Archiv für den Monat: Januar 2013

Der „Hackbratentrick“

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Der ein oder andere wird vielleicht stutzen, wenn er die Überschrift liest: „Hackbraten-Trick“? Jetzt also auch noch Kochrezepte im Jurion Strafrecht Blog? Nein, keine Sorge/Angst, wir erweitern unsere Berichterstattung nicht auf – ggf. juristisch interessante – Kochrezepte, sondern: Die Überschrift weist auf eine Meldung hin, auf die ich vor ein paar Tagen gestoßen bin. Da wurde in der Tagespresse über den „Hackbraten-Trick“ berichtet, den ein Dieb bei einer Seniorin angewendet hat. In der Meldung in der Welt v. 11.01.2013 heißt/hieß es:

„Dieb überfällt Seniorin mit „Hackbraten-Trick“

Darauf muss man erst mal kommen: Mit einem Hackbraten hat sich ein Unbekannter in Düren Zugang zu der Wohnung einer betagten Frau verschafft. Der dreiste Täter gab die Mahlzeit als Geschenk aus.

 Er habe ihr nur etwas Leckeres mitbringen wollen, begrüßte der Unbekannte die verdutzte 89-jährige an ihrer Wohnungstür. In der Hand hielt er dabei eine Plastikschale mit einem Hackbraten darin.

Doch anstatt ihr die Mahlzeit zuzubereiten, drängte der Mann sich an der derzeit auf einen Rollstuhl angewiesenen Seniorin vorbei und betrat die Wohnung. Dort durchwühlte er nach Polizeiangaben offenbar gezielt Schubladen und Schränke in der Küche, bis er auf die Geldbörse der Frau stieß.“

Wirklich dreist.

 

Rechtfertigungsgrund Kirchgang?

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In Münster gibt es den Domplatz. Auf dem steht der Dom. Der ist zur Zeit wegen Renovierungsarbeiten gesperrt. Die Gottesdienstes sind ausgelagert = sie finden in der nahe gelegenen Überwasser- bzw. der Lambertikirche statt. Teilweise parken die Gottesdienstbesuche auf dem Domplatz, was nicht an allen Stellen erlaubt ist. Dafür gibt es dann ggf.ein Verwarnungsgeld der Stadt Münster in Höhe von 15 €. Das ist dann wohl auch einem Gottesdienstbesucher aus Münster passiert, der dann aber einen Leserbrief geschrieben hat, der gestern in der „WN“ abgedruckt war. Da heißt es:

„Zahlreiche Verkehrsteilnehmer und ich selbst wurden in letzter Zeit durch die Stadt Münster während der Gottesdienstzeiten in den Dom-Ersatzkirchen (Lambertikirche und Überwasserkirche) auf dem Domplatz parkend mit 15 EURO verwarnt. Zuletzt ist mir dies am zweiten Advent während des Besuchs der Überwasserkirche passiert.

Dies hat es während der Gottesdienste nie gegeben und ist mehr als skandalös, es grenzt an  unglaubliche Abzocke der Stadt Münster! Sollte der Gottesdienstbesuch mit dem verbundenen Parken vor der Kirche zu einer Ordnungswidrigkeit führen, kann ich nur an die Gottesdienstbesucher appellieren, den Messen fernzubleiben.

Leere Kirchen sind dabei eine mehr als verständliche Folge.“

Ich kann nur sagen: Ohne weiteren Kommentar, der Leserbrief spricht m.E. für sich, bzw. nur so viel: Wenn man das liest, fragt man sich, ob das wirklich ernst gemeint ist. Aber offenbar ist das der Fall, denn sonst würde man ja keinen Leserbrief schreiben.Wahrscheinlich wird auch noch das AG Münster mit der Sache befasst.

Und: Ich habe ihn gestern dann gesucht, aber nicht gefunden: Den Rechtfertigungsgrund Kirchgang.

Neuere, mildere Feststellungen – aber gleich hohe Strafe?

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Auch so ein Dauerbrenner: Ein Urteil wird zugunsten des Angeklagten aufgehoben, es wird neu verhandelt und das Tatgericht kommt zu günstigeren Feststellungn, aber es verhängt dieselbe Strafe wie das erste Gericht. Dann hapert es häufig an den Urteilsgründen, denn die müssen in den Fällen dem Angeklagten erklären, warum er gleich hoch wie beim ersten Mal bestraft wird. Das gibt es nicht nur beim Berufungsgericht, sondern auch bei BGH, wie der BGH, Beschl. v. 27.11.2012 – 3 StR 439/12 – zeigt:

