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Verlesung eines Polizeiberichts, oder: Auch zulässig, wenn die Unterschrift fehlt?

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Die zweite Entscheidung, die ich heute vorstelle, betrifft ebenfalls eine „Verlesungsfrage“, und zwar in Zusammenhang mit der Verlesung eine Polizeiberichts (§ 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO). Da war gerügt worden, dass der von dem Polizeibeamten, der ihn angefertigt hatte, nicht unterzeichnet war.

Das stört den BGH im BGH, Beschl. v. 01.08.2018 – 5 StR 330/18 – aber nicht:

„2. Mit der Rüge einer fehlerhaften Einführung des Polizeiberichts vom 16. November 2013 in die Hauptverhandlung kann der Angeklagte aus den durch den Generalbundesanwalt genannten Gründen nicht durchdringen. Zwar war der Bericht von dem Polizeibeamten nicht handschriftlich unterzeichnet. Er beginnt jedoch mit dem Aufdruck: „Sachbearbeiter: A.   PK“ und endet mit „A.   , PK“. Damit ist klar erkennbar, auf wessen Erkenntnissen die in dem Bericht beschriebenen Vorgänge beruhen. Eine besondere (Unterschrifts-)Form der in § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO bezeichneten Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden erfordert die Vorschrift nicht (vgl. LR-Stuckenberg, 26. Aufl., § 256 Rn. 40 mwN). Dass ein bloßer Entwurf in Rede stand, kann ausgeschlossen werden.“

Die Berichtigung der Kostenentscheidung gilt, auch wenn es dem Bezirksrevisor nicht gefällt.

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Als zweite Entscheidung am „Gebührenfreitag“ dann mal wieder ein Beschluss, in dem es um die nachträgliche Berichtigung einer Kostenentscheidung geht. Das LG verwirft die Berufung der Staatsanwaltschaft. Im Verwerfungsurteil werden aber die notwendigen Auslagen der Angeklagten nicht der Staatskasse auferlegt. Die Berufungskammer erkennt das „Versehen“ und berichtigt ihren Beschluss, womit übrigens auch die Staatsanwaltschaft einverstanden war. Das AG lehnt dann dennoch die Festsetzung der Gebühren für die Berufung ab mit der Begründung: Keine Kostengrundentscheidung. Dem schließt sich im Beschwerdeverfahren (natürlich) der Bezirksrevisor an mit der Begründung: Nachträgliche Berichtigung war nicht zulässig.

Das LG Traunstein sieht es im Beschwerdeverfahren dann anders und setzt im LG Traunstein, Beschl. v. 23.08.2018 – 2 Qs 87/18 – dann die Gebühren fest:

1. Es liegt eine ausreichende Auslagengrundentscheidung nach dem Tenor des Berufungsurteils in Form des Berichtigungsbeschlusses der 3. Strafkammer des Landgerichts Traunstein vor.

Gemäß §§ 464 StGB ist im Urteil darüber zu entscheiden, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind (Absatz 1) und wer die notwendigen Auslagen trägt (Absatz 2). Unterbleibt eine ausdrückliche Kostenentscheidung so trägt die Staatskasse die Kosten, eine Nachholung ist unzulässig, beim Fehlen einer ausdrücklichen Auslagenentscheidung verbleiben die notwendigen Auslagen bei demjenigen, dem sie entstanden sind (Meyer-Goßner/Schmitt, § 464 StPO Rz. 12).

Im vorliegenden Fall ist aber eine Kosten- bzw. Auslagenentscheidung durch die 3. Strafkammer des Landgerichts Traunstein im Urteil vom 20.04.2017 nicht vollständig unterblieben, sondern das Gericht hat entschieden, dass die Berufung kostenpflichtig verworfen wird. Damit hat das Landgericht eine, wenn auch unzureichende bzw. unvollständige Entscheidung über die Kosten getroffen. Nach einhelliger Meinung kann eine Kostenentscheidung aber auch ausgelegt werden.

Eine ausdrückliche Kostenentscheidung ist zwar auch dann erforderlich, wenn sich die Kostenfolge einer gerichtlichen Maßnahme unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Denn nicht die materielle Rechtslage, sondern erst der gerichtliche Ausspruch bildet als Kostentitel die Grundlage der Kostenfestsetzung. Es gibt allerdings keinen Grund, weshalb der Ausspruch über eine Kostenentscheidung im Urteil nicht auslegungsfähig sein sollte. Die Auslegung ist nach dem Gewollten und den Gesetzesnormen vorzunehmen. Hier ergibt sich, dass das Berufungsgericht eine Kostenentscheidung treffen wollte und diese auch getroffen hat, allerdings hat es eine Formulierung verwendet, die nicht zwischen den Kosten der Staatskasse und den notwendigen Auslagen unterscheidet, wie es üblich ist. Andererseits ergibt sich aus der klaren gesetzlichen Regelung des § 467 Abs. 1 StPO, dass die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last fallen, soweit der Angeschuldigte freigesprochen wird.

