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Die Staatsanwältin, die nicht aussagen soll/darf

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Beim LG Düsseldorf läuft seit einiger Zeit ein Strafverfahren u.a. wegen des Vorwurfs der schweren räuberischen Erpressung. Ich hatte über das Verfahren auch schon berichtet, allerdings betreffend einen gebühren-/kostenrechtlichen Aspekt, nämlich über die Frage, der Erstattung des Ausdrucks aus digital zur Verfügung gestellten Akten durch die Staatskasse. Der ein oder andere wird sich an die OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.09.2014 -III – 1 Ws 236/14Beschl. v. 22.09.2014 1 Ws 246+272/14; Beschl. v. 22.09.2014 – 1 Ws 247+283/14 und Beschl. v. 1 Ws 261/14; III – 1 Ws 307+312/14 und das Posting Mit der Sackkarre ins OLG, oder: Wie schaffe ich sonst 85.000 Blatt Kopien zum Senat? vielleicht noch erinnern. Nun, das LG-Verfahren hat inzwischen dann auch das VG Düsseldorf beschäftigt – es zieht also weiter Kreise.

Hintergrund des Verfahrens ist ein Beweisantrag der Verteidigung, mit dem die Vernehmung der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft als Zeugin beantragt worden ist. Dafür braucht diese eine Aussagegenehmigung (§ 54 StPO), die vom LOSTA verweigert worden ist. Dagegen dann der Gang der Verteidigung zum VG Düsseldorf, das nun im VG Düsseldorf, Beschl. v. 29.06.2015 – 13 L 1133/15 – eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO erlassen hat. Danach wird der LOStA verpflichtet, eine Aussagegenehmigung für die Zeugenaussage in dem bei dem Landgericht Düsseldorf anhängigen Strafverfahren zu erteilen. Von den Gründen, mit denen der LOStA die Verweigerung der Genehmigung begründet hatte, hält das VG nicht so ganz viel. Dazu:

„Gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG darf die Genehmigung, als Zeugin oder Zeuge auszusagen, nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes erhebliche Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist die Aussagegenehmigung zu erteilen; ein Ermessen steht dem Dienstvorgesetzten nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht zu. Erforderlich ist lediglich, dass der Dienstvorgesetzte durch Konkretisierung des von der Aussagegenehmigung erfassten Sachverhalts in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob der Erteilung Hinderungsgründe im Sinne des § 37 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG entgegenstehen……

Manches aus der sich aus dem VG, Beschluss ergebenden Begründung für die Genehmigungsverweigerung durch den LOStA mutet mir dann ein wenig abenteuerlich an. Und das VG wird damit auch fertig, denn

