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Urteilsunterschift: „BE ist in Urlaub“, reicht, oder: Da kommt man kaum ran….

© Gina Sanders Fotolia.com

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Streit gibt es in der Praxis häufig um den sog. Verhinderungsvermerk des Vorsitzenden, wenn einer/der Beisitzer das schriftich begründete Urteil „wegen Verhinderung“ nicht selbst innerhlab des sich aus § 275 StPO ergebenden Frist hat unterzeichnen können. Dann geht es (immer) darum, ob eigentlich ein ausreichender Grund für die Verhinderung vorlag/festgestellt worden ist. Damit befasst sich der BGH, Beschl. v. 11.05.2016 – 1 StR 352/15. Der Beisitzer war in Urlaub und deshlab – so die Auffassung des Vorsitzenden – an der Unterschriftleistung gehindert. Die Revision hatte die Annahme des Vorsitzenden beanstandet. Ohne Erfolg, denn:

(1) Nach in der Sache übereinstimmender Rechtsprechung des Bunde-gerichtshofs steht dem Vorsitzenden ein Spielraum hinsichtlich der Annahme der Verhinderung eines Beisitzers aus tatsächlichen Gründen zu (vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 1983 – 1 StR 757/82, BGHSt 31, 212, 215; vom 23. Ok-tober 1992 – 5 StR 364/92, NStZ 1993, 96; BGH, Beschluss vom 14. Septem-ber 2011 – 5 StR 331/11, BGHR StPO § 275 Abs. 2 Satz 2 Verhinderung 8 sowie Beschluss vom 27. Oktober 2010 – 2 StR 331/10, NStZ 2011, 358 f.). Teils wird dieser Spielraum als Ausübung pflichtgemäßen Ermessens verstanden (BGH, Urteile vom 18. Januar 1983 – 1 StR 757/82, BGHSt 31, 212, 215; vom 23. Oktober 1992 – 5 StR 364/92, NStZ 1993, 96), teils als Beurteilungsspielraum gedeutet (BGH, Beschlüsse vom 14. September 2011 – 5 StR 331/11, BGHR StPO § 275 Abs. 2 Satz 2 Verhinderung 8 und vom 27. Oktober 2010 – 2 StR 331/10, NStZ 2011, 358 f.). Ungeachtet der Unterschiede in den Formulierungen besteht in der Sache Einigkeit darüber, dass der im Verhinderungsvermerk genannte Grund generell geeignet sein muss, den Richter von der im Gesetz als Grundsatz vorgesehenen Unterschriftsleistung (§ 275 Abs. 2 Satz 1 StPO) abzuhalten (BGH, Urteile vom 18. Januar 1983 – 1 StR 757/82, BGHSt 31, 212, 215 und vom 23. Oktober 1992 – 5 StR 364/92, NStZ 1993, 96). Durch Urlaub eines Richters bedingte Abwesenheit stellt einen solchen Grund dar (siehe nur BGH, Beschluss vom 14. September 2011 – 5 StR 331/11, BGHR StPO § 275 Abs. 2 Satz 2 Verhinderung 8; Greger in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl., § 275 Rn. 33 mwN; Frister in Systematischer Kommentar zur StPO, 4. Aufl., Band V, § 275 Rn. 35). Ob im konkreten Fall ein generell geeigneter Grund zur Verhinderung eines an der Urteilsfindung beteiligten Richters führt, obliegt der Beurteilung des Vorsitzenden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1983 – 1 StR 757/82, BGHSt 31, 212, 215).

Wurde – wie vorliegend – eine Verhinderung fristgerecht beurkundet und auf einen diese grundsätzlich tragenden Grund gestützt, kann das Revisionsgericht die Entscheidung des Vorsitzenden lediglich daraufhin überprüfen, ob dabei der eingeräumte Spielraum in rechtsfehlerhafter Weise überschritten ist oder die Annahme der Verhinderung auf sachfremden Erwägungen beruht und sie sich deshalb als willkürlich erweist (BGH, aaO BGHSt 31, 212, 214; BGH, Urteil vom 23. Oktober 1992 – 5 StR 364/92, NStZ 1993, 96; BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 – 3 StR 56/11 Rn. 13; Greger in Karlsruher Kommentar zur StPO, aaO, § 275 Rn. 70; Frister in Systematischer Kommentar zur StPO, aaO, § 275 Rn. 47 i.V.m. Rn. 33). Diese Voraussetzungen sind auf der Grundlage der von den Revisionen vorgetragenen tatsächlichen Umstände nicht gegeben.

