Schlagwort-Archive: Zeugnisverweigerungsrecht

Beweisverwertungsverbot I: Der Notruf ist eine Spontanäußerung

Für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots im Hinblick auf zunächst getätigte Äußerungen von Zeugen, die später dann das Zeugnis verweigern, ist im Hinblick auf die Frage der Anwendbarkeit des § 252 StPO immer die Frage von Bedeutung: Vernehmung mit der Folge, dass belehrt werden muss, Ja oder Nein. Und das war auch das Problem im OLG Hamm, Beschl. v. 24.05.2011 – III-2 RVs 20/11. Im Verfahren ging es um gefährliche Körperverletzung, die dem Angeklagten zum Nachteil seiner Ehefrau zur Last gelegt wurde. Nach den Feststellungen der Berufungskammer hatte der Angeklagte am 18. 02. 2009 in den frühen Morgenstunden seine damals 24-jährige, sehr kleine und zierliche Ehefrau A. im Verlauf eines Streits in der ehelichen Wohnung zunächst mehrfach wissentlich und gewollt ins Gesicht geschlagen, durch die es zu Schleimhauteinreißungen an der Innenseite der Oberlippe kam. Anschließend steigerte sich der Angeklagte in seinem aggressiven Verhalten gegenüber seiner Ehefrau derart, dass er seinen schwarzen Ledergürtel zur Hand nahm, diesen um den Hals der Geschädigten legte und diese damit bis zur Bewusstlosigkeit drosselte, wobei der Angeklagten den Eintritt der Bewusstlosigkeit billigend in Kauf nahm. Bei seinen Feststellungen hat sich das LG insbesondere auf den Inhalt des in der Berufungshauptverhandlung abgehörten Notrufs, den die Zeugin A. am Tattag gegen 09:00 Uhr durch ihren Anruf bei der Notrufstelle der Polizei getätigt hatte, sowie auf die durch die Vernehmung der Zeugin Polizeikommissarin F. eingeführten Angaben der Geschädigten dieser gegenüber bei dem Eintreffen der unmittelbar nach dem Notruf entsandten Polizeistreife am Tatort gestützt. Die Zeugin A. selbst hatte in der erst- und zweitinstanzlichen Hauptverhandlung das Zeugnis nach § 52 StPO verweigert. Dagegen war die Verfahrensrüge – Verletzung des § 252 StPO – erhoben worden.

Das OLG äußert sich u.a. zum Notruf:

„...Die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechtes durch die Zeugin A. führt nicht zur Unverwertbarkeit ihrer Angaben, die sie im Rahmen ihres polizeilichen Notrufs gemacht hat und bei denen von mehrfachen Schlägen des Angeklagten in das Gesicht der Zeugin die Rede war. Nach ständiger höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung handelt es sich bei einem Notruf um keine Vernehmung im Sinne von § 252 StPO, sondern um eine spontane Bekundung aus freien Stücken und ein Verlangen nach behördlichem Einschreiten (BGH NJW 1998, 2229; StV 1988, 46, 47; NStZ 1986, 232; OLG München StRR 2009, 388; OLG Hamm, StV 2002, 592, 593). Auch vorliegend handelte es sich bei dem im angefochtenen Urteil wörtlich mitgeteilten Gespräch anlässlich des abgesetzten Notrufs um keine Vernehmung im Sinne von § 252 StPO. Dem den Notruf entgegen nehmenden Polizeibeamten kam es, wie Inhalt und Verlauf des Gesprächs deutlich machen, bei seinen kurzen Fragen an die Zeugin ausschließlich darauf an, abzuklären, ob ein Notfall vorlag, eine behördliche Hilfeleistung erforderlich war und wo sich Opfer und mutmaßlicher Täter zum Zeitpunkt des Anrufs aufhielten. Einzelheiten zum Tatgeschehen wurden gerade nicht abgefragt.“

 

Drum prüfe, wer sich ewig bindet – aber 25 Jahre lang…?

Ein zivilrechtlicher Fall, aber: Die Ausführungen in OLG Stuttgart, Beschl. v. 09.02.2011 – 3 W 73/10, auf den ich erst jetzt gestoßen bin, können auch im Strafverfahren von Bedeutung sein. Nämlich die Frage: Was ist davon zu halten, wenn sich eine Zeuge auf ein 25 Jahre zurück liegendes Eheversprechen – ein Verlöbnis – beruft? Zeugnisverweigerungsrecht – ja oder nein? Man kann wegen des langen Zeitraum sicherlich daran zweifeln, ob damals ernsthaft die Ehe versprochen worden ist und ob noch die Absicht der Eheschließung besteht. Aber, wenn es glaubhaft gemacht wird, geht an dem Verlöbnis wohl kein Weg vorbei. So das OLG Stuttgart:

Von diesen Grundsätzen ausgehend tritt der Senat der Ansicht des Erstgerichts bei, dass die Zeugin M. zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt ist. Die mit G.M. geschlossene Ehe wurde durch Urteil vom 06.12.1978, rechtskräftig seit 06.02.1979, geschieden (Anlage B 5). Die Zeugin hat inzwischen das Bestehen eines Verlöbnisses mit dem Beklagten in Kenntnis der Strafbarkeit einer falschen Versicherung an Eides statt gemäß § 156 StGB eidesstattlich versichert (Bl. 293/295 d.A.). Danach besteht nach wie vor die feste Absicht, mit dem Beklagten die Ehe zu schließen. Eine ausreichende Glaubhaftmachung im Sinne von §§ 386 Abs. 1, 294 ZPO liegt somit vor. Bei dieser Sachlage spricht vieles dafür, dass es sich bei den im Termin vom 15.07.2010 gemachten Angaben über ein bestehendes Verlöbnis nicht lediglich um eine vorgeschobene Behauptung mit dem Ziel handelte, von einem Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen zu können (OLG Köln, StraFo 2002, 131). Die Glaubhaftmachung unterscheidet den hier zu beurteilenden Sachverhalt auch von demjenigen, der der zitierten Entscheidung des AG Göttingen zugrundegelegen hat, weshalb der darin aufgestellte Leitsatz zur Beweiswürdigung nicht ohne weiteres auf den Streitfall übertragen werden kann.“

Aber nachfragen wird man ja mal dürfen 🙂 :-).

Bundesrat lehnt BKA-Gesetz ab

Das umstrittene Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt („BKA-Gesetz“) ist am 28.11.2008 im Bundesrat gescheitert. Mehrere Bundesländer mit Regierungsbeteiligung von SPD, FDP und Grünen hatten sich wie erwartet in der Bundesratsabstimmung über das BKA-Gesetz enthalten. Damit hat die Länderkammer das Projekt von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorerst zu Fall gebracht. Auch für die Anrufung des Vermittlungsausschusses zwischen Bundestag und -rat fand sich keine Mehrheit. Nur die Bundesregierung oder der Bundestag haben jetzt noch die Möglichkeit doch noch ein Vermittlungsverfahren einzuleiten, um einen Kompromiss zu erzielen. Mit dem Gesetz sollte das Bundeskriminalamt (BKA) zur Terrorbekämpfung neue Kompetenzen erhalten und erstmals auch vorbeugend ermitteln dürfen. Hauptstreitpunkte waren die im Eilfall auch ohne richterliche Anordnung vorgesehenen Online-Durchsuchungen von Computern und das eingeschränkte Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten, Rechtsanwälten und Ärzten.