  1. dem LOStA müssen vor einer Entscheidung über die Erteilung der Aussagegenehmigung nicht auch die an die Zeugin zu richtenden Fragen bekannt gemacht werden, denn das steht u.a. nicht mit Nr. 66 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) in Einklang,
  2. die zeugenschaftliche Vernehmung der Staatsanwältin gefährdet nicht ernsthaft die Erfüllung öffentlicher Aufgaben: “ Die Versagungsgründe in § 37 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG zeigen auf, dass eine Genehmigung zur Aussage als Zeuge nicht an allgemeinen Unzuträglichkeiten scheitern darf. Eine Gefährdung oder Erschwerung der Erfüllung öffentlicher Aufgaben rechtfertigt für sich gesehen noch nicht die Versagung der Aussagegenehmigung. Die gesetzliche Regelung macht die Versagung davon abhängig, dass die Gründe ein besonderes Gewicht besitzen, indem sie auf die Ernstlichkeit und Erheblichkeit des jeweiligen Grundes verweist. Diese Schwelle wird hier nicht erreicht. Der Antragsgegner macht als Versagungsgrund im Sinne des § 37 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG lediglich geltend, dass im Fall einer zeugenschaftlichen Vernehmung der Staatsanwältin H diese die Aufgaben der Sitzungsvertretung in dem Strafverfahren nicht weiter wahrnehmen dürfe und dass die Tätigkeit angesichts von Art und Umfang des Verfahrens nicht ohne Weiteres einem anderen Staatsanwalt übertragen werden könne. Damit sind allenfalls Erschwernisse der Aufgabenwahrnehmung dargelegt, die für eine Versagung der Aussagegenehmigung nicht ausreichen. Selbst wenn Staatsanwältin H n nach ihrer Vernehmung als Zeugin tatsächlich gehindert wäre, weiterhin in dem Strafverfahren als Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft zu fungieren, was nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keineswegs eindeutig ist,vgl. etwa BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2007 – 1 StR 480/07 juris, wo die Rechtsansicht, ein als Zeuge in der Hauptverhandlung vernommener Staatsanwalt könne für den Rest der Hauptverhandlung an der Wahrnehmung der Aufgaben des Sitzungsvertreters gehindert sein, für zweifelhaft gehalten wird, wäre dadurch der Fortgang des Strafverfahrens nicht in Frage gestellt, weil die Aufgabe der Sitzungsvertretung noch durch einen weiteren Staatsanwalt, Herrn G , wahrgenommen wird, der ebenfalls in das Verfahren eingearbeitet ist und seine Tätigkeit als Sitzungsvertreter fortführen kann.“
  3. Der Einwand des LOStA, in die Überlegungen sei die Möglichkeit einzubeziehen, dass in der Folge seitens der Verteidigung auch auf ein Ausscheiden von Staatsanwalt G hingewirkt werde, sieht das VG als unerheblich an; im vorliegenden Fall gehe es um die Erteilung einer Aussagegenehmigung für die Staatsanwältin H, nicht für den Staatsanwalt G. Im Übrigen: es kann sich auch noch ein weiterer StA einarbeiten.
  4. Keine Prozesssabotage erkennbar.
  5. Über den Antrag ist auch unabhängig davon zu entscheiden, dass die Strafkammer über den Beweisantrag noch nicht entschieden hat. „Der Einwand des Antragsgegners, die Entscheidung über die Erteilung der Aussagegenehmigung müsse zurückstehen, weil sich sonst die Strafkammer der Möglichkeit einer eigenen Entscheidung über die Beweiserhebung von vornherein begeben und die Entscheidung der für die Aussagegenehmigung zuständigen Verwaltungsbehörde zuweisen würde (siehe Seite 50 unten des Schriftsatzes vom 6. Mai 2015 – Bl. 85 der Gerichtsakte), ist nicht nachvollziehbar. Mit der Aussagegenehmigung wird lediglich ein Hindernis für die Beweiserhebung beseitigt. Ob letztere stattfinden muss, wird durch die Aussagegenehmigung nicht präjudiziert; vielmehr ist die Strafkammer nicht gehindert, den Beweisantrag aus anderen Gründen gemäß §§ 244 Abs. 3, 245 Abs. 2 Satz 2 und 3 StPO abzulehnen.“

Ich fand besonders das letzte Argument „pikant“. Denn: Die Auffassung des LOStA, „das Strafgericht müsse vor der Erteilung der Aussagegenehmigung über die Beweiserhebung befinden, hätte zur Folge, dass die Vernehmung eines Beamten letztlich niemals möglich wäre, weil der Strafrichter den Beweisantrag wegen Fehlens der Aussagegenehmigung stets nur ablehnen könnte.

Wie gesagt: Nicht so ganz nachvollziehbar – die Begründung des LOStA. Ich bin gespannt, ob der nun die Verpflichtung hinnimmt oder ob er nach Münster zum OVG zieht.

Mit 95 noch am Steuer? – Wohl besser nicht….

© Ljupco Smokovski - Fotolia.com

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Es mehren sich m.E. die Entscheidungen, in denen sich die VG mit der Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis beim älteren Mensch/Senior befassen müssen (vgl. dazu u.a. der OVG Saarland, Beschl. v. 01.10.2014 – 1 A 289/14  und dazu: Senoirentag: Ich würde gerne eine Fahrprobe abliefern…. und der VG Stade, Beschl. v. 20.10.2014 – 1 B 1544/14 und dazu: Und nochmals “Seniorentag”: “Nicht spurtreu”, Schlagenlinien oder über die Straße irren?). Mit der Problematik der Entziehung der Fahrerlaubnis und Abgabe des Führerscheins wegen Kraftfahrungeeignetheit des Fahrzeugführers aufgrund des hohen Alters musste sich jetzt auch das VG Düsseldorf im VG Düsseldorf, Beschl. v. 04.03.2015 – 4 L 484/15. In dem Verfahren ging es um einen 95-jährigen, der nach einem Vorfall, bei dem er beim Rückwärts-Ausparken aus einer Parkbox den Vorwärtsgang seines Automatikgetriebes eingelegt hatte und dann mit seinem Fuß vom Bremspedal abgerutscht war, zu einer 30-minütigen Fahrprobe aufgefordert worden war, bei der dann aber gar nichts (mehr) klappte.Das führte dann zur Entziehung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG.

