Archiv für den Monat: Mai 2014

Weisung: Alkohol- oder Drogenkontrollen – was geht das den Bezirksrevisor an?

ParagrafenDer OLG Koblenz, Beschl. v. 08.05.2014 – 2 Ws 216/14 behandelt eine Frage, die im Verlauf einer Bewährung von Bedeutung sein kann. Es geht nämlich darum, wer die Kosten von dem Angeklagten auferlegten Alkohol- und Drogenkontrollen zu tragen hat. Dazu führt das OLG – allerdings eher im Vorbeigehen – aus:

„Bei den Kosten für Alkohol- oder Drogenkontrollen in Erfüllung einer Weisung nach § 56c StGB oder § 68b Abs. 1 Nr. 10, Abs. 2 Satz 4 StGB handelt es sich nicht um Vollstreckungskosten, mit denen der Verurteilte durch die Kostenentscheidung der Verurteilung belastet wäre. Allerdings hat er sie grundsätzlich nach dem Veranlassungsprinzip selbst zu tragen.“ Aber:

Die Zurechnung der Kosten findet ihre Grenze jedoch im verfassungsrechtlich verankerten Übermaßverbot und den Zumutbarkeitsklauseln der § 56c Abs. 1 Satz 2 StGB bzw. § 68b Abs. 3 StGB. Als Folge einer erforderlichen Weisung können bei fehlender finanzieller Leistungsfähigkeit die Kosten subsidiär der Staatskasse auferlegt werden. Die Kostentragungspflicht des Staates ergibt sich in diesem Fall als Annex zu den Entscheidungen nach § 56c StGB bzw. § 68b StGB (OLG Koblenz, Beschluss 1 Ws 381/11 vom 18.07.2011; OLG Nürnberg aaO; Thür.OLG aaO; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2011, 30; NStZ-RR 2014, 62; OLG München NStZ-RR 2012, 324; OLG Braunschweig, Be-schluss 1 Ws 333/13 vom 18.11.2013, juris; s.a. BVerfG, Beschluss 2 BvR 1392/02 vom 27.06.2006, juris JR 2006, 480; OLG Bremen NStZ 2011, 216). Sollten die von der Strafkammer in ihrer Nichtabhilfeentscheidung mitgeteilten Einkommensverhältnisse zutreffen, dürfte die Anordnung der Kostentragung durch die Staatskasse nicht zu beanstanden sein.

Insoweit nichts Neues, sondern wohl inzwischen h,M. (vgl. dazu u.a. im KG, Beschl. v. 01.10.2013 – 2 Ws 476/13 und Wer trägt eigentlich die Kosten für Urinkontrollen? und der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.09.2013 – 3 Ws 277/13 und Nachschlag: Wer trägt die Kosten einer forensischen Therapie?) Also „Mainstream“, aber schadet ja nicht, wenn man es weiß 🙂 .

„Interessant“ ist der Beschluss aber noch aus einem weiteren Grund: Die Auflage war dem Angeklagten im Bewährungsbeschluss einer Strafkammer gemacht worden. Als es zu der ersten Kontrolle kommt, entsteht Streit um die Kosten. Und in dem Streit legt dann die Bezirksrevisorin des LG Beschwerde gegen die Bewährungsentscheidung des LG ein, soweit darin die Kosten für die Kontrollen der Staatskasse auferlegt worden sind. Das macht das OLG aber nicht, denn: Der Bezirksrevisor ist nicht beschwerdeberechtigt, es sei denn, das Gesetz sieht ausdrücklich eine Beschwerdebefugnis der Staatskasse vor, wie es etwa in § 4 Abs. 3 JVEG der Fall ist (Zabeck in KK-StPO, 7. Aufl., § 304 Rn. 27; Matt in LR, StPO, § 304 Rn. 49; Frisch in SK, 4. Aufl., § 304 Rn. 40).“ Und aus § 304 Abs. 2 StPO kann man eine Beschwerdeberechtigung der Staatskasse auch nicht herleiten.

Sorry, wäre aber nun auch noch schöne, wenn der Bezirksrevisor auch da noch seine Finger drin haben könnte.

„dran ist drin“, oder: Was ist „Beischlaf“?

FragezeichenDie – zugegeben etwas flapsige – Überschrift „dran ist drin“, oder: was ist „Beischlaf“ bezieht sich auf den BGH, Beschl. v. 27.03.2014 – 1 StR 106/14. Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes verurteilt. Er legt Revision ein, die verworfen wird. Der BGH macht zur OU-Entscheidung einen Zusatz dahin, dass der Angeklagte auch noch wegen Vergewaltigung hätte verurteilt werden können (also „Glück“ gehabt [?]):