§ 467 Abs. 1 StPO zieht die notwendigen kostenrechtlichen Konsequenzen aus der Unschuldsvermutung des Artikel 6 Abs. 2 EMRK (vgl. Gieg in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Auflage 2013, Randnr. 1). Ausfluss dieser Unschuldsvermutung ist nicht nur, dass der Beschuldigte, der freigesprochen wurde, so anzusehen ist, als wäre nie ein Strafverfahren gegen ihn geführt worden, welches den Verdacht einer Straftat beinhaltete, sondern auch, dass er ebenso von allen finanziellen Nachteilen, welche mit dem gegen den freigesprochenen Beschuldigten geführten Strafverfahren im Zusammenhang stehen, freigestellt werden muss. So hat er gegebenenfalls auch Anspruch auf Entschädigung nach dem Strafverfolgungsentschädigungsgesetz.

Aber auch die Kosten im Zusammenhang mit der Führung des Verfahrens vor Gericht hat ein Freigesprochener nicht zu tragen. Dies wird deswegen in § 467 Abs. 1 StPO klar gesetzlich festgestellt. Wenn ein Angeklagter auf Kosten der Staatskasse freigesprochen wird, hat diese Kostenentscheidung den objektiven Erklärungswert, dass die Staatskasse den Freigesprochenen umfassend finanziell zu entlasten hat, also auch seine notwendigen Auslagen zu tragen hat (vgl. OLG Düsseldorf, 12.01.1994, 2 Gs 593/93 und OLG des Landes Sachsen-Anhalt vom 17.01.2001, 1 Gs 13/01). Dieser Erklärungswert ist aber auch bei einer Formulierung, wie im vorliegenden Fall, wonach die Berufung kostenpflichtig verworfen wird, gegeben. Jedem Angehörigen der entsprechenden Verkehrskreise, sei es Staatsanwalt, Richter, Rechtsanwalt und auch Rechtspflegern ist ohne Weiteres klar, dass bei einer Verwerfung einer Berufung als kostenfällig die Kosten der Staatskasse zugewiesen werden, einschließlich der Kosten auch der notwendigen Auslagen. Dies folgt auch aus der eindeutigen Regelung des § 467 Abs. 1 StPO. Jede andere Ansicht oder Auslegung wäre lebensfremd und würde die Rechte eines Freigesprochenen in nicht nachvollziehbarer und für die rechtstreue Bevölkerung unverständlicher Weise benachteiligen.

…..

3. Hinzu kommt im vorliegendem Fall, dass die 3. Strafkammer des Landgerichts Traunstein mit Beschluss vom 08.09.2017 den Tenor seines Urteils dahingehend berichtigt hat, dass die notwendigen Auslagen ebenfalls der Staatskasse zur Last fallen. Zwar ist umstritten, ob ein derartiger Berichtigungsbeschluss überhaupt zulässig ist, allerdings ist dieser Beschluss tatsächlich ergangen und wurde auch von keinem Beteiligten angefochten. Ergeht ein unzulässiger Nachtragsbeschluss und wird dieser rechtskräftig, so ist der Mangel geheilt (Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 464 Rn. 28 a. E.).

Die Beschwerdekammer sieht sich außer Stande, sich über diesen Beschluss hinwegzusetzen, da er existent ist und es sich hierbei nicht um einen willkürlichen oder nichtigen Beschluss handelt.