2. Wird ein Urteil auf ein Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten auf-gehoben und trifft der neue Tatrichter Feststellungen, welche die Tat in einem wesentlich milderen Licht erscheinen lassen, hält er aber dennoch eine gleich hohe Strafe für erforderlich, so hat er nach ständiger Rechtsprechung seine Entscheidung eingehend zu begründen; denn die ursprüngliche Bewertung der Tat und die Strafzumessung in der aufgehobenen Entscheidung sind zwar kein Maßstab für die neue Strafzumessung, jedoch hat der Angeklagte einen Anspruch darauf, zu erfahren, warum er für ein wesentlich geringeres Vergehen nun gleich hoch bestraft wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. November 2008 – 5 StR 556/08, StraFo 2009, 118; vom 11. Juni 2008 – 5 StR 194/08, wistra 2008, 386, 387; vom 10. Oktober 1990 – 2 StR 446/90, StV 1991, 19; vom 20. April 1989 – 4 StR 149/89, StV 1989, 341; vom 20. August 1982 – 2 StR 296/82, NStZ 1982, 507; OLG Bamberg, Beschluss vom 2. November 2011 – 3 Ss 104/11, NStZ-RR 2012, 138, 139; OLG Stuttgart, Beschluss vom 28. Juni 2000 – 2 Ss 289/00, NStZ-RR 2001, 16).

Im Jugendstrafrecht kann nichts anderes gelten. Unmittelbar einleuchtend ist dies dann, wenn der neue Tatrichter Umstände in der persönlichen Entwicklung des Angeklagten feststellt, welche das notwendige Maß der erzieherischen Einwirkung als gegenüber dem Zeitpunkt der ersten tatrichterlichen Entscheidung nicht unerheblich geringer erscheinen lassen. Eine nachvollziehbare Begründung, weshalb es bei einer Jugendstrafe in der zuvor ausgesprochenen Höhe zu verbleiben hat, ist vom neuen Tatrichter aber auch dann zu fordern, wenn das dem Angeklagten zur Last fallende Tatgeschehen nunmehr in einem deutlich milderen Licht erscheint. Zwar bemisst sich die Höhe der Jugendstrafe nach § 18 Abs. 2 JGG auch dann vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten, wenn deren Verhängung vollständig oder teilweise auf die Schwere der Schuld gestützt wird (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 – 3 StR 219/12). Indes wird sich das Maß der erforderlichen erzieherischen Einwirkung regelmäßig nicht ohne Betrachtung des Umfangs des dem Angeklagten zuzu-rechnenden Tatunrechts ermitteln lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2009 – 5 StR 174/09, NStZ-RR 2009, 337).

„Kennkarte Deutsches Reich“ – Urkunde?

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Das LG hat den Angeklagten wegen einer Urkundenfälschung verurteilt, und zwar auf der Grundlage folgender Feststellungen (vgl. dazu den OLG Bamberg, Beschl. v.  23. 10. 2012 – 2 Ss 63/12):

„Nach den Feststellungen des LG befand sich der Angekl. im Juni 2011 auf dem Weg zum sog. „Bayerntag“ der NPD, als er einer polizeilichen Kontrolle unterzogen wurde. In deren Rahmen händigte er dem kontrollierenden Beamten eine sog. „Kennkarte Deutsches Reich“ aus. Die Karte hat ein Format von ca. 10,5 x 15,0 cm, umfasst 4 Seiten und besteht aus einem grauen Papier, wie es früher für amtliche Ausweise, z.B. Führerscheine verwendet worden ist. Auf der Vorderseite befinden sich die Aufdrucke „Deutsches Reich“ und „Kennkarte“, dazwischen ein Reichsadler mit Hakenkreuz im Eichenlaubkranz. Die linke Innenseite enthält neben Angaben zu Person und Wohnort des Angekl. einen „Kennort“, eine „Kennnummer“ und ein Gültigkeitsdatum bis zum „12.11.2015“. Auf der rechten Innenseite ist im linken oberen Bereich das Passbild des Angekl. angebracht, das mit einer Klarsichtfolie überklebt und zusätzlich mit Ringnieten in der linken oberen und der rechten unteren Ecke befestigt ist. Rechts daneben befindet sich in zwei übereinander angeordneten Feldern mit der Bezeichnung „Rechter Zeigefinger“ und „Linker Zeigefinger“ jeweils ein mit blauer Stempelfarbe aufgebrachter Fingerabdruck. Im unteren Bereich befindet sich zunächst als Unterschrift des „Kennkarteninhabers“ der handschriftliche Namenszug des Angekl., sowie darunter (eingedruckt) der „Kennort“ mit Ausstellungsdatum und als ausstellende Behörde die Bezeichnung „Der Landrat“, sowie der unterschriftliche Namenszug des ausfertigenden Beamten nach dem Vertretungszusatz „i.V.“. Darüber hinaus sind auf dieser Seite insgesamt drei „Dienstsiegel“ aufgestempelt, die in der Mitte einen Reichsadler mit Hakenkreuz im Eichenlaubkranz zeigen und darüber bzw. darunter die bogenförmigen Schriftzüge „Der Landrat“ mit zugehörigem „Landkreis“. Jeweils einer der Stempel befindet sich in der rechten oberen und der linken unteren Ecke des Passbildes, sowie schließlich links neben der Bezeichnung der Ausstellungsbehörde und der Unterschrift des ausfertigenden Beamten. Die vierte Seite (Rückseite) der Karte ist leer. Die ‚Kennkarte‘ hatte der Angekl., wie er wusste, nicht von dem als Ausstellungsbehörde angegebenen Landratsamt erhalten. Hergestellt wurde das Dokument vielmehr von einer namentlich bekannten Person in M., welcher der Angekl. die notwendigen Informationen in einem ‚Antrag‘ hatte zukommen lassen. Bei dieser Person handelt es sich, wie der Angekl. ebenfalls wusste, um eine Person, die in keiner Beziehung zur angeblichen Ausstellungsbehörde steht. Die ‚Kennkarte‘ ist geeignet, den Eindruck einer amtlichen Ausstellung zu erwecken.“

