Archiv für den Monat: Februar 2012

Personalquerelen am BGH – Nun äußert sich PräsBGH Tolksdorf in einem Interview…. Fazit: Die Bösen sind immer die anderen…..

Ein aufmerksamer Leser von“Legal Tribun online“ weist mich gerade darauf hin, dass sich inzwischen auch der Präsident des BGH zu den „Personalquerelen“ am BGH geäußert hat. Wer es nachlesen will, der kann das hier. Sehr schön die Schlusspassage:

Und so dreht sich das Personalkarussell am BGH weiter. Mitte des Jahres geht Ernemann in Ruhestand. Er hoffe, dass bis dahin alles erledigt sei, denn im allgemeinen fänden die Dinge immer irgendwann ein Ende, sagte Tolksdorf und wirkte dabei etwas ratlos.“

Fazit: Man darf gespannt sein, ob das BVerfG, das sicherlich auch mit den Fragen befasst sein wird, das ebenso sieht wie der Präsident des BGH. Der Kollege hat es in seinem Kommentar zudem auch an anderer Stelle auf den Punkt gebracht: Fischer ist/bleibt der Böse.

Und: Keinen Druck ausgeübt… wie kommen dann Teilnehmer der Sitzung zu einer offenbar anderen Einschätzung

 

Ist es so arrogant/zynisch gemeint, wie es klingt?

Manchmal frage ich mich, ob Beschlüsse eigentlich, nachdem sie abgesetzt worden sind, von niemandem mehr richtig gelesen werden. Würde das getan, dann würde sicherlich in dem ein oder anderen Fall der Beschlusstext noch umformuliert. Eine solche „Nachlese“ hätte m.E. auch dem LG Aachen, Beschl. v. 01.02.2012, 62 Qs 8/12 gut getan.

In der Sache ging es um Akteneinsicht des Verteidigers im Bußgeldverfahren – Stichwort: Dauerbrenner Messunterlagen. Die war vom AG abgelehnt worden. Dagegen hat der Verteidiger Beschwerde eingelegt, die das LG zurückgewiesen hat. So weit, so gut, darüber kann man streiten und wird ja auch noch gestritten, obwohl m.E. die überwiegende Meinung das anders sieht als das LG. In dem Beschluss dann aber Formulierungen wie:

Insofern hat die Kammer erst jüngst in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass die Übersendung der Bedienungsanleitung im Original insbesondere deswegen nicht in Betracht kommt, weil diese fortwährend bei Geschwindigkeitsmessungen benötigt und damit unentbehrlich ist, der Verteidiger zudem keinen Anspruch darauf hat, dass ihm zur Kopien der Bedienungsanleitung zugesandt werden, es ihm jedoch unbenommen bleibt, zur Vermeidung aufwendiger Kopien bei der Verwaltungsbehörde das Akteneinsichtsrecht in den Räumlichkeiten der jeweiligen Polizeidienststelle wahrzunehmen ….“

und:

Wenn der Beschuldigte bzw. dessen Verteidiger die Richtigkeit der Messung anzweifeln will, mag er eine konkrete Behauptung aufstellen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragen, im Rahmen dessen dann die dazu erforderlichen Unterlagen bzw. Beweismittel beigezogen werden.“

Beides klingt mir arrogant/zynisch – oder bin ich zu empfindlich? Insbesondere störe ich mich an dem „mag“.

Hinzu kommt: Der Verteidiger befindet sich mit dem Beschluss in einem Teufelskreis: Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung gibt es nicht bzw. ggf. nur nach einem Beweisantrag. Wie soll ich aber die dafür erforderliche „konkrete Behauptung aufstellen“, wenn ich die Messung und deren Grundlagen gar nicht kenne?

Wiedereinsetzung ist schwer – wirklich?

Man sollte meinen, dass dann, wenn Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist beantragt wird – eine Sache/ein Verfahren also so oder schon auf der Kippe steht – besonders sorgfältig gearbeitet wird, was die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags (§§ 44 ff. StPO) angeht. Das sollte man sich eine „Checkliste“ anlegen, die man abarbeitet. Das hilft im Zweifel, Fehler zu vermeiden, die zur Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags führen. Das hatte der Kollege, der den dem BGH, Beschl. v. 08.12.2011 – 4 StR 430/11 zugrundeliegenden Wiedereinsetzungsantrag gestellt hat, offensichtlich nicht getan. So ist ihm nicht aufgefallen, dass sein Antrag einen wesentlichen Mangel hatte.