Die Vorsitzende der 3. Strafkammer hat der Beschwerde der Beschwerdeführerin abgeholfen, indem sie den ergänzenden Beschluss erlassen hat, § 311 Abs. 3 Satz 2 StPO. Dementsprechend wurde in einem Vermerk vom 30.11.2017 (BI. 177 d. A.) von der Vorsitzenden der 3. Strafkammer ausgeführt, dass mit der Berichtigung der Kostenentscheidung der Beschwerde gegen die Kostenentscheidung vom 23.08.2017 bereits faktisch abgeholfen worden sei, die Beschwerde gehe daher in Leere und auch eine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag der pp sei nicht mehr veranlasst.“

Jetzt lassen wir mal die Frage dahingestellt, ob eine nachträgliche Berichtigung der Kostenentscheidung möglich ist oder nicht; die Frage wird von der wohl hM. verneint. Aber: Eine Auslegung und Klarstellung wird man als zulässig ansehen können und die hat die Berufungskammer hier vorgenommen. Aber darauf kam es m.E. im Kostenfestsetzungsverfahren auch gar nicht mehr an. Denn entscheidend ist – und darauf weist das LG ja auch unter 3. hin -, dass die Berufungskammer ihre Kostenentscheidung „berichtigt“ hatte. Und daran waren das AG und auch der Bezirksrevisor, auch wenn es ihm sicherlich nicht gefallen hat – warum eigentlich? – gebunden. Denn selbst wenn die „Berichtigung“ nicht zulässig war: Der dann vorliegende Fehler führt sicherlich nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses und damit zu dessen Unbeachtlichkeit. Auch wenn es dem Bezirksrevisor nicht gefällt.

Auslieferung III: In die Türkei soll es gehen, oder: Nicht grundsätzlich unzulässig

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Author David Benbennick

Und zum Tagesschluss dann noch zwei Entscheidungen, die sich mit der Auslieferung an die Türkei befassen. Es handelt sich um den OLG Hamm, Beschl. v. 11.12.2017 – 2 Ausl. 147/17 – Auslieferung aus Deutschland in die Türkei zur Strafverfolgung – und um den KG, Beschl. v. 21.12.2017 – (4) 151 AuslA 77/16 (107/16) – Auslieferung an die Türkei zur Strafvollstreckung.

Beider Gerichte sagen: Die Auslieferung in die Türkei ist nicht grundsätzlich unzulässig.

Dazu aus dem Beschluss des OLG Hamm:

Der Senat ist – in Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht Köln (vgl. Beschluss vom 01.02.2017, Az. 6 Ausl A 70/16 – 58), dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (vgl. Beschluss vom 12.05.2017, Az. 2 Ausl A 76/15), dem Kammergericht Berlin (vgl. Beschluss vom 17.01.2017, Az. (4) 151 AuslA 11/16 (10/17)) und dem Oberlandesgericht München (vgl. Beschluss vom 16.08.2016, Az. 1 AR 252/16) – auch nicht der Auffassung, dass die Auslieferung eines Verfolgten aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung derzeit generell unzulässig ist (Beschlüsse des Senats vom 12.06.2017, Az. Az. III – 2 Ausl. 94/17, und vom 08.06.2017, Az. III – 2 Ausl. 133/16).

Die aktuellen politischen und sozialen Umstände und Entwicklungen in der Türkei seit der Verhängung des Ausnahmezustandes im Juli 2016 und deren Auswirkungen auf die Rechtsstaatlichkeit und die Haftbedingungen dort können zwar insbesondere im Hinblick auf die Haftbedingungen ein Auslieferungshindernis im Sinne des § 73 IRG begründen, ein diesbezügliches mögliches Auslieferungshindernis kann jedoch aus Sicht des Senats dadurch ausgeräumt werden, dass die türkischen Behörden eine völkerrechtlich verbindliche Zusicherung in Bezug auf das in Rede stehende Auslieferungshindernis abgeben. Im Auslieferungsverkehr zwischen Deutschland und anderen Staaten ist dem ersuchenden Staat im Hinblick auf die Einhaltung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und des Menschenrechtsschutzes grundsätzlich Vertrauen entgegenzubringen (BVerfG, Beschluss vom 09.03.2016, Az. 2 BvR 348/16; Beschluss vom 15.12.2015, Az. 2 BvR 2735/14; Beschluss vom 05.11.2003, Az. 2 BvR 1243/03), wobei die von einem ersuchenden Staat im Auslieferungsverkehr abgegebenen völkerrechtlich verbindlichen Zusicherungen aufgrund des gegenseitigen Vertrauens grundsätzlich auch geeignet sind, etwaige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung auszuräumen, sofern nicht im Einzelfall zu erwarten ist, dass die Zusicherung nicht eingehalten wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.03.2016, Az. 2 BvR 348/16; Beschluss vom 09.04.2015, Az. 2 BvR 221/15; Beschluss vom 01.12.2003, Az. 2 BvR 879/03; Beschluss vom 23.02.1983, Az. 1 BvR 1019/82).