Das OLG Bamberg verneint die Urkundeneigenschaft,  da die „Kennkarte“ nicht geeignet sei, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen. Der Leitsatz.

„Die Verwendung einer auf Bestellung von einer Privatperson neu angefertigten „Kennkarte“ des „Deutschen Reiches“ mit Reichsadler und Hakenkreuz im Eichenlaubkranz auf der Vorderseite und dreifacher Anbringung eines entsprechenden Dienstsiegels auf der Innenseite ist nicht als Urkundenfälschung strafbar, da ein solches Dokument selbst bei oberflächlicher Betrachtung oder bei Betrachtung ohne ausreichenden Bildungs- und Informationshintergrund nicht für ein amtliches Dokument der Bundesrepublik Deutschland gehalten werden kann (Anschluss an OLG München NStZ-RR 2010, 173 ff.= StraFo 2010, 123 ff.). Bei Vorlage eines solchen Dokuments anlässlich einer polizeilichen Ausweiskontrolle kommt aber eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 32 I Nr. 2, 1 I 2 PAuswG in Betracht.“

 

Wenn der BGH schon so anfängt – die Verzögerungsrüge

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Seit dem 03.12.2011 ist das „Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren“ (vgl. BT-Drs. 17/3802) in Kraft (vgl. dazu hier). Seitdem haben sich ja auch schon einige Gericht mit dieser Neuregelung befasst, über einige Entscheidungen haben wir hier auch berichtet (vgl. dazu u.a. „Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer – bei bereits abgeschlossenen Verfahren nur bedingt“ oder „Zwei Jahre sind zu lang – erstes Urteil wegen überlanger Verfahrensdauer“ oder „30 Monate Verfahrensdauer sind zu viel, aber“. Nun bin ich gestern auf der Homepage des BGH auf den BGH, Beschl. v. 05.12.2012 – 1 StR 531/12 gestoßen, bei dem  ich beim ersten Lesen sofort gedacht habe. Wenn der BGH schon so anfängt….§.

Der Angeklagte hatte mit seinen Verfahrensrügen eine rechtsstaats- und konventionswidrige Verletzung des Beschleunigungsgebots geltend gemacht, womit er im Ergebnis keinen Erfolg hatte. Da liegt m.E. aber nicht der (berühmte) „Hase im Pfeffer“. Das ist vielmehr eine andere Formulierung im BGH, Beschl. Dort heißt es:

„Die Rüge der Verletzung einer rechtsstaats- und konventionswidrigen Verletzung des Beschleunigungsgebots (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK, Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG) bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Dabei kann der Senat offen lassen, ob es für die Zulässigkeit einer solchen Rüge nicht nur der – hier erfolgten – Erhebung einer Verzögerungsrüge (§ 198 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 199 Abs. 1 GVG) bedarf, sondern diese in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Eintreten des in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG bezeichneten Umstandes, der Besorgnis eines nicht zeitlich angemessenen Abschlusses des Verfahrens, geltend gemacht werden muss. Denn die Rüge ist jedenfalls unbegründet.“

Frage: Will der BGH für die Geltendmachung der Verletzung des Beschleunigungsgebotes eine (besondere) Zulässigkeitsvoraussetzung aufstellen, nämlich die Geltendmachung der Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG? Es liest sich fast so, denn sonst hätte man die Frage an der Stelle nicht anzusprechen brauchen. Und: Will man auch zusätzlich noch ein zeitliches Regulativ einführen „in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Eintreten des in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG bezeichneten Umstandes„? Also: Auf jeden Fall Verzögerungsrüge und die möglichst bald, wenn es zu Verzögerungen gekommen ist. Denn, wenn der BGH schon so anfängt und das erörtert, auch, wenn es nicht darauf ankommt, dann muss man damit rechnen, dass er die Rechtsprechung fortsetzt, wenn es darauf ankommt.