Archiv für den Monat: Juli 2012

„Der Vorsitzende legt die Sache der Staatsanwaltschaft zur Prüfung vor, ..“ – beim LG Marburg geht es zur Sache

Vor einigen Tagen hatte der Kollege Wolf in seinem Blog unter dem Titel: „LG Marburg: Honorarverlangen des Pflichtverteidigers stört Vertrauensverhältnis“ über den LG Marburg, Beschl. v. 22.05.2012 – 7 StV 442/10 – berichtet (vgl. hier den Beitrag). Der Beitrag ist – was mich ein wenig erstaunt- untergangen. Darum will das Thema hier noch einmal aufgreifen, vielleicht habe ich ja mehr Resonanz.

Worum geht es? Dem LG-Beschluss lässt sich folgender Sachverhalt entnehmen:  Der Verurteilte befindet sich zum Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB. Im Prüfungsverfahren nach §§ 67e, 67d Abs. 2 StGB wurde ihm Rechtsanwalt P. nach § 140 Abs. 2 StPO als Pflichtverteidiger beigeordnet. Mit Schreiben vom 29.03.2012 beschwerte sich der Verurteilte über den Pflichtverteidiger und trug u.a. vor, dieser habe ein Zusatzhonorar zu den Pflichtverteidigergebühren vereinbaren wollen. Dem habe der Verurteilte nicht zugestimmt, und er habe nun den Eindruck, dass die Verteidigung schlecht geführt werde. Der Verurteilte beantragt, den Verteidiger zu entpflichten und einen anderen Anwalt beizuordnen. Dem Antrag hat der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer entsprochen.

Zur – mehr als knappen – Begründung:

Der Antrag der Verurteilten ist begründet. Es ist allgemein anerkannt, dass die Pflichtverteidigung aufgehoben werden kann, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Verteidiger schwerwiegend gestört ist (Meyer-Goßner StPO § 143 Rdn. 3 m. zahlreichen Nachweisen). So ist es fraglos hier: Ein Verteidiger, der gegenüber dem Mandanten deutlich macht, dass ihm das Honorar eines Pflichtverteidigers nicht genügt, erweckt bei jedem vernünftig denkenden Mandanten den klaren Anschein, ohne das Zusatzhonorar werde die Verteidigung nicht ordentlich geführt. Auf dieser Grundlage sollte niemand Vertrauen in die Güte der Verteidigung entwickeln müssen.

Und was soll/muss man davon halten: Nun – m.E. ist der Beschluss falsch, und zwar aus folgenden Gründen: Es ist allgemein anerkannt, dass auch der Pflichtverteidiger mit dem Mandanten eine Vergütungsvereinbarung treffen kann (vgl. dazu die Nachw. bei Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2012, Teil A: Vergütungsvereinbarung [§ 3a], Rn. 1514). Der Pflichtverteidiger darf allerdings keinen Druck auf den Mandanten im Hinblick auf den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung ausüben (vgl. dazu u.a. BGH NJW 1980, 1394; StRR 2010, 236), also ihm deren Abschluss z.B. in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einem Termin antragen (vgl. BGH, a.a.O., für Hauptverhandlung). Auch darf er den Mandanten nicht massiv bedrängen und eine „Schlecht-/Minderleistung“ in Aussicht stellen (vgl. dazu die Fallgestaltung bei KG StRR 2011, 261 m., Anm. Burhoff). Aber hat der Pflichtverteidiger das hier getan? M.E. nicht. Denn er hatte den Mandanten wie folgt angeschrieben:

Sehr geehrter Herr NN,

ich teile Ihnen gegenüber mit, dass ich nunmehr Ihrem Wunsch entsprechend zum Pflichtverteidiger im Vollstreckungsverfahren beauftragt wurde. Gleichwohl gehe ich davon aus, dass wir uns bei der nächsten Besprechung ggf. über die Verabredung eines Zusatzhonorars unterhalten können, da Sie sich bestens vorstellen können, dass das Honorar eines Pflichtverteidigers — zumal im Vollstreckungsverfahren — als vollkommen unangemessen zu bewerten ist.

