungen. Das kann doch nicht wahr sein, habe ich gedacht.

Was ist passiert bzw. entschieden worden? Nun, eine Pflichtverteidigerin beantragt Festsetzung ihrer Vergütung. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) des LG weist diesen Antrag zurück, weil die Pflichtverteidigerin die von ihr unterschriebene Erklärung über bereits erhaltene Zahlungen (§ 55 Abs. 5 Satz 2 RVG) per Telefax und nicht im Original vorgelegt hatte. Die dagegen gerichtete Erinnerung hat das LG (Einzelrichter) zurückgewiesen. Die Beschwerde hat dann beim KG, das in der Besetzung mit drei Richtern entschieden hat, Erfolg.

„Die Beschwerdeführerin war nicht verpflichtet, die erforderliche Erklärung über (nicht) erhaltene Vorschüsse und Zahlungen (§ 58 Abs. 3 RVG) im Original einzureichen. Richtig ist zwar, daß diese Erklärung gemäß § 55 Abs. 5 Satz 2 RVG in dem Antrag auf Festsetzung der Pflichtverteidigergebühren enthalten sein muß. Für diesen Antrag ist jedoch in § 55 RVG keine besondere Form vorgeschrieben (vgl. Hartmann, KostG 44. Aufl., Rdn. 7 zu § 55 RVG). Das Landgericht kann sich für seine gegenteilige Ansicht nicht auf § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG berufen, der für eine Honorarforderung des Anwalts gegen seinen Auftraggeber eine von ihm eigenhändig unterzeichnete Berechnung vorschreibt. Ob die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform (§ 126 Abs. 1 BGB) bei Anträgen nach § 10 RVG stets die Übermittlung des unterschriebenen Originaldokuments erfordert oder – wie bei anderen (verfahrens-)bestimmenden Schriftsätzen – deren Übersendung durch Telefax ausreicht (vgl. dazu GmS-OGB, Beschluß vom 5. April 2000 – 1/98 – bei juris; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 19. März 2013 – 1 K 166/12 – bei juris), kann der Senat hier offen lassen. Denn § 10 RVG gilt (nur) im Innenverhältnis zwischen dem Mandanten und dem beauftragten Rechtsanwalt (vgl. OLG München ZfSch 2007, 48). Auf den durch § 45 Abs. 3 Satz 1 RVG begründeten öffentlich-rechtlichen Vergütungsanspruch des bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse ist die Bestimmung nicht anwendbar (vgl. Schneider/Wolf, RVG 7. Aufl., Rdn. 1 zu § 55 und Rdn. 10 zu § 10; Mayer/Kroiß, RVG 6. Aufl., Rdn. 6 zu § 10). Vielmehr haben die Sondervorschriften der §§ 55 RVG den Vorrang (vgl. Hartmann, KostG 44. Aufl., Rdn. 1 zu § 10 RVG), die keine Verweisung auf § 10 RVG enthalten.  

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der – für den Rechtsanwalt ohnehin unverbindliche – bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschrift „VwV Vergütungsfestsetzung“ in der Fassung vom 26. August 2009. Darin wird zwar für den „Festsetzungsantrag mit der Berechnung der Gebühren und Auslagen“ als Klammerzusatz § 10 RVG ohne nähere Begründung zitiert (A. 1.1. Satz 1). Gleichzeitig wird mit Satz 2 dieser Vorschrift aber auch die Möglichkeit eröffnet, den Antrag formlos zu stellen.“

Wenn man den Beschluss liest, fragt man sich nach dem Hintergrund des Vorgehens des UdG: Unkenntnis oder Unerfahrenheit oder wollte er – aus welchen Gründen auch immer – die Pflichtverteidigerin ärgern? Jedenfalls hat man den Eindruck, eine „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“ zu sehen/zu lesen und ist dann schon erstaunt, dass insgesamt vier Richter mit der Frage befasst sind, und zwar einmal R 1, zweimal R 2 und einmal R 3. Die betriebswirtschaftlichen Kosten von Rechtspfleger-Entscheidungen, man mag sie manchmal nicht ausrechnen. Was der Senat des KG von der Sache hält, ergibt sich m.E. zwanglos aus dem Beschluss selbst, wenn er ausdrücklich ausführt:

Der Senat macht darauf aufmerksam, dass Verfahrensvorschriften nicht Selbstzweck sind. Sie sollen die einwandfreie Durchführung eines Verfahrens sicherstellen und nicht behindern (vgl. GmS-OGB aaO). Das Schriftlichkeitserfordernis soll dabei gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie stammt, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Die Verlässlichkeit dieser Angaben kann auch durch die elektronische Übermittlung per Telefax gewahrt werden. Dazu bedarf es in der Regel der Einreichung eines mit der Unterschrift des Antragstellers versehenen Originalschriftsatzes nicht. Sofern im Einzelfall Zweifel an der Urheberschaft und inhaltlichen Richtigkeit des gestellten Antrages bestehen, ist es dem Urkundsbeamten unbenommen, nach den §§ 55 Abs. 5 Satz 1 RVG, 104 Abs. 2 ZPO weitere Auskünfte zur Glaubhaftmachung einzuholen und die Vorlage von Originaldokumenten zu verlangen.“

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, außer die Frage an den UdG: Haben die Gerichte denn nichts anderes/Besseres zu tun, als solche Fragen zu entscheiden?