„1. Mit Schriftsatz seines Pflichtverteidigers vom 6. Januar 2011 hat der Angeklagte form- und fristgerecht Revision gegen das Urteil des Landgerichts vom selben Tag eingelegt. Sein Rechtsmittel hat er mit dem innerhalb der Frist
des § 345 Abs. 1 Satz 2 StPO beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz vom 29. April 2011 begründet und die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt. Dieser Schriftsatz war jedoch nicht vom Pflichtverteidiger, sondern von dem mit diesem in Bürogemeinschaft verbundenen Rechtsanwalt R. , dem Pflichtverteidiger des ebenfalls revisionsführenden Mitangeklagten B. , mit dem Vermerk „für den ortsabwesenden Rechtsanwalt“ unterzeichnet worden.
Mit am selben Tag beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom 22. August 2011 hat der Angeklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Revisionsbegründung beantragt und hierzu ausgeführt, sein Verteidiger habe den Schriftsatz vom 29. April 2011 aufgrund von Ortsabwesenheit per E-Mail an sein Büro übersandt und gebeten, diesen von einem Kollegen unterschreiben zu lassen. Dabei habe sein Verteidiger weder die Formvorschrift des § 345 Abs. 2 StPO noch den Umstand bedacht, dass die anderen Kollegen ebenfalls in dem Verfahren Mitangeklagte vertreten hätten. Er habe seinen Verteidiger „sowohl mit der Fristenkontrolle als auch der Ausfertigung der Revision“ beauftragt. Dem Wiedereinsetzungsantrag war eine vom Pflichtverteidiger unterzeichnete Revisionsbe-gründung beigefügt.

2. Der Wiedereinsetzungsantrag hat keinen Erfolg. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO); innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 45 Rn. 5 m.w.N.). An dieser Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt es hier. Der Antrag enthält keine Angaben dazu, wann das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. April 2003 – 3 StR 30/03 und vom 13. September 2005 – 4 StR 399/05, NStZ 2006, 54, 55; Meyer-Goßner, aaO). Entscheidend für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Angeklagten (BGH, Beschlüsse vom 3. April 1992 – 2 StR 114/92 und vom 13. September 2005, aaO). Wann diesem die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist bekannt geworden ist, wird ungeachtet des erheblichen Zeitablaufs nicht vorgetragen. Jedenfalls in den Fällen, in denen wie hier die Wahrung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO nach Aktenlage nicht offensichtlich ist, gehört zur formgerechten Anbringung des Wiedereinsetzungsantrags, dass der Antragsteller mitteilt, wann das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist (BGH, Beschlüsse vom 26. Februar 1991 – 1 StR 737/ 90, BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 7 m.w.N., und vom 5. August 2010 – 3 StR 269/10, NStZ-RR 2010, 378 m.N.). Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger ein eigenes Verschulden geltend macht, das dem Angeklagten nicht zuzurechnen wäre (BGH, Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 365/10). „

Ergebnis: Wiedereinsetzungsantrag unzulässig und damit auch die Revision nicht fristgemäß begründet mit der Folge: Verwerfung nach § 349 Abs. 1 StPO. Das muss der Verteidiger seinem Mandanten dann jetzt mal erklären.

Das Theater beim BGH geht weiter… Spruchgruppe des 2. Strafsenats entscheidet in der Sache trotz fortbestehender Bedenken gegen die ordnungsgemäße Besetzung

Das Theater um die Besetzung des 2. Strafsenats des BGH geht weiter (vgl. dazu hier und hier). Gerade kommt eine PM des BGH herein, in der es heißt:

Der 2. Strafsenat hat in einer Strafsache, in der er am 11. Januar 2012 die Hauptverhandlung wegen Bedenken an der Ordnungsgemäßheit seiner Besetzung ausgesetzt hatte, am 8. Februar 2012 erneut verhandelt. Er hat nunmehr in der Sache entschieden und die von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision verworfen.

Der Entscheidung ging folgendes voraus: Durch Beschluss vom 11. Januar 2012 hatte der Senat zunächst die Revisionshauptverhandlung ausgesetzt, um die Sache dem Präsidium des Bundesgerichtshofs vorzulegen. Grund war, dass nach Ansicht der zur Entscheidung berufenen Spruchgruppe der Senat nicht ordnungsgemäß besetzt ist, weil der ihm durch den Jahresgeschäftsverteilungsplan zugewiesene Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann zugleich den Vorsitz im 4. Strafsenat führt (siehe PM 4/12 vom 13.1.2012).