Selbst auf die Gefahr hin, dass ich mir hier den Unwillen mitlesender „Senioren“ zuziehe: Wenn das VG feststellt:

„In dem Gutachten wurden die einzelnen Fehlverhalten, wie z.B. ein dreimaliges Nichtbeachten der Regelung „Rechts vor Links“ und ein zweimaliges Nichtbeachten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit angegeben. Der Gutachter hat zudem die einzelnen Verkehrsverstöße detailliert beschrieben und u.a. ausgeführt, dass der Antragsteller bei einer Rechts-vor-links-Situation trotz fehlender Sicht auf den Querverkehr keine Reaktion gezeigt habe. Im Bereich eines Fußgängerüberweges sowie einer Baustelle sei er deutlich zu schnell gefahren. Bei dem Auffahren auf die Autobahn sei er zögerlich und unsicher gewesen. Der Gutachter führt unter der Rubrik „Orientierende Beobachtung“ aus, dass der Antragsteller Verkehrssituationen oder Verkehrsschilder nicht wahrnehme und dass sein Orientierungsverhalten eingeschränkt sei. Auch habe er sich bei einem Links-Abbiege-Vorgang so auf dem Fahrstreifen des Gegenverkehrs eingeordnet, dass der begleitende Fahrlehrer aufgrund des nahenden Gegenverkehrs habe eingreifen und das Fahrzeug wieder auf die rechte Fahrbahnseite habe lenken müssen. Zudem sei eine Beobachtung des rückwärtigen Verkehrs durch den linken Außenspiegel und den Innenspiegel nur ansatzweise zu erkennen gewesen.“

muss man m.E. dem VG Recht geben, wenn es dem 95-jährigen Kraftfahrzuegführer die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges abspricht.

Ich hoffe, dass ich in dem Alter so vernünftig bin, nicht mehr selbst zu fahren bzw. noch besser: Die Fahrerlaubnis vorher zurückgeben.

Lieber weitersuchen nach einem freien Parkplatz, sonst kann es teuer werden

entnommen wikimedia.org

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Scheint dann doch wohl häufiger vorzukommen, als man denkt: Das Parken auf einem mit Zeichen 314 nebst Zusatzzeichen mit Rollstuhlfahrersinnbild gekennzeichneten Parkplatz, also einem Parkplatz für Schwerbehinderte. Jedenfalls im Zuständigkeitsbereich des VG Düsseldorf. Denn nach dem VG Düsseldorf, Urt. v. 11.03.2014 – 14 K 7129/13 (vgl. dazu Auch ein “Feiertag” ist ein “Wochentag” – und ein “Spezialparkverbot” gilt) bin ich auf eine weitere VG Düsseldorf Entscheidung gestoßen, die sich mit dem zeichen 314 befasst. Nämlich das VG Düsseldorf, Urt. v. 16?.?06?.?2014? – 14 K ?8019?/?13?. In dem Verfahren aber keine Besonderheiten, die den Parkverstoß noch „nachvollziehbar“ machen könnten, wie etwa die Frage: Gilt das Spezialparkverbot überhaupt an dem Wochen)Tag, da es sich um einen Feiertag handelt (vgl. dazu VG Düsseldorf, Urt. v. 11.03.2014 – 14 K 7129/13). Nein ein ganz „normaler“ Fall, in dem der spätere Kläger seinen Pkw auf einen Platz abgestellte hatte, der durch Zeichen 314 (Parken) nebst Zusatzzeichen mit Rollstuhlfahrersinnbild Personen mit einem Sonderparkausweis für schwerbehinderte Menschen gekennzeichnet war. Unter dem Zeichen 314 (Parken) mit Zusatzzeichen befand sich ein weiteres Zusatzzeichen mit Bild 318 (Parkscheibe) und der Aufschrift „2 Std.“ sowie darunter ein Zusatzzeichen mit der Aufschrift „Mo – Fr 8 – 18 h“. Einen Sonderparkausweis für schwerbehinderte Menschen lag im Fahrzeug des Klägers nicht aus. Auf Veranlassung eines Mitarbeiters der beklagten Gemeinde wurde dann ein Abschleppfahrzeug angefordert, welches das Kraftfahrzeug des Klägers in Sichtweite um fünf Meter nach hinten auf einen freigehaltenen Parkplatz versetzte. Und um die dadurch entstandenen Kosten ging es dann beim VG. Das VG hat zugesprochen und das – letztlich – nur knapp begründet, denn viel einzuwenden gab es da grundsätzlich nicht:

In materieller Hinsicht sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der vorgenannten Ermächtigungsgrundlage erfüllt. Hiernach hat der für eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit verantwortliche Störer die durch eine rechtmäßige Ersatzvornahme ohne vorausgehenden Verwaltungsakt entstandenen Kosten zu tragen. Die insoweit vorausgesetzte gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestand vorliegend. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit im polizei- und ordnungsrechtlichen Sinne ist bei einer Beeinträchtigung von Individualrechtsgütern, bei einem Verstoß gegen die objektive Rechtsordnung – mithin bei einer Zuwiderhandlung gegen formelle und materielle Gesetze – sowie bei einer Beeinträchtigung des Bestandes und der Veranstaltungen des Staates gegeben.

