Archiv für den Monat: September 2009

BGH: Terminsnöte des Verteidigers, Gericht muss wirklich helfen wollen

Manchmal überrascht der BGH ja auch (na ja, der 5. Strafsenat sieht das ein oder andere doch anders). Hier eine für den Verteidiger schöne Entscheidung (Beschl. v. 24.06.2009 – 5 StR 181/09), wenn er in den Kampf zieht wegen einer Terminierung/Terminsverlegung. Der BGH verlangt vom Tatrichter den „ernsthaften Versuch“, dem Recht auf den Anwalt des Vertrauens Geltung zu verschaffen. Er formuliert:

„Der Senat weist darauf hin, dass es bei der grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden stehenden Terminierung nicht bloß darum geht, Terminswünsche des Wahlverteidigers zu bedenken, sondern das Recht des Angeklagten, sich von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, in Frage steht. Es muss seitens des Gerichts bei der Planung der Hauptverhandlung wenigstens ernsthaft versucht werden, diesem Recht Geltung zu verschaffen (vgl. BGHR StPO § 137 Satz 1 Beschränkung 2; Brause  Kriminalistik 1995, 349, 351). Dies verbietet es in der Regel, Terminsnöte zumal, wie hier, kompromissbereiter Wahlverteidiger ohne weiteres zu übergehen.“

Die legt man – nicht nur im OWi-Verfahren – dem (Amts)Richter am besten gleich mit zum Terminsverlegungsantrag.

U-Haft: Roman schreiben nicht erlaubt, oder: In der Kürze liegt die Würze

Was/wieviel muss der Richter im Rahmen der Briefkontrolle lesen? Mit der Frage beschätigt sich jetzt ein Beschluss des OLG Celle vom 14.08.2009 – 1 ws 404/09. Der U-Haft-Gefangene hatte ein Schriftstück von 217 Seiten unter dem Titel „Kriminal-Familiendramatik pur auf 217 Seiten“ versenden wollen. Das ist nicht genehmigt worden. Begründung: Es handelt sich um einen Roman und nicht um einen Gedankenaustausch zur Aufrechterhaltung von Beziehungen. Erlaubt worden bzw. als zulässig angesehen worden ist aber ein Schriftwechsel im Ausmaß von zehn Seiten pro Tag. Dessen Kontrolle sei noch mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich. Sorry, aber irgendwie kann ich es nachvollziehen. 217 Seiten sind wirklich ein „Roman“. Und: In der Kürze liegt die Würze.

Ausländische Fahrerlaubnis: Neue Runde vom EuGH eingeläutet

Mal wieder Neues vom EuGH in Sachen ausländische Fahrerlaubnis. Nachdem der EuGH in seiner Entscheidung die Frage, was unbestreitbare Tatsachen sind, noch offen gelassen hatte, hat er sie nun in einem neueren Beschluss vom 09.07.2009 – V-445/08 zumindest insoweit, dass es sich dabei um das Ergebnis eigener Ermittlungen der Verwaltungsbehörde handeln muss, entschieden.

Zudem wird der Entscheidung des Ausstellerstaates, dem Betroffenen eine Fahrerlaubnis zu erteilen, der Vorrang eingeräumt. Die deutschen Fahrerlaubnisbehörden werden sich über diese Entscheidung sicherlich nicht freuen. Denn die deutschen Verwaltungsbehörden müssen wohl die von den anderen Mitgliedsstaaten getroffenen Erteilungsentscheidung selbst dann als ordnungsgemäß anerkennen, wenn sie eigene melderegisterlich gegenteilige Auskünfte über den Wohnsitz des Inhabers zum Zeitpunkt der Erteilungsentscheidung haben.

Damit ist dann die nächste Runde bei der ausländischen Fahrerlaubnis eingeläutet. Wir werde über die Entscheidung in Heft 10 des VRR berichten.

Bestimmt der Rechtspfleger über das Wann und Wie der anwaltlichen Tätigkeit?

Manche Fragen „hauen einen um“. So jetzt gerade ein Posting, das aus dem Forum von LexisNexis® Strafrecht stammt. und das ich jetzt mal hier – nach Rückfrage und mit Erlaubnis – an eine noch größere Leserschaft gebe. Natürlich in der Hoffnung auf viele schöne Kommentare und Hinweise. Der Kollege fragt/postet:

wieder einmal eine Überraschung aus dem Bereich der Beratungshilfe. Die wollen jetzt ernsthaft, dass man bei Erhalt der Akte telefonisch oder per E-Mail einen Termin vereinbart und dann mit der Originalakte berät. Dann würden keine Kopien gefertigt werden müssen. Soweit erforderlich, soll man halt eine Fristverlängerung zur Aktenrückgabe beantragen.

Zitat: „Es bedarf lediglich der geringfügigen Änderung der anwaltlichen Praxis“
Es folgt eine Aufzählung diverser Entscheidungen, mit denen der Rpfl. Rspr. seines AG zitiert.
Da fällt mir im wahrsten Sinne des Wortes nichts mehr zu ein.

Hatte jemand schon einmal eine ähnliche Problematik und sich erfolgreich
dagegen gewehrt oder kennt zumindest Rspr. Es kann doch nicht sein, dass
mir ein Rpfl. jetzt schon sagt, wie und wann ich meine Arbeit zu erledigen
habe
.“

Mir fällt dazu auch nichts ein, was allerdings nichts heißen will, da ich mich im Bereich der Beratungshilfe nicht so gut auskenne. Aber vielleicht hat ja einer der Leser schon mal etwas Ähnliches erlebt. Es kann doch wirklich nicht sein, dass nun der Rechtspfleger die Lufthoheit über den anwaltlichen Terminkalender bekommt. Und dass dann alles für das fürstliche Beratungshilfehonorar.

II. Zivilsenat des BGH haut in der Anrechnungsfrage (§ 15a RVG) auf den Tisch

Nachdem sich schon kurz nach dem Inkrafttreten des neuen § 15a RVG ein „fröhliches Hauen und Stechen“ zwischen den OLG abgezeichnet/entwickelt hat (vgl. z.B. OLG Stuttgart VRR 2009, 359; LAG Hessen VRR 2009, 360), in der Frage, ob die Neuregelung auch auf Altfälle anwendbar ist, hat sich jetzt eine gewichtige Stimme aus Karlsruhe eingeschaltet.

Der 2. Zivilsenat des BGH hat in einem Beschl. v. 02.09.2009 – II ZB 35/07, die Auffassung vertreten, dass es sich nur um eine Klarstellung handelt mit der Folge, dass die Neuregelung auch auf die Altfälle anwendbar ist. In der Entscheidung markige Worte gegen die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats – wann schreibt ein Zivilsenat schon mal:

„Den erkennenden Senat überzeugt die Ansicht des VIII. Zivilsenats nicht. Ohne die gegen diese Lösung des Anrechnungsproblems anzuführenden systematischen, teleologischen und sprachlichen Argumente im Einzelnen darzustellen, vermag der Senat ihr nicht zuletzt im Hinblick auf die teilweise zu Recht als katastrophal bezeichneten Folgen aber auch, weil er sie aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht abzuleiten vermag, nicht zu folgen.“

Ob das alles reicht, um den Streit um die Anwendbarkeit zu entscheiden oder ob die Frage ggf. sogar vom Großen Senta (muss natürlich „Senat“ heißen :-)) für Zivilsachen entschieden werden muss, man wird es sehen. Jedenfalls hilft dieser Beschluss sicherlich erst mal bei der Argumentation im Kostenfestsetzungsverfahren.