Archiv für den Monat: August 2012

Gerichtliches Basiswissen: Wann ist eine Schreckschusspistole eine Waffe?

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Es gibt ein paar materiell-rechtliche Fragen im Strafrecht, die gehören m.E. zum gerichtlichen Basiswissen. Dazu zählt die Frage, wann eine Schreckschusspistole eine Waffe i.S. des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB darstellt.

Na? Richtig, das ist dann der Fall, wenn beim Abfeuern der Munition der Explosionsdruck nach vorne durch den Lauf austritt. Ok, und das muss ich dann aber bitte auch aus den tatsächlichen Feststellungen ergeben, wenn der Qaulifikationstatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB angenommen wird. So der BGH, Beschl. v. 18.07.2012 – 5 StR 327/12:

„Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen zu der vom Angeklagten als Drohmittel verwendeten geladenen und funktionsfähigen Schreckschusspistole (UA S. 9) tragen nicht die Annahme des Qualifikationstatbestandes des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Denn sie belegen nicht, dass nach der Bauart der Schreckschusspistole beim Abfeuern der Munition der Explosi-onsdruck nach vorne durch den Lauf austritt und es sich deshalb um eine Waffe im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, Abs. 2 Nr. 1 StGB handelt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2003 – GSSt 2/02, BGHSt 48, 197, 201; vom 6. Juni 2012 – 5 StR 233/12).

Dem Senat ist eine Durchentscheidung verwehrt, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass weitere Feststellungen zu der Bauart der Schreckschusspistole (vgl. MünchKommStGB/Heinrich, 2007, § 1 WaffG Rn. 83) getroffen werden können. Die übrigen Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen und können bestehen bleiben.

Au Backe, unzulässige Revision – das muss/darf nicht sein. Blamabel für den Verteidiger.

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Es steht in allen Anleitungsbüchern zur Revision, man erzählt es auf Fortbildungen immer wieder, und doch: Immer wieder gibt es Revisionen, die der BGH als unzulässig verwirft, weil zwar die Verfahrensrüge erhoben worden ist, aber die Sachrüge nicht. Ist dann die Verfahrensrüge unzulässig, ist die Revision insgesamt unzulässig. So (noch einmal) der BGH, Beschl. v. 03.07-2012 –  5 StR 284/12:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt.
Soweit der Angeklagte beanstandet, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft Beweisanträgen der Verteidigung auf Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens und eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht stattgegeben, erhebt er zwei Verfahrensrügen (§ 344 Abs. 2 Satz 1 StPO); diese sind, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 5. Juni 2012 zutreffend ausgeführt hat, unzulässig, weil die Revision weder den vollständigen Inhalt der Beweisanträge noch den der ablehnenden Beschlüsse der Strafkammer mitteilt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Unzulässigkeit der Verfahrensrügen führt, weil die Sachrüge nicht erhoben worden ist, zur Uulässigkeit der Revision insgesamt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. August 2009 – 5 StR 323/09 mwN).

Und dass zu ordnungsgemäßen Rüge der unzulässigen Ablehnung von Beweisanträgen gehört, dass ich deren Inhalt und den Inhalt des gerichtlichen Ablehnungsbeschlusses mitteile, sollte ich als Verteidiger, der Revisionsrecht betreibt, auch wissen. Sonst lasse ich lieber, nehme einen Revisionsspezialisten und vermeide so, dass ich mich blamiere. Es ist Anfängerwissen.

 

„Objektiv verfahrensfehlerhafte Vereidigung“ führt zum minder schweren Fall

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Folgender Sachverhalt:

Nach den Feststellungen des LG hat sich der wegen illegalen Aufenthalts in Deutschland untergetauchte Angeklagte in dem gegen  einen L. wegen eines Tötungsdeliktes geführten Ermittlungsverfahren am 16.01. 2007 als Entlastungszeuge gemeldet und sich vom sachbearbeitenden Staatsanwalt die Zusage geben lassen, nach seiner Vernehmung trotz angedeuteter Probleme mit der Ausländerbehörde das Gerichtsgebäude wieder verlassen zu können. In der noch am selben Tag durchgeführten richterlichen Zeugenvernehmung hat der Angeklagte dann bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht und den Tatverdacht des Tötungsdelikts auf einen Alternativtäter gelenkt. Da der bei der Vernehmung ebenfalls anwesende sachbearbeitende Staatsanwalt den Ermittlungsrichter nicht über die Probleme des Angeklagten mit der Ausländerbehörde informiert hatte, fand eine Belehrung des Angeklagten über ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO nicht statt. Im Anschluss an seine Vernehmung wurde der Angeklagte gemäß § 62 Nr. 2, § 59 Abs. 1 Satz 1 StPO vereidigt. Die Falschaussage des Angeklagten hinderte eine alsbaldige Mordanklage gegen L. nicht, der trotz wiederholter Falschaussage des Angeklagten in der Hauptverhandlung – unter erneuter Vereidigung in Verkennung des § 60 Nr. 2 StPO – auch anklagegemäß verurteilt wurde.

Das LG verhängt für die Tat eine Einzelstrafe von zwei Jahren und acht Monaten. Sie wird dem Regelstrafrahmen des § 154 Abs. 1 StGB entnommen und das Vorliegen eines minder schweren Falls wird abgelehnt.