Sobald es meine Zeit erlaubt, werde ich Sie zu einer Besprechung in Gießen aufsuchen.
Zur Ihrer Einstellung und Vorbereitung übersende ich Ihnen in Kopie das Prognosegutachten der Klinik vorab.

Mit freundlichem Gruß“

 

In dem Schreiben kann ich ein unangemessenes Bedrängen des Mandanten, aus dem der schließen kann/muss, der – von ihm gewünschte – Rechtsanwalt werde, wenn es nicht zum Abschluss der Vergütungsvereinbarung komme, seine Verpflichtungen ihm gegenüber nicht bzw. nicht ordnungsgemäß erfüllen, nicht erkennen. Anders im Fall des KG (vgl. den Sachverhalt in StRR 2012, 261). Hier ist bislang lediglich angekündigt worden, dass man sich über die „Verabredung eines Zusatzhonorars“, also eine Vergütungsvereinbarung „unterhalten“ wolle. Nachteilige Folgen für den Fall, dass diese nicht abgeschlossen wird, werden nicht in Aussicht gestellt und kann man m:E. auch nicht in das Schreiben des Verteidigers hineinlesen. Damit stellt die Entscheidung des Vorsitzenden die Rechtsprechung des BGH, ohne das mit einem Wort zu begründen auf den Kopf: Wenn nämlich allein der Vorschlag, eine Vergütungsvereinbarung abzuschließen, ausreicht, um eine Störung des Mandatsverhältnisses anzunehmen, dann gilt der Grundsatz, dass auch der Pflichtverteidiger eine Vergütungsvereinbarung treffen kann, nicht mehr. Die Entscheidung schießt damit weit über das Ziel hinaus.

 

2. Und Letzteres gilt erst recht für die im Beschluss enthaltene Mitteilung des Vorsitzenden, die ich wörtlich zitiere: „Der Vorsitzende legt die Sache der Staatsanwaltschaft zur Prüfung vor, denn der Pflichtverteidiger hat keinen Anspruch auf ein Zusatzhonorar und stellt dem Mandanten hinreichend deutlich vor Augen, dass er ohne das Zusatzhonorar seine gesetzlichen Pflichten als Verteidiger nicht ordentlich erfüllen wolle.“ Also: Anregung eines Ermittlungsverfahrens wegen Nötigung (§ 240 StGB). Aber: Wo bitte wird vom Pflichtverteidiger damit gedroht/in Aussicht gestellt, „dass er ohne das Zusatzhonorar seine gesetzlichen Pflichten als Verteidiger nicht ordentlich erfüllen wolle“. Es wird lediglich ein Gespräch über die Vergütungsvereinbarung angekündigt. Das ist aber noch keine Nötigung. Offenbar wird das aber beim LG Marburg anders gesehen.

 

3. Was mich zusätzlich erstaunt: Der Pflichtverteidiger hat die Entscheidung rechtkräftig werden lassen. Das verstehe ich nun gar nicht. M.E. wäre die Beschwerde angebracht und auch erfolgreich gewesen.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

Sonntagswitz, heute sind mal wieder die Ostfriesen dran

Der Leser, der unsere Sonntagswitze verfolgt, weiß: Wenn die Ostfriesen dran sind :-), dann blogge ich von Borkum aus :-). So auch heute mal wieder – man gönnt sich ja sonst nichts.