Veranlasst durch diesen Beschluss hat das Präsidium des Bundesgerichtshofs am 18. Januar 2012 einstimmig beschlossen, dass an dem Beschluss vom 15. Dezember 2011, mit dem VRIBGH Dr. Ernemann der Vorsitz des 2. und zugleich des 4. Strafsenats übertragen worden ist, festgehalten werde.

Die Spruchgruppe des Senats hat es nunmehr – unter Aufrechterhaltung ihrer Rechtsauffassung – mit Blick auf das rechtsstaatliche Beschleunigungsgebot sowie das verfassungsrechtliche Gebot der Rechtsschutzgewährung für geboten erachtet, in der Sache zu entscheiden.

Ebenfalls am 8. Februar 2012 hat der 2. Strafsenat in derselben Spruchgruppe Beschlüsse nach § 349 Abs. 2 und 4 StPO gefasst, mithin Sachentscheidungen getroffen, die nach der Strafprozessordnung nur einstimmig herbeigeführt werden können.

Die Rechtsprechung im 2. Strafsenat ist damit wieder von allen Spruchgruppen aufgenommen worden. „

Aber hallo – da stellt sich doch gleich die Frage, die ich jetzt nicht im Einzelnen geprüft habe: Geht das denn und ist das zulässig? Ich kann doch nicht, wenn ich als Richter Bedenken habe, ob ich zuständig bin oder der Spruchkörper, dem ich angehöre, ordnungsgemäß besetzt ist, Recht sprechen. Jedenfalls hätte ich da ganz gehörige Bauchschmerzen. Die Fragen werden immer interessanter und sicherlich irgendwann vom BVerfG gelöst (hoffentlich).

Man fragt sich natürlich auch: Woher der (plötzliche) Sinneswandel? Und: ist jetzt alles wieder gut? Mag man sich wieder?

Radikalkur aus Berlin? Nicht mehr 18, sondern nur 8 Punkte sollen schon für die Entziehung der FE ausreichen…

Über die Ticker laufen derzeit Meldungen, wonach es einen radikalen Umbau des Punktesystems geben soll, jedenfalls hat das der Bundesverkehrsminister geplant. Gemunkelt worden ist von dieser „Reform“ ja schon länger. Aber jetzt gibt es erste Einzelheiten, über die berichtet wird (vgl. z.B. hier).

Ausreichen sollen demnächst für die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits acht Punkte im VZR. Hört sich dramatisch an, wird aber ein wenig dadurch relativiert, dass auch die „zu vergebenden Punkte“ reduziert werden. Man muss mal sehen, wenn die Pläne auf dem Tisch liegen, ob und wie das zusammen passt.

Der DAV hat sich auch schon in einer PM geäußert. Dort heißt es:

„Punkte in Flensburg – System muss einfacher und gerechter werden

Berlin (DAV). Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßt grundsätzlich die Vereinfachung des Punktesystems. Die vereinfachte Löschung der Eintragungen ist dringend notwendig, weil das System für die Verkehrsteilnehmer derzeit undurchsichtig und nur schwer nachvollziehbar ist. Außerdem ist das System ineffizient, weil das jahrelange Fortschreiben alter minimaler Verstöße keine Rückschlüsse auf das aktuelle Fahrverhalten zulässt.

Allerdings warnt Rechtsanwalt Oskar Riedmeyer, Vizepräsident des DAV, vor der Gleichstellung von schweren Verstößen mit kleineren Übertretungen: „Es erscheint höchst problematisch, wenn zur Verwaltungsvereinfachung kleine Nachlässigkeiten eines ansonsten verantwortungsbewussten Autofahrers mit dem bedenkenlosen Fahrverhalten von Verkehrsrowdies gleichgesetzt werden.“

Bezüglich des Fahrverbots schon bei acht Punkten müsse darauf geachtet werden, dass die Reform aber nicht zu mehr Führerscheinentzügen führt.

Dringend notwendig ist in diesem Zusammenhang auch die Einführung der lange geforderten Einführung des gerichtlichen Rechtsschutzes bei der Anordnung der MPU. „Im Moment wird der Verkehrsteilnehmer rechtlos gestellt, wenn die MPU angeordnet wird,“ so Riedmeyer weiter.

Interessant wird sicherlich die Antwort auf die Frage werden, was denn mit den bisher bereits eingetragenen Punkte ist und wie man damit umgeht.