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Wiedereinsetzung – nicht nach bereits erfolgter Begründung

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An einer Stelle im Revisionsrecht ist es immer nicht einfach, einen Rat zu geben: Nämlich bei der Frage: Soll man die Revision- was viele Verteidiger tun – sofort bei Einlegung mit der (allgemeinen) Sachrüge begründen? Ich neige dazu, die Frage zu bejahen, weil damit die Revision ausreichend i.S. der §§ 344, 345 StPO begründet ist und man die Begründung dann nicht mehr vergessen/übersehen kann. Allerdings eins darf man nicht übersehen und muss es beachten: Wenn man so vorgeht, gibt es i.d.R. keine Wiedereinsetzung mehr, um ggf. noch Verfahrensrügen nachzuholen bzw. das wird ganz schwer. An der Stelle muss man also abwägen und überlegen, was man will. Das ergibt sich auch aus dem BGH, Beschl. v. 23.08.2012 – 1 StR 346/12:

 1. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist bereits deshalb unzulässig, weil die Revision des Angeklagten infolge der rechtzeitig erhobenen Sachrüge frist- und formgerecht begründet worden ist (vgl. BGHSt 1, 44; BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 3, 7; BGH, Beschluss vom 15. März 2001 – 3 StR 57/01). In solchen Fällen kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung von Verfahrensrügen nur ausnahmsweise bei besonderen Verfahrens-lagen in Betracht, in denen dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (vgl. BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 8; Beschluss vom 25. September 2007 – 1 StR 432/07). Eine solche Ausnahmesituation liegt nicht vor. Insbesondere genügt es hierfür nicht, dass sich für den Angeklagten nunmehr ein bislang am Verfahren nicht beteiligter Rechtsanwalt als Verteidiger gemeldet hat. Denn bei der Revision des Angeklagten handelt es sich unabhängig von der Anzahl der Verteidiger um ein einheitliches Rechtsmittel mit einer einheitlichen Begründungsfrist (§ 37 Abs. 2 StPO; vgl. BGHR StPO § 345 Abs. 1 Fristbeginn 4).

Wo nichts versäumt ist, braucht man auch keine Wiedereinsetzung

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Wenn keine Frist versäumt ist,  ist ein Wiedereinsetzungsantrag (§§ 44 ff. StPO) auch nicht erforderlich. Ein dennoch gestellter Antrag ist unzulässig. Das wird häufig übersehen. Und: Übersehen wird auch nicht selten, dass bei einer Zustellung an mehrere Zustellungsempfänger, sich die einzuhaltende Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung richtet. Steht in § 37 Abs. 2 StPO und im BGH, Beschl. v. 28.08.2012 – 3 StR 353/12:

1. Zu dem Wiedereinsetzungsantrag hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:
„Die Revisionsbegründungsschrift ist rechtzeitig eingegangen, mangels Fristversäumnis ist der Wiedereinsetzungsantrag nach ständiger Rechtsprechung unzulässig (vgl. Meyer-Goßner StPO 55. Aufl. § 44 Rdnr. 2 m. w. N.).
Die vom Vorsitzenden der Strafkammer angeordnete Urteilszustellung an den Angeklagten (Bl. 646 Bd. III d. A.) erfolgte am 20. Juni 2012 (Bl. 655 Bd. III d. A.). Wird eine Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte bewirkt, richtet sich die Berechnung der Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung (§ 37 Abs. 2 StPO). Der Eingang der Revisionsbegründung am 19. Juli 2012 (Bl. 665 Bd. III d. A.) lag somit innerhalb der Monatsfrist des § 345 Abs. 1 StPO.“
Dem schließt sich der Senat an.

So klappt das nicht mit der Wiedereinsetzung…

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Tja, da muss man wohl wirklich am Vortrag des Angeklagten, mit dem er ein Wiedereinsetzungsgesuch begründet hat, zweifeln. Zumindest ist sein Vortrag nicht glaubhaft gemacht, so dass der BGH den Antrag als unzulässig zurückgewiesen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 22.08.2012 -4 StR 299/12). Da konnte auch die neue Verteidigerin nichts mehr retten:.