Vorliegend war eine Zuwiderhandlung gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften gegeben. Im Zeitpunkt des Einschreitens der Beklagten lag ein Verstoß gegen § 42 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung (StVO) i.V.m. lfd. Nr. 7 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO vor. In Straßenabschnitten auf denen das Zeichen 314 (Parken) durch ein Zusatzzeichen mit Rollstuhlfahrersinnbild ergänzt wird, ist die Parkberechtigung ausschließlich auf schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder mit vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie auf blinde Menschen beschränkt. Die Parkerlaubnis gilt – auch für den berechtigten Personenkreis – nur, wenn ein entsprechender Parkausweis gut lesbar im Fahrzeug ausgelegt oder angebracht ist. Fahrzeugführern, die nicht an einer Schwerbehinderung im vorgenannten Sinne leiden, ist das Parken auf derartigen Straßenabschnitten ausnahmslos verboten. Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 11.03.2014 – 14 K 7129/13 -, Rn. 27, […].

Also: Lieber weitersuchen nach einem freien Parkplatz, sonst kann es teuer werden.

 

Das mobile Verkehrsschild, oder: Teures Feiern…

entnommen wikimedia.org Urheber Mediatus

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Urheber Mediatus

Tja, Pech gehabt. Da parkt der Kläger seinen Pkw am Freitagabend. Als er ihn dann  am Samstag wieder benutzen will, ist er abgeschleppt. Und die Abschleppkosten soll der Kläger zahlen. Der will nicht und klagt gegen den entsprechenden Leistungsbescheid. Das VG Düsseldorf gibt der Gemeinde im VG, Düsseldorf, Urt. v. 04.02.2014 – 14 K 4595/13 – Recht und sagt: salopp ausgedrückt: Nicht aufgepasst mein Freund. Denn:

In dem Bereich, in dem der Kläger geparkt hatte, war wegen eines Karnevalsumzugs ein mobiles Verkehrsschild aufgestellt. Das VG sagt dazu: Stellt ein Fahrzeugführer sein Fahrzeug in einem Bereich ab, in dem zuvor wegen eines Karnevalsumzuges durch Aufstellen mobiler Verkehrszeichen eine absolute Haltverbotszone eingerichtet wurde, so kann er sich im Nachhinein nicht auf die Rechtswidrigkeit des Leistungsbescheides nach einer ordnungsgemäß durchgeführten Abschleppmaßnahme berufen. In Bezug auf Einschränkungen des Parkens und Haltens ist ein Verkehrsteilnehmer nämlich  grundsätzlich verpflichtet, sich nach vorhandenen Verkehrszeichen mit Sorgfalt umzusehen und sich über den örtlichen und zeitlichen Geltungsbereich eines mobilen Haltverbotsschilds zu informieren. Dabei muss er jedenfalls den leicht einsehbaren Nahbereich auf das Vorhandensein verkehrsrechtlicher Regelungen überprüfen, bevor er sein Fahrzeug endgültig abstellt.

War dann wohl eine teure Karnevalsfeier – wenn der Kläger da war oder da hin wollte….

Die eineiigen Zwillinge im Verkehrsrecht

entnommen openclipart.org

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Weltweit ist – so sagt es Wikidpedia – im Schnitt jede 40. Geburt eine Zwillingsgeburt. Die Verteilung der Geburtenraten eineiiger zu zweieiigen Zwillingen verändert sich nach Jahr und Region zwischen 1:4 bis 1:1. Entsprechend dieser Häufigkeit haben wir auch immer wieder, zwar nicht häufig, aber eben doch immer mal wieder im Verkehrs(straf)-/OWi-Recht mit (eineiigen) Zwillingen zu tun. Da gab es vor einiger Zeit den OLG Celle, Beschl. v. 31.o 8.2010 – 311 SsRs 54/10 (vgl. dazu Wir sind eineiige Brüder, oder ….). In dem Verfahren ging es um einen Beweisantrag zur  Frage des Fahrers eines Pkws mit der Behauptung: Mein Bruder ist gefahren und der ist eineiiger Zwillingsbruder und „gleicht mir wie ein Ei dem anderen“.

