Archiv für den Monat: November 2010

Richtig!!! Busemann: „Gerichtskosten und Anwaltsgebühren anpassen“

Na, das ist doch mal eine Forderung, die man untetrschreiben kann. JM Busemann aus Niedersachsen zu anwaltlichen Gebühren., allerdings muss man natürlich auch sehen, wo die Forderung erhoben wird: Auf dem Landesanwaltstag in Niedersachsen. dDas macht sich immer gut, wenn man so die versammelten Anwälte begrüßt, was dann daraus wird, ist eine ganz andere Frage. Das hat man z.T. beim RVG gesehen. Richtig ist die Forderung allein schon deshlalb, weil die anwaltlichen Gebühren seit 1994 linear nicht mehr angehoben worden sind. Das RVG hat nur strukturelle Änderungen gebaracht, die zu Erhöhungen geführt haben.

In der PM des niedersächsischen JM heißt es:

„Busemann: „Gerichtskosten und Anwaltsgebühren anpassen“

Justizminister beim Landesanwaltstag
 
 
HANNOVER. „Das gesamte Kostengefüge im Rechtswesen gehört auf den Prüfstand. Gerichtskosten und Anwaltsgebühren bedürfen einer Anpassung“, sagte der Niedersächsische Justizminister Bernd Busemann in seinem Grußwort zum 1. Niedersächsischen Landesanwaltstag in Hannover. Zwar müsse sich der Staat angesichts der Haushaltslage um Kostenbegrenzung bemühen. „Aber wir müssen realistisch mit den erhöhten Anforderungen an Anwälte und Gerichte umgehen. Das bedingt auch eine Gebührenerhöhung“, machte Busemann deutlich.Die Anwaltschaft stehe auch vor dem Hintergrund der nach wie vor steigenden Anwaltszahlen vor großen Herausforderungen. Der Beruf des Rechtsanwalts verschaffe schon heute nicht mehr jedem Berufsträger ein auskömmliches Einkommen. „Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte müssen sich zunehmend im Wettbewerb behaupten. Berufliche Qualifikation allein reicht oft nicht aus“, machte Busemann deutlich. Deshalb gewinne das Marketing neben der Kanzleiorganisation zunehmende Bedeutung. Zugleich müsse die Rolle des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege gewahrt bleiben. „Rechtsanwaltschaft verträgt sich nicht mit Marktschreierei“, so der Justizminister.

Zunehmend interessanter für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte werde der Markt der Mediation, der allerdings kein Selbstläufer sei. „Nach meiner festen Überzeugung kann eine moderne strategische Ausrichtung des Anwaltsberufs nicht mehr an den Methoden der konsensualen Streitbeilegung vorbeikommen“, betonte Busemann.“

Verständigung, Rechtsmittelverzicht und Negativattest

Die Angeklagte verzichtet nach Urteilsverkündung auf Rechtsmittel, wass sie dann aber offenbar reut. Es wird dann also doch Rechtsmittel eingelegt und vorgetragen, dass der Rechtsmittelverzicht wegen Umgehung des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO unwirksam sei. Der BGH setzt sich damit in seinem Beschl. v. 27.10.2010 – 5 StR 419/10 – auseinander und meint:

„Das in § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO geregelte Verbot eines Rechtsmittelverzichts nach Verständigung greift nicht ein. Denn eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO, mithin im Rahmen der Hauptverhandlung, hat nach dem eigenen, mit der dienstlichen Stellungnahme der Staatsanwaltschaft übereinstimmenden Vortrag der Beschwerdeführerin nicht stattgefunden. Das Fehlen des sogenannten „Negativattests“ nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 31. März 2010 – 2 StR 31/10) besagt hier schon deswegen nichts anderes, weil auch eine Verständigung nicht protokolliert worden ist (§ 273 Abs. 1a Satz 1 StPO; vgl. zu Fällen solch „versteckten Dissenses“ Niemöller in Niemöller/Schlothauer/Wieder, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren 2010 § 273 Rdn. 30 f.).“

Offen gelassen hat der BGH die Frage,  ob eine Umgehung des § 257c StPO durch Absprachen außerhalb der Hauptverhandlung in entsprechender Anwendung des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO oder im Wege eines Erst-Recht-Schlusses (so Jahn/Müller NJW 2009, 2625, 2630) zur Unwirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts führen kann. Denn die Angeklagte war den Beweis derartiger Absprachen schuldig geblieben.

Schon wieder: Einen Gesamtvorsatz gibt es nicht mehr….