Das beanstandet der BGH, Beschl. v. 04.07.2012 – 5 StR 219/12 – wie folgt:

Zwar hat es bei der Strafrahmenwahl zutreffend eine Strafmilderung wegen der unterbliebenen – jedoch objektiv gebotenen – Belehrung gemäß § 55 StPO verneint, weil der zur Aussage entschlossene Angeklagte sich auch durch den Hinweis auf sein Aussageverweigerungsrecht nicht von der Falschaus-sage hätte abhalten lassen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1991 – 3 StR 342/90, BGHR StGB § 157 Abs. 1 Selbstbegünstigung 4). Es hat zudem rechtsfehlerfrei das Vorliegen eines Eidesverbots nach § 60 Nr. 2 StPO verneint. Gleichwohl hätte das Landgericht bei der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall des Meineids nach § 154 Abs. 2 StGB vorliegt, straf-mildernd berücksichtigen müssen, dass bereits die Voraussetzungen für eine Vereidigung des als Zeugen vernommenen Angeklagten nach der seit 1. September 2004 geltenden Neuregelung des § 59 Abs. 1 Satz 1 StPO, wonach die Nichtvereidigung eines Zeugen der Regelfall und die Vereidigung die Ausnahme ist, bei zutreffendem Rechtsverständnis nicht vorlagen. Denn die Aussage des Angeklagten war für das Ermittlungsverfahren, das anschließend ohne Verzögerung gegen L. weiterbetrieben wurde, schon damals absehbar nicht von ausschlaggebender Bedeutung; auch lassen die Feststellungen nicht erkennen, dass eine Vereidigung zur Herbeiführung einer wahren Aussage notwendig gewesen wäre (vgl. Ignor/Bertheau in LR, 26. Aufl., § 59 Rn. 6 ff.). Angesichts einer aus Rechtsgründen nicht an-gezeigten, mithin objektiv verfahrensfehlerhaften Vereidigung lag für das Landgericht die Annahme eines minder schweren Falls auf der Hand (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 1960 – 1 StR 609/59, BGHSt 17, 128, 136, Fi-scher, StGB, 59. Aufl., § 154 Rn. 19 mwN). Zwar hatte die Bestrafung strenger auszufallen als die im Fall III.1 c – bei Annahme eines minder schweren Falls und unter Zubilligung eines Aussagenotstands (§ 157 StGB) – zuge-messene Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Der Senat kann jedoch angesichts des anzuwendenden beträchtlich milderen Strafrahmens des § 154 Abs. 2 StGB nicht ausschließen, dass das Landgericht auf eine geringere Einzelfreiheitsstrafe als die verhängte erkannt hätte.

 

Warum strandet Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel?

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Fähre mit Niebel strandet in Sierra Leone“ oder“Niebels Fähre läuft auf Grund“ so oder ähnlich lauten die Schlagzeilen/Überschriften zum Fährzwischenfall auf der Reise unseres Bundesentwicklungsministers in Sierra Leone.

Wenn man es liest – der Minister wird es nicht gerne lesen -, fragt man sich gleich: Was ist/war da denn schon wieder los? Warum läuft die Fähre auf Grund bzw. strandet? Man ist beruhigt, dass es wohl am starken Wind gelegen hat, dass die Fähre nicht anlegen konnte. Nach der Teppich-Affäre hätte es ja auch sein können, dass der Tross des Entwicklungsministers zu viel Präsente und Mitbringsel im Gepäck hatte und das Schiff daher zu schwer beladen war. Immerhin befand man sich ja wohl auf dem Weg zum Flughafen. :-).

Die eigenen Mitbringsel für die Gastgeber können es im Übrigen nicht mehr gewesen sein. Die hatte man inzwischen ja verteilt. Es soll sich – so die Presse – um „speckige Bundeswehrmützen“ gehandelt haben :-(. Also eine „Käppi-Offensive“ des Ministers.

Pflichtverteidiger – in Berlin und Kleve herrschen „Waffengleichheit“

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Ein Berliner Kollege hat mir gestern einen ganz Schwung von – z.T. (leider) schon etwas älteren – Entscheidungen geschickt, die sich teilweise als interessant herausgestellt haben. So z.B. der LG Berlin, Beschl. v. 11.07.2011 – 512 Qs 74/11 -, der sich auch zur Pflichtverteidigerbestellugn aus den Gründen der „Waffengleichheit“ bekennt. Dazu heißt es im Beschluss:

„…Gleichwohl besteht die Notwendigkeit der Verteidiger fort, und zwar gemäß § 140 Abs. 2 StPO, der in verfassungskonformer Auslegung immer dann anzuwenden ist, wenn ohne Unterstützung eines Verteidigers der Rechtsanspruch des Angeklagten auf ein faires Verfahren verletzt wäre.

Denn dem Mitangeklagten S. ist nach wie vor ein Verteidiger beigeordnet und völlig offen, ob und gegebenenfalls wie er sich zum Anklagevorwurf einlassen wird, der beiden einen gemeinschaftlich begangenen Einbruchsdiebstahl zu Last legt. Vor diesem Hintergrund war das dem Amtsgericht Tiergarten in Berlin in § 140 Abs. 3 S. 1 StPO eingeräumte Ermessen dahingehend reduziert, dass die Verteidigerbestellung aufrechtzuerhalten war, so dass der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben konnte (vgl. zu entsprechenden Fällen u.a. LG Freiburg StraFo 2009, 384 und StRR 2010, 242 sowie LG Kassel StRR 2010, 347)…“

Ähnlich auch der LG Kleve, Beschl. v. 07.05.2008 – 110 Qs 54/08 -, der aus zu der Lieferung gehört hat.

Freut den Schriftleiter dann natürlich auch, wenn der StRR zitiert wird :-D.