„…
1. Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig. Der Angeklagte hat zwar behauptet, bereits am 7. Juni 2012, also einen Tag vor Fristablauf, den Brief vom 6. Juni 2012 in der Justizvollzugsanstalt in einem Begleitumschlag für ab-gehende Briefe zur Post gegeben zu haben. Er hat aber diese zur Begründung seines Antrags maßgebliche Tatsache entgegen § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr ist seine Behauptung durch die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vom 26. Juni 2012 widerlegt, wonach sich die Justizbeamtin K. am 7. Juni 2012 nicht im Dienst befand und am Feiertag von Gefangenen keine Briefpost entgegengenommen wird. Dies steht in Einklang mit der vom Gefangenen selbst auszufüllenden Datumsangabe „8/6/12“ auf dem Begleitumschlag für abgehende Briefe. Durch die Abgabe des Briefes erst am Tage des Fristablaufs hat der Angeklagte die Frist schuldhaft versäumt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Mai 1997 – 1 StR 142/97, BGHR StPO § 44 Verschulden 4). Ebenso wenig hat der Angeklagte die Absendung eines Briefes mit einem Auftrag zur Revisionseinlegung an seinen Verteidiger am 4. Juni 2012 glaubhaft gemacht (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 45 Rn. 9 mwN).

Soweit die neue Pflichtverteidigerin, Rechtsanwältin M. -H. , ein Verschulden der früheren Verteidiger darin sieht, dass sie den Angeklagten erst am 22. Juni 2012 in der Justizvollzugsanstalt besucht haben, ist der Vortrag verspätet (vgl. Meyer-Goßner aaO Rn. 5). Im Übrigen würde dadurch das eigene Verschulden des Angeklagten, seine Verteidiger nicht rechtzeitig mit der Revisionseinlegung beauftragt zu haben, nicht beseitigt (vgl. Meyer-Goßner aaO § 44 Rn. 12b).“

Unkenntnis des Verteidigers ist keine Verhinderung

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Wiedereinsetzung ist manchmal gar nicht so einfach. Jedenfalls stimmt auf den ersten Blick nicht immer der Satz, dass in Strafverfahren Wiedereinsetzung manchmal schneller zu gewähren ist als in anderen Verfahren, schon weil dem Angeklagten ein Verschulden seines Verteidigers nicht zugerechnet wird. Das zeigt mal wieder der BGH, Beschl. v. 31.07.2012 – 4 StR 238/12. In dem Verfahren hatte die Verteidigerin wohl nicht so ganz viel Ahnung von der Rechtsprechung des BGH, wie man den Ausführungen des BGH zum Wiedereinsetzungsantrag entnehmen kann:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist jedenfalls unbegründet.
a) Allerdings hat der Angeklagte innerhalb der Frist des § 341 Abs. 1 StPO keine zulässige Revision eingelegt. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist wirksam, führt aber zu dessen Unzulässigkeit (Senatsbeschlüsse vom 13. Juni 1991 – 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4, 5, 7; vom 2. Dezember 2010 – 4 StR 459/10, NStZ-RR 2011, 255), und die Erweiterung einer beschränkt eingelegten Revision ist nur bis zum Ablauf der Revisionseinlegungsfrist wirk-sam möglich (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1992 – 5 StR 517/92, BGHSt 38, 366).
b) Der Angeklagte hatte sich jedoch zunächst – das zeigt auch die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags, mit der er zum Ausdruck bringt, sich letztlich nach wie vor allein gegen die Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB zu wenden – bewusst dafür entschieden, den Urteilsspruch im Übrigenvon seinem Revisionsangriff auszunehmen; wer aber von einem befristeten Rechtsbehelf bewusst keinen Gebrauch macht, ist nicht im Sinne des § 44 Satz 1 StPO „verhindert, eine Frist einzuhalten“ (BGH, Beschluss vom 19. Juni 2012 – 3 StR 194/12 m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn die Verteidigerin we-gen Unkenntnis von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Zulässigkeit und damit die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels falsch ein-geschätzt hat; in einer solchen Unkenntnis liegt keine Verhinderung im Sinne des § 44 Satz 1 StPO (BGH, Beschlüsse vom 1. April 2010 – 4 StR 637/09, NStZ-RR 2010, 244; vom 20. September 2005 – 5 StR 354/05, wistra 2006, 28; vom 31. August 2005 – 2 StR 308/05, wistra 2005, 468; vom 10. August 2000 – 4 StR 304/00, NStZ 2001, 160).