Wir haben gerade erst am 04.11.2010 (vgl. hier) über eine Entscheidung des 2. Strafsenats des BGH berichtet, in dem dieser deutlich darauf hingewiesen hat, dass es einen „Gesamtvorsatz“ nach Aufgabe der Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung nicht mehr gibt. Das scheint aber noch nicht überall bekannt zu sein. Denn nun hat auch der 5. Strafsenat des BGH in seinem Beschl. v. 28.10.2010 – 5 StR 226/10 – das LG Cottbus rügen müssen, das bei einer Betrugsserie von einem „Gesamtvorsatz“ ausgegangen war. Der BGH schreibt:

Für die Annahme eines Gesamtvorsatzes, der durch die Feststellung, der Angeklag-te habe häufig – nicht nur vereinzelt – keine Ware oder nur geringwertigere Ware liefern wollen, ohnehin nicht hinreichend belegt wäre, ist nach Aufgabe der Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung (BGHSt – GS – 40, 138) kein Raum mehr. Entgegen der Auffassung des Landgerichts bietet auch das Präsentieren von verschiedenen Waren im Internet keinen Anknüpfungs-punkt für die Annahme eines Gesamtvorsatzes, zumal die fehlende Erfül-lungsbereitschaft des Angeklagten hinsichtlich aller von ihm angebotenen Waren gerade nicht festgestellt ist. Auch unter dem Gesichtspunkt der natürlichen Handlungseinheit liegt insbesondere angesichts des lang gestreckten Tatzeitraums eine einheitliche Tat nicht vor. Es ist vielmehr von jeweils selb-ständigen Taten auszugehen, die jeweils auf einen neuen Tatentschluss beruhen.“

Dem ist nichts hinzuzufügen, auerß: BGHSt 40 (!!!).

Der Nachweis der ausdrücklichen Ermächtigung – formlos möglich – Auswirkungen bei der Vollmacht?

In dem dem Beschl. des BGH v. zugrunde liegenden Verfahren v. 28.10.2010 – 4 StR 388/10 wurde um die Wirksamkeit einer Revisionsrücknahme durch den Verteidiger gestritten. Der BGH führt zur „ausdrücklichen Ermächtigung“ i.S. des § 302 Abs. 2 StPO aus:

Der Verteidiger hatte auch die gemäß § 302 Abs. 2 StPO zur Zurücknahme eines Rechtsmittels erforderliche ausdrückliche Ermächtigung des An-geklagten. Dessen bei der Besprechung mit dem Verteidiger erklärte Zustim-mung reicht hierfür aus. Eine bestimmte Form ist für die Ermächtigung nicht vorgeschrieben. Für den Nachweis der Ermächtigung, der noch nach Abgabe der Erklärung geführt werden kann, genügt die anwaltliche Versicherung des Verteidigers (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 8. März 2005 – 4 StR 573/04, NStZ-RR 2005, 211; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 302 Rn. 33 m.w.N.).“

Auf die Entscheidung kann man ja mal im Streit um die schriftliche Vollmacht hinweisen.

Der (einmal un)zuverlässige Kanzleibote

Der BGH hat sich in seinem (zivilverfahrensrechtlichen) Beschluss mit dem Kanzleiboten und der Frage der Wiedereinsetzung befasst, wenn dieser eine Fristversäumung verschuldet hat (vgl. Beschl. v. 21.09.2010 – VIII ZB 14/09).

Danach ist einer Partei grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine geschulte und zuverlässige Kanzleikraft ihres Prozessbevollmächtigten einen fristwahrenden Schriftsatz versehentlich beim falschen Gericht einwirft. Ist glaubhaft gemacht, dass sich die Kanzleikraft als zuverlässig erwiesen hat, indem sie während ihrer einjährigen Tätigkeit bisher alle Botengänge einschließlich der Überbringung von Post zu Gerichten und Behörden fehlerfrei ausgeführt hat, so ist Wiedereinsetzung zu gewähren. Dies gilt erst Recht, wenn der Anwalt die Kanzleikraft vor Ausführung des Botengangs zudem nochmals ausdrücklich auf den fristwahrenden Schriftsatz für das spezielle Gericht hingewiesen hat. Einer darüber hinausgehenden Glaubhaftmachung für eine regelmäßige Überwachung des Boten durch den Prozessbevollmächtigten bedarf es für die Wiedereinsetzung daher nicht.

Betrifft zwar ein Zivilverfahren, kann aber auch im Strafverfahren von Bedeutung sein/werden.