Archiv für den Monat: Dezember 2010

Hochaktuell :-): Was ist mit einem schneebedeckten Schild?

Schau ich aus dem Fenster, dann kann ich nur sagen: Hochaktuell der Beschl. des OLG Hamm v. 30.09.2010 – III 3 RBs 336/09, der sich mit der Sichtbarkeit eines Verkehrszeichen beschäftigt. Das OLG hatte dort ausgeführt, dass ein durch Baum- und Buschbewuchs objektiv nicht mehr erkennbares Verkehrszeichen 274.1 keine Rechtswirkungen mehr entfaltet. Das dürfte dann für ein wegen Schnee nicht mehr erkennbares Schild entsprechend gelten. Und dazu kann es heute ja schon mal kommen, jedenfalls hier im Münsterland.

Das OLG Köln und die Ortsnähe des (Pflicht)Verteidigers – m.E. nicht zur Nachahmung empfohlen…

In einem Beschl. v. 21.09.2010 – 2 Ws 594/10 hat das OLG Köln zu den (neuen) Auswahlkriterien für die Bestellung des Pflichtverteidigers nach § 142 Abs. 1 StPO n.F. Stellung genommen.

Das OLG meint, dass durch die Streichung von § 142 Satz. 1 StPO a.F. („Der zu bestellende Verteidiger wird durch den Vorsitzenden des Gerichts möglichst aus der Zahl der bei einem Gericht des Gerichtsbezirks zugelassenen Rechtsanwälte ausgewählt.“) in § 142 Abs. 1 StPO i.d.F. des Gesetzes vom 29.07.2009 nicht zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass dem Gesichtspunkt der Ortsnähe des Verteidigers keine Bedeutung mehr zukomme, sondern es habe eine Überbetonung dieses einzelnen Kriteriums durch die Benennung im Gesetz vermieden werden sollen, da weitere ebenso gewichtige Umstände wie ein besonderes Vertrauensverhältnis zu dem Beschuldigten bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sind (vgl. BT-Drucksache 16/12098 S. 20, 21).

Na ja, wenn ich die BT-Drucksache richtig verstehe, sollte die Ortsnähe gerade keine große Bedeutung mehr haben. Aber ich bin ja auch nicht (mehr) beim OLG.

Läutet man die nächste Runde ein? – Video-Rotlichtüberwachung in Baden-Württemberg

Aus einer Quelle, die ungenannt sein möchte/muss, habe ich ein Schreiben aus dem Polizeibereich Baden-Württemberg erhalten, das sich mit der Verkehrsüberwachung beschäftigt. Mal nicht Geschwindigkeitsüberschreitung, sondern Rotlichtüberwachung mit Videobeweis.

Darin heißt unter Hinweis auf den Beschl. des BVerfG vom 11.08.2009 – 2 BvR 941/08, dass sich daraus für die Rotlichtüberwachung mit Videobeweis ergebe, dass diese unter folgenden Bedingungen auch weiterhin möglich erscheine:

  1. Die Videoaufzeichnung (Betätigen des Auslösers) wird frühestens nach dem Umschalten auf die Gelblichtphase begonnen, sofern aufgrund der Fahrweise des betreffenden Verkehrs der Verdacht besteht, dass ein oder mehrere Fahrzeuge nicht ordnungsgemäß bei Rotlicht anhalten (hieraus begründet sich der Anfangsverdacht auf die unmittelbar bevorstehende bedeutende Ordnungswidrigkeit). Werden hierbei Fahrzeuge, die doch noch in der Gelblichtphase die Haltelinie passiert haben, mit aufgenommen, ist dies vertretbar.
  2. Die Videoaufzeichnung wird sofort nach der beweiserheblichen Sicherung des Verstoßes abgebrochen, so dass möglichst keine anderen Fahrzeuge aufgenommen werden.
  3. Die Kameraeinstellung muss so ausgerichtet werden, dass nur der Verkehr auf den betroffenen Fahrstreifen identifiziert werden kann.

Na ja, wenn man schon liest „vertretbar“ – finde ich im Beschl. des BVerfG nicht. Und „Anfangsverdacht auf die unmittelbar bevorstehende bedeutende Ordnungswidrigkeit“, na ja, auch das dürfte so kaum zutreffend sein. „Möglichst keine anderen Fahrzeuge aufgenommen“… auch das muss man m.E. nach dem Beschl. des BVerfG in 2 BvR 941/08 anders sehen.

Man darf gespannt sein, was aus den Rotlichtüberwachungen wird. Vielleicht die nächste Runde in Karlsruhe? Jedenfalls eine schöne Rechtsbeschwerde. OLG Karlsruhe bzw. OLG Stuttgart werden sich freuen.

(Kleine?) Sensation: Freispruch im Fall Wörz hält beim BGH – keine neue Runde…

Was lange währt, wird dann für den Angeklagten endlich gut: Der BGH teilt heute in einer PM mit, dass der Freispruch im Fall Harry Wörz rechtskräftig ist. In der PM heißt es:

„Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe legt dem Angeklagten Harry Wörz zur Last, derjenige gewesen zu sein, der in den frühen Morgenstunden des 29. April 1997 die Geschädigte (die vom Angeklagten getrennt lebende Ehefrau) in deren Wohnung mit einem Schal strangulierte und so versuchte, sie zu töten. Durch die Tat erlitt die Geschädigte schwerwiegende und dauerhafte gesundheitliche Schäden (Lähmungen, Verlust des Sprachvermögens), weil die Sauerstoffzufuhr zu ihrem Gehirn infolge des Strangulationsvorganges für längere Zeit unterbrochen war.

Der Angeklagte war zunächst durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 16. Januar 1998 wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt worden, die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten verwarf der Bundesgerichtshofes mit Beschluss vom 12. August 1998 (1 StR 394/98). Nach Wiederaufnahme des Strafverfahrens hob das dann zuständige Landgericht Mannheim mit Urteil vom 6. Oktober 2005 die Verurteilung aus dem Jahr 1998 auf und sprach den Angeklagten frei. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts Mannheim wegen durchgreifender Mängel in der Beweiswürdigung auf und verwies die Sache zu erneuter Verhandlung zurück (Beschluss vom 16. Oktober 2006, 1 StR 180/06). Nach daraufhin durchgeführter neuer Hauptverhandlung hat eine andere Strafkammer des Landgerichts Mannheim den Angeklagten mit Urteil vom 22. Oktober 2009 erneut freigesprochen. Sie vermochte nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass der Angeklagte die Tat begangen hat.

Gegen diesen Freispruch richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der als Nebenklägerin zugelassenen Geschädigten, mit denen jeweils eine Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend gemacht wird.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 15. Dezember 2010 die Revisionen verworfen. Das Tatgericht habe alle relevanten Umstände in seine Würdigung einbezogen und seine Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten rechtsfehlerfrei begründet.“

Damit hat ein langes Hin und Her für den Angeklagten ein glückliches Ende gefunden…