(2) Soweit die von Rechtsanwältin Be. begründete Revision des Angeklagten B. geltend macht, bereits bei einer anderen Gestaltung der Hauptverhandlungstermine hätte die Vorsitzende eine Unterschriftsleistung durch den urlaubsabwesenden Richter ermöglichen können, zeigt sie damit sachfremde Erwägungen oder eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums nicht auf. Die Vorsitzende war auch nicht gehalten, mit der Anbringung eines Verhinderungsvermerks bis zum Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist zu warten, um gegebenenfalls dem zu diesem Zeitpunkt urlaubsabwesenden Beisitzer noch eine Unterschriftsleistung zu ermöglichen. Es handelt sich um eine Höchstfrist, deren Zweck darin besteht, der „Erfahrung nachlassender Erinne-rung“ zu begegnen und eine möglichst frische Erinnerung an die Ergebnisse der Hauptverhandlung und der Beratung zu sichern (BGH, Beschluss vom 21. April 2015 – 1 StR 555/14 Rn. 12 mwN). Dies darf in die Entscheidung, einen Ver-hinderungsvermerk vor Ausschöpfung der Absetzungsfrist anzubringen, einbezogen werden.“

Also: Weites Ermessen/weiter Beurteilungsspielraum des Vorsitzenden, an den/das man mit der Revision nur schwer „ran kommt“.

Rettung naht manchmal an unerwarteter Stelle. Wer hätte das gedacht?

hawk88_Calendar_1Manchmal kann es sich lohnen, in einer ggf. verfahrenen Situation Rettung etwas abseits von den ausgetretenen Pfaden zu suchen. Man muss nur wissen, wo man suchen muss/soll. Einen Hinweis gibt da m.E. der BGH, Beschl. v. 06.03.2014 – 4 StR 553/13 – zum Erfordernis der Anordnung der Zustellung durch den Vorsitzenden (§ 36 StPO). Da hatte das LG die Revision eines Nebenklägers als unzulässig, weil verspätet, verworfen. Dagegen dann der Antrag nach § 346 Abs. 2 StPO und der Wiedereinsetzungsantrag. Und: Der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts hatte Erfolg. Denn die Revision war nicht verspätet – so der BGH, da das Urteil dem Nebenkläger nämlich nicht wirksam zugestellt war. Der BGH weist darauf hin, dass die Anordnung der Zustellung durch den Vorsitzenden an eine besondere Form nicht gebunden ist, sie also sowohl schriftlich als auch mündlich getroffen werden kann. In Anbetracht ihrer Bedeutung für die Wirksamkeit der Zustellung müsse sie aber im Zeitpunkt der Zustellung aktenkundig, im Falle einer mündlichen Anweisung in einem Vermerk der Geschäftsstelle festgehalten sein. Und das war nicht der Fall.

Die Literatur und Rechtsprechungszitate in der Entscheidung zeigen, dass der BGH mit seinem Beschluss kein Neuland betreten hat, sondern sich auf den Pfaden der h.M. bewegt. Die Entscheidung zeigt aber sehr schön auf, auf welche „Nebenkriegsschauplätze“ man als Verteidiger manchmal achten muss/sollte, wenn es um Fristversäumnisse geht. Dann ist zwar „das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen“, aber Rettung kann dann an einer Stelle auftauchen, an der man mit ihr gar nicht rechnet. Nämlich bei allgemeinen formellen Fragen wie eben der Zustellungsanordnung. Deshalb sollte man in solchen Fällen als Verteidiger bzw. wie hier als Nebenklägervertreter immer noch einmal Akteneinsicht nehmen, um solche Dinge zu prüfen und auf Sie dann hinweisen zu können. Die Rettung ist dann häufig um vieles einfacher als der Weg über den Wiedereinsetzungsantrag. Den sollte man allerdings vorsorglich immer auch stellen. Das schadet nicht. Hat der Antrag nach § 346 Abs. 2 StPO Erfolg, ist der nämlich gegenstandslos.

Was lange währt, wird endlich gut – Fischer wird Vorsitzender beim BGH

© Blackosaka - Fotolia.com

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Wir haben ja schon einige Mal über den Konkurrentenstreit am BGH berichtet (s. unten) und die damit zusammenhängende Frage: Wird RiBGH Fischer Vorsitzender Richter am BGH?

Nun, die „Frankfurter Rundschau“ meldet, dass er es wohl wird. Die Bundesjustizministerin hat ihn (endlich) vorgeschlagen. Damit hat der Streit (auch um die Besetzung) der Senate ein Ende (vgl. auch hier bei: Streit am BGH beendet). Ob es den Präsidenten des BGH freuen wird, ist für mich eine andere Frage. Denn „sein Mann“ war Fischer ja nun nicht (mehr).