Dass das Landgericht im Fall II.B.4. der Urteilsgründe den Angeklagten lediglich wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB und nicht auch tateinheitlich wegen Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB verurteilt hat, beschwert diesen ersichtlich nicht. Nach den getroffenen Feststellungen wäre eine solche Verurteilung in Frage gekommen. Das Geschehen wird so dargestellt, dass die Nebenklägerin sich angesichts der Erinnerung an die bei der Tat im Fall II.B.2. der Urteilsgründe erlittenen starken Schmerzen verkrampfte und ihren Körper versteifte. Deshalb – also offenbar wegen dieser körperlichen Abwehrreaktion – konnte der Angeklagte mit seinem Penis nur ein kleines Stück in die Scheide der Nebenklägerin ein-dringen (UA S. 12). Gewalt i.S.v. § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt, wie das Landgericht an sich nicht verkannt hat, vor, wenn der Täter physische Kraft entfaltet, um den erkannten oder erwarteten Widerstand des Opfers gegen die Vornahme sexueller Handlungen zu überwinden, wobei das Opfer durch die Handlung des Täters körperlich wirkendem Zwang ausgesetzt sein muss (BGH, Beschlüsse vom 9. April 2009 – 4 StR 88/09, NStZ-RR 2009, 202 f.; vom 31. Juli 2013 – 2 StR 318/13, StraFo 2013, 479). Angesichts der sich verkrampfenden und den Körper versteifenden Nebenklägerin lagen diese Voraussetzungen nicht fern. Gleiches gilt für das Regelbeispiel aus § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist „Beischlaf“ das Eindringen des männlichen Gliedes in die Scheide; dafür genügt der Kontakt des männlichen Gliedes mit dem Scheidenvorhof (BGH, Urteile vom 14. August 1990 – 1 StR 62/90, BGHSt 37, 153, 154; vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 242/00, BGHSt 46, 176, 177), ein vollständiges Eindringen des Gliedes in die Scheide ist jedenfalls gerade keine Voraussetzung für die Vollendung des Beischlafs (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2000 – 1 StR 270/00, NStZ 2001, 246).“

Die Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Terminsgebühr für Gespräch mit dem StA?

© haru_natsu_kobo - Fotolia.com

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Mit dem Posting: Ich habe da mal eine Frage: Terminsgebühr für Gespräch mit dem StA? habe ich vor einigen Tagen die neue Reihe zu RVG-Fragen eröffnet, über die ich in Zukunft immer mal wieder diskutieren (lassen) will. Nun ja, Gott sei Dank, es sind auch zwei Antworten eingegangen, die zu der angesprochenen Problematik Stellung genommen haben, ob es nämlich für ein Gespräch, das der Verteidiger mit einem Staatsanwalt führt, ggf. eine (Vernehmungs)Terminsgebühr Nr. 4102 VV RVG gibt? Der Kollege, der mir die Frage gestellt hatte, hatte darauf hingewiesen, dass es sich bei einem solchen „Gespräch“ auch um eine Vernehmung des Beschuldigten handelt, wenn er als Verteidiger über eine Vertretungsvollmacht verfügt. Der Beschuldigte werde bei der Vernehmung durch ihn vertreten.

Nun, wäre schön, aber: M.E. entsteht eine Terminsgebühr nicht. Es handelt sich nicht um eine Vernehmung i.e.S. der Nr. 4102 VV RVG. Gemeint sind damit nach Sinn und Zweck die „klassischen“ Vernehmungen des Beschuldigten, an denen der Verteidiger als dessen Beistand teilnimmt. Voraussetzung ist im Grunde die Teilnahme von mindestens drei Teilnehmern: Vernommener, Vernehmender und Verteidiger. Daran fehlt es in der Fragestellung. Alle anderen Termine werden über die jeweilige Verfahrensgebühr abgegolten.

Damit haben  die beiden Antwortenden im Ergebnis Recht. Zutreffend ist es auch, wenn sie eine analoge Anwendung der Nr. 4102 VV RVG verneinen. Die ist nicht möglich. Es gibt in der Nr. 4102 VV RVG, die schon eine Ausnahmeregelung ist, einen enumerativen Katalog, wann die Gebühr entsteht. Das lässt sich nicht erweiternd auslegen. Die zitierte Entscheidung des LG Braunschweig ist zwar verteidigerfreundlich, aber falsch.

Neues zur Konnexität – Rechtsprechung rudert (ein wenig) zurück

© sss78 – Fotolia.com

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Wer die Rechtsprechung der Obergerichte, vornehmlich die des BGH, zum Beweisantragsrecht verfolgt, weiß, dass es dort ein Problem gibt, das immer wieder den BGH, aber auch die Literatur beschäftigt. Nämlich die Frage, ob zu einem ordnungsgemäßen (Zeugen)Beweisantrag nicht nur die Voraussetzungen Beweismittel und Beweisbehauptung gehören, sondern ggf. noch eine dritte, nämlich die sog. Konnexität. Wenn ja, müsste dazu vorgetragen werden, warum ein Zeuge zu einem bestimmten Beweisthema überhaupt etwas sagen kann, warum er also mit ihm „Konnex“ ist. Der BGH hat diese Voraussetzung vor einigen Jahren postuliert, die Literatur läuft dagegen Sturm und sieht darin eine im Gesetz nicht vorgesehene und daher nicht erforderliche/zulässige dritte Voraussetzung. Über die Fragen hatte ich ja bereits schon vor kurzem im Posting: Der “Subunternehmer” im Beweisantrag, oder: Der “konnexe” BGH zum BGH, Beschl. v. 15.01. 2014 – 1 StR 379/13 berichtet.