Aufgrund des Schreibens des Bundesamtes für Justiz vom 24.02.2017 über die Auswirkungen des Ausnahmezustandes in der Türkei auf die Rechtsstaatlichkeit und die dortigen Haftbedingungen, wonach die von den türkischen Behörden abgegebenen Zusicherungen nach dem derzeitigen Kenntnisstand belastbar seien und bei Bedarf auch überprüft werden können, sieht der Senat derzeit auch weiterhin keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die von den türkischen Behörden im abgegebenen Zusicherungen auch tatsächlich beachtet und eingehalten werden sowie bei Bedarf auch überprüft werden können.

Im vorliegenden Fall stehen der Auslieferung des Verfolgten in die Türkei wegen der aktuellen politischen und sozialen Umstände und Entwicklungen in der Türkei seit der Verhängung des Ausnahmezustandes im Juli 2016 und deren Auswirkungen auf die Rechtsstaatlichkeit und die Haftbedingungen aber Auslieferungshindernisse im Sinne des § 73 IRG entgegen………..“

Und vom KG-Beschluss die Leitsätze:

  1. Die Auslieferung an die Türkei (jedenfalls) zum Zwecke der Strafvollstreckung der wegen einer Straftat der Allgemeinkriminalität verhängten Strafe ist in der Regel zulässig, wenn die Türkei völkerrechtlich verbindlich zusichert, dass der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung während der Strafhaft in einer Haftanstalt untergebracht wird, deren Bedingungen Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen – Empfehlung des Europarates REC(2006)2 – entsprechen, dass er keiner Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK unterworfen wird und dass der zuständigen deutschen Auslandsvertretung die Möglichkeit eingeräumt wird, den Verfolgten durch einen Mitarbeiter zu besuchen und sich vor Ort über die bestehenden Verhältnisse zu informieren.
  2. An seinen weitergehenden, erstmals im Beschluss vom 17. Januar 2017 – (4) 151 AuslA 11/16 (10/17) – (juris = StraFo 2017, 70 = NJ 2017, 114 = StV 2017, 249 [LS]) formulierten Anforderungen hält der Senat für diesen Fall nicht mehr fest.

Auslieferung II: Nach Great Britain soll es gehen, oder: Potentielle lebenslange Freiheitsstrafe steht nicht entgegen

entnommen wikimedia.org
Author: Ricardo Stuckert/PR – Agência Brasil

Bei der zweiten Entscheidung handelt es sich ebenfalls um einen KG-Beschluss, und zwar um den KG, Beschl. v. 21.12.2017 – (4) 151 AuslA 191/17 (221/17). Es geht um die Zulässigkeit einer Auslieferung an das Vereinigte Königreich, alos Great Britain, bei nach schottischem Recht angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe. Das KG hatte keine Bedenken:

„Hindernisse, die der Auslieferung des Verfolgten entgegenstehen, sind nicht ersichtlich.

Dies gilt insbesondere für den Umstand, dass die Tat nach schottischem Recht im Höchstmaß mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe geahndet werden kann. Zwar ist die Verhängung einer Strafe in dieser Höhe nach den Mitteilungen der britischen Behörden unwahrscheinlich. Bei der Prüfung eines Auslieferungshindernisses nach § 83 Abs. 1 Nr. 4 IRG ist jedoch auf die abstrakte Strafandrohung abzustellen (vgl. Senat NStZ-RR 2014, 290).

Nach den durch die Kronanwaltschaft mit Schreiben vom 14. Dezember 2017 übermittelten ergänzenden Informationen besteht nach schottischem Recht jedoch ein Gnadenverfahren, das demjenigen nach § 30 Crime (Sentences) Act 1997 entspricht, für das der Senat bereits in seinem Beschluss vom 8. April 2014 – (4) 151 AuslA 199/13 (300/13) – festgestellt hat, dass es den Anforderungen des § 83 Abs. 1 Nr. 4 IRG genügt. Auch nach schottischem Recht  – § 3 des Prisoners and Criminal Proceeding (Scotland) Act 1993 – können die zuständigen Schottischen Minister Strafgefangene jederzeit nach Konsultation einer Bewährungskommission „aus Gründen der Barmherzigkeit“ (compassionate grounds) aus der Haft entlassen. Bei dieser Entscheidung, auf die der Strafgefangene antragen kann und die sowohl hinsichtlich des Votums der Bewährungskommission als auch hinsichtlich der ministeriellen Gnadenentscheidung gerichtlich überprüfbar ist, sind sowohl die Situation des Gefangenen und seiner Familie als auch die Entwicklung des Gefangenen im Vollzug, seine Vorstrafen und seine Zukunftsplanungen zu berücksichtigen. Auch Schottland verfügt damit über ein Gnadenverfahren, das auch schon vor Ablauf von 20 Jahren die Aussetzung der Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ermöglicht und dem Verfolgten einen Anspruch auf eine sachliche Kriterien berücksichtigende Entscheidung über sein Gnadengesuch einräumt (vgl. BGHSt 57, 258, 266).