Warum nimmt der Ostfriese abends immer ein Maßband mit ins Bett?
Damit er morgens nachmessen kann, wie tief er geschlafen hat.
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Und dann war da der eifersuechtige Ostfriese, der im Taschenkalender seiner Freundin nachsah und wissen wollte, wer August ist.
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Warum haben die Ostfriesen die Scheibenwischer ihrer Autos innen?
Wenn die am Steuer sitzen, machen sie immer: “ Brrrrmmmmm, brrrrmmmm … “
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Und  hier habe ich das Ostfriesenabitur gefunden:

Neulich wurde mir aus vertrauenswürdiger Quelle ein aktueller Prüfungsbogen zugespielt, den die Abiturienten in Friesland absolvieren müssen um ihr Abitur abzuschließen. Kannst Du Dich mit den Friesischen Prüflingen messen? Finde es heraus! Unten findest Du eine druckbare PDF Vorlage sowie eine Powerpoint Präsentation die Du, zum Beispiel, an Freunde und Bekannte senden kannst.

Bestanden hast Du mit 50 Punkten, darunter bist Du durchgefallen.

Regeln:

  • Nicht schummeln!
  • Nicht fummeln!
  • Nicht beim Nachbarn gucken!

Zeit: 60 Sekunden, viel Erfolg.

Ostfriesen Abitur Aufgaben

Lösung:

Ostfriesen Abitur Lösung

Hundebiss? Kein Problem, mein Herrchen haftet immer….

In die Rubrik, „Wie das Leben so spielt“ …gehört die Meldung zum OLG Celle, Urt.v. 11. 06.2012 – 20 U 38/11(vgl. hier die PM.). In der heißt es:

Der Halter eines Tieres haftet für Schäden, die durch typisches Tierverhalten wie etwa das Beißen eines Hundes oder Austreten eines Pferdes verursacht werden. Dies gilt nach einem Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle selbst dann, wenn das Tier die Schäden verursacht, während es sich in der Obhut einer anderen Person – etwa eines Tierarztes – befindet und der Halter damit keinerlei Möglichkeit hat, steuernd auf sein Tier einzuwirken (OLG Celle, Urteil vom 11. Juni 2012 – 20 U 38/11). Das Urteil zeigt einmal mehr, wie wichtig für Tierhalter der Abschluss einer Tierhalterhaftpflichtversicherung ist.

Der 20. Zivilsenat hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem die Halterin eines Schäferhundes diesen in die Kleintierklinik des Klägers gebracht hatte. Dort wurde der Hund für die Behandlung narkotisiert. Beim Erwachen aus der Narkose biss das Tier den Tierarzt in die rechte Hand und verursachte schwere Verletzungen. Für diese Verletzungen verlangte der Tierarzt Schadensersatz und Schmerzensgeld im sechsstelligen Bereich, weil er durch die Handverletzungen seine tierchirurgische Tätigkeit nicht mehr ausüben könne.

Die beklagte Hundehalterin meinte, für die Schäden nicht einstehen zu müssen, weil sie keine Möglichkeit gehabt hätte, auf ihren Hund Einfluss zu nehmen. Diese Möglichkeit hätte allein der Kläger gehabt, der als Tierarzt über eine besondere Sachkunde verfügt und sich dem Risiko, von dem Hund angegriffen zu werden, bewusst ausgesetzt habe.

Dieser Argumentation folgte der 20. Zivilsenat jedoch nicht sondern entschied, dass allein der Umstand, dass man sein Tier zum Zweck der Behandlung o.ä. in die Obhut einer anderen Person gebe, nicht dazu führen könne, dass die Haftung des Halters ausgeschlossen sei. Denn die Haftung des Tierhalters bestehe unabhängig von der Möglichkeit seiner Einflussnahme. Allerdings könne die Haftung beschränkt werden, wenn der Geschädigte durch inadäquates Verhalten zu der Verletzung selbst beigetragen habe. Da Hunde während des Erwachens aus der Narkose mitunter außergewöhnlich und aggressiv reagieren würden, hätte der Tierarzt im zu entscheidenden Fall besondere Vorsicht beim Herangehen an den Hund walten lassen müssen, was er jedoch nicht getan hatte. Dementsprechend konnte er nur einen Teil der geltend gemachten Schäden ersetzt verlangen.