Wie heißt es doch macnhmal noch: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht :-). Jedenfalls hier stimmt der Satz – im übertragenen Sinn.

Verteidiger aufgepasst: Wiedereinsetzungsantrag rettet keine unzulässige Verfahrensrüge

Ich habe auch während meiner Tätigkeit beim OLG Hamm immer wieder Folgendes erlebt:

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Es wird Revision eingelegt und die wird mit der Verfahrensrüge begründet. Durch die Stellungnahme des GStA erfährt der Verteidiger, dass seine Verfahrensrüge nicht ausreichend i.S. des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO begründet ist. Er stellt einen Antrag  auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Heilung der Mängel von nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Verfahrensrüge.

Aber: Das geht nicht. Dazu jetzt auch noch einmal der BGH, Beschl. v. 10.07.2012 – 1 StR 301/12. Danach dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung nicht der Heilung von Zulässigkeitsmängeln von fristgemäß erhobenen Verfahrensrügen. Es bleibt bei der Unzulässigkeit. Die lässt sich i.d.R. nicht reparieren. Dazu der BGH:

1. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist unzulässig.

a) Das Gesetz räumt die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vori-en Stand nur für den Fall ein, dass eine Frist versäumt worden ist (§ 44 Satz 1 StPO). Eine Fristversäumung liegt hier nicht vor, weil die Revision des Ange-klagten von seinem Verteidiger mit der Sachrüge und mit Verfahrensrügen innerhalb der Frist des § 345 StPO begründet worden ist (st. Rspr.; vgl. BGHSt 1, 44; BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 1, 3, 7).

b) Die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs ergibt sich auch nicht daraus, dass geltend gemacht wird, den Angeklagten treffe an den Mängeln kein Verschulden, er sei sich des Formerfordernisses des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht einmal bewusst gewesen.

Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung dient nicht der Heilung von Zulässigkeitsmängeln von fristgemäß erhobenen Verfahrensrügen. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Wiederholung einer zunächst vom Verteidiger nicht formgerecht vorgetragenen und daher unzulässigen Verfahrensrüge widerspräche im Übrigen der Systematik des Revisionsverfahrens. Könnte ein Angeklagter, dem durch die Antragsschrift des Generalbundesanwalts ein formaler Mangel in der Begründung einer Verfahrensrüge aufgezeigt worden ist, diese unter Hinweis auf ein Verschulden seines Verteidigers nachbessern, würde im Ergebnis die Formvorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO außer Kraft gesetzt. Da den Angeklagten selbst an dem Mangel regelmäßig keine Schuld trifft, wäre ihm auf einen entsprechenden Antrag hin stets Wiedereinsetzung zu gewähren (vgl. BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 1; BGH wistra 1992, 28). Dies würde nicht mit dem öffentlichen Interesse in Einklang stehen, einen geordneten Fortgang des Verfahrens zu sichern und ohne Verzögerung alsbald eine klare Verfahrenslage zu schaffen (BGHSt 1, 44, 46; BGH, Beschluss vom 27. März 2008 – 3 StR 6/08).

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einer Verfahrensrüge kommt daher nur in besonderen Prozesssituationen ausnahmsweise in Betracht, wenn dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (vgl.  BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 8; BGH, Beschluss vom 15. März 2001 – 3 StR 57/01; Beschluss vom 25. September 2007 – 1 StR 432/07; BGH, Be-schluss vom 27. März 2008 – 3 StR 6/08; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 44 Rn. 7 ff.). Eine solche Ausnahmesituation liegt im vorliegenden Fall ersichtlich nicht vor.