Auslieferung I: Nach Litauen soll es gehen, oder: Die Haftbedingungen stehen nicht entgegen

entnommen wikimedia.orgBy Central Intellegence Agency – The World Factbook: Lithuania,

Heute dann mal ein Tag mit Auslieferungsentscheidungen. Die Thematik kommt hier immer ein wenig kurz. Jetzt ist es aber mal wieder so weit.

Im schon etwas älteren KG, Beschl. v. 22.08.2017 –  (4) 151 AuslA 78/17 (95/17) – geht es um eine Auslieferung nach Litauen. Das KG sagt: Die Haftbedingungen in Litauen stehen einer Auslieferung nicht entgegen:

Auch aus den Haftbedingungen in der Republik Litauen erwächst kein Auslieferungshindernis. Die vom Senat im Anschluss an den Beschluss des OLG Saarbrücken vom 5. Oktober 2016 – OLG Ausl 9/16 (47/16) – und den Bericht des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) vom 4. Juni 2014 – CPT/Inf (2014) 18 – geäußerten Bedenken hält er im Hinblick auf die im hiesigen Verfahren abgegebenen Erklärungen des Justizministeriums der Republik Litauen nicht mehr aufrecht. Die in seinem Beschluss vom 3. Juli 2017 erforderten konkreteren Beschreibungen der Haftbedingungen, die bisher nicht vorliegen, erachtet der Senat nicht mehr für erforderlich.

Insoweit war zu beachten, dass der RbEuHb darauf gerichtet ist, durch die Einführung eines neuen vereinfachten und wirksameren Systems der Übergabe von Personen, die wegen einer Straftat verurteilt wurden oder einer Straftat verdächtigt werden, die justizielle Zusammenarbeit zu erleichtern und zu beschleunigen, um zur Verwirklichung des der Union gesteckten Ziels beizutragen, zu einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu werden, und dass er ein hohes Maß an Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten voraussetzt. Denn der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, auf den sich das System des Europäischen Haftbefehls stützt, beruht seinerseits auf dem gegenseitigen Vertrauen der Mitgliedstaaten darauf, dass ihre jeweiligen nationalen Rechtsordnungen in der Lage sind, einen gleichwertigen und wirksamen Schutz der auf Unionsebene und insbesondere in der Charta anerkannten Grundrechte zu bieten.

Sowohl der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten als auch der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung haben im Unionsrecht fundamentale Bedeutung, da sie die Schaffung und Aufrechterhaltung eines Raums ohne Binnengrenzen ermöglichen. Konkret verlangt der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, namentlich in Bezug auf den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, von jedem Mitgliedstaat, dass er, abgesehen von außergewöhnlichen Umständen, davon ausgeht, dass alle anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten (vgl. zum vorstehenden insgesamt EuGH NJW 2016, 1709, 1711 mwN).

Angesichts der vom Justizministerium der Republik Litauen geschilderten Weiterentwicklung des litauischen Justizvollzugs seit dem dem Bericht des CPT vom 4. Juni 2014 zugrundeliegenden Besuch im November/Dezember 2012 sowie der einer Gesamtschau der übermittelten Schreiben zu entnehmenden ausdrücklichen Versicherung des Justizministeriums, dass die Haftbedingungen in litauischen Gefängnissen internationalen Standards entsprechen und Art. 3 EMRK nicht verletzen, sieht der Senat unter Berücksichtigung des der Republik Litauen entgegenzubringenden hohen Vertrauens keinen weiteren Ausklärungsbedarf mehr. Der mit seiner vereinfachten Auslieferung einverstandene Verfolgte hat Bedenken in Bezug auf die Haftbedingungen in Litauen nicht geäußert. Die Angaben des Justizministeriums der Republik Litauen finden zudem Bestätigung von dritter Seite (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25. April 2017 – III – 2 Ausl. 45/17 – unter Hinweis auf den Länderreport 2016 des US Department of State zur Menschenrechtslage in Litauen).