Um eineiige Zweillinge geht es auch im VG Düsseldorf, Urt. v. 16.07.2014 – 6 K 4161/13. Da war mit dem Pkw der Klägerin eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen worden. Von dem Verkehrsverstoß lag ein ein Lichtbild des Fahrers vor. Die Klägerin machte von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Von der Ermittlungsbehörde wurde dann mitgeteilt, dass es sich bei dem verantwortlichen Fahrzeugführer vermutlich um einen Sohn der Klägerin handele. Die OWi-Behörde forderte daraufhin Lichtbilder sowohl von ihm als auch von seinem eineiigen Zwillingsbruder an. Bei einer erneuten Befragung berief sich die Klägerin erneut auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Die Ermittlungen wurden eingestellt und gegen die Klägerin die Führung eines Fahrtenbuches angeordnet. Dagegen hat sie geklagt und hat – man ist, da die VG ja sonst sehr weitgehend alles absegnen, was die Verwaltungsbehörden nicht getan haben, erstaunt  – Erfolg. Dem VG haben bei der Sachlage die Aktivitäten der Verwaltungsbehörde dann doch nicht gereicht:

Ungeachtet dessen hat die OWi-Behörde ihrer Ermittlungspflicht nicht hinreichend Rechnung getragen. Sie hat nicht alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen, um den Täter zu ermitteln.

Nach Aktenlage lag nach Abgleich der Passbilder mit dem Fahrerfoto für die OWi-Behörde Anfang Januar 2013 und damit ein Monat vor Ablauf der Verjährungsfrist auf der Hand, dass einer der Söhne der Klägerin das Fahrzeug geführt und den Verkehrsverstoß begangen haben musste. Wäre die Klägerin ihren Halterpflichten nachgekommen, hätte sie der OWi-Behörde auch keine weitergehenden Angaben zum Kreis der möglichen Fahrer machen können, als der OWi-Behörde ohnehin zur Verfügung stand; nämlich dass einer ihrer beiden Zwillingssöhne der Fahrer war. Da die OWi-Behörde diese Information bereits besaß, war die Berufung der Klägerin auf ihr Schweigerecht nicht mehr kausal für die Nichtermittelbarkeit des Fahrers. Die OWi-Behörde hätte gegen die Zwillingssöhne ermitteln müssen, gleichviel ob diese wegen der Halterangabe oder durch sonstige Ermittlungen in den Täterkreis gerückt waren. Der OWi-Behörde stand im Januar 2013 auch noch ausreichend Zeit zur Verfügung, um diesem erfolgsversprechenden Ermittlungsansatz vor Eintritt der Verfolgungsverjährung (vgl. § 26 Abs. 3 Alt. 1 StVG) nachzugehen.

Es hätte an dieser Stelle zunächst nahe gelegen und wäre auch ohne großen Aufwand möglich gewesen, die Söhne persönlich anzuhören. Von einer solchen Anhörung hat die OWi-Behörde aber – anders als in dem von dem Beklagten zitierten Fall, welchem dem Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 17. Januar 2013 (2 K 1957/12) zu Grunde lag – aus nicht näher dargelegten Gründen abgesehen. Dabei erschien eine solche Anhörung auch nicht völlig aussichtslos. Denn es ist nicht von vornherein anzunehmen, dass sich die Söhne der Klägerin nicht zum Tatvorwurf geäußert hätten.

Da unbekannt geblieben ist, wie die Zwillingssöhne sich eingelassen hätten, lässt sich nicht sagen, dass weitere Bemühungen zur Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers allein deshalb erfolglos gewesen wären, weil es sich bei den Verdächtigen um eineiige Zwillinge handelte. Es ist nicht zwingend auszuschließen, dass der Fahrer sich zu erkennen gegeben hätte.

Für die Zukunft gilt: Sollten die Ermittlungen zu einem Verkehrsverstoß ergeben, dass als Täter ein eineiiger Zwilling in Betracht kommt, und kann aufgrund des ähnlichen äußeren Erscheinungsbildes nicht allein mit Hilfe des Fahrerfotos festgestellt werden, welcher Zwilling gefahren ist, sind die Zwillinge zu dem Verkehrsverstoß anzuhören. Ist auch nach Anhörung der Zwillinge die Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers unmöglich, kann die OWi-Behörde ihre Ermittlungen ohne Weiteres einstellen und der Beklagte eine Fahrtenbuchauflage erlassen.“