Schlagwort-Archive: Kopierkosten

Bei 43.000 Blatt Kopien/6.500 € Kopierkosten reicht die anwaltliche Versicherung nicht (mehr)?

RVG KasseIn einem Verfahren beim LG Köln haben sich der Pflichtverteidiger und die Rechtspflegeri um die Festsetzung der Kopierkosten gestritten. Da ging es allerdings (mal nicht) um Peanuts, sondern um rund 6.500 € für rund 43.000 Blatt Kopien. Der Rechtspflegerin reichte bei der Summe nicht allein die anwaltliche Versicherung des Pflichtverteidigers über die Erstellung der Kopien, sondern sie wollte mehr, und zwar zur Glaubhaftmachung die Vorlage der Kopien. Der Pflichtverteidiger hat sich geweigert, die Rechtspflegeri nicht festgesetzt – und so kam die Sache dann ans OLG. Das hat der Rechtspflegerin – wie auch schon das LG – Recht gegeben. Im OLG Köln, Beschl. v. 18.12.2013 – 2 Ws 686/13 – heißt es dazu:

„Es verstößt nicht gegen §§ 46, 55 Abs. 5 S. 1 RVG, § 104 Abs. 2 ZPO wenn das Gericht zur Glaubhaftmachung der angefallenen Auslagen die Vorlage der Kopien verlangt. Im Rahmen seiner Antragstellung nach § 55 Abs. 1 RVG hat der Rechtsanwalt seine Kostenansätze gemäß § 55 Abs. 5 S. 1 RVG i. V. m. § 104 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen. Nach § 104 Abs. 2 S. 2 ZPO genügt hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenen Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann, § 104 Abs. 2 S. 2 ZPO. Daraus folgt im Umkehrschluss aber, dass für die sonstige Kostenfestsetzung die Mittel der Glaubhaftmachung keiner Einschränkung unterliegen (vgl. OLG Düsseldorf, JurBüro 2009, 370/371) und die bloße anwaltliche Versicherung nach allgemeiner Ansicht – der die Kammer sich anschließt – nicht zwangsläufig reicht (vgl. Mayer/Kroiß, RVG, 6. Auflage 2013, § 55, Rn. 32; OLG Düsseldorf a. a. O.; AG Halle, Beschluss vom 31.05.2013, Az. 103 II 972/13, zit. nach Juris; AG Konstanz NJW-RR 2007, 209; LG Aachen AnwBl. 1999, 58.). Danach kann das Gericht im Einzelfall trotz Vorliegens einer anwaltlichen Versicherung die Vorlage der Kopien zur Glaubhaftmachung des Anfalls der Auslagen verlangen. Glaubhaftmachung bedeutet nämlich, dass an die Stelle des Vollbeweises, eine Wahrscheinlichkeitsfeststellung tritt. Für diese gilt der Grundsatz der freien Würdigung des gesamten Vorbringens; Grundlage der Entscheidung ist ein den konkreten Umständen angepasstes Maß an Glaubhaftigkeit, d. h. die Sicherheit der Feststellung muss von den Folgen der zu treffenden Entscheidung abhängig gemacht werden (Zöller-Greger, ZPO, 30. Auflage 2014, § 294, Rn. 6). Die anwaltliche Versicherung wird insbesondere dann zum Tragen kommen und ausreichend sein, wenn objektive Mittel nicht zur Verfügung stehen (AG Halle, Beschluss vom 31.05.2013, Az. 103 II 972/13, zit. nach Juris). Wenn aber wie hier Sachbeweise für die Glaubhaftmachung zur Verfügung stehen, kann die Vorlage dieser objektiv überprüfbaren Unterlagen verlangt werden. Dies gilt umso mehr in Fällen, in denen die in Rede stehenden Auslagen wie vorliegend fast die Hälfte des festzusetzenden Gesamtbetrages ausmachen und daher ein besonderes Interesse der Überprüfung besteht, um eine unangebrachte Belastung der Staatskasse zu verhindern.“

An dieser Stelle dazu zwei Dinge:

  • Ich verstehe nicht so ganz, warum der Verteidiger „mit dem Kopf durch die Wand wollte“ und einfach auf die anwaltliche Versicherung verwiesen hat, dass diese Kosten entstanden sind, zu verweisen. Denn das der Verteidiger hier ja getan und alle „Friedensangebote“ der Rechtspflegerin abgelehnt. Die hatte sich sogar bereit erklärt, in die Kanzleiräume des Verteidigers zu kommen und dort zu prüfen. Auch zu einer stichprobenartigen Vorlage der Kopien war der Verteidiger offenbar nicht bereit. Mit dieser sturen Haltung ist der Verteidiger dann gescheitert. M.E. zu Recht, denn den §§ 46, 55 Abs. 5 Satz 1 RVG, § 104 Abs. 2 ZPO lässt sich eben nicht entnehmen, dass die anwaltliche Versicherung immer ausreichend ist. Vielmehr kommt es auf den Einzelfall an (vgl. auch AnwKomm-RVG/Volpert, a.a.O., § 55 Rn. 16 m.w.N.). Und da meine ich, wird man bei Fotokopierkosten in der hier geltend gemachten Höhe schon mal näher nachfragen dürfen. Der Verteidiger hat es m.E. dann in der Hand, wie er reagiert. Er kann die gemachten Fotokopien vorlegen, wobei er allerdings seine Verschwiegenheitspflicht beachten muss. Steht die der Vorlage eines Teils der Fotokopien entgegen, wird man es als ausreichend ansehen müssen, wenn nur der „nicht kontaminierte Teil“ vorgelegt und im Übrigen die anwaltliche Versicherung abgegeben wird, dass darüber hinaus weitere Fotokopien angefertigt worden sind.
  • Und: Dem Verteidiger hilft im Übrigen auch nicht das Hinweis darauf, dass ggf. das Gericht durch Beschluss im Verfahren nach § 46 Abs. 2 RVG festgestellt hat, dass das Anfertigen von Fotokopien in der Höhe erforderlich ist (§ 46 Abs. 2 Satz 1 RVG). Es ist zwar richtig, diesen Weg zu gehen, um im Kostenfestsetzungsverfahren mit dem Kostenbeamten nicht mehr über die Frage der Notwendigkeit der Kopien streiten zu müssen. Die Frage der grundsätzliche Erforderlichkeit der Kopien, um die es im Verfahren nach § 46 Abs. 2 RVG geht, ist aber von der Frage, ob ihre tatsächliche Entstehung nach §§ 55 Abs. 5 RVG, 104 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht ist, zu trennen.

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2014 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…

Wochenspiegel für die 7. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Wir berichten:

  1. Traditionsgemäß über Kachelmann, hier, hier, hier und hier und hier.
  2. In der Tat wird manchmal die Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe als Freispruch angesehen, was aber nicht der Fall ist.
  3. Strafverfahren wegen Abofalle?
  4. Das Urteil im Winnenden-Verfahren war auch ein Thema.
  5. Damit hatte der Kollege RiBGH Fischer sicherlich nicht gerechnet: Ein Schlag ins Gesicht.
  6. Der Kampf um die Erstattung von Kopierkosten im Strafverfahren, immer wieder und immer wieder auch ein wenig lächerlich.
  7. Kritik des DAV an der Rechtsprechung einiger Gerichte zur Sicherungsverwahrung.
  8. Das gepixelte Bild eines Straftäters darf in Presseberichten veröffentlicht werden.
  9. Es gibt kein Grundrecht auf Schutz vor Straftätern.

Die „kriminalistische Erfahrung“ und die Erstattungsfähigkeit der Kopierkosten von TÜ-Protokollen

In Strafverfahren gibt es immer wieder Streit in der Frage, welche Auslagen dem Pflichtverteidiger zu erstatten sind. Ansatzpunkt ist § 46 RVG und die Frage der „Notwendigkeit“. Das gilt vor allem, wenn es um den zweiten Aktenauszug für den Angeklagten geht. Da ist die (obergerichtliche) Rechtsprechung noch ziemlich restriktiv und verlangt vom Verteidiger, dass er aus der Akte das „herausschält“ und dem Mandanten vermittelt, was für diesen von Bedeutung ist. Das ist nicht immer einfach. Man denke da z.B. nur an komplizierte und komplexe Zeugenaussagen. In der Frage hat jetzt das LG Bad Kreunach einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. In seinem Beschluss vom 27.07.2010 -43 Js 5548/08 KLs hat für den Pflichtverteidiger in einem umfangreichen BtM-Verfahren zumindest die Kosten für das Kopieren der Telefonüberwachungsprotokolle festgesetzt = für erstattungsfähig gehalten. Begründung: “

„Die kriminalistische Erfahrung lehrt, dass insbesondere Täter, die sich in größerem Umfang an Betäubungsmittelgeschäften beteiligen, in aller Regel mit Telefonüberwachungsmaßnahmen rechnen und ihr Verhalten bei Telefonaten hierauf einstellen. Dies führt dazu, dass die Beschuldigten in Telefonaten so gut wie nie offen über Betäubungsmittelgeschäfte sprechen, sondern für die Mitteilung relevanter Informationen (etwa hinsichtlich Art und Menge der Drogen, anderer Beteiligter und relevanter Treffpunkte oder Tatmittel) individuelle Codes entwickeln, die nur den Gesprächspartnern bzw. der jeweiligen Tätergruppe bekannt sind. Diese besonderen Umstände machen es dem Verteidiger ungewöhnlich schwer, der Aufgabe des anwaltlichen Bestands, die in einem komplexen Verfahren auch im Wesentlichen darin besteht, mit dem beruflichen Sachverstand aus einer Fülle von Stoff das Wesentliche herauszuarbeiten und die entscheidenden Punkte dann mit dem Mandanten zu erörtern, sachgerecht nachzukommen. Der Verteidiger verfügt in der Regel nicht über die notwendigen tatsächlichen Hintergrundinformationen, um die volle Bedeutung solcher Telefonate zu erfassen und umfassend beurteilen zu können. Da es gerade auf einzelne Worte bzw. Verklausulierungen entscheidend ankommen kann, ist eine Zusammenfassung derart, dass der volle Inhalt erhalten bleibt, oft nicht möglich.“

Wer solche Protokolle einmal gelesen hat und damit zu tun hatte, weiß, wie Recht das LG hat. Und sicherlich auch ein Gebot der Fairness.

