Auslieferungsverfahren: Der notwendige Beistand

Machen wir heute mal einen KG-Tag mit ausländischem Recht bzw. Berühungspunkten dorthin.

Übersehen wird häufig, dass es auch im Auslieferungsverfahren den „Pflichtverteidiger“ gibt, dort heißt er allerdings Beistand. Geregelt sind die damit zusammenhängenden Fragen in § 40 IRG. Die Beiordnung erfolgt u.a. auch dann, wenn die Sach oder Rechtslage schwierig ist. Dazu das KG, Beschl. v. 14.03.2011  –  (4) Ausl. A. 4/11 (30/11):

„1. Die Sach- oder Rechtslage ist mangels entsprechender Anhaltspunkte nicht schwierig (§ 40 Abs. 2 Nr. 1 IRG). Der Umstand, dass nunmehr über die Zulässigkeit der Auslieferung nach § 29 IRG zu entscheiden ist, führt entgegen der Auffassung des Verfolgten zu keiner anderen Beurteilung. Die in anderem Zusammenhang ergangene Entscheidung BGHSt 32, 221 ff., die die Frage der Erstattungsfähigkeit notwendiger Auslagen in Fällen unberechtigter Verfolgung betrifft, enthält den ihr vom Beistand des Verfolgten beigemessenen Rechtssatz, wonach allein die Antragstellung nach § 29 IRG zur notwendigen Beistandschaft führe, nicht (gegen eine solche Ansicht zutreffend Vogler, IRG 2. Aufl. 24. Lfg., § 40 Rdn. 24). Im Übrigen ist zwar bei Zweifeln an der Zulässigkeit der Auslieferung die Bestellung eines Beistandes geboten (vgl. OLG Karlsruhe StV 2005, 676 bei formeller Unklarheit über die Einordnung einer ausländischen Strafbestimmung). In einem auslieferungsrechtlich tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fall wie dem vorliegenden aber ist – ungeachtet des regelmäßig gestellten Antrages nach § 29 IRG – die Bestellung eines Beistandes nicht erforderlich (vgl. OLG Düsseldorf StV 1983, 453; OLG Karlsruhe GA 1987, 514; OLG Köln NStZ-RR 2010, 377; Vogler aaO., Rdn. 17ff.), zumal wenn dem Ersuchen ein Europäischer Haftbefehl zugrunde liegt. Weder der Wortlaut des § 40 IRG noch die Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucksachen 9/1338, 60 und 9/2137, 23ff.) sprechen für das Erfordernis einer regelmäßigen Beistandsbestellung im Falle einer nach § 29 IRG anstehenden Entscheidung. Der Gesetzgeber hat eine solche vielmehr von den weiteren in § 40 Abs. 2 IRG abschließend genannten Umständen (vgl. Vogler aaO., Rdn. 26) abhängig gemacht. Auch enthält    § 29 IRG keine Verweisung auf § 40 IRG. Vielmehr verweist das Gesetz lediglich im Falle der Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf das Erfordernis der Hinzuziehung eines Beistandes (§ 31 Abs. 2 IRG). Eine solche ist jedoch regelmäßig nur bei Zweifeln an der Zulässigkeit der Auslieferung und damit bei Vorliegen tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten angezeigt (vgl. BT-Drucksache 9/1338, S. 60; Lagodny in Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, IRG 4. Aufl.,  § 30 Rdn. 30). Auch bringt das Gesetz in § 40 Abs. 2 Nr. 1 IRG beispielhaft zum Ausdruck, dass bei Zweifeln, ob die Voraussetzungen der §§ 80, 81 Nr. 4 IRG vorliegen, eine schwierige Sach- oder Rechtslage vorliegt, die die Bestellung eines Beistandes erfordert. Vorliegend sind den vorgenannten Fällen vergleichbare Zweifel an der Zulässigkeit der Auslieferung und damit eine schwierige Sach- oder Rechtslage begründende Umstände weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.

2. Es ist auch unverändert nicht erkennbar, dass der Verfolgte seine Rechte nicht selbst hinreichend wahrnehmen kann (§ 40 Abs. 2 Nr. 2 IRG). Etwaige Verständigungsschwierigkeiten, welche bei dem Verfolgten angesichts seiner in deutscher Sprache zu den Akten gereichten Eingabe vom 25. Februar 2011, nach der er sich bereits seit 1969 in Deutschland aufzuhalten scheint, jedenfalls nicht ausgeprägt sein können, könnten – falls überhaupt vorhanden – durch die Beiziehung eines Dolmetschers behoben werden. Auch die im Hinblick auf § 77 Abs. 1 IRG in Verbindung mit § 147 Abs. 1 StPO fehlende Möglichkeit, Akteneinsicht selbst nehmen zu können, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn vorliegend ist nicht ersichtlich, dass der Verfolgte die vollständige Aktenkenntnis zur hinreichenden und sachgerechten Wahrnehmung seiner Rechte benötigt. Soweit der Beistand „sämtliche Verfahrensakten“ im Auge hat, übersieht er ersichtlich, dass die Akten hier im Wesentlichen aus den Auslieferungsunterlagen bestehen.“

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