Jetzt bin ich auf zwei weitere Entscheidungen gestoßen, die ich vorstellen möchte.

  • Das ist zunächst der BGH, Beschl. v. 24.03.2014 – 5 StR 2/14. Ihn kann man dahin zusammenfassen, dass der BGH an dem Erfordernis der Konnexität trotz aller Kritik weiterhin festhält – alles andere würde auch überraschen, ja, sie sogar noch verschärft hat (vgl. dazu nur: BGHSt 52, 284StRR 2008, 425). Aber: Es ist erforderlich – aber auch ausreichend – wenn die Umstände dargelegt werden, aus denen sich ergibt, warum es dem Zeugen möglich sein kann, die Beweistatsache zu bekunden. Und: Der 5. Strafsenat weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass diese Rechtsprechung nicht dazu „missbraucht“ werden darf, spät in der Beweisaufnahme gestellten Beweisanträge über den Weg der fehlenden Konnexität ihren Charakter als Beweisantrag zu nehmen, wenn es sich um einen unmittelbaren Tatzeugen handeln soll, dessen Wahrnehmungsmöglichkeit nach der bisherigen Beweisaufnahme nicht ausgeschlossen oder als von vorneherein unrealistisch erscheint. Zutreffend und sicherlich als Ruf vom BGH mal erforderlich.
  • Auf einer ähnlichen Linie liegt der OLG Schleswig, Beschl. v. 06.11.2013 – 1 Ss 124/13. Es verweist darauf, dass das Erfordernis der Konnexität keinen weiteren Ablehnungsgrund i.S. von § 244 Abs. 3 Satz 2 Stopp begründet, sondern (nur) der Feststellung dient, ob überhaupt ein nach § 244 Abs. 6 StPO bescheidungspflichtiger Beweisantrag vorliegt, bei dem das Gericht an die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 bis 5 StPO gebunden ist.

 

Mal eben nachschauen im Bußgeldverfahren – Durchsuchung zulässig?

© M. Schuppich - Fotolia.com

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Mal eben nachschauen im Bußgeldverfahren = mal eben durchsuchen. Geht das? Nun, auch in Bußgeldverfahren sind Durchsuchung und Beschlagnahme nicht ausgeschlossen. Allerdings wird in der Rechtsprechung, vor allem der des BVerfG, besonderer Wert auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit gelegt (vgl. dazu z.B. EGMR NJW 2006, 1495; BVerfG HRRS 2005, 313). Hinzuweisen ist auch auf BVerfG StraFo 1999, 192 betreffend einen geringfügigen Verstoß gegen das AuslG oder auf BVerfG NJW 2006, 3411 betreffend geringfügige Verkehrs-OWi (Parkverstöße) mit Geldbußen von je 15,00 € und auf LG Zweibrücken NStZ-RR 1999, 339 = zfs 1999, 174 bei einer außerorts begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung um 33 km/h, sowie aber auch auf AG Reutlingen/LG Tübingen VA 2012, 178 bei einer außerorts begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung um 39 km/h zur Vorbereitung eines anthropologischen Gutachtens (vgl. dazu So gehts “im wilden Süden”: Durchsuchung/Beschlagnahme im OWi-Verfahren) (vgl. zur Durchsuchung im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren  Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., 2012, Rn.  601 ff.).

Nun hat sich auch das LG Berlin im LG Berlin, Beschl. v. 16.04.2014 – 510 Qs 49/14 – zu der Frage der Durchsuchung im Bußgeldverfahren geäußert. Es verweist in seinem Beschluss darauf, dass es einen allgemeinen Grundsatz, dass Wohnungsdurchsuchungen in Bagatellsachen nicht zulässig seien, nicht gibt. Vielmehr ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen und sind die widerstreitenden Interessen gegeneinander abzuwägen. Dabei hat das LG im entschiedenen Fall zu bedenken gegeben, dass es sich um Gesetzesverstöße handelte, die vor dem Hintergrund der für die Verstöße gewählten Örtlichkeiten am Potsdamer Platz in Berlin-Mitte und vor Segmenten der Berliner Mauer nicht nur national, sondern auch international auffallen und vom Betroffenen insoweit mit Bedacht ausgewählt worden seien. Im Rahmen der gebotenen Abwägung wirkte es sich für den Betroffenen zudem nachteilig aus, dass er wiederholt und hartnäckig gegen das Gesetz verstoßen hat.

Für die mitlesenden Verkehrsrechtler: Überträgt man das auf das straßenverkehrsrechtliche Bußgeldverfahren wird man eine Durchsuchung nur für zulässig/verhältnismäßig ansehen können, wenn entweder der Betroffene wiederholt (massiv) gegen Verkehrsvorschriften verstoßen hat oder es sich um besonders grobe Verkehrsverstöße handelt, die ggf. sogar mit einem längeren als einem einmonatigen Regelfahrverbot belegt werden. Für geringfügige Verstöße scheidet die Durchsuchung danach aus.