Rechtspfleger bestimmt (doch) nicht über das Wann und Wie der anwaltlichen Tätigkeit.

Am 22.09.2009 hatte ich gepostet: „Bestimmt der Rechtspfleger über das Wann und Wie der anwaltlichen Tätigkeit?“ Dabei ging es um die Frage der Erstattung von Fotokopiekosten im Rahmen der Beratungshilfe. Jetzt hat das AG Halle zu der Frage Stellung genommen. Es führt in seinem Beschluss vom 08.02.2010 – 102 II 3103/09 aus:

“ Dass ein Rechtsanwalt, der einen Mandanten, berät, der angibt, Opfer einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung geworden sein, Ablichtungen aus der Ermittlungsakte benötigt, um die Angelegenheit sachgerecht zu bearbeiten, versteht sich von selbst. Es kann nicht Sache des Gerichts sein, dem Rechtsanwalt nachträglich seine Arbeitsweise zu bewerten und zu kritisieren, indem ihm die Fertigung von Ablichtungen untersagt oder unzumutbar erschwert wird. Hierdurch würde die Rechtswahrnehmungsgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten im außergerichtlichen Bereich (siehe hierzu die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 2008, Az. 1 ByR 2310/06, und vom 11. Mai 2009, Az. 1 BvR 1517/09, beide zitiert nach juris) entgegen Art 3 Abs. 1 GG nicht mehr gewährleistet. Außerdem ist es unter Umständen nicht möglich, den Mandanten kurzfristig zu einem Termin zu „laden“ (wobei ein hoheitliches Verhältnis, in welchem eine Ladung ergehen kann, zwischen Rechtsanwalt und Mandant ohnehin nicht besteht) oder einen solchen Termin kurzfristig durchzuführen. Weiter braucht der Rechtsanwalt die (jedenfalls auszugsweise kopierte) Akte möglicherweise für weitere Besprechungstermin, für die Fertigung von Schriftsätzen im Rahmen der außergerichtlichen Vertretung sowie um seine Pflicht, gemäß § 50 Abs. 1 BRAO durch Handakten ein geordnetes Bild über die von ihm entfaltete Tätigkeit geben zu können, erfüllen zu können.

Angesichts der Tatsache, dass der Rechtsanwalt gemäß § 1 BRAO ein unabhängiges Organ der Rechtspflege ist, kann es nicht Sache des Gerichts sein, dem Rechtsanwalt eine „geringfügige Änderung der anwaltlichen Praxis“ vorzuschreiben.

Es erscheint daher zweifelhaft, ob das Gericht an der von dem Rechtspfleger im Schreiben vom 27. August 2009 und der vom Bezirksrevisor in seiner Stellungnahme vom 26. Januar 2010 zitierten Rechtsprechung uneingeschränkt festhalten wird.“

Stimmt. Dem ist m.E. nichts hizuzufügen: Der Rechtspfleger bestimmt eben doch nicht über das Wann und Wie der anwaltlichen Tätigkeit.

Bestimmt der Rechtspfleger über das Wann und Wie der anwaltlichen Tätigkeit?

Manche Fragen „hauen einen um“. So jetzt gerade ein Posting, das aus dem Forum von LexisNexis® Strafrecht stammt. und das ich jetzt mal hier – nach Rückfrage und mit Erlaubnis – an eine noch größere Leserschaft gebe. Natürlich in der Hoffnung auf viele schöne Kommentare und Hinweise. Der Kollege fragt/postet:

wieder einmal eine Überraschung aus dem Bereich der Beratungshilfe. Die wollen jetzt ernsthaft, dass man bei Erhalt der Akte telefonisch oder per E-Mail einen Termin vereinbart und dann mit der Originalakte berät. Dann würden keine Kopien gefertigt werden müssen. Soweit erforderlich, soll man halt eine Fristverlängerung zur Aktenrückgabe beantragen.

Zitat: „Es bedarf lediglich der geringfügigen Änderung der anwaltlichen Praxis“
Es folgt eine Aufzählung diverser Entscheidungen, mit denen der Rpfl. Rspr. seines AG zitiert.
Da fällt mir im wahrsten Sinne des Wortes nichts mehr zu ein.

Hatte jemand schon einmal eine ähnliche Problematik und sich erfolgreich
dagegen gewehrt oder kennt zumindest Rspr. Es kann doch nicht sein, dass
mir ein Rpfl. jetzt schon sagt, wie und wann ich meine Arbeit zu erledigen
habe
.“

Mir fällt dazu auch nichts ein, was allerdings nichts heißen will, da ich mich im Bereich der Beratungshilfe nicht so gut auskenne. Aber vielleicht hat ja einer der Leser schon mal etwas Ähnliches erlebt. Es kann doch wirklich nicht sein, dass nun der Rechtspfleger die Lufthoheit über den anwaltlichen Terminkalender bekommt. Und dass dann alles für das fürstliche Beratungshilfehonorar.