Der Pressesprecher und Richter am Oberlandesgericht Dr. Götz Wettich betont: „Angesichts der Schäden, die durch Bissverletzungen entstehen können, hat das Land Niedersachsen gut daran getan, im Gesetz über das Halten von Hunden den Abschluss einer Haftpflichtversicherung vorzuschreiben. Wer gegen dieses Gebot verstößt, riskiert nicht nur, bei Unfällen horrende Schadensersatzforderungen aus eigener Tasche zahlen zu müssen, sondern auch die Verhängung einer empfindlichen Geldbuße bis zu 10.000,- €.“

Da kann man wirklich nur sagen: Versicherung tut Not.

P-S- Der Hund auf dem Bild sieht nun wirklich nicht nach „Biss“ aus :-). Aber man weiß ja nie ……

Wochenspiegel für die 28. KW, das waren der Papst vs. Titanic und polizeiliche Ermittlungen bei Facebook

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Aus der vergangenen Woche sind m.E. folgende Themen einen Hinweis wert, d.h. wir berichten über:

  1. das Top-Thema, nämlich den Papst und die Titanic, vgl. u.a. auch hier, und hier,
  2. ein wenig Kachelmann/Alice Schwarzer,
  3. das Abschleppen auf dem Gästeparkplatz,
  4. das Handy als Diktiergerät,
  5. Durchsuchungen wegen Facebook-Partys,
  6. über polizeiliche Ermittlungen via Facebook, die legalisiert werden sollen,
  7. Pflichtverteidigung ala mcpomm,
  8. die Auskunftspflicht von Bloggern, vgl. auch hier,
  9. und dann war da noch die Frage, wer denn nun „Die Rechtsanwäldin“ ist,
  10. und schließlch war da noch der Witz am Freitag.

 

Pflichtverteidiger aufgepasst- jetzt immer Erstreckungsantrag

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Mal wieder etwas Gebührenrecht, auch wenn die Statistik zeigt, dass die Beiträge – was mich erstaunt, da es ja ums Geld geht – gar nicht so nachgefragt sind.

Heute ein Hinweis an die Pflichtverteidiger, in Zukunft nun immer bei Verbindung von Verfahren einen Erstreckungsantrag zu stellen. Bisher war das m.E. nicht erforderlich, wenn zunächst verbunden wurde und dann die Beiordnung erfolgte. Das war/ist nämlich m.E. und nach Auffassung der – bisher – h.M. in der Rechtsprechung kein Fall des § 49 Abs. 5 Satz 3 RVG. Nun hat aber das OLG Koblenz im OLG Koblenz, Beschl. v. 30.05.2012 – 2 Ws 242/12 – das ebenso wie in der Vergangenheit schon das OLG Oldenburg – anders gesehen und verlangt auch in dem Fall einen Erstreckungsantrag, wenn später die gesetzlichen Gebühren für das oder die hinzuverbundenen Verfahren geltend gemacht werden sollen. Es nutzt m.E. nichts, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass die Entscheidung auch falsch ist und die Dinge laufen lässt. Man muss m.E. vorbereitet sein und reagieren, um so wenigstens die formellen Voraussetzungen für die Erstreckung zu schaffen. Sonst gehen Gebühren verloren. Und wer will die schon verlieren.

Die Antragstellung sollte daher nun auch in den OLG-Bezirken erfolgen, die die Frage bislang anders gesehen haben. Denn gegen Rechtsprechungsänderungen ist kein Kraut gewachsen. Und jeder weiß, dass die Bezirksrevisoren solche Entscheidungen wie die des OLG Koblenz als Aufforderung verstehen, gegen eine eingefahrene Rechtsprechung – immer natürlich im Interesse der Staatskasse – anzulaufen.

Achtung zum Schluss kommt Werbung :-). Alles zur Erstreckung kann man in unserem RVG-Kommentar bei § 48 nachlesen.