Archiv für den Monat: Januar 2011

Busemann: „Ich lasse keinen raus“

Ein Kommentator zu unserem gestrigen Beitrag zur Sicherungsverwahrung (vgl. hier) im Hinblick auf die neuen Entscheidungen des EGMR weist auf einen Beitrag in der SZ hin, in dem der niedersächsische Justizminister Busemann zitiert wird mit dem Ausspruch: „Ich lasse keinen raus“.

Na ja, wir wollen mal den Mund nicht so voll nehmen, vielleicht muss er ja. Ist schon erstaunlich, wie der CDU-Politiker mit dem Spruch aus Straßburg umgeht – egal was man davon hält. Zu Recht meint der Kommentator auch: „Schön auch die Aufforderung an das BVerfG.“ – wohl endlich Tacheles zu reden. Dazu hatte es ja schon gestern aus Niedersachsen geheißen: „Busemann: „Es wird Zeit, dass Karlsruhe spricht

Geld für Sex?

Dieses einem anderen gemachte Angebot kann als Beleidigung strafbar sein. Das entschied der 1. Strafsenat des OLG Oldenburg in einem Beschluss vom 06.01.2011 – 1 Ss 204/10.

Dort hatte der Angeklagte einer 18-jährigen Frau, die ihm nur flüchtig bekannt war, Geld für die Vornahme sexueller Dienste angeboten. Das LG Odenburg hatte den Angeklagten wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Angeklagte habe mit seinem Angebot zum Ausdruck gebracht, dass die junge Frau käuflich sei wie eine Prostituierte. Dies sei ihm bewusst gewesen und er habe die damit geäußerte ehrverletzende Herabsetzung billigend in Kauf genommen.

Die Revision des Angeklagten zum OLG hatte keinen Erfolg. Das OLG entschied, dass das LG die Handlung des Angeklagten zu Recht als nach § 185 StGB strafbare Beleidigung gewertet habe. Dieser Sachverhalt sei anders gelagert, als der im März 2010 vom 1.Strafsenat des OLG entschiedene entschiedene Fall, in dem ein Angeklagter eine Jugendliche gegen ihren Willen im Halsbereich geküsst hatte. Nach ständiger Rechtsprechung auch des BGH sei in einer solchen sexuell gefärbten Zudringlichkeit allein keine Kundgabe einer Herabsetzung oder Geringschätzung der Person – und damit keine Beleidigung i.S.d. StGB – zu sehen. Im jetzt zu beurteilenden Fall dagegen habe der Angeklagte durch das Ansprechen der jungen Frau als Prostituierte diese fraglos in ihrer Ehre verletzt.

vgl. auch schon hier beim Kollegen Ferner.

Der erste Tag in Augsburg – was passierte am 1. HV-Tag im Verfahren ./. RA Lucas

 Ich hatte ja am 12.01.2011 bereits den gestrigen Prozessauftakt im Verfahren gegen RA Lucas wegen Strafvereitelung beim LG Augsburg angekündigt (vgl.  hier). 

Der Prozess ist nun gestern (13.01.2011) gestartet und ich will mein Versprechen wahr machen und über den 1. Prozesstag berichten. Allerdings: Ich bin nicht selbst in Augsburg gewesen, bin also nur „Zeuge vom Hörensagen“. Das bitte ich bei der Berichterstattung (und etwaigen Kommentaren ) zu berücksichtigen.

Wie mir berichtet wird, ist das Verfahren am ersten Tag in verhältnismäßig ruhigen Bahnen gelaufen. Die Kammer ist mit zwei Berufsrichtern besetzt, bei denen es sich um noch verhältnismäßig junge Richter handeln soll (liegt wohl daran, dass nach der Ablehnungswelle von den 24 Strafrichtern des LG Augsburg eh nur noch 11 zur Verfügung standen; allmählich gilt dann also: Die Letzten beißen die Hunde).

Verfahrensrechtliche ist – so meine Infos – Folgendes geschehen:

1. Die Verteidigung hat die Einstellung des Verfahrens beantragt, weil es an nicht mehr behebbaren formalen Mängeln leidet und seine Fortsetzung darüber hinaus gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen würde.

2. Die Verteidigung hat die Zuständigkeit des LG Augsburg gerügt. Die StA sieht das – was nicht überrascht – anders. Tatort sei – so die StA – nicht München, wo die Revision verfasst worden sei, sondern Augsburg, wo die Revisionsbegründung habe eingehen müssen und eingegangen sei. Nach ANscht der Verteidigung handelt es sich hierbei aber nur um den „Durchgangsort“. Über die Revision selbst entscheide der BGH in Karlsruhe, allenfalls dort sei der Erfolgsort anzunehmen.

3. Die Verteidigung hat die Behauptung des 1. Strafsenates beim BGH, dass den dienstlichen Stellungnahmen nicht widersprochen worden sei, als falsch zurückgewiesen . RA Lucas habe innerhalb der Frist des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO sehr wohl auf die dienstlichen Stellungnahmen erwidert und diesen explizit widersprochen. Dass nach Ansicht des 1. Strafsenates beim BGH RA Lucas den Inhalt der dienstlichen Stellungnahmen „zugestanden“ habe, sei schlicht falsch. Diese fehlerhafte Einschätzung des Bundesgerichtshofes sei offensichtlich und schon aus den Akten heraus erkennbar.

4. Hier fehlt, dass die Kammer die Anträge der Verteidigung zurückgewiesen hat. Die Anklage wurde verlesen, der Angeklagte belehrt. Er hat sich zunächst nicht zur Sache eingelassen.

Heutiges Ergebnis: Noch nicht viel passiert. Am 21.01.2011 geht es weiter: Dann wohl mit der Vernehmung von Zeugen.

Anmerkung: Die Frage des Widerspruchs von RA Lucas gegen den Inhalt der dienstlichen Stellungnahmen im Revisionsverfahren wird sich m.E. schnell klären lassen. Der Widerspruch müsste ja wohl in der Akte sein. Peinlich wäre es, wenn der BGH und die StA das übersehen, man könnte auch sagen „überlesen“ hätten. Denn dann wäre die Prämisse des BGH grundlegend falsch. Es läge schon nach Aktenlage ein non-liquet vor. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens auf dieser Basis oder gar eine Anklageerhebung wären zumindest fragwürdig.

 Und hier dann noch die Presseerklärung der Verteidigung:  Zusatz: Und hier dann noch die „Presseschau„.

 

BGH zur Verwertbarkeit von Telekommunikations-Verkehrsdaten auf der Grundlage der Rechtsprechung des BVerfG

Der BGH hat in seinem Beschl. v. 04.11.2010 – 4 StR 403/10 zur Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus einer während der Geltungsdauer einer einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts nach deren einschränkenden Vorgaben gerichtlich angeordneten und vollzogenen Ermittlungsmaßnahme (hier: Anforderung und Übermittlung von Telekommunikations-Verkehrsdaten), wenn das Bundesverfassungsgericht in seiner späteren Hauptsacheentscheidung die Verfassungswidrigkeit der Rechtsgrundlage für die Ermittlungsmaßnahme feststellt, Stellung genommen und die Verwertbarkeit im Streitfall bejaht, weil sich das AG und das LG an die Vorgaben der einstweiligen Anordnungen des BVerfG in der Sache gehalten hatten. Die spätere Entscheidung in der Hauptsache führe zu keinem anderen Ergebnis.

Interessante und lesenswerte Entscheidung, nicht nur, weil die Ausgangsentscheidung vom LG Münster kam :-).